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Besonderer KündigungsschutzKündigung in Mutterschutz und Elternzeit sowie von Azubis oder Schwerbehinderten

Abo-Inhalt28.05.2024632 Min. LesedauerVon RAin Heike Mareck, externe Datenschutzbeauftragte, Dortmund

| Für bestimmte Arbeitnehmergruppen gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Dazu gehören u. a. Auszubildende, Schwerbehinderte, Schwangere sowie Mütter und Väter, die in Elternzeit sind. Doch wie ist die Rechtslage hier genau und wie haben sich in jüngster Vergangenheit die Arbeitsgerichte hierzu positioniert? Nachfolgend ein kurzer rechtlicher Überblick und ausgewählte Gerichtsurteile. |

Die Kündigung des Azubis

Zwar kann während der Probezeit ein Ausbildungsvertrag (genau wie ein Arbeitsvertrag) beidseitig jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Allerdings ist die Probezeit einer Ausbildung in der Regel deutlich kürzer als normal. § 20 Berufsbildungsgesetz (BBiG) schreibt vor, dass die Probezeit einer Ausbildung höchstens vier Monate betragen darf.

Nach der Probezeit wird eine Kündigung für den Arbeitgeber schwieriger. Denn für die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses braucht der Arbeitgeber zwingend einen wichtigen Grund nach § 22 BBiG. Er kann gesetzlich nur fristlos kündigen. Eine einfache ordentliche Kündigung wie bei normalen Arbeitsverhältnissen ist seitens des Arbeitgebers nicht möglich. Einem Azubi kann daher gekündigt werden, wenn seine Pflichtverletzung ganz erheblich ist und somit ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt.

Erschlichene Krankschreibung

Wenn sich ein gesunder Auszubildender krankschreiben lässt, um eine Prüfung zu schwänzen, ist das eine schwere Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber kann dann gerechtfertigt sein (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 17.03.2022, Az. 5 Ca 1849/21). Dem Fitnessstudio als Arbeitgeber sei es daher auch unzumutbar, den Auszubildenden bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Denn „kein Auszubildender dürfe davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um eine Nachholprüfung handelt, zu entziehen“. Ob der angehende Sport- und Gesundheitstrainer sich die Krankschreibung dabei erschlichen habe oder sie ihm aus Gefälligkeit ausgestellt worden sei, sei dabei unerheblich, so das Arbeitsgericht.

Die Kündigung während des Mutterschutzes / der Elternzeit

In seiner Entscheidung vom 24.11.2022 stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass das Kündigungsverbot nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) gegenüber der werdenden Mutter 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin beginnt (Az. 2 AZR 11/22). Dies entspricht quasi der gesamten Schwangerschaft bzw. der Kündigungsschutz greift schon vor dem eigentlichen Schwangerschaftsbeginn. Kündigt der Arbeitgeber in diesem Zeitraum, ohne dass er von der Schwangerschaft wusste, hat die Mutter bis zu zwei Wochen nach Zugang der Kündigung Zeit, ihn darüber in Kenntnis zu setzen. Erst wenn diese Frist verstreicht, wird die Kündigung wirksam. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben dürfen (was bewiesen werden muss), genehmigt die zuständige Behörde eine Kündigung während des Mutterschutzes (z. B. bei Insolvenz des Betriebs).

Auch während der Elternzeit ist gemäß § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) eine ordentliche Kündigung aus Sicht des Arbeitgebers nicht möglich. Die Regelung gilt auch, wenn der Arbeitnehmer in Teilzeit tätig ist. Der Gesetzgeber erlaubt bis zu 30 Stunden als wöchentliche Arbeitszeit. Der Kündigungsschutz beginnt

  • frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und
  • frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes.

Ausnahme auch hier: Die zuständige Behörde erklärt die Kündigung für zulässig. Dies ist in der Regel jedoch nur der Fall, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber „nicht mehr zumutbar“ ist. Ausnahmen vom Kündigungsschutz gelten beispielsweise bei der Insolvenz oder teilweiser Betriebsschließung oder in Kleinbetrieben, also für Unternehmen, die auf längere Sicht (also „regelmäßig“) nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen; jedoch muss auch hier die zuständige Landesbehörde zustimmen.

Die Kündigung muss zuvor von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde genehmigt werden, wenn der Arbeitgeber dem sich in Elternzeit befindenden Arbeitnehmer kündigen möchte. Danach hat der Arbeitnehmer drei Wochen Zeit, um gegen die Kündigung zu klagen.

Gemäß einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg vom 05.07.2022 ist eine Änderungskündigung in der Elternzeit durchaus möglich. Der Arbeitgeber dürfe auch während der Elternzeit nach Zustimmung der gesetzlich zuständigen Stellen bei Wegfall des ursprünglichen Arbeitsplatzes wirksam betriebsbedingte Änderungskündigungen aussprechen. Bei Ablehnung des Änderungsangebots wandele sich eine solche Änderungskündigung in eine Beendigungskündigung um (Az. 16 Sa 1750/21).

Arbeitnehmer können dagegen in der Elternzeit unkompliziert kündigen. Häufig nutzen Arbeitnehmer die Elternzeit für die Suche nach neuen beruflichen Perspektiven und machen von diesem Recht Gebrauch. Aber Vorsicht, denn hier müssen Fristen beachtet werden: Nach § 19 BEEG kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.

Also, auch wenn im Arbeitsvertrag lediglich eine einmonatige Kündigungsfrist vereinbart ist, gilt im besonderen Fall der Elternzeit dennoch die Regelung einer Dreimonatsfrist. Eine Ausnahme kann angenommen werden, wenn eine einvernehmliche Regelung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschlossen wird, dass von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird – z. B. durch einen Aufhebungsvertrag.

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Will der Arbeitgeber einen schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen, muss er die Zustimmung zur Kündigung bereits vor der Kündigung bei dem zuständigen Inklusionsamt (zuvor: Integrationsamt) einholen (§ 168 SGB IX). Das Inklusionsamt prüft, ob die geplante Kündigung aufgrund der Behinderung oder aus einem anderen Grund erfolgt. Diesbezüglich entschied das BAG: „Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung i. S. v. § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte“ (Urteil vom 02.06.2022, Az. 8 AZR 191/21). Dieser Kündigungsschutz greift aber erst, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem schwerbehinderten Arbeitnehmer bereits seit sechs Monaten besteht (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

Die Zustimmung des Inklusionsamts ist auch dann vor einer Kündigung einzuholen, wenn die Behinderung des Arbeitnehmers noch nicht als Schwerbehinderung anerkannt worden ist. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer nur „objektiv schwerbehindert“ sein muss. Es genügt, wenn nach objektiven Maßstäben ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX vorliegt, unabhängig davon, ob dieser bereits festgestellt wurde. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber Belege dafür vorlegen kann, dass er den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung eingereicht hat. Außerdem muss das Inklusionsamt auch vorher angehört werden, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf einer Kündigung beruht wie z. B. im Falle einer teilweisen Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (§ 175 SGB IX).

Der Arbeitgeber muss zudem die Schwerbehindertenvertretung vor der Kündigung kontaktieren und über die geplante Kündigung in Kenntnis setzen. Die Schwerbehindertenvertretung ist zuvor anzuhören. Die Sechs-Monats- Ausnahme wie bei der Zustimmung des Inklusionsamts Integrationsamts nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, gilt hier nicht. Kündigt der Arbeitgeber, ohne zuvor mit der Schwerbehindertenvertretung gesprochen zu haben, ist die Kündigung unwirksam (§ 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX).

Hat der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine Kenntnis von der Schwerbehinderung, ist der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG verpflichtet, den Arbeitgeber hierüber spätestens innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung zu informieren. Ansonsten kann sich der Arbeitnehmer nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Nichtbeachtung der §§ 168 ff. SGB IX berufen. Davon unabhängig kann natürlich auch in diesem Fall die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam sein. Zudem ist die Drei-Wochen-Frist nach § 4 Kündigungsschutzgesetz zu beachten.

AUSGABE: PP 6/2024, S. 13 · ID: 50033978

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