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EinkommensteuerEU-Gelder im Rahmen von Frontex-Einsätzen sind im Inland steuerpflichtig
| Gelder der Europäischen Union, die an einen Polizeibeamten mit Wohnsitz im Inland für dessen Tätigkeit im Rahmen von Frontex-Einsätzen in Griechenland gezahlt werden, unterliegen der inländischen Steuerpflicht (BFH 16.5.24, VI R 31/21, DStR 24, 1649). |
Sachverhalt
Im Rahmen einer Abordnung an die Bundespolizei wurde ein Landespolizeibeamter mit Inlandswohnsitz im Rahmen eines Frontex-Einsatzes zur Unterstützung der griechischen Küstenwache auf der Insel C als „Fingerprint Expert zgl. Escort Officer“ eingesetzt. Das Bundesland zahlte die laufenden Dienstbezüge einschließlich Auslandstrennungsgeld während der Auslandseinsätze weiter. Daneben erhielt der Polizeibeamte für seine Einsätze durch Frontex Gelder der EU. Diese wurden der Bundesrepublik Deutschland zur Weiterleitung an den Polizeibeamten zur Verfügung gestellt und an ihn ausgezahlt. Das Finanzamt behandelte die EU-Gelder insoweit als steuerpflichtig, als sie die angesetzten Reisekosten nach nationalem Recht überstiegen. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Anmerkungen
Frontex ist die „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“. Sie unterstützt personell und technisch die von erheblicher Migration betroffenen Mitgliedstaaten an ihren Außengrenzen sowie u. a. das Training von Grenzschützern und Rückführungsexperten der Mitgliedstaaten. Frontex wurde durch Ratsbeschluss (Verordnung (EG) 2007/2004 vom 26.10.04) zum 1.5.05 eingerichtet und nahm seine Arbeit am 3.10.05 in Warschau auf.
Mit den im Ausland erzielten Einkünften (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) war der Beamte mit inländischem Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Der BFH stellt fest, dass kein inländischer Steuerbefreiungstatbestand eingreift:
- Die EU-Gelder waren mangels Zahlung aus inländischen „öffentlichen Kassen“ nicht nach § 3 Nr. 64 S. 1 EStG oder § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei.
- Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 64 S. 2 EStG greift hier nicht, da der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff maßgeblich ist (vgl. BFH 4.11.21, VI R 22/19, BStBl II 22, 562, Rz. 14). Der Steuerpflichtige stand nicht in einem Dienstverhältnis zu Frontex, sondern als Landespolizeibeamter zum Bundesland.
Auch auf Basis zwischenstaatlicher Abkommen, die für Arbeitseinkünfte Steuerbefreiungstatbestände regeln, kam keine Steuerfreiheit in Betracht:
- Die EU-Gelder unterlagen nicht der Steuerbefreiung gemäß Art. 12 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. EU C 326 vom 26.10.12, 266). Diese Bestimmung befreit Beamte und sonstige Bedienstete der Union von nationalen Steuern auf von der Union gezahlte Gehälter, Löhne und Bezüge. Da der Landespolizeibeamte jedoch weder Beamter noch Bediensteter der EU war, fand diese Steuerbefreiung auf ihn keine Anwendung.Steuerpflichtiger war weder Beamter noch Bediensteter der EU
- Aus diesem Grund greift auch nicht die Steuerbefreiung nach Art. 18 i. V. m. Art. 17 der VO (EG) 2007/2004 und Art. 59 i. V. m. Art. 58 VO (EU) 2016/1624. Der Landespolizeibeamte wurde von Frontex nicht als Beamter bestellt, sondern war als sonstiger Bediensteter an Frontex abgeordnet.
Auch abkommensrechtlich kam eine Steuerfreiheit der Frontex-Bezüge nicht in Betracht:
- Die EU-Gelder waren nicht nach Art. 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Art. 11 DBA Griechenland (v. 18.4.66, BStBl I 67, 50) steuerfrei zu stellen. Vielmehr steht danach Deutschland das Besteuerungsrecht zu.
- Auch eine Besteuerung der vom Steuerpflichtigen bezogenen EU-Gelder in Polen als dem Sitzstaat von Frontex kam nicht in Betracht: Der Landespolizeibeamte hat seine Arbeit im Rahmen der Frontex-Einsätze nicht in Polen ausgeübt, sondern in Griechenland. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des DBA-Polen (v. 14.5.03, BStBl I 05, 349) kommt eine erweiternde Auslegung, dass die Tätigkeit in Griechenland „funktional dem Sitz von Frontex in Polen zuzuordnen“ sei, nicht in Betracht.Kein Besteuerungsrecht für Polen
Relevanz für die Praxis
Arbeitnehmer, die für supranationale Organisationen wie die EU, NATO, UNO oder Frontex tätig sind, können unter bestimmten Umständen von der deutschen Steuerpflicht befreit sein. Für steuerliche Berater ist die im Urteil dokumentierte Prüfungsreihenfolge von Bedeutung, die auch von der Finanzverwaltung empfohlen wird (BMF 12.12.23, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005, BStBl I 23, 2179, Rz. 40). Diese systematische Vorgehensweise gewährleistet eine umfassende Prüfung möglicher Steuerbefreiungen für Arbeitnehmer internationaler Organisationen:
- 1. Liegt ein Steuerbefreiungstatbestand gemäß EStG vor?
- 2. Ist das nicht der Fall, sollte geprüft werden, ob ein einschlägiges zwischenstaatliches Abkommen eine Steuerbefreiung ermöglicht. Hierfür ist der Fundstellennachweis B des Bundesgesetzblattes hilfreich, der alle völkerrechtlichen Vereinbarungen enthält.
- 3. Erst wenn weder das EStG noch zwischenstaatliche Abkommen eine Steuerbefreiung vorsehen, ist zu prüfen, ob ein entsprechendes DBA eine Steuerbefreiung gewährt.
AUSGABE: PIStB 12/2024, S. 332 · ID: 50143644