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Vermeidung der WegzugsbesteuerungVon der Industrie-Holding zur Family Office KG – Teil 2: Steuerliche Aspekte

Abo-Inhalt28.02.202515 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Florian Haase, Hamburg

| Wenn Gesellschafter eines Kapitalgesellschaftskonzerns ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, stellt sich die Frage nach der Wegzugsbesteuerung. Eine Möglichkeit, diese Steuer zu vermeiden, bietet die Übertragung von Beteiligungen auf eine inländische, gewerblich tätige KG. Für die steuerliche Anerkennung des im ersten Teil beschriebenen Exit Tax Shield von der Industrie-Holding zur Family Office KG kommt der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung der gewerblichen KG-Holding eine immense Bedeutung zu (s. PIStB 25, 53). Dabei gilt: Je besser die betriebswirtschaftliche Unterfütterung des Vorhabens gelingt und somit dessen Ernsthaftigkeit beweist, desto eher gelingt auch die steuerliche Anerkennung. |

1. Funktionaler Zusammenhang der Beteiligung mit inländischer Betriebsstätte

1.1 Betriebsstättenbegründung im Inland durch die Family Office KG

Die Family Office KG wird durch die Umsetzung der im Business Plan vorgesehenen funktionalen und personellen Struktur sowie durch ihre Tätigkeit in eigenen Geschäftsräumen nach innerstaatlichem Recht eine inländische Betriebsstätte begründen. Diese Betriebsstätte ist anteilig den Gesellschaftern zuzurechnen, auch wenn sie ins DBA-Ausland verziehen sollten.

Nach § 12 S. 1 AO gilt als Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dazu zählt insbesondere eine feste Geschäftseinrichtung, die – wie hier die Family Office KG – der Ausübung eines stehenden Gewerbes dient. Zudem nennt § 12 S. 2 AO beispielhaft die Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1) als Betriebsstätte.

Die Geschäftsleitung befindet sich nach § 10 AO dort, wo der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung liegt. Dieser Ort ist maßgeblich durch die Willensbildung der Geschäftsführung bestimmt. Es kommt hierbei darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung erforderlichen Maßnahmen von einigem Gewicht angeordnet werden. In der Regel ist dies der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen ihre laufenden Geschäftsführertätigkeiten ausüben, d. h. an dem sie die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte). Auf dieser Grundlage wird die Family Office KG durch die im Business Plan dargestellten Maßnahmen eine inländische (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte begründen.

Die Family Office KG wird für ihre gewerbliche Tätigkeit über angemessene, branchenübliche Geschäftsräume mit entsprechender Ausstattung verfügen. Zudem wird die Geschäftsführung im Inland ausgeübt. Dabei erfolgt die laufende Geschäftsführertätigkeit regelmäßig in den von der Family Office KG bereitgestellten Räumlichkeiten.

1.2 Zuordnung von Beteiligungen zur inländischen KG-Betriebsstätte

Da die Family Office KG Einkünfte aus originär gewerblicher Tätigkeit erzielt und nach innerstaatlichem Recht eine deutsche Betriebsstätte begründet, stellt sich die Frage, ob die eingebrachten Anteile an den Kapitalgesellschaften dieser Betriebsstätte zuzuordnen sind. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Entstrickungs- und Wegzugsproblematiken zu klären.

Die Prüfung dieser Zuordnungsfrage erfolgt kaskadenartig. Zunächst wird anhand der „No Floating Income“-Theorie geprüft, ob bei Vorliegen nur einer (inländischen) Betriebsstätte überhaupt eine Zuordnung erforderlich ist. Falls dennoch Zuordnungsfragen bestehen, erfolgt die Untersuchung vom Allgemeinen zum Speziellen: Zunächst wird der Funktionszusammenhang betrachtet, gefolgt vom subsidiären Zusammenhang und schließlich dem für das konkrete DBA relevanten Funktionszusammenhang.

Die nach Errichtung der Family Office KG im Gesellschaftsvermögen gehaltene Beteiligung an den Kapitalgesellschaften ist – basierend auf den folgenden steuerlichen Erwägungen – grundsätzlich vollständig der inländischen Betriebsstätte der KG zuzurechnen. Dies betrifft sowohl Gewinnausschüttungen als auch Veräußerungsgewinne. Aus deutscher Sicht bleiben die Besteuerungsrechte für Dividenden und Veräußerungsgewinne sowohl nach innerstaatlichen als auch abkommensrechtlichen Grundsätzen vollständig erhalten.

2. Zuordnungskriterien

2.1 Inlandszuordnung kraft „No Floating Income“-Grundsatz

Die Anwendung des „No Floating Income“-Grundsatzes basiert auf der für Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht erforderlichen Transparenzbetrachtung: Eine inländische KG-Betriebsstätte vermittelt allen Mitunternehmern eine anteilige inländische Betriebsstätte. Zugleich können die betreffenden Mitunternehmer ggf. durch eine unternehmerische Aktivität im Ausland (mindestens) eine weitere und insoweit eigenständige Betriebsstätte begründen (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte). In solchen Fällen ist eine Zuordnungsentscheidung erforderlich: Es muss geprüft werden, ob Wirtschaftsgüter – wie die hier relevanten Anteile an der Familienholding – der inländischen KG-Betriebsstätte oder einer ausländischen Betriebsstätte des Mitunternehmers zuzurechnen sind. Hierbei gelten die gleichen steuerrechtlichen Grundsätze, die auch für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern zwischen einem ausländischen Stammhaus und einer inländischen Betriebsstätte maßgeblich sind.

Bei einem KG-Mitunternehmer mit unternehmerischer Tätigkeit im DBA-Ausland ist eine Zuordnungsentscheidung erforderlich. Es muss geprüft werden, ob Wirtschaftsgüter – wie Anteile an einer GmbH – der inländischen KG-Betriebsstätte oder einer ausländischen Betriebsstätte bzw. einem davon abgetrennten ausländischen Unternehmen zuzurechnen sind. Eine Zurechnung zur ausländischen Betriebsstätte wäre mit steuerlichen Entstrickungs- bzw. Wegzugsrisiken verbunden. Umgekehrt entfällt dieser Zuordnungskonflikt, wenn ein ins Ausland verziehender Mitunternehmer dort keine eigene unternehmerische Tätigkeit ausübt und somit kein ausländisches Betriebsvermögen existiert. In diesem Fall sind sämtliche anteiligen Wirtschaftsgüter im Gesellschaftsvermögen der Family Office KG zwingend der inländischen KG-Betriebsstätte zuzurechnen.

Merke | Hintergrund für diese Überlegung ist der sog. „No Floating Income“-Ansatz des BFH. Nach dieser Theorie kann es keine „betriebsstättenlosen“ Einkünfte aus originärem Gewerbebetrieb geben (BFH 19.12.07, I R 19/06, BFH/NV 08, 672). Diese Rechtsauffassung wurde vom BFH in jüngerer Vergangenheit nochmals im Urteil vom 20.12.17 (I R 98/15, DB 18, 482) dahin gehend bekräftigt, dass jedes gewerbliche Unternehmen zumindest eine Betriebsstätte habe, „welcher im Zweifel und bei Fehlen einer anderweitigen zusätzlichen Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzurechnen ist.“

Diese Rechtsbetrachtung ist im vorliegenden Fall relevant. Nach aktueller Planung wird der ins DBA-Ausland verziehende Gesellschafter dort oder in einem anderen Ausland keine originäre unternehmerische Tätigkeit als Einzelunternehmer mit einer ihm zuzurechnenden Betriebsstätte ausüben. Dies gilt sowohl für eine eigene unternehmerische Aktivität als auch für eine potenzielle mitunternehmerische Tätigkeit innerhalb der Family Office KG. Selbst wenn der Gesellschafter eine Geschäftsführer-Position übernehmen würde, würde diese Tätigkeit voraussichtlich von Deutschland aus ausgeübt werden.

Wird demgemäß keine (weitere) originäre unternehmerische Tätigkeit im Ausland ausgeübt, bleibt es aus Sicht des Gesellschafters zwingend bei der Zurechnung der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens zur inländischen KG-Betriebsstätte. Folgerichtig ist aus Sicht des Gesellschafters keine andere Zuordnung der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter als diejenige zur unstrittig vorliegenden inländischen KG-Betriebsstätte möglich.

Aus dem Blickwinkel der „No Floating Income“-Hypothese des BFH würde somit im Rahmen der geplanten Errichtung der Family Office-Struktur grundsätzlich keine Entstrickungs-/Wegzugsbesteuerung in Betracht kommen.

2.2 Inlandszuordnung aufgrund funktionalen Zusammenhangs nach BsGaV

Auch eine rein funktionale Zuordnungsbetrachtung führt zu keinem abweichenden Ergebnis hinsichtlich der Betriebsstättenzuordnung der Anteile an der Familienholding. Die funktionale Betrachtung folgt der systematischen Argumentation der Finanzverwaltung, wonach die Zuordnungsentscheidung für Beteiligungen zwischen Betriebsstätten unter Rückgriff auf § 1 Abs. 5 AStG erfolgen soll. Diese Regelung wird durch die Betriebsstättengewinnabgrenzungsverordnung (BsGaV), insbesondere § 7, sowie auf die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) vom 22.12.16, BStBl 17, 182, konkretisiert. Grundsätzlich ist § 1 Abs. 5 AStG gemäß § 1 Abs. 5 S. 2 AStG auch auf Personengesellschaften anwendbar, wozu im vorliegenden Fall die Family Office KG zählt. Nach § 2 Abs. 1 und 2 BsGaV ist die Family Office KG als inländisches Unternehmen zu qualifizieren, da sich ihr Ort der Geschäftsleitung im Inland befindet. Damit sind sowohl die BsGaV als auch die VWG BsGa im vorliegenden Fall einschlägig und anwendbar.

Die BsGaV enthält explizite Regelungen zur Zuordnung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter sowie von Beteiligungen. Da es hier um die grenzüberschreitende Zuordnung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften geht, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf die spezifischen Vorgaben der BsGaV zur Beteiligungszuordnung. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BsGaV erfolgt die Zuordnung von Beteiligungen primär anhand der tatsächlichen Nutzung (sog. funktionale Verknüpfung). Maßgeblich ist dabei der funktionale Zusammenhang der Beteiligung mit den sonstigen betrieblichen Aktivitäten der Betriebsstätte (§ 7 Abs. 1 S. 2 BsGaV).

Beachten Sie | Ein solcher Zusammenhang ergibt sich typischerweise innerhalb einer Wertschöpfungskette, in der eine Betriebsstätte durch ihre (Personal-)Funktionen operative Leistungen erbringt, die in unmittelbarem Bezug zur Wertschöpfung der (Beteiligungs-)Gesellschaften stehen. In Bezug auf Holding-Personengesellschaften und durch sie vermittelte Betriebsstätten ist eine solche Herleitung naturgemäß nur schwer zu leisten, da sich die Holding-Funktion gerade durch einen gruppenbezogenen administrativen, aber nicht unmittelbar produktiven Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfungskette der einzelnen Gruppenmitglieder auszeichnet.

Nach Ansicht namhafter Vertreter des internationalen Steuerrechts kann eine Zuordnungsentscheidung nach dem funktionalen Zusammenhang auch dann erfolgen, wenn die Betriebsstätte die Funktionen einer geschäftsleitenden Holding übernimmt – selbst wenn diese nicht unmittelbar wertschöpfungsrelevant sind. Diesen Rechtsgedanken hat auch die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben zu § 50d Abs. 3 EStG aufgegriffen, wonach eine geschäftsleitende Holding als unternehmerisch tätiges Unternehmen gilt (BMF 4.4.18, IV B 3 - S 2411/07/10016-14, BStBl I 18, 589). Folgerichtig ist somit auch für eine geschäftsleitende Holding eine Zuordnungsentscheidung bei einer Unternehmensbeteiligung nach funktionalen Grundsätzen möglich.

Merke | Unter funktionalen Gesichtspunkten gilt, dass im Gesellschaftsvermögen befindliche Beteiligungen einer Holding-KG jedenfalls dann für die Geschäftstätigkeit zwingend funktional erforderlich sind, wenn diese Beteiligungen die Holding überhaupt erst zur Ausübung von Führungs- und Managementfunktionen befähigen.

Auf den vorliegenden Fall angewandt folgt aus diesen Überlegungen, dass die Beteiligungen der inländischen KG-Betriebsstätte zuzurechnen sind. Die Family Office KG wird unstrittig als geschäftsleitende Holding für verschiedene Konzerngesellschaften der Gruppe tätig sein. Innerhalb ihres Beteiligungsportfolios übernimmt sie jedenfalls für alle Mehrheitsbeteiligungen die Geschäftsleitungsfunktion. Als Konzernspitzeneinheit verfügt die Family Office KG über die für die Ausübung ihrer Leitungsfunktion erforderlichen sachlichen Mittel und das notwendige Personal. Funktional betrachtet ermöglicht erst ihre Stellung als Mehrheitsbeteiligte mehrerer Konzerngesellschaften die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben. Daraus ergibt sich ein klarer funktionaler Zusammenhang zwischen der KG-Betriebsstätte (konzernleitende Holding) und der Nutzung der Beteiligungen. Entsprechend sind die gesamthänderisch gebundenen Anteile an den Kapitalgesellschaften funktional der inländischen KG-Betriebsstätte zuzuordnen.

2.3 Inlandszuordnung aufgrund subsidiärer Kriterien nach BsGaV

Selbst wenn die geschäftsleitenden Holdingaktivitäten nicht als relevante Nutzung i. S. v. § 7 Abs. 1 BsGaV angesehen würden und/oder stattdessen die vom Authorized OECD Approach bevorzugten Zuordnungskriterien angewendet würden, käme § 7 Abs. 2 BsGaV (sog. Öffnungsklausel) zur Anwendung.Auch unter Berücksichtigung der in diesem Fall relevanten subsidiären Zuordnungskriterien als Beurteilungsgrundlage für die Zuordnungsentscheidung ergäbe sich jedoch keine abweichende Rechtsfolge.

Die BsGaV und die VWG BsGa machen die Zuordnung einer Beteiligung in Fällen einer fehlenden funktionalen Verknüpfung hierbei insbesondere von folgenden, subsidiär zur Beurteilung heranzuziehenden Personalfunktionen abhängig (vgl. § 7 Abs. 2 BsGaV; Rn. 105 VWG BsGa):

  • 1. Anschaffung (insoweit soll es darauf ankommen, aufgrund welcher Personalfunktionen die Mittel zur Anschaffung erwirtschaftet wurden)
  • 2. Verwaltung
  • 3. Risikosteuerung
  • 4. Veräußerung

Voraussetzung für eine Beurteilung nach subsidiären Kriterien ist, dass die Bedeutung (einer) dieser Personalfunktionen eindeutig gegenüber der Bedeutung des funktionalen Zusammenhangs überwiegt, wobei die Verwaltungsfunktion (bei einer Beteiligung) allein noch keine eigenständige Zuordnungsentscheidung begründen soll. Gemessen an diesen Maßstäben bzw. Personalfunktionen ergibt sich nach hier vertretenem Verständnis keine von der funktionalen Zuordnung abweichende Betriebsstättenzuordnung. Hintergrund hierfür ist, dass die vorgenannten und subsidiären Personalfunktionen tendenziell als nicht einschlägig zu beurteilen sind, da kein eindeutiges Überwiegen gegenüber der funktionalen Zuordnung festgestellt werden kann.

Allenfalls könnten Entscheidungen zur Anschaffung und Veräußerung der Beteiligungen sowie sonstiger gesamthänderisch gehaltener Wirtschaftsgüter als subsidiäres Kriterium für die Zuordnung einer geschäftsleitenden Holding herangezogen werden. Allerdings werden alle relevanten Entscheidungen über den Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an direkten und indirekten Tochter- bzw. Gruppengesellschaften künftig auf der Ebene der Family Office KG vorbereitet und getroffen. Zudem trägt ausschließlich die Family Office KG das damit verbundene Unternehmerrisiko. Daher führt auch eine vorrangige Prüfung der in der BsGaV genannten subsidiären Zuordnungskriterien zu keinem anderen Ergebnis: Die Beteiligungen an der Holding GmbH sind der inländischen KG-Betriebsstätte zuzuordnen.

Sofern darüber hinaus im Ergebnis weder eine funktionale noch eine subsidiäre Zuordnungsentscheidung möglich sein sollten, kommt dem Steuerpflichtigen gemäß § 7 Abs. 4 BsGaV ein Ermessen dahin gehend zu, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen, die § 7 Abs. 1 bis 3 BsGaV nicht widerspricht. Diese Entscheidung würde im vorliegenden Fall mit Blick auf den angestrebten „Exit Tax Shield“ dahin gehend ausgeübt werden, dass die Beteiligungen der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden.

2.4 Funktionaler Zusammenhang nach abkommensrechtlichem Verständnis

Nachdem zunächst die funktionalen Zusammenhänge zu den eingebrachten Beteiligungen nach innerstaatlicher Rechtslage betrachtet wurden, ist nun zu prüfen, ob sich auf abkommensrechtlicher Ebene abweichende Zuordnungsfolgen ergeben könnten. Konkret steht hierbei, wie eingangs erläutert, der Wegzug eines Gesellschafters annahmegemäß mit anschließender steuerlicher Ansässigkeit im Ausland bevor. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, ob auch nach dem OECD-MA die nach innerstaatlichem Recht bestehende Inlandsverstrickung der in die Family Office KG eingebrachten Anteile abkommensrechtlich erhalten bleibt. Damit Deutschland auch in abkommensrechtlicher Hinsicht die Besteuerungsrechte an den eingebrachten Anteilen vollumfänglich wahren kann und keine entstrickungs- bzw. wegzugssteuerlichen Konsequenzen bei Wegzug entstehen, muss das konkrete DBA Deutschland uneingeschränkte Besteuerungsrechte an den Anteilen zuweisen.

Nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 OECD-MA können Gewinne eines ausländischen Unternehmens nur im Ausland besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit in Deutschland durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus (Betriebsstättenvorbehalt). Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, werden die Gewinne des Unternehmens in Deutschland (Betriebsstättenstaat) besteuert, soweit sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 2 S. 2 OECD-MA). Erzielt die Family Office KG aus den Anteilen Dividenden oder Veräußerungsgewinne, erhält Deutschland abkommensrechtlich vollumfängliche Besteuerungsrechte hieran, sofern die Beteiligungen der deutschen KG-Betriebsstätte zuzuordnen sind.

Beachten Sie | Sollten die Anteile hingegen einem ausländischen Unternehmen oder einer im Ausland belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sein, verlöre Deutschland – abgesehen von möglichen Quellensteuerabzügen – die Besteuerungsrechte an diesen Einkünften. Gleiches gilt, wenn die Anteile an der Familienholding mangels Betriebsstättenzuordnung (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA bzw. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) auf Abkommensebene als Privatvermögen einzustufen wären. In diesem Fall stünden die Besteuerungsrechte für Dividenden und Veräußerungsgewinne (Art. 10 Abs. 1 OECD-MA bzw. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) vollständig dem Ausland zu. In beiden Fällen käme es somit auf Abkommensebene zu einem Verlust deutscher Besteuerungsrechte und damit ggf. zur Entstrickungs-/Wegzugsbesteuerung.

Zu beurteilen ist somit, ob die Beteiligungen abkommensrechtlich Betriebsvermögen der deutschen Betriebsstätte der Family Office KG darstellen.

Damit die Betriebsstättenvorbehalte zugunsten Deutschlands greifen können, muss die Beteiligung an der Family Office KG dem Gesellschafter in einem zweiten gedanklichen Schritt nicht nur nach innerstaatlichem Recht (§ 12 AO), sondern auch abkommensrechtlich eine deutsche Betriebsstätte vermitteln.

Merke | Nach Art. 5 Abs. 1 und 2 OECD-MA gilt eine Betriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Insbesondere stellt der Ort der Geschäftsleitung eine Betriebsstätte dar.

Da die Family Office KG über eigene Geschäftsräume (feste Geschäftseinrichtung) und eigenes Personal (Ausübung der Unternehmenstätigkeit) verfügt und zudem die Geschäftsleitung in der Betriebsstätte angesiedelt ist, vermittelt sie dem Gesellschafter abkommensrechtlich eine (anteilige) deutsche Betriebsstätte. Darüber hinaus liegt aufgrund der originär gewerblichen Tätigkeit der Family Office KG als geschäftsleitende Holding eine unternehmerische Tätigkeit i. S. v. Art. 5 OECD-MA vor.

In einem dritten Schritt muss für die Anwendung des deutschen Betriebsstättenvorbehalts sichergestellt sein, dass die Beteiligungen des Gesellschafters der deutschen KG-Betriebsstätte abkommensrechtlich zugeordnet werden können. Nach der Rechtsprechung des BFH zu vergleichbaren Konstellationen i. S. d. OECD-MA (z. B. im DBA-Schweiz) ist für die abkommensrechtliche Beteiligungszuordnung auf den funktionalen Zusammenhang zwischen Beteiligung und Betriebsstätte abzustellen. Einen solchen tatsächlich-funktionalen Zusammenhang hat der BFH in seinem Beschluss vom 19.12.07 (I R 66/06, BStBl II 08, 510) exemplarisch für zwei Fallgestaltungen anerkannt:

  • 1. Die Beteiligung an der Tochtergesellschaft hat „tatsächlich-funktionale Bedeutung“ (der BFH spricht in dem Zusammenhang auch von „positiven Auswirkungen“) für die von der Personengesellschaft ausgeübte Geschäftstätigkeit (dort eine Vertriebstätigkeit)
  • 2. Dem Unternehmen der Gesellschaft werden „geschäftsleitende Holdingfunktionen“ in Bezug auf Konzerngesellschaften übertragen, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen zur geschäftsleitenden Betriebsstätte rechtfertigen können

In solchen Konstellationen werden die Gewinne aus den Beteiligungen nicht dem im Ausland ansässigen Gesellschafter persönlich zugerechnet, sondern abkommensrechtlich der durch seine Gesellschafterstellung vermittelten Betriebsstätte. Orientiert man sich an dem Maßstab des „tatsächlich-funktionalen Zusammenhangs“ gemäß des BFH-Beschlusses (19.12.07, I R 66/06, BStBl II 08, 510), ergeben sich nach hier vertretener Auffassung keine abweichenden Beurteilungsgrundsätze im Vergleich zur zuvor dargelegten innerstaatlichen Betrachtung.

Die Family Office KG wird vorliegend gemäß ihrem Business Plan die Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding ausführen. Hierbei wird sie insbesondere, wie in der einschlägigen Literatur gefordert, „die geschäftsleitende Organisation mit entsprechender sachlicher und personeller Ausstattung aufbauen und aktiv Einfluss auf die Personalpolitik nehmen“. Demgemäß sind die Beteiligungen tatsächlich erforderlich, damit die Family Office KG ihren Geschäftszweck als Holding-Personengesellschaft erfüllen und im Rahmen einer aktiven Nutzung der Beteiligungen Umsätze gegenüber den Konzerngesellschaften erzielen kann, an denen die Family Office KG (mittelbar) mehrheitsbeteiligt ist.

Im Ergebnis greift daher auf abkommensrechtlicher Ebene der Betriebsstättenvorbehalt zugunsten Deutschlands. Somit bleiben die deutschen Besteuerungsrechte an den Anteilen auch nach einem Wegzug des Gesellschafters vollständig erhalten. Auch aus abkommensrechtlicher Sicht ergibt sich mit der geplanten Errichtung der Family Office-Struktur in der Rechtsform einer KG ein wirksamer Schutz vor entstrickungs- bzw. wegzugssteuerlichen Risiken.

Fazit | Der Beitrag zeigt die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit einer strukturierten Planung bei der Errichtung einer geschäftsleitenden Holding-KG als Instrument zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung. Die Gründung eines Family Office ist hierbei nicht nur wirtschaftlich motiviert, sondern auch praktisch sinnvoll, da die divergierenden Interessen verschiedener Familienstämme eine Trennung von Beteiligungs- und Geschäftsleitungsaktivitäten erforderlich machen.
Ausgehend von dieser betriebswirtschaftlichen Grundentscheidung wurde angestrebt, die Family Office-Struktur zugleich in ein entstrickungs- und wegzugssteuerlich abschirmendes Rechtskleid zu hüllen. In Rechtsprechung und Literatur wird anerkannt, dass eine geschäftsleitende Kommanditgesellschaft für Anteile i. S. d. § 17 EStG einen wirksamen „Exit Tax Shield“ darstellen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kommanditgesellschaft originär gewerblich tätig ist und nicht lediglich als gewerblich geprägt i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt. Die Anerkennung einer originär gewerblichen Tätigkeit geschäftsleitender Holdinggesellschaften ist jedoch mit gewissen Rechtsunsicherheiten verbunden, die im Einzelfall im Wege einer verbindlichen Auskunft geklärt werden müssen. Unstrittig ist, dass eine in Deutschland originär gewerblich tätige Kommanditgesellschaft nach innerstaatlichem Recht und Abkommensrecht ins Ausland verziehenden Mitunternehmern eine inländische Betriebsstätte vermittelt. Damit der beabsichtigte „Exit Tax Shield“ für die in die KG eingebrachten Beteiligungen greift, müssen diese Beteiligungen allerdings auch der Betriebsstätte zugeordnet werden. Auch diese Zuordnungsfrage kann mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet sein, die sich im Wege einer verbindlichen Auskunft klären lassen.

Zum Autor | RA/StB/FAfStR Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax ist Partner und Niederlassungsleiter im Hamburger Büro von Rödl & Partner sowie Leiter des Beratungsfelds „Internationales Steuerrecht“ und der steuerlichen Grundsatzabteilung der Kanzlei. Er ist ferner Inhaber der Professur für deutsches, internationales und europäisches Steuerrecht an der IU Internationale Hochschule, Bad Honnef.

AUSGABE: PIStB 3/2025, S. 81 · ID: 50251221

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