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AußensteuerrechtZurechnungsbesteuerung für Stiftungen nach dem AStG europarechtswidrig

Abo-Inhalt27.06.20254 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Der BFH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass sich nicht nur Familienstiftungen mit Sitz in der EU bzw. im EWR auf die Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung berufen können, sondern auch Familienstiftungen mit Sitz in Drittländern (BFH 3.12.24, IX R 32/22, BB 25, 981). |

Sachverhalt

Das FA hatte das Stiftungseinkommen bzw. die Stiftungseinkünfte einer schweizerischen Familienstiftung den in Deutschland lebenden Begünstigten nach § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet, obwohl die Stiftung keine Ausschüttungen an die Begünstigten vorgenommen hatte.

Eine Ausnahme von der Zurechnung versagte das FA nach § 15 Abs. 6 AStG, da sich Sitz und Geschäftsleitung der Stiftung in der Schweiz und damit in einem Drittland befanden. Nach dem Wortlaut seien Stiftungen in Drittländern nicht von der Ausnahmevorschrift erfasst. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren der gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten der Feststellungsbeteiligten hatte die Klage sowohl vor dem FG Hessen (13.7.22, 8 K 1466/19, DStRE 23, 1464) als auch jetzt vor dem BFH Erfolg.

Anmerkungen

Das Besprechungsurteil betrifft die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG bei Familienstiftungen im Drittstaat und deren Vereinbarkeit mit der EU-Kapitalverkehrsfreiheit. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 AStG werden Vermögen und Einkünfte einer Familienstiftung, die Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des AStG hat (ausländische Familienstiftung), dem Stifter, wenn er unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind, entsprechend ihrem Anteil zugerechnet. Familienstiftungen sind nach § 15 Abs. 2 AStG Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind.

Nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG erfolgt keine Zurechnungsbesteuerung, wenn eine Familienstiftung Geschäftsleitung oder Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR hat, dem Stifter und den Begünstigten die Verfügungsmacht über das Vermögen der Stiftung (bzw. des Trusts) rechtlich und tatsächlich entzogen ist und ein hinreichender Informationsaustausch zwischen Deutschland und dem Sitz- bzw. Geschäftsleitungsstaat der Familienstiftung (bzw. des Familientrust) besteht.

Der BFH hat jetzt entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch für Drittstaatensachverhalte gilt und die Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung auch für Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Drittstaat gelten kann. Hierzu stellt der BFH fest:

  • Eine gesicherte Rechtsposition für die „Anfallsberechtigung“ nach § 15 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AStG liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger objektiv betrachtet eine begründete Aussicht hat, im Falle der Liquidation der Stiftung Auszahlungen zu erhalten (BFH 2.2.94, I R 66/92, BStBl II 94, 727). Im Streitfall waren diese Voraussetzungen gegeben, da es sich um eine ausländische Familienstiftung handelte. Die Feststellungsbeteiligten waren Angehörige oder Abkömmlinge der Stifterin und hatten eine Anfallsberechtigung von mehr als der Hälfte.
  • Beachten Sie | Die Beurteilung, ob ein Steuerpflichtiger „anfallsberechtigt“ ist, erfolgt nach dem Prinzip der „veranlagungszeitraumbezogenen Besteuerung“. Die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen sind danach in jedem Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen (BFH 22.10.15, IV R 17/13, BStBl II 16, 219). In der Zukunft eintretende Umstände führen also nicht zu einer rückwirkenden Annahme einer Anfallsberechtigung, sondern begründen eine solche erst bei ihrem Vorliegen.
  • Im Streitfall kommt allerdings aus unionsrechtlichen Gründen eine Zurechnung nicht in Betracht. Die Kapitalverkehrsfreiheit regelt, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs und des Zahlungsverkehrs zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind. Damit es nicht zu einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit kommt, ist § 15 Abs. 6 AStG auch auf Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Drittstaat (hier: Schweiz) anwendbar.
  • Für die Beurteilung, ob das Stiftungsvermögen gemäß § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG der Verfügungsmacht der in Abs. 2 und 3 genannten Personen „rechtlich und tatsächlich“ entzogen ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt: Aus dem Stiftungsstatut ergab sich keine unmittelbare Weisungsbefugnis der Destinatäre gegenüber dem Stiftungsrat. Da der Stiftungsrat nach dem Statut über die Verwendung des Stiftungskapitals und der Erträgnisse nach freiem Ermessen entscheidet, stehen den Destinatären keine klagbaren Ansprüche gegen die Stiftung zu.

Relevanz für die Praxis

Der BFH hat in gleichem Sinne auch in den Parallelverfahren BFH IX R 31/22; IX R 15/24 und IX R 16/24 entschieden und damit wichtige Praxisfragen im Kontext mit der Zurechnungsbesteuerung ausländischer Familienstiftungen geklärt. Aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts leitet der BFH vor allem ab, dass § 15 Abs. 6 AStG auch in Drittstaatenfällen gilt.

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung vor allem, dass sich die Begünstigten der im Common-Law-Raum weitverbreiteten Trusts auch auf die Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung berufen können. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Erweiterung auf den Umfang der Zurechnungsbesteuerung nach dem AStG auswirken wird.

Weiterführender Hinweis
  • Zur Zurechnungsbesteuerung für die Begünstigten eines Trusts siehe ausführlich Schienke-Ohletz/Nagel, PIStB 23, 336

AUSGABE: PIStB 7/2025, S. 178 · ID: 50439598

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