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DBA-LiechtensteinBesteuerungsrecht für Einkünfte aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei Auslandswohnsitz

Abo-Inhalt28.11.20246 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Das FG Münster hat entschieden, dass Rentenzahlungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die durch eigene Beitragsleistungen erworben wurden, als Rente i. S. v. Art. 17 Abs. 1, 4 DBA-Liechtenstein gelten. Demnach unterliegen diese Renten ausschließlich der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers. Verfügt eine Person in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, sind gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Liechtenstein die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen entscheidend (FG Münster 9.12.22, 4 K 1701/18 E). |

Sachverhalt

Bis Ende 2013 lebte der Ehemann gemeinsam mit seiner mittlerweile geschiedenen ersten Ehefrau und seinen drei leiblichen minderjährigen Kindern in Deutschland. Am 16.1.14 meldete er seinen Wohnsitz in Deutschland ab und gab an, nach Liechtenstein gezogen zu sein. Dies belegte er mit einer Meldebestätigung der dortigen Einwohnerkontrolle, einer Vermieterbescheinigung, einer Stromrechnung sowie einer Hausratversicherung und weiteren Belegen, die private Geschäftsvorgänge in Liechtenstein im Zeitraum von Februar bis Dezember 2014 dokumentieren (u. a. eine Autoreparatur-Rechnung).

Am 1.8.14 unterzeichnete der Ehemann einen Mietvertrag für eine Wohnung in Deutschland. Als Mieterin war eine Foundation mit Anschrift in Panama angegeben. Auf dem Mietvertrag wurde handschriftlich ergänzt, dass eine Untervermietung u. a. an die Familie des Ehemanns erlaubt ist. Diese Wohnung nutzte der Ehemann an den Tagen, an denen er in Deutschland war, um dort zu übernachten und den Umgang mit seinen Kindern zu pflegen. Gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 legte er Einspruch ein und argumentierte, dass er in diesen Jahren weder einen gewöhnlichen Aufenthalt noch einen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland hatte und seine Einkünfte daher in Liechtenstein zu versteuern seien, wo sein einziger steuerlicher Wohnsitz sei.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Ehemann sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da hier der Mittelpunkt seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen liege. Als Beleg führte das Finanzamt seine regelmäßigen Kontakte zur ehemaligen und zur jetzigen Ehefrau an. 2018 erhob der Ehemann Klage und machte geltend, dass zu Unrecht eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland angenommen werde. Das FG Münster entschied nur teilweise zu seinen Gunsten.

Anmerkungen

Das Besprechungsurteil des FG Münster betrifft die Frage, ob die vom Ehemann im VZ 2014 bezogenen Einkünfte aus einer inländischen Berufsunfähigkeitsversicherung im Inland der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen und welcher Staat das Besteuerungsrecht erhält.

Im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 hatte der Ehemann weder einen inländischen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Hierzu stellt das FG Münster Folgendes fest:

  • Ein Steuerpflichtiger hat einen Wohnsitz i. S. v. § 8 AO inne, wenn ihm eine Wohnung in objektiver Hinsicht jederzeit als Bleibe tatsächlich zur Verfügung steht und in subjektiver Hinsicht von ihm für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt ist (hier: Mietvertrag mit Unterschrift des Steuerpflichtigen; Anmietung zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinen Kindern). Eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit mit anderen Personen ist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige ein „Erstzugriffsrecht“ hat bzw. die Umstände dafür sprechen, dass auch bei gemeinsamer Anwesenheit jeweils eine eigenständige Wohnnutzung möglich ist (hier: Zuschnitt der Wohnung; Anzahl der Zimmer und Schlüssel).
  • Eine „Ansässigkeit im Ausland“ ist gegeben, wenn tatsächliche Umstände dafürsprechen, dass der Steuerpflichtige im Ausland eine Wohnung mit der Absicht des dauernden Verbleibens unterhält (hier: Vermieterbestätigung; Stromverbrauch; Abschluss einer Hausratversicherung; Belege betreffend private Geschäftsvorfälle).
  • Eine Person, die in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, gilt gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) 2. Hs. DBA-Liechtenstein nur als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) unterhält. Dabei ist die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 2 AO zu beachten. Zu den persönliche Beziehungen kann gehören, dass der Steuerpflichtige Kinder und Familie in Deutschland hat. Es sind keine familiären Bindungen ins Ausland erkennbar. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist zu beachten, dass die Einkünfte ausschließlich aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Deutschland stammen. Zudem übt der Ehemann im Ausland eine unentgeltliche Tätigkeit aus, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist.

Eine unbeschränkte Steuerpflicht des Ehemannes besteht daher im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 nicht. Für eine Besteuerung im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG in Bezug auf die Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung fehlt es am deutschen Besteuerungsrecht. Diese Einkünfte unterfallen zwar § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 22 Nr. 1 S. 3 EStG. Allerdings weist das DBA-Liechtenstein (17.11.11, BGBl. 12 II, 1462) das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte dem Fürstentum Liechtenstein zu (Art. 17 Abs. 1 oder 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein), weil der Ehemann im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7.14 in Liechtenstein als ansässig galt.

Merke | Gemäß Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat erhält, nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Die Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsrente stellen eine Rente i. S. v. Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dar.
Gemäß Art. 17 Abs. 4 DBA-Liechtenstein bedeutet der Begriff Rente „einen bestimmten Betrag, der regelmäßig zu festgesetzten Zeitpunkten lebenslänglich oder während eines bestimmten oder bestimmbaren Zeitabschnitts aufgrund einer Verpflichtung zahlbar ist, die diese Zahlungen als Gegenleistung für eine in Geld oder Geldeswert bewirkte angemessene Leistung vorsieht.“ Selbst wenn man Art. 17 DBA-Liechtenstein nicht für einschlägig erachten sollte, ist nach Ansicht des FG Münster jedenfalls Art. 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein einschlägig. Hiernach können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in anderen DBA-Vorschriften nicht behandelt werden, ohne Rücksicht auf die Herkunft nur in dem Ansässigkeitsstaat besteuert werden.

Deshalb war der Ehemann mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Zeitraum 1.1. bis 31.7.14 weder unbeschränkt noch beschränkt einkommensteuerpflichtig, insoweit war die Klage erfolgreich.

Ab dem 1.8.14 änderte sich die Situation: Der Ehemann unterhielt durch die Anmietung der Wohnung im Inland wieder einen inländischen Wohnsitz (§ 8 AO). Die Voraussetzungen waren gegeben, weil der Ehemann die Mietwohnung jederzeit für ein über das bloße Übernachten hinausgehendes Wohnen nutzen konnte. Im Streitfall hatte er die Wohnung unterhalten, um das Umgangsrecht mit den Kindern pflegen zu können. Ab dem 1.8.14 unterlag der Ehemann daher mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsrente – begrenzt auf den Ertragsanteil – in Deutschland wieder der unbeschränkten Steuerpflicht. Dieses Besteuerungsrecht wird nicht durch ein DBA beschränkt oder ausgeschlossen.

Praxistipps |
  • Dass er möglicherweise nicht jeden Raum nutzen konnte, ist unerheblich. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer typischen Wohngemeinschaft auch, bei der jedem Mitglied auch bei gemeinsamer Anwesenheit jeweils eine eigenständige Wohnnutzung möglich ist (vgl. zur Wohngemeinschaft BFH 10.04.13, I R 50/12, BFH/NV 13, 1909).
  • Umstände, die darauf hindeuten, dass der Steuerpflichtige die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen will, können die Ausstattung und Einrichtung der Wohnung, die Dauer und der Anlass seiner An- bzw. Abwesenheit, der Familienstand oder die Intensität der persönlichen Bindungen an den Wohnort sein (BFH 19.3.97, I R 69/96, BStBl II 97, 447; 19.3.02, I R 15/01, BFH/NV 02, 1411).
  • Der Wohnsitzbegriff setzt keinen Aufenthalt während einer Mindestzeit voraus. Auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung, die über kurze Besuche zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgehen, können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen (BFH 25.9.14, III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl II 15, 665; 17.7.19, II B 30/18, BFH/NV 19, 1302).
Weiterführender Hinweis

AUSGABE: PIStB 12/2024, S. 334 · ID: 50129321

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