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UmsatzsteuerKeine Ist-Besteuerung, wenn Freiberufler freiwillig Bücher führen
| Die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten kommt nicht in Betracht, wenn der Unternehmer mit seinen freiberuflichen Umsätzen – verpflichtet oder freiwillig – Bücher führt (FG Baden-Württemberg, 9.7.24, 9 K 86/24; Rev. V R 16/24). |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Sie ermittelt ihren Gewinn freiwillig durch Betriebsvermögensvergleich. Die Umsatzsteuer-Festsetzungen erfolgten für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2018 jeweils gemäß § 20 S. 1 Nr. 3 UStG nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung). Im Jahre 2020 widerrief das FA die konkludent erteilte Gestattung zur Ist-Besteuerung ab dem 1.1.19 sowie für die darauffolgenden Kalenderjahre. Zur Begründung führte es aus, die Umsatzgrenze nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG. § 20 S. 1 Nr. 3 UStG greife nicht, da die Klägerin freiwillig Bücher führe. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.
2. Entscheidungsgründe
Der BFH (22.7.10, V R 4/09; s. a. BFH 22.7.10, V R 36/08) hat § 20 S. 1 Nr. 3 UStG bereits teleologisch reduzierend dahin gehend ausgelegt, dass die Ist-Besteuerung auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Unternehmer mit den freiberuflichen Umsätzen – verpflichtet oder freiwillig – Bücher führt.
Auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/5458, S. 13) wird hinreichend erkennbar, dass § 20 S. 1 Nr. 3 UStG nur greift, wenn keine Buchführung betrieben wird. Würde man Freiberufler mit Buchführung unter § 20 S. 1 Nr. 3 UStG fallen lassen, hätte dies eine zweckwidrige Bevorzugung gegenüber dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG zur Folge.
Im Hinblick auf den Normzweck (Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungen) solchen Unternehmern, die aufgrund der steuerrechtlichen Regelungen keine Bücher führen müssen, die Ist-Besteuerung zu ermöglichen, wäre es nicht zu rechtfertigen, allein auf die Buchführungspflicht abzustellen und unberücksichtigt zu lassen, ob der Unternehmer für die § 20 S. 1 Nr. 3 UStG unterliegenden Umsätze auf freiwilliger Grundlage Bücher führt. Daher kommt eine Ist-Besteuerung nach § 20 S. 1 Nr. 3 UStG auch bei Fehlen einer Buchführungspflicht nicht in Betracht, wenn der Unternehmer für die in dieser Vorschrift genannten Umsätze freiwillig Bücher führt.
Die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, und Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln oder OPOS-Listen führen, ist sachgerecht. Es bestehen nämlich zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungsarten erhebliche sachliche Unterschiede. So stimmt insbesondere nur der Betriebsvermögensvergleich mit der umsatzsteuerlichen Soll-Besteuerung überein, für die Einnahmen-Überschussrechnung bedarf es keiner Forderungskonten und das bloße Führen von OPOS-Listen stellt noch keine Gewinnermittlung dar.
3. Relevanz für die Praxis
Es wurde die Revision zugelassen und auch bereits eingelegt, weil die Frage der Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG für freiwillig buchführende Steuerpflichtige höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Der BFH habe seine Auffassung lediglich in einem obiter dictum geäußert. Die Klägerin hatte zudem gewichtige, vom BFH noch nicht geprüfte rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht, etwa die Einfügung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 UStG mit dem JStG 2022. Der Gesetzgeber hat das Tatbestandsmerkmal „nicht freiwillig Bücher führt“ explizit in die Nr. 4 des § 20 UStG aufgenommen. In der im Streitfall maßgebenden Nr. 3 findet sich dieses Tatbestandsmerkmal aber nicht. Hätte er die Absicht gehabt, die Genehmigung zur Ist-Besteuerung für Freiberufler mit dem Umstand der (freiwilligen) Buchführung zu verknüpfen, hätte er spätestens zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Regelung auch in den § 20 S. 1 Nr. 3 UStG aufnehmen müssen. Die Klägerin hält daher die vom BFH (22.7.10, V R 4/09) vertretene „extensive“ Auslegung der Nr. 3 für gesetzeswidrig.
Unabhängig vom Streitfall sei darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme der Ist-Besteuerung, sofern sie nach § 20 UStG grundsätzlich möglich ist, nicht missbräuchlich ist. Deshalb wäre die Ablehnung eines Antrags auf Ist-Besteuerung ermessenswidrig, wenn sie auf sachwidrigen Gründen beruhen würde. Soweit ein Unternehmer wegen der Ist-Besteuerung Finanzierungsvorteile erlangt, ist dies allein kein Ablehnungsgrund hinsichtlich der Gestattung der Ist-Besteuerung (BFH 12.7.23, XI R 5/21).
Sachverhalt (BFH 12.7.23, XI R 5/21) |
Der Kläger war als Geschäftsführer verschiedener Firmen unternehmerisch tätig. Er erteilte diesen Firmen in erheblichem Umfang Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer. Die Rechnungen wurden von den Firmen jedoch nur über Verrechnungskonten gebucht und über mehrere Jahre hinweg nicht bezahlt. Die Firmen konnten die Vorsteuer abziehen, während der Leistende die Umsatzsteuer mangels Vereinnahmung erst viel später ans FA zahlen musste. Letztlich hat der BFH das Ergebnis mit Blick auf die nationale Regelung gerechtfertigt, auch wenn dieses mit dem EU-Recht nicht im Einklang steht. |
Beachten Sie | Erst zum 1.1.28 werden Vorfinanzierungen zulasten des Fiskus eingeschränkt bzw. ganz unterbunden. Bei der Rechnung eines Ist-Versteuerers kann der Vorsteuerabzug künftig erst in dem Voranmeldungszeitraum vorgenommen werden, in dem die Rechnung beglichen wurde (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG, § 27 Abs. 41 UStG; vgl. Herold, PFB 25, 80).
AUSGABE: PFB 5/2025, S. 122 · ID: 50315953