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VerrechnungspreiseKonzerninterne Darlehen nach § 1 Abs. 3d AStG – steuerliche Herausforderungen (Teil 1)

Abo-Inhalt28.05.20258 Min. LesedauerVon StB Dr. Jens Denninger, München und Dr. Stefan Greil, LL. M., Berlinvon StB Dr. Jens Denninger, München und Dr. Stefan Greil, LL. M., Berlin

| Finanzierungstransaktionen zwischen verbundenen Unternehmen stehen zunehmend im Fokus der Betriebsprüfung. Dabei wird die korrekte Gewinnzuordnung zwischen den Unternehmen diskutiert, da diese Transaktionen unter dem Vorbehalt des Fremdvergleichs stehen. Mit § 1 Abs. 3d AStG schafft der Gesetzgeber neue Vorgaben für die steuerliche Anerkennung solcher Finanzierungen und definiert nun verbindlich, wann diese als fremdüblich gelten – sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Einordnung und nicht allein die zivilrechtliche Ausgestaltung. |

1. Einführung

Da Kapital sehr mobil ist, eignen sich Finanzierungsstrukturen besonders für potenzielle Gewinnverlagerungen. Denn Unternehmen sind darauf bedacht, ihre Kosten zu senken, was auch eine Reduktion des Steueraufwands beinhaltet. Dies ruft bei Steuerverwaltungen in Ländern mit hohen Unternehmenssteuersätzen eine gewisse, teilweise berechtigte Skepsis hervor.

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2024 neue Regelungen zur Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 3d und 3e AStG eingeführt. Der nachfolgende Beitrag ist Teil 1 einer dreiteiligen Beitragsserie zu § 1 Abs. 3d AStG und geht zunächst auf die grundlegenden Herausforderungen für Konzernfinanzierungen sowie die Entwicklung der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Verwaltungsauffassung in jüngster Vergangenheit ein. Im zweiten und dritten Teil werden die gesetzlichen Vorgaben an Praxisbeispielen erläutert. Hierbei wird der Standardgeschäftsvorfall des § 1 Abs. 3d S. 2 AStG in Form eines Darlehens zwischen zwei verbundenen Unternehmen ohne Einschaltung einer funktions- und risikoarmen Finanzierungsgesellschaft betrachtet (vgl. dazu Greil/Padwalkar, Tax Notes International, Vol. 117 (2025), 10.).

2. Grundlegende Herausforderungen für Konzernfinanzierungen im Rahmen des Fremdvergleichs

Bei Finanzierungstransaktionen zwischen verbundenen Unternehmen ist der Fremdvergleichsgrundsatz besonders zu berücksichtigen. Diese Transaktionen haben oft Besonderheiten, die bei unabhängigen Marktteilnehmern nicht auftreten. Solche Besonderheiten können die Transaktion selbst sowie deren Vergleichbarkeit mit Markttransaktionen erheblich beeinflussen. Unabhängige Unternehmen können die Kapitalstruktur, Gewinnaussichten oder andere ökonomisch relevante Aspekte nicht beeinflussen. Verbundene Unternehmen hingegen haben die Möglichkeit, auf diese Faktoren Einfluss zu nehmen.

Die Muttergesellschaft kann maßgeblich die Eigenkapitalquote ihrer Tochtergesellschaft bestimmen. Durch ihre Gesellschafterstellung kann sie zudem das Risiko eines möglichen Kreditausfalls der Tochter minimieren. Auch Verrechnungspreisregelungen können die Gewinnaussichten innerhalb der Unternehmensgruppe beeinflussen. Diese Faktoren wirken sich auf die Kreditwürdigkeit der einzelnen Gesellschaften aus und tangieren somit auch die Zinssätze für interne Darlehen innerhalb der Unternehmensgruppe.

Beachten Sie | Wenn geprüft wird, ob bei verbundenen Unternehmen die Bedingungen ihrer geschäftlichen Beziehungen von denen unabhängiger Unternehmen abweichen, sollte dies nicht nur auf der Annahme basieren, wie fiktiv unabhängige Unternehmen handeln würden. Der Fremdvergleichsgrundsatz soll gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Besteuerung am Ort der wirtschaftlichen Aktivität sicherstellen. Dabei müssen die spezifischen Besonderheiten einer Unternehmensgruppe beachtet werden. Ein unreflektierter Vergleich kann sonst zu wirtschaftlich unsachgemäßen Ergebnissen führen.

Art. 9 Abs. OECD-MA behandelt Situationen, in denen durch Kontrolle eines Unternehmens über Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen fremdunübliche Ergebnisse entstehen. Diese Ergebnisse resultieren aus vereinbarten oder auferlegten Bedingungen, die nicht marktüblich sind. Bei der Beurteilung, ob Gewinne durch solche Bedingungen gemindert wurden, sind insbesondere ökonomische Überlegungen wichtig. Beispielsweise führt ein niedrigerer Zinssatz für ein Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen nicht automatisch zu einer Korrektur. Dies kann durch geringere Transaktionskosten zwischen den Unternehmen begründet sein. Diese ökonomischen Überlegungen sind sowohl beim Fremdvergleich dem Grunde als auch der Höhe nach zu berücksichtigen.

2.1 BFH-Rechtsprechung zum Fremdvergleich

In den letzten Jahren war der Fremdvergleich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach wiederholt Gegenstand der BFH-Rechtsprechung. Hierbei arbeitete der BFH Leitlinien und Kriterien heraus, die Eingang in § 1 Abs. 3d AStG gefunden haben. Nachfolgend wird daher auf die jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung eingegangen.

  • a) Zum Fremdvergleich dem Grunde nach
  • Mit Pressemitteilung Nr. 019/19 vom 15.5.19 (s. www.iww.de/s12875) hat der BFH eine Änderung der Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung gemäß Art. 9 Abs. 1 des OECD-MA verkündet (BFH 27.2.19, I R 73/16, BStBl II 19, 394; s. ausführlich Hagemann/Luhmann/Meger, PIStB 20, 4). Das BVerfG hat mit Beschluss vom 4.2.21 (2 BvR 1161/19) zwar der Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil stattgegeben und die Angelegenheit an den BFH zurückverwiesen. Dieser bestätigte jedoch im Wesentlichen die bisherige Senatsrechtsprechung (BFH 13.1.22, I R 15/21, BB 22, 1493; s. auch PIStB 22, 272).
  • Beachten Sie | Der BFH hatte diese neue Rechtsprechung in einer Reihe von weiteren Urteilen, die sich mit der Finanzierung ausländischer Tochtergesellschaften durch inländische Gesellschafter befassten, bestätigt und verfestigt (zu den relevanten Urteilen zählen u. a. BFH 27.2.19, I R 81/17, DB 19, 2221; BFH 19.6.19, I R 5/17, BFH/NV 20, 183; I R 54/17, IStR 20, 230; BFH 14.8.19, I R 14/18, BFH/NV 20, 755; BFH 19.12.19, I R 72/17, BFH/NV 20, 1049; BFH 19.2.20, I R 19/17, BStBl II 21, 223 und BFH 9.6.21, I R 32/17, BStBl 23 II, 686).
  • Konkret ging es um
    • gewinnmindernde Teilwertabschreibungen und Ausbuchung von Darlehensforderungen ggü. ausländischen Tochtergesellschaften sowie
    • die fremdunübliche fehlende Besicherung von Darlehen und die Irrelevanz des sog. Konzernrückhalts.
  • Im Rahmen dieser Rechtsprechung stellte der BFH insbesondere darauf ab, ob
    • das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der Schuldnerin übergehen soll und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt ist oder
    • die Beteiligten – im Sinne einer ernstlichen Abrede – von einer Kapitalüberlassung auf Zeit und von einer Durchführung des Darlehensvertrags mit Darlehensrückzahlung ausgehen (BFH 14.8.21, I R 21/18, BFH/NV 20, 759, Rz. 14 und BFH 13.1.22, I R 15/21, BStBl II 23, 675, Rz. 26).
  • Darüber hinaus konkretisierte der BFH die zu prüfenden Kriterien für den Fremdvergleich dem Grunde nach, die die Umstände des Vertragsabschlusses widerspiegeln. Demnach sind z. B. die berechtigten Ertragserwartungen des Kreditnehmers, der Einfluss des Kreditgebers auf dessen Geschäftstätigkeit sowie die grundsätzliche Bereitschaft, die kreditnehmende Gesellschaft im Geschäftsverkehr nach außen zu stützen, indiziell im Rahmen einer gebotenen Gesamtabwägung zu würdigen (BFH 14.8.21, I R 21/18, BFH/NV 20, 759, Rz. 16 und vom 13.1.22, I R 15/21, BStBl II 23, 675, Rz. 28).
  • b) Zum Fremdvergleich der Höhe nach
  • Zusätzlich beschäftigte sich der BFH in mehreren Verfahren mit dem Fremdvergleich der Höhe nach und formulierte auch hier Leitlinien zu dessen Prüfung:
    • Der Fremdvergleich der Höhe nach ist vorrangig mithilfe der Preisvergleichsmethode zu ermitteln (BFH 18.5.21, I R 4/17, BStBl II 23, 678, Rz. 40, 56).
    • Bei der Beurteilung der Bonität ist nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern vielmehr die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend (sog. Stand-alone-Rating).
    • Die fehlende Darlehensbesicherung ist bei nachrangigen Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) im Rahmen der Zinsbemessung durch einen Risikozuschlag auszugleichen (BFH 18.5.21, I R 62/17, BStBl II 23, 723, Rz. 14, 15).

2.2 Gesetzliche Neujustierung durch § 1 Abs. 3d AStG

Das BMF nahm die Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (sog. ATAD I, Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.16) zum Anlass, sich u. a. auch mit Finanzierungstransaktionen zwischen nahestehenden Personen zu beschäftigen, da solche Finanzierungen – trotz Fremdvergleichsgrundsatz – ein erhöhtes Potenzial an Gewinnverlagerungsstrategien bergen (BMF, Referentenentwurf des ATAD-UmsG vom 10.12.19, 68 und 24.3.20, 75). Zur Verminderung dieser Gewinnverlagerungsstrategien und um den Steuerpflichtigen eine eindeutige Handhabe zur Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes zu geben, sollte durch das ATAD-UmsG eine Korrekturvorschrift für Aufwendungen aus grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb multinationaler Unternehmensgruppen eingeführt werden (sog. § 1a AStG-E). Die Vorschrift enthielt Regelungen zur Konkretisierung des Fremdvergleichs dem Grunde und der Höhe nach. § 1a AStG-E wurde jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren des ATAD-UmsG (Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie vom 25.6.21, BGBl I 21, 2035) aussortiert und letztlich nicht eingeführt.

Die gesetzliche Regelung der nahezu identischen Vorschrift in § 1 Abs. 3d und 3e AStG erfolgte vier Jahre nach dem ursprünglichen Vorschlag. Diese Bestimmungen wurden auf Initiative des Bundesrats im Rahmen des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.24 (BGBl I 24, 108) eingeführt. Sie ersetzte die ursprünglich im Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes geplante Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E; weitere Details finden sich in den Empfehlungen der BR-Ausschüsse vom 9.10.23).

Beachten Sie | Die neuen Regelungen gelten ab dem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2024 (§ 21 Abs. 1a S. 1 AStG). Allerdings wurde der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3d AStG durch das Jahressteuergesetz 2024 (BGBl I 2024, 387) eingeschränkt. Demnach ist § 1 Abs. 3d AStG auf bis zum 31.12.24 entstehende Aufwendungen nicht anzuwenden, die auf vor dem 1.1.24 zivilrechtlich vereinbarten und tatsächlich durchgeführten Finanzierungsbeziehungen beruhen [§ 21 Abs. 1a S. 2 AStG]. Werden diese Finanzierungsbeziehungen in 2024 wesentlich geändert, ist § 1 Abs. 3d AStG auf ab der Änderung entstehende Aufwendungen anwendbar (§ 21 Abs. 1a S. 3 AStG).

2.3 Verwaltungsauffassung zur Anwendung von § 1 Abs. 3d AStG

Als Konsequenz aus der Nichteinführung des § 1a AStG-E im Jahr 2021 nahm die Finanzverwaltung diese vorgesehenen Regelungen zum Fremdvergleich dem Grunde und der Höhe nach in Kapitel J. „Finanzierungsbeziehungen“ der aktualisierten Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 14.7.21 auf (BMF 14.7.21, IV B 5 – S 1341/19/10017 :001, BStBl I 21, 1098, Rn. 3.88-3.102). Zudem verwies die Finanzverwaltung in den aktualisierten Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise erstmals auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien vom Juli 2017 (s. Anl. 1 mit OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, Juli 2017, s. unter www.iww.de/s12974) und auf die Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen vom Februar 2020 (OECD, Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen inklusive Framework on BEPS – Aktionspunkte 4, 8–10, s. unter www.iww.de/s12885), die grundsätzlich auch Anwendung finden sollen.

Die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise wurden am 6.6.23 aktualisiert und es wurden die Grundsätze der o. g. BFH-Rechtsprechung vom 18.5.21 (I R 4/17, BStBl II 23, 678, Rz. 40, 56.) zum Fremdvergleich der Höhe nach übernommen (BMF 6.6.23, IV B 5 – S 1341/19/10017 :003, BStBl I 23, 1093, Tz. 2.3, 3.125-3.136).

Mit Datum vom 12.12.24 erfuhren die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWG VP 2024) eine erneute Anpassung und es wurde die Finanzverwaltungsauffassung zur Interpretation des nunmehr in § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG gesetzlich normierten Fremdvergleichs dem Grunde und der Höhe nach aufgenommen (BMF 12.12.2, IV B 3 – S 1341/19/10017 :004, BStBl I 25, 207, Tz. 3.121-3.156). Die in den VWG VP 2024 enthaltenen Verwaltungsanweisungen zu Finanzierungsbeziehungen sind gemäß Tz. 6.2 erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.

Weiterführender Hinweis
  • Der zweite Teil erscheint in der nächsten Ausgabe und erläutert die Regelungen in § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG zur Konkretisierung des Fremdvergleichs dem Grunde nach anhand von Praxisbeispielen. Der dritte und letzte Teil befasst sich mit dem Fremdvergleich der Höhe nach bei Konzernfinanzierungen.

Zu den Autoren | Dr. Jens Denninger ist Steuerberater und Counsel bei A&O Shearman sowie Lehrbeauftragter im Studiengang LL. M. Unternehmenssteuerrecht der Universität zu Köln. Dr. Stefan Greil ist u. a. Lehrbeauftragter für Internationale Besteuerung an der Universität Paderborn. Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und spiegelt daher lediglich die persönliche Auffassung der beiden Autoren.

AUSGABE: PIStB 6/2025, S. 160 · ID: 50406523

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