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BetriebsstättengewinnermittlungKürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 EStG bei ausländischer Betriebsstätte

Abo-Inhalt28.03.20251123 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, ist auch dann vorzunehmen, wenn Deutschland abkommensrechtlich nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern. Das Urteil greift das Spannungsverhältnis zwischen Abkommensrecht und nationalem Steuerrecht auf und nimmt schließlich zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns Stellung (BFH 5.6.24, I R 32/20, DStR 24, 2520). |

Sachverhalt

Eine GmbH & Co. KG mit Sitz im Inland errichtete auf eigenen inländischen Grundstücken Wohnbauten und verkaufte anschließend diese Immobilien; zum Teil errichtete sie aber auch auf fremden inländischen Grundstücken Gebäude als Generalunternehmerin. Geschäftsleitung und Projektierung befanden sich in den Niederlanden. Die Bauarbeiten wurden durch über die Konzernzentrale in den Niederlanden verpflichtete Subunternehmer ausgeführt. Im Rahmen einer gemeinsamen Außenprüfung (Joint Audit) kamen die niederländische und die deutsche Steuerverwaltung zu folgendem Ergebnis:

  • Soweit es um die eigenen Grundstücke ging, unterstellte die Finanzverwaltung Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i. S. d. (alten) DBA-Niederlande. Danach sollten die Veräußerungsgewinne der GmbH & Co. KG in vollem Umfang der Besteuerung durch Deutschland unterliegen.
  • Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde offensichtlich bei einer Bauzeit bis zu zwölf Monaten unter Rückgriff auf das (alte) DBA-Niederlande eine inländische Betriebsstätte verneint. Gewinne sollten dann ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen. Bei längeren Bauprojekten wurde eine pauschale Gewinnaufteilung zwischen der ausländischen Geschäftsleitungs-/Planungs-Betriebsstätte und der deutschen Bauausführungsbetriebsstätte im Verhältnis 80 : 20 angenommen, sodass diese Gewinne zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten.

Diesen Aufteilungsmaßstab wandte das FA auch in Bezug auf die Gewerbesteuer an. Die GmbH & Co. KG beantragte eine Herabsetzung der Gewerbesteuermessbeträge auf 20 % der festgesetzten Beträge, weil der Aufteilungsmaßstab unzutreffend sei. Das FG Düsseldorf (28.5.20, 9 K 1904/18 G) gab der Klage teilweise statt und änderte die Bescheide insoweit, als eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wurde. Die hiergegen gerichtete Revision des FA war jetzt vor dem BFH ebenso erfolgreich wie die Anschlussrevision der GmbH & Co. KG (BFH 5.6.24, I R 32/20); jetzt muss das FG im zweiten Rechtszug erneut entscheiden.

Anmerkungen

Der Gewerbesteuer unterliegen nur im Inland betriebene Gewerbebetriebe. Der BFH hat entschieden, dass die Gesellschafter der KG (zwei GmbHs mit inländischem Verwaltungssitz) als Mitunternehmer auf der Ebene der KG einen Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG betreiben. Grundsätzlich wird ein Gewerbebetrieb im Inland betrieben, soweit für ihn eine inländische Betriebsstätte unterhalten wird. Einkünfte von im Ausland belegenen Betriebsstätten sind hingegen aus dem Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen. Hierzu stellt der BFH fest:

  • Auch für Zwecke der Gewerbesteuer gilt der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO (BFH 23.3.22, III R 35/20 , BStBl II 22, 844; R 2.9 GewStR). Die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte waren im Streitfall erfüllt: Soweit die KG inländische Grundstücke erworben, bebaut und weiterveräußert hat, handelt es sich bei den Grundstücken jeweils um „feste“ Geschäftseinrichtungen oder Anlagen i. S. v. § 12 S. 1 AO, die der Tätigkeit der KG gedient haben (BFH 2.4.14, I R 68/12, BStBl II 14, 875); soweit Bauarbeiten von mehr als sechs Monaten Dauer auf fremden Grundstücken ausgeführt wurden, lagen Bauausführungs-Betriebsstätten vor (§ 12 S. 2 Nr. 8 AO).
  • Beachten Sie | Die in einem DBA enthaltenen Betriebsstättendefinitionen sind hingegen ausschließlich für die Zwecke des Abkommens und nicht für die innerstaatliche Bestimmung des Objekts der Gewerbesteuer maßgeblich (BFH 20.7.16, I R 50/15; BStBl II 17, 230).
  • Einkünfte, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften – etwa einem DBA – als steuerfrei behandelt werden, gehen von vornherein nicht in den Gewerbeertrag ein (BFH 22.2.23, I R 35/22 [I R 32/18], BStBl II 23, 761). Nach dem DBA-Niederlande ist ein Teil des Gewinns aus den von der KG auf den fremden Grundstücken erbrachten Bauleistungen von der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auszunehmen, also zu kürzen.
    • Nach dem einschlägigen DBA-Niederlande i. d. F. 12.4.12 sind nur die Gesellschafter der KG abkommensberechtigte Personen, soweit sie nach Art. 3 Abs. 5 DBA-Niederlande in einem Vertragsstaat ansässig sind („Wohnsitz“), in dem sich der Ort ihrer Leitung befindet. Auf diese Abkommensberechtigung der Gesellschafter kann sich die KG aber berufen, weil sie die Steuerschuldnerin ist.
    • Die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt ( § 9 Nr. 3 GewStG), ist auch dann vorzunehmen, wenn Deutschland nach dem einschlägigen DBA nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern. Das gilt auch, wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung (Joint Audit) die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben. Im Rahmen der Außenprüfung von den beteiligten Steuerverwaltungen getroffene Feststellungen beinhalten also keine für den Steuerpflichtigen und die Gerichte verbindliche oder gesetzesüberschreibende Wirkung. Der der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnende Teil des Gewerbeertrags ist insoweit nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen und unterliegt also nicht der Gewerbesteuer. Dies entspricht dem strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer.
    • Die Gewinne aus dem Verkauf der bebauten Grundstücke sind demgegenüber nach dem DBA-Niederlande nicht anteilig von der Bemessungsgrundlage auszunehmen. Sie fallen vollständig unter Art. 4 DBA-Niederlande (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen), wenn die Bebauung vom Unternehmen selbst durchgeführt und das Grundvermögen dem Umlaufvermögen zugeordnet worden ist.

Relevanz für die Praxis

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der gesamte Gewerbeertrag der GmbH & Co. KG auf die den inländischen Betriebsstätten und die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Anteile aufzuteilen und nach § 9 Nr. 3 GewStG um den der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Teil zu kürzen ist. In der Praxis ist diese Aufteilung des Gewinns nicht unproblematisch und führte auch im Streitfall zur Rückverweisung an das FG. Insbesondere die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Aufteilung und Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke auf die deutschen und niederländischen Betriebsstätten von zwei Dritteln (Deutschland) zu einem Drittel (Niederlande) ist aus BFH-Sicht fehlerhaft.

Bei den Gewinnen aus den Bauausführungen auf fremdem Grund handelt es sich abkommensrechtlich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004. In welchem Umfang Deutschland abkommensrechtlich dafür das Besteuerungsrecht zusteht, hängt von der noch zu klärenden Frage ab, ob sich die Geschäftsleitung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG in Deutschland oder in den Niederlanden befindet.

  • Wären die beiden Gesellschafter der KG von Deutschland aus geleitet worden, hätte Deutschland das grundsätzliche Besteuerungsrecht. Die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Einkunftsteile sind dann von der Bemessungsgrundlage auszunehmen (Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 2 S. 1 DBA-Niederlande).
  • Wären hingegen die beiden Gesellschafter von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden, dürfte Deutschland die Gewinne nur insoweit besteuern, als sie durch eine im Inland belegene Betriebsstätte – und zwar i. S. d. abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Niederlande a. F. – erwirtschaftet worden sind. In diesem Fall hätten die Gesellschafter der KG nach Art. 3 Abs. 5 S. 1 DBA-Niederlande a. F. ihre abkommensrechtlichen „Wohnsitze“ am Ort der Leitung in den Niederlanden – ungeachtet der statutarischen Inlandssitze. Sie würden folglich als ein Unternehmen der Niederlande gelten (Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Niederlande a. F.). Bezieht nämlich eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten als Unternehmer oder Mitunternehmer Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen, das sich auf den anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) erstreckt, hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nur insoweit, als sie auf eine dort befindliche Betriebsstätte des Unternehmens entfallen (Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande a. F.).

AUSGABE: PIStB 4/2025, S. 91 · ID: 50251182

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