FeedbackAbschluss-Umfrage

DAC-7-UmsetzungsgesetzAktuelle Betriebsprüfungsfälle zu den erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten

Abo-Inhalt28.03.202516 Min. LesedauerVon StB Marc Oppermann, Düsseldorf

| Die folgenden fünf Betriebsprüfungsfälle (zu den letzten fünf Fällen, s. Oppermann PIStB 24, 315) behandeln ausschließlich Herausforderungen im Zusammenhang mit gesteigerten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten. Die lange geforderte Reform der Außenprüfung zum 1.1.25 zielt darauf ab, Betriebsprüfungen zeitnäher und effizienter durchzuführen. Für den Steuerpflichtigen bedeuten die Neuregelungen insbesondere Erweiterungen seiner Mitwirkungs-, Vorlage- und Berichtigungspflichten. |

1. Praxisrelevante Fragen

Einleitend sollen typische Fragen aus der Praxis zu Kernthemen der Beweislastverteilung, Sanktionen im Fall von Mitwirkungspflichtverletzungen sowie dem Vorliegen von im Wesentlichen verwertbarer bzw. unverwertbarer Verrechnungspreisdokumentationen aufgegriffen werden, welche vielfach von zentraler Bedeutung sind:

1.1 Wer trägt die Beweislast für Gewinnkorrekturen bei Verrechnungspreisanpassungen?

Die Frage der Beweislastverteilung bei steuerlichen Außenprüfungen im Bereich der Verrechnungspreise ist häufig Gegenstand kontroverser Diskussionen mit der Betriebsprüfung. Im Kern stellt sich in der Praxis häufig die Frage, welche Partei die aufklärungsbedürftigen Tatsachen darzulegen hat, was das hierfür angemessene Beweismaß ist und wer letztlich das Risiko und die Konsequenzen trägt, sofern diese Aufklärung nicht vollumfänglich erfolgen kann.

Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, insbesondere durch die Vorlage einer verwertbaren Verrechnungspreisdokumentation. Nur bei Erfüllung dieser Pflichten verbleibt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für Verrechnungspreisanpassungen bei der Betriebsprüfung, falls der Sachverhalt oder die Angemessenheit der Verrechnungspreise nicht vollständig geklärt werden kann. Mängel in der Begründung des Steuerpflichtigen allein reichen für eine Korrektur durch die Betriebsprüfung nicht aus. Nach Tz. 73 der Verwaltungsgrundsätze 2020 setzt eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 und 2 AO voraus, dass

  • 1. die vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreise mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem Fremdvergleich entsprechen (Stufe 1) und
  • 2. der von der Finanzbehörde ermittelte Verrechnungspreis zumindest wahrscheinlicher ist (Stufe 2).

1.2 Welche Sanktionen treffen Steuerpflichtige für den Fall einer Mitwirkungspflichtverletzung bei Verrechnungspreissachverhalten?

Bei Verletzung der Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit Verrechnungspreisfällen drohen nach den Neuregelungen des 4. Bürokratieentlastungsgesetzes (BGBl I 24, Nr. 323) u. U. erhebliche finanzielle Sanktionen wie:

  • Verzögerungsgeld
  • Verspätungszuschlag
  • Schätzungsbefugnisse der Finanzbehörde zulasten des Steuerpflichtigen
  • Nicht-Vorlage oder Unverwertbarkeit der Verrechnungspreisdokumentation
  • Mitwirkungsverzögerungsgeld und ggf. zusätzliche Zuschläge im Rahmen des qualifizierten Mitwirkungsverlangens
  • Zwangsmittel

Nachfolgend finden Sie eine tabellarische Veranschaulichung, wobei die Instrumente 3 bis 7 primär auf Verrechnungspreiskonstellationen zutreffen können:

Übersicht / 

  • 1. Verspätete Rückverlagerung der Buchhaltung ins Inland
Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2c AO
  • Auswahl- und Ermessensentscheidung: 2.500 EUR bis 250.000 EUR
  • 2. Verspätete Abgabe der Steuererklärung
Verspätungszuschlag gem. § 152 AO
  • Auswahl- und Ermessensentscheidung: bis max. 25.000 EUR
  • 3. Verspätete Abgabe verwertbarer Aufzeichnungen
Verspätungszuschlag gem. § 162 Abs. 4 S. 4 AO
  • Bei verspäteter Einreichung der Dokumentation mind. 100 EUR pro Tag der Fristüberschreitung; bis zu max. 1 Mio. EUR
  • 4. „Schlichte Verletzung“
Schätzungsbefugnis (aber nicht zum Nachteil) nach § 162 Abs. 2 AO
  • 5. „Qualifizierte Verletzung“:
  • Nichtabgabe bzw. Abgabe im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen oder nicht zeitnah erstellter Aufzeichnungen i. S. v. § 90 Abs. 3 S. 5 AO
Schätzungsbefugnis „zum Nachteil“ gem. § 162 Abs. 3 AO
  • Faktische Beweislastumkehr: Widerlegbare Vermutung, dass tatsächliche Einkünfte (bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes) höher sind als die erklärten Einkünfte
  • Schätzung: Anpassung der Einkünfte zuungunsten des Steuerpflichtigen innerhalb einer Bandbreite angemessener Preise möglich
  • Schätzung trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen auch dann möglich, wenn ausländische nahestehende Person (Konzernunternehmen) Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten nicht erfüllt
  • 6. Nichtabgabe bzw. Abgabe im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen oder Nichtvorlage der Transaktionsmatrix
Strafzuschläge gem. § 162 Abs. 4 S. 1 und 2 AO:
  • 5 % bis 10 % auf den Betrag der Einkünftekorrektur, die auf Basis der Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 3 AO ermittelt worden ist
  • Mindestens 5.000 EUR pro Geschäftsvorfall
  • 7. Nicht hinreichendes Nachkommen des qualifizierten Mitwirkungsverlangens in Außenprüfung
Mitwirkungsverzögerungsgeld gem. § 200a Abs. 2 AO
  • 75 EUR pro Tag der Mitwirkungsverzögerung; bis zu max. 150 Tage Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld gem. § 200a Abs. 3 AO
  • Auswahl- und Ermessensentscheidung bei Wiederholungsfällen oder Gefahr aufgrund wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit: max. 25.000 EUR pro Tag der Mitwirkungsverzögerung; bis zu max. 150 Tage = 3.750.000 EUR

Mit der Neuregelung des § 200a AO, die durch das DAC 7-Umsetzungsgesetz eingeführt wurde und ab 1.1.25 gilt, soll sichergestellt werden, dass Abschlussprüfungen trotz Mitwirkungspflichtverletzungen schneller und ohne Nachteile für die Finanzverwaltung abgeschlossen werden können.

Dazu wurde festgelegt, dass Prüfungsanordnungen gemäß § 197 Abs. 5 S. 3 AO spätestens bis zum Ablauf des Folgejahres nach Wirksamwerden des Steuerbescheids erlassen werden müssen. Zusätzlich begrenzt § 171 Abs. 4 S. 3 AO die Ablaufhemmung auf maximal fünf Jahre, gerechnet ab dem Folgejahr nach Wirksamwerden des Steuerbescheids, falls die Finanzbehörde eine Verzögerung zu vertreten hat (§ 197 Abs. 5 S. 2 AO).

Jedoch kann die Finanzverwaltung von § 200a AO profitieren:

  • Die Ablaufhemmung verlängert sich um die Dauer der Mitwirkungsverzögerung, mindestens aber um ein Jahr (§ 200a Abs. 4 S. 1 AO).
  • Keine Verlängerung tritt ein, wenn der Steuerpflichtige unverzüglich nachweist, dass die geforderte Mitwirkung für ihn unmöglich ist (§ 200a Abs. 4 S. 3 AO).

1.3 Schützt eine im Wesentlichen verwertbare Verrechnungspreisdokumentation vor Gewinnkorrekturen?

Verwertbare Aufzeichnungen sind die Grundlage für die Prüfung der Verrechnungspreise. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Berichtigungen durch die Finanzbehörde ausgeschlossen sind (Tz. 3.4.19 VGV 2005). Allerdings tritt grundsätzlich eine Schutzwirkung gegen Sanktionen ein, es sei denn, eine der folgenden Ausnahmen liegt vor:

  • a) Bei verspäteter Abgabe der im Wesentlichen verwertbaren Verrechnungspreisdokumentation ist ein Verspätungszuschlag von mind. 100 EUR pro Tag der Fristüberschreitung festzusetzen.
  • Beachten Sie | Die Verschärfungen des § 90 AO durch das sog. DAC-7-Umsetzungsgesetz Ende 2022 wurden durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz abgemildert. § 90 Abs. 3 und 4 wurden neu strukturiert und eine „Transaktionsmatrix“ wurde als zwingender Bestandteil einer Verrechnungspreisdokumentation eingeführt (s. ausführlich Schönfeld/Schwarz/Stein, PIStB 24, 325). Die verkürzte Vorlagefrist von 30 anstelle von 60 Tagen bleibt zwar bestehen, allerdings sind nach Erhalt der Prüfungsanordnung zunächst nur die Transaktionsmatrix, der Master File und die Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle innerhalb von 30 Tagen – ohne gesondertes Verlangen – vorzulegen.
  • b) Bei nachweisbar zu spät erstellter verwertbarer Verrechnungspreisdokumentation über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle kann die Finanzbehörde im Fall von Gewinnkorrekturen diese zulasten des Steuerpflichtigen schätzen.
  • c) Auch wenn verwertbare Aufzeichnungen vorliegen, kann eine Schätzungsbefugnis zulasten des Steuerpflichtigen bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn Anhaltspunkte dafürsprechen, dass die Einkünfte unter Fremdvergleichsbedingungen höher wären, jedoch Zweifel nicht aufgeklärt werden können, weil eine nahestehende ausländische Person ihre Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten nicht erfüllt (§ 90 Abs. 2, § 93 Abs. 1 AO). Diese Regelung wird in der Literatur sehr kritisch gesehen und von der herrschenden Meinung abgelehnt, „weil die ausländische Person keine Beteiligte ist, die gemäß § 90 Abs. 2 AO mitwirkungspflichtig wäre, und die deutsche Finanzverwaltung im Ausland keine hoheitlichen Aufgaben ausüben darf“ (Hanken/Kleinhietßaß/Lagarden; Verrechnungspreise – Praxisleitfaden für Controller und Steuerexperten, 4. Auflage [2023], 482).

1.4 Wann liegt eine im Wesentlichen unverwertbare Verrechnungspreisdokumentation i. S. d. § 162 Abs. 3 S. 4 AO vor?

Die Abgrenzung zwischen einer verwertbaren und einer unverwertbaren Verrechnungspreisdokumentation ist in der Praxis schwierig und bleibt mangels klarer gesetzlicher oder finanzgerichtlicher Vorgaben i. d. R. eine Einzelfallentscheidung mit erheblichem Beurteilungsspielraum. Nach herrschender Meinung ist eine Dokumentation unverwertbar, wenn die Mängel so gravierend sind, dass sie keine Aussagekraft zur Legitimation der Verrechnungspreise hat (Vögele/Borstell/van der Ham; Verrechnungspreise, 6. Auflage [2024], 1190). Besonders wichtig für die Anerkennung ist, dass die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen ein ernsthaftes Bemühen um eine fremdvergleichskonforme Gestaltung der Geschäftsbeziehungen erkennen lassen (§ 2 GAufzV 2017).

Aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) und den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen ist es begrüßenswert, dass die Finanzverwaltung bei als unverwertbar eingestuften Aufzeichnungen den Steuerpflichtigen unverzüglich informiert und zur Nachbesserung auffordert. Denn eine Unverwertbarkeit kann die Schätzung zulasten des Steuerpflichtigen (§ 163 Abs. 3 AO) sowie Strafzuschläge (§ 162 Abs. 4 AO) nach sich ziehen. Ein entsprechender Hinweis der Betriebsprüfung sollte unbedingt ernst genommen und idealerweise für einen Dialog mit der Finanzverwaltung genutzt werden

Praxistipp | Sollte die Finanzverwaltung – gestützt auf die Verwaltungsanweisungen – in einem EU-Fall überzogene Anforderungen stellen, kann im Dialog mit der Betriebsprüfung auf das BFH-Urteil vom 10.4.13 (I R 45/11) verwiesen werden. Der BFH stellt darin klar, dass dem Steuerpflichtigen der Klageweg offensteht. Die Pflicht zur Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation ist als potenziell diskriminierende Einschränkung der EU-Grundfreiheiten nur dann gerechtfertigt, wenn sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt und den mildest möglichen Eingriff darstellt (vgl. Busch, FR 13, 943).

2. Fünf Praxisfälle

Diskussionen über potenzielle Mitwirkungspflichtverletzungen sind in Betriebsprüfungen mit Auslandssachverhalten seit Jahren regelmäßig anzutreffen.

2.1 Neue Steuerfalle – keine gesonderte Anforderung der Verrechnungspreisdokumentation in Betriebsprüfungsfällen

Fall 1

Die Finanzverwaltung versendet am 10.4.25 per einfachem Brief eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2021 bis 2023 an die A-GmbH, in welchem die gesondert bezeichneten Aufzeichnungen des § 90 Abs. 4 S. 2 AO (Transaktionsmatrix, Master File und außergewöhnliche Geschäftsvorfälle) nicht gesondert angefordert werden. Die Prüfungsanordnung gilt damit grundsätzlich nach der neuen Vier-Tages-Fiktion am Montag, dem 14.4.25 als bekannt gegeben. Fristbeginn für die Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 4 S. 2 AO ist damit der 15.4.25 und die Frist endet mit Ablauf des 14.5.25 (Mittwoch, 24:00 Uhr).

Es kommt, wie es kommen muss. Mit Schreiben vom 13.7.25 setzt die Finanzverwaltung für die Dauer der bisher verwirklichten Fristüberschreitung (vom 15.5.25 bis zum 12.7.25) einen Zuschlag nach § 162 Abs. 4 S. 4 AO i. H. v. 15.000 EUR gegenüber der A-GmbH fest.

Beachten Sie | Nach Erhalt der Prüfungsanordnung sollten die Transaktionsmatrix, der sog. Master File, sowie Aufzeichnungen über die außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle zeitnah bzw. innerhalb von 30 Tagen nach § 90 Abs. 4 S. 2 AO vorgelegt werden, um einen Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO kategorisch auszuschließen.

2.2 Umgang mit ausufernden Anfragen

Fall 2

Anfrage Nr. 3.8 [Fall A]
Überlässt die Konzerngesellschaft Y die an die deutsche GmbH lizenzierten Rechte auch an andere (fremde/konzernverbundene) Unternehmen? Bejahendenfalls bitte ich um Angabe der Lizenznehmer und um Vorlage der im Wirtschaftsjahr 2022 geltenden Lizenzverträge.
Anfrage Nr. 3.9 [Fall B]
Neben den bereits eingereichten Konzernabschlussunterlagen einschließlich der konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse (sog. Handelsbilanzen II) der Konzernmuttergesellschaft möchte ich Sie hiermit um Vorlage aller Prüfungsberichte und Lageberichte aller ausländischen YX-Gesellschaften bitten.
Auf die Rechtsfolgen nach § 162 Abs. 2 und Abs. 3 AO bei Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 AO weise ich Sie hiermit ausdrücklich hin.

Im Fall A lag eine Lizenzierung der Konzerngesellschaft Y zwar an konzernverbundene Unternehmen, aber nicht an fremde Dritte vor. Die Vorlage sämtlicher Lizenzverträge innerhalb der Gruppe, obwohl in der Betriebsprüfung nur der Lizenzvertrag zwischen Y und der deutschen GmbH betroffen ist, sollte sich in der Praxis mit Verweis auf § 90 Abs. 1 S. 2 AO erfolgreich abwenden lassen:

§ 90 Abs. 1 S. 1 und 2 AO

„Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen […].“

Die Mitwirkungspflicht bezieht sich auf die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen. Konzerninterne Lizenzverträge stellen aber keine Basis für einen Fremdvergleich dar und müssen folglich nicht herausgegeben werden.

Im Fall B kann die Vorlagepflicht für lokale Prüfungs- und Lageberichte regelmäßig erfolgreich zurückgewiesen werden, da diese nicht entscheidungserheblich sind. Bei der Verrechnungspreisprüfung wird nicht das Gesamtergebnis auf Angemessenheit geprüft, sondern vielmehr eine geschäftsvorfallbezogene Analyse auf Basis segmentierter Daten vorgenommen. Zudem regelt der AEAO zu § 200 Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (bezüglich § 90 AO in der Außenprüfung) zu Jahres- bzw. Konzernabschlüssen Folgendes:

AEAO zu § 200 AO

„Die Bestimmung des Umfangs der Mitwirkung des Steuerpflichtigen liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Auf Anforderung hat der Steuerpflichtige vorhandene Aufzeichnungen und Unterlagen vorzulegen, die nach Einschätzung der Finanzbehörde für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung der Außenprüfung erforderlich sind, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich der steuerlichen Bedeutung bedarf.
Konzernunternehmen haben auf Anforderung insbesondere vorzulegen:
  • den Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers über die Konzernabschlüsse der Konzernmuttergesellschaft,
  • die Richtlinie der Konzernmuttergesellschaft zur Erstellung des Konzernabschlusses,
  • die konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse (sog. Handelsbilanzen II) der Konzernmuttergesellschaft,
  • Einzelabschlüsse und konsolidierungsfähige Einzelabschlüsse (sog. Handelsbilanzen II) von in- und ausländischen Konzernunternehmen.“

Beachten Sie | Bei zweifelhaften bzw. potenziell ausufernden Anfragen sollte der Dialog mit der Betriebsprüfung gesucht werden. Falls eine Entscheidungserheblichkeit ausgeschlossen werden kann, besteht streng genommen keine Pflicht zur Beantwortung – außer aus strategischen Gründen zur Wahrung eines guten Prüfungsklimas. Letztlich beziehen sich die Mitwirkungspflichten nur auf steuerlich relevante Tatsachen gemäß § 90 Abs. 1 S. 2 AO.

2.3 Vorsicht bei Beweisvorsorgeverpflichtung

Fall 3
Die US-amerikanische M-Inc hält – neben zahlreichen europäischen Gesellschaften – 100 % an der deutschen Opco GmbH. Im Prüfungszeitraum 2021 bis 2023 möchte die Betriebsprüfung tiefer in die Prüfung der Lizenzvereinbarung sowie die Verrechnung von Zentralkosten mittels Kostenumlage einsteigen. Dazu fordert sie sämtliche Lizenzverträge der M-Inc mit fremden Dritten sowie die Kostenstellenrechnungen der M-Inc betreffend der Kostenermittlung für die SSA-Weiterbelastung an Deutschland an.

§ 90 Abs. 2 AO lautet wie folgt (Hervorhebungen durch Verfasser):

§ 90 Abs. 2 AO

„Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

Laut Gesetzeswortlaut unterliegt im Fall B die Anforderung der rechnerischen Grundlagen klar den Mitwirkungspflichten. Da auch unabhängige Dritte diese Grundlagen für die Akzeptanz einer indirekten Dienstleistungsverrechnung mittels Kostenumlage nutzen würden, hätte die OpCo GmbH die entsprechenden Daten entweder beschaffen oder vertraglich zugänglich machen können. Nur auf Basis dieser Kalkulationsgrundlagen kann die Betriebsprüfung beurteilen, ob der OpCo GmbH die Dienstleistungen in angemessener (kostenbasierter) Höhe weiterbelastet wurden (so auch Neuling/Wilmanns/Busch/Scheibe, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung [2020], 155).

Im Fall A ist das Vorlageverlangen der Betriebsprüfung zu Lizenzverträgen der M-Inc. mit fremden Dritten daraufhin zu prüfen, ob die OpCo GmbH diese Verträge rechtlich oder tatsächlich erhalten kann bzw. ob eine Beweisvorsorgeverpflichtung bestanden hätte. In der Regel ist dies bei einer ausländischen Muttergesellschaft zu verneinen, da die OpCo GmbH gegenüber ihrer Muttergesellschaft keine gesellschaftsrechtliche Durchgriffsmöglichkeit hat. Zudem beschränkt sich die Beweisvorsorgeverpflichtung gemäß § 90 Abs. 2 S. 3 AO auf den eigenen Verantwortungsbereich der OpCo GmbH.

Beachten Sie | Die erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandsbezug nach § 90 Abs. 2 AO stellen keine Berechtigung der Finanzverwaltung zu allgemeinen Befragungsaktionen dar, bei denen der Steuerpflichtige zum Negativbeweis verpflichtet wäre. Eine ggf. einschlägige Beweisvorsorgepflicht nach Abs. 2 S. 3 AO ist dabei auf die eigene Sphäre des Steuerpflichtigen beschränkt.

2.4 Verpflichtung zur Dokumentation mehrerer Verrechnungspreismethoden?

Fall 4
In Anlehnung an Fall 3 legt eine deutsche GmbH des internationalen PETE-Konzerns grundsätzlich alle Kostenstellenrechnungen für die Bereiche HR, IT, Legal etc. der Betriebsprüfung vor. Allerdings wurden die Kosten für Lean Management/Business System Services nicht gesondert dokumentiert und können daher nicht unmittelbar bereitgestellt werden. Der Mutterkonzern vertritt stattdessen – wie in den folgenden Auszügen des TP-Reports dargelegt – die Auffassung, dass die Preisvergleichsmethode (CUSP) anzuwenden ist:
„[...] 5.5 Provision of PETE’s Business Systems (=PBS) Services
PETE’s results associated with its provision of PBS Services (Transaction 3) have been examined for the purposes of this analysis as they are relevant to the Covered Transaction under review.
5.5.1 Method Selection Table 14: Best Method Selection Method
Method
Reason for Acceptance or Rejection
CUSP
Accept
PETE contracts with third parties to provide PBS Services. Thus, this transactional pricing can be used to directly analyse the results of PBS Services provided by PETE to Service Recipients.
Cost of Services Plus Method
Reject
The cost of services plus method was not used because there are no comparable internal transactions and neither PETE nor Big 4 Tax is aware of any publicly available data on comparable external transactions between unrelated parties that presents a specific mark-up on cost. Thus, the CUSP information identified provides a more reliable analysis
[…]
[…]
We have not identified any other Covered Transactions that are economically interrelated with Transaction 3 that need to be considered in determining the specified method that is the most reliable measure of an arm’s length result.
5.5.2 Application of the CUSP Method
As discussed above, the CUSP method was used to test the PBS Services charge. PETE has utilized Lean Management US Corporation, a third party, to provide PBS Services to PETE. PETE considers the services provided by Lean Management US Corporation to be directly comparable to the services provided by the PBS department, including the facilitation of kaizen events on behalf of certain OPCOs. A summary of key terms of both arrangements is provided in the table below.
Table 15: PETE – Lean Management US Corporation
Term
External Company
PETE
Service Provider
Lean Management US Corp
PETE Corporation
Service Recipient
PETE Companies
OPCOs
Service
Lean Management US Corp offers seminars and workshops to improve workplace environments and manufacturing process
PETE uses PBS Toolkit to improve efficiency processes and helps develop new business tools and growth initiatives.
Primary Focus
Lean Management maintains a key focus on kaizens and lean manufacturing.
PETE leads and facilitates the kaizens for the OPCOs with a focus on lean manufacturing.
Hours Worked per Employee
Approximately 35 – 40 per engagement
1,611 per year
Rate Charged per Hour
470 – 559 USD/hour
510USD/hour
As shown in the table above, the nature of the intercompany transaction between PETE and the OPCOs does not materially differ from the terms of the third-party transaction. […] As PETE believes the services provided by PETE’s PBS team to the OPCOs are of a comparable quality and caliber, it is reasonable to conclude that the consulting rate applied should be similar.
5.5.3 PBS Fee Charge Out
Selecting the rate of 510 USD/hour, which would rest within a range of potential hours worked by Lean Management consultants, PETE calculated their total fee charged to the OPCOs based on a total of 1,611 annual hours worked: 510 USD/hour × 1,611 hours × 10 employees = 8,216,100 USD. Therefore, in FY 2019, PETE charged 8,216,100 USD for the PBS Service Fee. [...]“

Es stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige neben den Daten und Unterlagen für die Preisvergleichsmethode auch andere Dokumente für weitere Methoden (hier naheliegend und von der Betriebsprüfung auch angefragt die Kostenaufschlagsmethode) vorhalten muss, auch wenn er nur eine – und zwar die nach § 90 Abs. 3 S. 3 „verwendete“ (= Einzahl!) und geeignetste Methode – dokumentieren muss. Hier spielt insbesondere der Umfang der Beweisvorsorgepflicht nach § 90 Abs. 2 S. 3 eine Rolle.

Beachten Sie | Hierzu äußerte sich in einem viel beachteten Fall das FG Münster (7.12.16, 13 K 4037/13) in einem zwischenzeitlich vom BFH aufgehobenen Urteil. In einem ähnlich gelagerten Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige die Verrechnungspreise nach der Preisvergleichsmethode bestimmt, das FG hielt diese für ungeeignet und bevorzugte die Kostenaufschlagsmethode. Leider hat der BFH im Revisionsverfahren zwar das FG-Urteil aufgehoben, jedoch die grundsätzliche Frage nach einer Beweisvorsorgepflicht für eine andere Verrechnungspreismethode ausdrücklich offengelassen (BFH 18.5.21, I R 4/17, DB 21, 2531, Rn. 48).

Nach Schnorberger (Verrechnungspreise und Verfahrensrecht [2024], 80) ist grundsätzlich nur eine Verrechnungspreismethode zu dokumentieren. Die Beweisvorsorgepflicht soll nicht zu einer unbegrenzten Erweiterung der fiskalischen Schätzbefugnis führen, sondern verhindern, dass steuerrelevante Informationen bewusst unzugänglich gemacht werden (Stichwort: Beweisverderber). Allerdings ist im Einzelfall zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Transaktion eine zweite Methode zwingend anzuwenden gewesen wäre, wenn diese zur Überprüfung der tatsächlichen Verrechnungspreise oder Gewinne mindestens ebenso geeignet ist. Bedeutende Umstände des Einzelfalls werden insbesondere sein:

  • Die zivilrechtliche Natur der Transaktion
  • Die Methodik der Preisvereinbarung bzw. Preisbestimmung
  • Die Funktions- und Risikoanalyse
  • Die Plausibilität der resultierenden Verrechnungspreise oder Gewinne
  • Insbesondere: die allgemein akzeptierten Grundsätze der Methodenzuordnung zu bestimmten Transaktionsformen (Kostenaufschlagsmethode für Dienstleistungen, Wiederverkaufspreismethode für Vertriebsgesellschaften)

Damit sollte für den Fall eine Beweisvorsorgeverpflichtung für Daten und Unterlagen mit Blick auf die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode vorliegen. Wenn die Unterlagen der BP nicht zur Verfügung gestellt werden können, droht eine Einkommenserhöhung aufgrund einer Schätzung zulasten des Steuerpflichtigen nach § 162 Abs. 3 AO.

Beachten Sie | Der vorliegende Fall unterstellt, dass „nur“ branchenspezifisches Lean-Management-Wissen im Rahmen einer Dienstleistungsverrechnung vermittelt wird. Davon zu unterscheiden ist die Überlassung von hochwertigem neuen nicht-branchenspezifischem IP, welches eine lizenzsteuerpflichtige Nutzungsüberlassung von immateriellen Vermögen darstellt.

2.5 Keine vollständige Verrechnungspreisdokumentation

Fall 5
Schätzung durch BP:
„[…] Die vorgelegten Unterlagen dokumentieren aber nicht sämtliche Transaktionen mit den verbundenen Unternehmen. Sie beschreiben nur den Erwerb von Waren von der XY Sarl und die Lizenzierung der Markenrechte.
Sie enthielten keinerlei Angaben zu den sonstigen Transaktionen mit verbundenen Unternehmen wie der Darlehensbeziehung mit der XY Inc. […]
Damit ist festzuhalten, dass insoweit keine vollständige Dokumentation erfolgt ist und daher ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO vorliegt.
Aus den vorstehenden Gründen sind folgende Einkommenserhöhungen im Schätzungswege vorzunehmen:
Lizenzaufwand (bisher)

500 TEUR

Lizenzaufwand (nach Korrektur)

250 TEUR

Darlehensaufwand […]“

Aus Beratersicht ist eine Schätzungsbefugnis mit Blick auf die Lizenzaufwendungen strikt abzulehnen. Die Tatsache, dass manche Transaktionen mit verbundenen Unternehmen nicht ordnungsgemäß dokumentiert wurden, strahlt nicht negativ auf die dokumentierten Transaktionen aus. Seit 2017 ergibt sich dies auch ganz klar aus dem Gesetz, da § 162 Abs. 3 S. 1 AO explizit auf „einen Geschäftsvorfall“ abstellt.

Fazit | Diskussionen über potenzielle Mitwirkungspflichtverletzungen sind in Betriebsprüfungen mit Auslandssachverhalten seit Jahren regelmäßig anzutreffen. Angesichts der DAC 7-Zielvorgabe des Gesetzgebers an beide Parteien – Finanzverwaltung sowie Steuerpflichtige – Außenprüfungen zu beschleunigen, ergeben sich für Steuerpflichtige zwei zentrale Neuerungen:
  • Die unaufgeforderte Vorlagepflicht der Transaktionsmatrix, des Master Files und der Aufzeichnungen über außerordentliche Geschäftsvorfälle (innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung)
  • Die Neuregelung des § 200a AO, die eine Ablaufhemmung um die Dauer der Mitwirkungsverzögerung verlängert
In jedem Fall lohnt sich ein offener Dialog mit der Betriebsprüfung, um Mitwirkungspflichtverletzungen auszuschließen.

AUSGABE: PIStB 4/2025, S. 109 · ID: 50345339

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