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ArbeitsrechtErschüttert eine Krankmeldung nach Erhalt der Kündigung den Beweiswert der AUB nun doch?
| Manche Arbeitgeber nennen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) gern despektierlich „gelben Urlaubsschein“ – vor allem, wenn im Zusammenhang mit einer Kündigung eine „passgenaue“ AUB eingereicht wird. Die Hürden für eine Erschütterung des Beweiswerts sind hoch: Eine AUB nach Erhalt der Kündigung behält ihren Beweiswert. Denn für eine Erschütterung genügt der zeitliche Zusammenhang nicht (Landesarbeitsgericht [LAG] Niedersachsen, Urteil vom 08.03.2023, Az. 8 Sa 859/22, PP 09/2023, Seite 6). Daher scheuen viele Arbeitgeber die Konfrontation mit dem „kranken“ Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidung des LAG Niedersachsen nun kassiert (Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23) und damit am nahezu unerschütterlichen Beweiswert der AUB gekratzt. |
Entgeltfortzahlung: BAG gibt überwiegend dem Arbeitgeber Recht
Der Kläger legte am 02.05. eine AUB für die Zeit vom 02.05. bis 06.05. vor. Die Kündigung des Arbeitgebers vom 02.05. zum 31.05. ging dem Kläger am 03.05. zu. Mit Folgebescheinigungen vom 06.05. und 20.05. wurde die Arbeitsunfähigkeit (AU) schlussendlich bis zum 31.05. bescheinigt. Ab dem 01.06. war er wieder arbeitsfähig und nahm auch eine neue Beschäftigung auf. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung. Begründung: Der Beweiswert der vorgelegten AUB sei erschüttert. Dem widersprach der Kläger, weil die AU bereits vor Zugang der Kündigung bestanden habe. Die Vorinstanzen hatten der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.05. stattgegeben; das BAG hob diese Entscheidung auf: Für den Zeitraum 07.05. bis 31.05. hatte der Arbeitgeber Erfolg.
BAG sah den Beweiswert der Folge-AUB als erschüttert an
Ein Arbeitnehmer könne die von ihm behauptete AU mit einer AUB nachweisen. Der Beweiswert der AUB vom 02.05. war – im Gegensatz zu den Bescheinigungen vom 06.05. und 20.05. – nicht erschüttert, da der Kläger am 02.05. keine Kenntnis von der Kündigung hatte. Die weiteren AUB wurden jedoch nach der Kündigung ausgestellt. Bezüglich dieser AUB war der Beweiswert damit erschüttert. Hier hatte das LAG insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der AU und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestand und der Kläger direkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen hatte. Daher hatte nunmehr der Kläger für diesen Zeitraum die volle Darlegungs- und Beweislast, um seinen Entgeltfortzahlungsanspruch durchzusetzen.
Sie können als Arbeitgeber eine passgenaue AUB hinterfragen Praxistipp | Das BAG hat hier die Sache zurückverwiesen, da das LAG zur Frage, ob der Kläger tatsächlich krank war, keine Feststellungen getroffen hatte. Sie können also durchaus die behauptete AU hinterfragen; der Arbeitnehmer kann jedoch im späteren Prozess beweisen, dass er tatsächlich krank war. |
AUSGABE: PP 4/2024, S. 7 · ID: 49891475