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HeilmittelverordnungKein Anspruch auf Langfristgenehmigung bei immer wieder auftretendem Behandlungsbedarf

Abo-Inhalt19.12.20244 Min. LesedauerVon RA Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler, baehrle-partner.de

| Wer eine Langfristgenehmigung (PP 05/2021, Seite 5) für eine Behandlung mit Manueller Therapie (MT) beantragt, muss beweisen, dass die entsprechenden Vorgaben der Heilmittelrichtlinie (HeilM-RL) erfüllt sind. Ein „immer wieder“ auftretender Behandlungsbedarf allein begründet noch keinen Anspruch auf eine Langfristgenehmigung (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.04.2024, Az. L 5 KR 352/21). |

Krankenkasse lehnt Antrag ab, Patient klagt erfolglos

Ein gesetzlich versicherter Patient litt im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats im Wesentlichen unter funktionellen Einschränkungen der Hals- (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS). Er war deswegen in regelmäßiger orthopädischer Behandlung. Am 10.02.2015 beantragte er die langfristige Genehmigung von Heilmitteln in Form von MT und Fangopackungen gemäß § 32 Abs. 1a Satz 3, 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Krankenkasse lehnte nach Einholung von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes den Antrag ab. U. a. empfahl sie dem Patienten, die während der bereits in Anspruch genommenen Krankengymnastikbehandlung erlernten Übungen selbstständig fortzuführen. Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Patient. Das Sozialgericht (SG) holte zwei Sachverständigengutachten ein und wies die Klage ab. Auch die Berufung des Patienten vor dem LSG scheiterte.

Wer an einer Erkrankung außerhalb der Diagnoseliste leidet, kann eine Langfristgenehmigung bei der Kasse beantragen

Gesetzlich Versicherte, die an einer Erkrankung leiden, die nicht in der Diagnoseliste der Anlage 2 zur HeilM-RL aufgeführt ist, können gemäß § 8 Abs. 3 Heilm-RL einen Antrag auf Feststellung eines langfristigen Heilmittelbedarfs stellen und somit eine langfristige Genehmigung der Krankenkasse erhalten. § 8 Abs. 5 HeilM-RL bestimmt die Anforderungen an eine solche Feststellung. § 8 Abs. 7 HeilM-RL stellt klar, dass eine Genehmigung nach § 8 Abs. 3 HeilM-RL auch für mehrere Jahre oder sogar unbefristet erfolgen kann.

Allerdings begründet ein „immer wieder“ auftretender Behandlungsbedarf noch keinen Anspruch auf eine Langfristgenehmigung. Ein solcher Anspruch besteht nur, wenn die in § 8 Abs. 5 Satz 2 HeilM-RL geforderte Vergleichbarkeit der Schädigungen mit denen der in Anlage 2 genannten sowohl hinsichtlich der Diagnose als auch der Diagnosegruppe bzw. des Indikationsschlüssels gegeben ist. Wer eine Genehmigung für eine langfristige Therapie für eine nicht in der Anlage 2 der HeilM-RL genannte Erkrankung beantragt, muss darlegen und beweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Der Beweis wird durch ärztliche Befundberichte und Sachverständigengutachten geführt. Kann dieser Beweis nicht geführt werden, darf der Antrag abgelehnt werden.

Ohne vergleichbare Erkrankung wird der Antrag abgelehnt

Im geschilderten Sachverhalt zogen das SG und das LSG zahlreiche ärztliche Befundberichte und ärztliche Sachverständigengutachten zur Beweisaufnahme heran. Trotzdem erkannten sie beim Kläger weder eine Erkrankung, auf die eine der Diagnosen der Anlage 2 zur HeilM-RL zutrifft, noch eine solche, die mit einer dort genannten Diagnose vergleichbar ist.

§ 8 Abs. 5 HeilM-RL (Auszug)

„... Eine vergleichbare schwere dauerhafte funktionelle/strukturelle Schädigung liegt dann vor, wenn die bei dem Versicherten bestehenden funktionellen/strukturellen Schädigungen vergleichbar mit der Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen sind, wie sie bei Diagnosen aus der Anlage 2 zu erwarten sind. Eine Schwere und Langfristigkeit im Sinne von § 8a Abs. 3 HeilM-RL kann sich auch aus der Summe mehrerer einzelner funktioneller/struktureller Schädigungen und Beeinträchtigungen der individuellen Aktivitäten ergeben ...“

Ein erster vom Gericht beauftragter Sachverständiger kam nach Auswertung der durch die behandelnden Ärzte zur Verfügung gestellten Befundberichte zum Ergebnis, dass eine Diagnose nach Anlage 2 zur HeilM-RL beim Kläger nicht gestellt werden könne. Auch eine vergleichbare Diagnose käme nicht in Betracht. Für den Sachverständigen waren beim Kläger keine strukturellen oder funktionellen Einschränkungen ersichtlich.

Ein zweiter – vom Kläger beantragter – Sachverständiger stellte ebenfalls fest, dass keine in der Anlage 2 zur HeilM-RL genannte Diagnose vorliegt. Er sah pauschal eine Vergleichbarkeit, ohne allerdings zu konkretisieren, ob und inwiefern eine Vergleichbarkeit mit einer in Anlage 2 zur HeilM-RL ausgeführten Diagnose in Betracht kommt oder kommen könnte. Er stellte nur dar, dass bei dem Kläger ein chronifiziertes Beschwerdebild im HWS- und LWS-Bereich vorliegt und ein gesteigerter Therapiebedarf zu erwarten ist. Dies ist aber unabhängig von der Frage der Vergleichbarkeit der Erkrankung zu betrachten. Die Erwartung eines gesteigerten Therapiebedarfs allein führt nicht zu einer Vergleichbarkeit der Diagnosen i. S. v. § 8a Abs. 3 HeilM-RL. Weitere Ausführungen dieses Sachverständigen u. a. zur familiären Situation des Klägers (z. B. pflegebedürftige Tochter) waren nach Auffassung des Gerichts irrelevant.

Weitere Verordnungen trotz Ablehnung möglich

Das Gericht wies zum Abschluss seiner Begründung darauf hin, dass die Ablehnung des Antrags auf Genehmigung einer Langfristverordnung nicht dazu geführt hatte, dass der Kläger keine Krankengymnastik sowie Fangopackungen mehr erhalten hat. Die beklagte Krankenkasse hatte eine durchgängige Verordnung des Klägers mit Heilmitteln auch ohne Genehmigung einer langfristigen Verordnung sichergestellt.

Fazit | Leidet ein Patient an einer Erkrankung, deren Diagnose nicht in der Anlage 2 zur HeilM-RL aufgeführt ist, kann ihm auf Antrag dennoch eine langfristige Verordnung genehmigt werden. Allerdings muss der Patient beweisen können, dass die zu seinen Erkrankungen getroffenen Diagnosen in der Schwere und Dauerhaftigkeit mit einer der in Anlage 2 zur HeilM-RL genannten Diagnosen vergleichbar sind. Kann er die Vergleichbarkeit nicht nachweisen, darf die Krankenkasse den gestellten Antrag ablehnen.

AUSGABE: PP 1/2025, S. 3 · ID: 50263901

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