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DBA-SchweizBei der Einkunftsbesteuerung eines Piloten gilt das Territorialitätsprinzip
| Die Einkünfte eines im Inland ansässigen Piloten, der für ein Unternehmen in der Schweiz im internationalen Luftverkehr arbeitet, sind nicht vollständig in Deutschland steuerfrei. Der BFH hat entschieden, dass die Steuerfreistellung in Deutschland nur insoweit gilt, als der Pilot seine Tätigkeit nach dem Territorialitätsprinzip auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum ausübt (BFH 24.10.24, VI R 28/22, BB 25, 405). |
Sachverhalt
Der Pilot war in den Jahren 2013 und 2014 bei einer AG mit Geschäftssitz in der Schweiz angestellt und sowohl im nationalen Flugverkehr der Schweiz als auch im internationalen Flugverkehr tätig. Er hatte bereits im Jahr 2011 einen Wohnsitz in der Schweiz begründet. Sein Lebensmittelpunkt befand sich in den Streitjahren jedoch bei seiner Familie in Deutschland. Vom Arbeitslohn behielt der Schweizer Arbeitgeber schweizerische Quellensteuern ein. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte der Pilot steuerfreien Arbeitslohn nach dem DBA-Schweiz.
Das FA veranlagte die Steuer zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Bei einer späteren Überprüfung stellte das FA anhand der Flugpläne fest, dass der Pilot im Jahr 2013 überwiegend für innereuropäische Flüge aus der Schweiz sowie in die Schweiz eingesetzt war. Im Jahr 2014 flog er überwiegend Langstreckenflüge mit Start und Ziel in der Schweiz. Daraufhin unterwarf das FA bei der Steuerfestsetzung 2013 den Arbeitslohn des Piloten zu 57,53 % der deutschen Besteuerung. 42,47 % des Arbeitslohns wurden als steuerfrei behandelt, unterlagen aber dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG. Eine vergleichbare Korrektur erfolgte für den VZ 2014. Zudem berücksichtigte das FA in beiden Jahren den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.
Der Pilot legte Einspruch ein und machte zusätzlich Werbungskosten für die Jahre 2013 und 2014 geltend. Das FA wies den Einspruch zurück und begründete dies wie folgt: Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz weise der Schweiz kein ausschließliches Besteuerungsrecht zu. Es sei zwischen den Tätigkeiten in der Schweiz, die zu einer Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt führten, und Tätigkeiten in Deutschland und in Drittstaaten zu unterscheiden, die unter Anrechnung der Schweizer Steuer im Inland steuerpflichtig seien. Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA eine geänderte Aufteilung der Einkünfte (55 % auf Tätigkeiten in Deutschland und in Drittstaaten sowie 45 % auf Tätigkeiten in der Schweiz) fest und erkannte in diesem Umfang (55 %) auch die nachträglich erklärten Werbungskosten an. Außerdem nahm es eine Anrechnung der schweizerischen Quellensteuer i. H. v. 55 % vor.
Der im Anschluss erhobenen Klage des Piloten gab das FG Berlin-Brandenburg (24.6.21, K 2191/17, EFG 23, 484) ganz überwiegend statt. Ob eine Arbeit in der Schweiz ausgeübt werde, sei bei einem internationalen Flug allein danach zu betrachten, ob dieser in der Schweiz beginne oder ende. Dagegen sei keine Aufteilung auf Abschnitte in der Schweiz oder außerhalb der Schweiz vorzunehmen. Auf die Revision des FA hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Der BFH macht – strenger als das FG – das Besteuerungsrecht der Schweiz davon abhängig, dass der Steuerpflichtige seine Tätigkeit tatsächlich und nachweisbar in der Schweiz ausübt. Es begründet das im Wesentlichen wie folgt:
- Der Pilot war aufgrund seines inländischen Wohnsitzes nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG mit seinem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und auch abkommensrechtlich in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz).Welteinkommensprinzip und Ansässigkeit nach Mittelpunkt der Lebensinteressen
- Für die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Abs.1 Nr. 1 EStG) steht der Schweiz nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DBA-Schweiz zu. Vielmehr hat auch Deutschland als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.Aufteilung der Besteuerungsrechte
- Die Doppelbesteuerung der Einkünfte wird unter Anwendung der Freistellungsmethode in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d) DBA-Schweiz vermieden:
- Einkünfte des Piloten, die er für die Tätigkeit im Rahmen reiner Inlandsflüge in der Schweiz bezogen hat, sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da diese Tätigkeit als „in der Schweiz ausgeübt“ gilt.
- Die Einkünfte, die der Pilot im internationalen Verkehr bezogen hat, sind allerdings nur insoweit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, als die Tätigkeit territorial auf dem Boden oder im Luftraum über der Schweiz ausgeübt wurde. Denn nur soweit der Pilot auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum tätig geworden ist, gilt seine Tätigkeit i. S. d. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d) DBA-Schweiz als „in der Schweiz ausgeübt“.Geltung des Territorialitätsprinzips
- Da ausgehend vom Territorialitätsprinzip auf die physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Tätigkeitsstaat abgestellt wird, ist auch für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in der Schweiz ausgeübt“ in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d) DBA-Schweiz maßgeblich auf die Dauer der Tätigkeit für die Besteuerung abzustellen. Es kommt also – anders als das FG meint – nicht darauf an, dass der jeweilige Flug in der Schweiz begonnen und beendet worden ist. Ein anderes Auslegungsergebnis folgt weder aus Art. 15 Abs. 2 noch aus Art. 15 Abs. 3 S. 1 DBA-Schweiz.
Relevanz für die Praxis
Das FG Berlin-Brandenburg muss jetzt im zweiten Rechtsgang das „korrekte“ Aufteilungsverhältnis der in der Schweiz und nicht in der Schweiz ausgeübten Arbeitsanteile ermitteln. Denn hinsichtlich der internationalen Flüge ist eine Abgrenzung der Dauer der Tätigkeit in der Schweiz von der Dauer in anderen Staaten für die Anwendung der Freistellungsmethode in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 DBA-Schweiz erforderlich. Es ist hierbei ausschließlich auf die konkreten Arbeitstage abzustellen, wohingegen Urlaubs- und Krankheitstage bei der Bestimmung des Umfangs der tatsächlichen Arbeitsausübung außer Ansatz bleiben.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige ist für die Beibringung entsprechender Nachweise darlegungs- und beweispflichtig. Die entsprechenden Tätigkeitszeiten zu ermitteln, liegt zudem nicht außerhalb der tatsächlichen Möglichkeiten des Steuerpflichtigen (BFH 10.1.12, I R 36/11). Kann der Steuerpflichtige entsprechende Nachweise nicht vorlegen, kann das Gericht – allerdings wegen des Verböserungsverbots nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen – die Anteile der Arbeitsausübung auch schätzen (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO i. V. m. § 162 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 AO).
In der Praxis ist weiter zu beachten, dass ein im internationalen Luftverkehr tätiger Pilot kein Grenzgänger i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA-Schweiz sein kann. Das folgt daraus, dass ein solcher Arbeitnehmer abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Denn „Arbeitsort“ ist abkommensrechtlich grundsätzlich der Ort, wo sich der Arbeitnehmer zur Arbeitsausübung tatsächlich physisch aufhält, also an Bord des geführten Luftfahrzeugs.
Die arbeitsrechtliche Bestimmung des Arbeitsorts und damit die dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten (Inlands-)Flughafen ist deshalb für die Bestimmung der DBA-Besteuerungsrechte unerheblich. Diese ist nur relevant für die Bestimmung der „ersten Tätigkeitsstätte“ i. S. v. § 9 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG.
- Zur Grenzgängereigenschaft eines in der Schweiz ansässigen Piloten einer in Deutschland ansässigen Fluggesellschaft s. Peters, PIStB 25, 64
- Zur Anwendung der Anrechnungs- anstatt der Freistellungsmethode bei der Besteuerung eines in Deutschland ansässigen Piloten einer österreichischen Fluggesellschaft s. Kahlenberg, PIStB 15, 286
- Zur (fehlenden) Fiktion des Arbeitsortes für Arbeitnehmer an Bord von Binnenschiffen s. BFH 10.1.12, I R 36/11, BFH/NV 12, 1138
AUSGABE: PIStB 6/2025, S. 150 · ID: 50360325