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DBA-LiechtensteinBesteuerungsrecht für Einkünfte aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei Auslandswohnsitz
| Das FG Münster hat entschieden, dass Rentenzahlungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die durch eigene Beitragsleistungen erworben wurden, als Rente i. S. v. Art. 17 Abs. 1, 4 DBA-Liechtenstein gelten. Demnach unterliegen diese Renten ausschließlich der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers. Verfügt eine Person in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, sind gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Liechtenstein die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen entscheidend (FG Münster 9.12.22, 4 K 1701/18 E). |
Sachverhalt
Bis Ende 2013 lebte der Ehemann gemeinsam mit seiner mittlerweile geschiedenen ersten Ehefrau und seinen drei leiblichen minderjährigen Kindern in Deutschland. Am 16.1.14 meldete er seinen Wohnsitz in Deutschland ab und gab an, nach Liechtenstein gezogen zu sein. Dies belegte er mit einer Meldebestätigung der dortigen Einwohnerkontrolle, einer Vermieterbescheinigung, einer Stromrechnung sowie einer Hausratversicherung und weiteren Belegen, die private Geschäftsvorgänge in Liechtenstein im Zeitraum von Februar bis Dezember 2014 dokumentieren (u. a. eine Autoreparatur-Rechnung).
Am 1.8.14 unterzeichnete der Ehemann einen Mietvertrag für eine Wohnung in Deutschland. Als Mieterin war eine Foundation mit Anschrift in Panama angegeben. Auf dem Mietvertrag wurde handschriftlich ergänzt, dass eine Untervermietung u. a. an die Familie des Ehemanns erlaubt ist. Diese Wohnung nutzte der Ehemann an den Tagen, an denen er in Deutschland war, um dort zu übernachten und den Umgang mit seinen Kindern zu pflegen. Gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 legte er Einspruch ein und argumentierte, dass er in diesen Jahren weder einen gewöhnlichen Aufenthalt noch einen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland hatte und seine Einkünfte daher in Liechtenstein zu versteuern seien, wo sein einziger steuerlicher Wohnsitz sei.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Ehemann sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da hier der Mittelpunkt seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen liege. Als Beleg führte das Finanzamt seine regelmäßigen Kontakte zur ehemaligen und zur jetzigen Ehefrau an. 2018 erhob der Ehemann Klage und machte geltend, dass zu Unrecht eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland angenommen werde. Das FG Münster entschied nur teilweise zu seinen Gunsten.
Anmerkungen
Das Besprechungsurteil des FG Münster betrifft die Frage, ob die vom Ehemann im VZ 2014 bezogenen Einkünfte aus einer inländischen Berufsunfähigkeitsversicherung im Inland der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen und welcher Staat das Besteuerungsrecht erhält.
Im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 hatte der Ehemann weder einen inländischen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Hierzu stellt das FG Münster Folgendes fest:
- Ein Steuerpflichtiger hat einen Wohnsitz i. S. v. § 8 AO inne, wenn ihm eine Wohnung in objektiver Hinsicht jederzeit als Bleibe tatsächlich zur Verfügung steht und in subjektiver Hinsicht von ihm für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt ist (hier: Mietvertrag mit Unterschrift des Steuerpflichtigen; Anmietung zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinen Kindern). Eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit mit anderen Personen ist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige ein „Erstzugriffsrecht“ hat bzw. die Umstände dafür sprechen, dass auch bei gemeinsamer Anwesenheit jeweils eine eigenständige Wohnnutzung möglich ist (hier: Zuschnitt der Wohnung; Anzahl der Zimmer und Schlüssel).Inländischer Wohnsitz in objektiver und subjektiver Hinsicht
- Eine „Ansässigkeit im Ausland“ ist gegeben, wenn tatsächliche Umstände dafürsprechen, dass der Steuerpflichtige im Ausland eine Wohnung mit der Absicht des dauernden Verbleibens unterhält (hier: Vermieterbestätigung; Stromverbrauch; Abschluss einer Hausratversicherung; Belege betreffend private Geschäftsvorfälle).Ansässigkeit im Ausland nach tatsächlichen Umständen
- Eine Person, die in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, gilt gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) 2. Hs. DBA-Liechtenstein nur als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) unterhält. Dabei ist die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 2 AO zu beachten. Zu den persönliche Beziehungen kann gehören, dass der Steuerpflichtige Kinder und Familie in Deutschland hat. Es sind keine familiären Bindungen ins Ausland erkennbar. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist zu beachten, dass die Einkünfte ausschließlich aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Deutschland stammen. Zudem übt der Ehemann im Ausland eine unentgeltliche Tätigkeit aus, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist.Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen sind zu prüfen
Eine unbeschränkte Steuerpflicht des Ehemannes besteht daher im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 nicht. Für eine Besteuerung im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG in Bezug auf die Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung fehlt es am deutschen Besteuerungsrecht. Diese Einkünfte unterfallen zwar § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 22 Nr. 1 S. 3 EStG. Allerdings weist das DBA-Liechtenstein (17.11.11, BGBl. 12 II, 1462) das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte dem Fürstentum Liechtenstein zu (Art. 17 Abs. 1 oder 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein), weil der Ehemann im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 in Liechtenstein als ansässig galt.
Deshalb war der Ehemann mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Zeitraum 1.1. bis 31.7.14 weder unbeschränkt noch beschränkt einkommensteuerpflichtig, insoweit war die Klage erfolgreich.
Ab dem 1.8.14 änderte sich die Situation: Der Ehemann unterhielt durch die Anmietung der Wohnung im Inland wieder einen inländischen Wohnsitz (§ 8 AO). Die Voraussetzungen waren gegeben, weil der Ehemann die Mietwohnung jederzeit für ein über das bloße Übernachten hinausgehendes Wohnen nutzen konnte. Im Streitfall hatte er die Wohnung unterhalten, um das Umgangsrecht mit den Kindern pflegen zu können. Ab dem 1.8.14 unterlag der Ehemann daher mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsrente – begrenzt auf den Ertragsanteil – in Deutschland wieder der unbeschränkten Steuerpflicht. Dieses Besteuerungsrecht wird nicht durch ein DBA beschränkt oder ausgeschlossen.
AUSGABE: PIStB 12/2024, S. 334 · ID: 50129321