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FG-Rechtsprechung kompaktWichtige Entscheidungen für die Freiberufler-Beratung
| In diesem Beitrag haben wir wieder die für die Praxis bedeutsamsten Entscheidungen der Finanzgerichte zusammengestellt und kurz kommentiert. Da die Rechtsentwicklung häufig aufgrund ausstehender Revisions-, Verfassungsgerichts- oder EuGH-Entscheidungen noch nicht abgeschlossen ist, sollten die einzelnen Themen weiter im Auge behalten werden. |
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel bei Krebserkrankungen
- 2. Corona-Überbrückungshilfe als steuerpflichtige Betriebseinnahme
- 3. Im Gegenzug für die Freigabeerklärung einer selbstständigen Tätigkeit zu leistende Ausgleichszahlungen des Insolvenzschuldners an die Insolvenzmasse
- 4. Übernommenes Eigenkapital beim Formwechsel einer GmbH in eine Personengesellschaft
- 5. Viermonatige Ausbildung zum Rettungsassistenten als erste Berufsausbildung
- 6. Lohnsteuerliche Behandlung des Geldkartenmodells
- 7. Genehmigung der Ist-Besteuerung für freiwillig buchführende Freiberufler
- 8. Betriebsvermögenszugehörigkeit von ehemals dem Sonderbetriebsvermögen zuzurechnenden Miteigentumsanteilen an Grundstücken
- 9. Rückgängigmachung eines IAB für 2021 nach Einführung des Steuerbefreiungstatbestands für PV-Anlagen
1. Ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel bei Krebserkrankungen
Nach einer Entscheidung des FG München (25.7.24, 15 K 286/23; Rev. BFH VI R 23/24) sind Aufwendungen für Diätverpflegung nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 S. 3 EStG und der Entstehungsgeschichte der Ausschlussnorm ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Dies gilt auch für Sonderdiäten, die eine medikamentöse Behandlung ersetzen (im Streitfall: ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel bei Krebserkrankungen).
Vom Abzugsverbot nach § 33 Abs. 2 S. 3 EStG werden danach Kosten einer besonderen Verpflegung und damit Aufwendungen für Diätlebensmittel erfasst, auch wenn ihnen „quasi Medikamentenfunktion“ zukommt oder sie zur Unterstützung einer Heilbehandlung konsumiert werden. Denn insoweit sei der Steuerpflichtige nicht außergewöhnlich belastet, da unterschiedliche Lebenshaltungskosten steuerlich unbeachtlich seien.
Arzneimittel unterfallen dem Abzugsverbot für Diätverpflegung dagegen nicht. Arzneimittel i. S. d. § 2 AMG sind keine Lebensmittel und zählen nicht zur Diätverpflegung i. S. d. § 33 Abs. 2 S. 3 EStG, auch wenn sie während einer Diät eingenommen werden. Aufwendungen dafür sind vielmehr als Krankheitskosten nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn ihre Einnahme einer Krankheit geschuldet und die Zwangsläufigkeit (medizinische Indikation) der Medikation durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen dieser Krankheit zugleich eine Diät halten muss, steht dem nicht entgegen. Aufwendungen für Arzneimittel sind auch in einem solchen Fall unmittelbare Krankheitskosten, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, und damit Aufwendungen, die nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind.
Praxistipp | Der BFH erhält im Revisionsverfahren nun erstmals Gelegenheit, näher darüber zu entscheiden, ob in Fällen einer Krebserkrankung die Einnahme von Präparaten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 2 EStG ist. Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten steuerliche Berater weiterhin ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastungen ansetzen und bei zu erwartendem Widerstand des FA Einspruch gegen den betroffenen Einkommensteuerbescheid einlegen. |
2. Corona-Überbrückungshilfe als steuerpflichtige Betriebseinnahme
Nach einer Entscheidung des FG Düsseldorf (7.11.23, 13 K 570/22 E; Rev. BFH VIII R 34/23) stellt die Corona-Überbrückungshilfe für Angehörige der Freien Berufe in NRW („NRW Überbrückungshilfe Plus“), die für die Monate Juni bis August 2020 ausgezahlt wurde, Betriebseinnahmen dar. Dies gelte auch, soweit sie pauschal für Lebenshaltungskosten ausgezahlt wurde. Eine Steuerbefreiung für die Corona-Überbrückungshilfe nach § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG oder nach § 3 Nr. 11 S. 1 EStG scheide aus.
Die Rechtsfrage ist umstritten. In der steuerrechtlichen Literatur wird die Ansicht vertreten, dass für die Abgrenzung zwischen Betriebseinahmen und Privateinlage die Mittelverwendung ausschlaggebend sei mit der Folge, dass es sich mangels betrieblichen Bezugs nicht um eine Betriebseinnahme handelt, wenn der Steuerpflichtige die Corona-Hilfe zulässigerweise zur Deckung von Privataufwendungen einsetzt (Seifert, NWB 20, 1744, 1745). Das FG hat demgegenüber auf die ständige Rechtsprechung abgestellt, nach der Betriebseinnahmen in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert sind, die durch den Betrieb veranlasst sind, d. h. in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihm stehen (BFH 29.2.20, VIII R 14/17, BStBl II 21, 431). Diese Voraussetzungen können – so das FG – auch bei einer Überbrückungshilfe erfüllt sein, deren Mittel zur Deckung von privaten Lebenshaltungskosten verwendet werden dürfen (ebenso Heigl, BB 20, 2011 f.).
Praxistipp | Die Problematik dürfte wegen der Breitenwirkung eine erhebliche praktische Bedeutung haben. Soweit ersichtlich, handelt es sich um die erste Entscheidung zur Frage der Steuerbarkeit und der Steuerfreiheit von Corona-Hilfen. Die Entscheidung hat darüber hinaus nicht nur für Corona-Hilfen in NRW Bedeutung, sondern auch für vergleichbare Wirtschaftsförderungsleistungen anderer Bundesländer, mit denen Kosten des privaten Lebensunterhalts abgedeckt werden sollten (Anmerk. Pfützenreuter, EFG 24, 147, 150). Auch in zeitlicher Hinsicht erstreckt sie sich nicht nur auf die Monate Juni bis August 2020, so wurde z. B. die NRW Überbrückungshilfe Plus in NRW für den Zeitraum September bis Dezember 2020 verlängert. Betroffene Steuerbescheide sollten daher unbedingt bis zur höchstrichterlichen Klärung offengehalten werden. |
3. Im Gegenzug für die Freigabeerklärung einer selbstständigen Tätigkeit zu leistende Ausgleichszahlungen des Insolvenzschuldners an die Insolvenzmasse
Das FG Münster (19.1.23, 12 K 2791/22 F; Rev. BFH VIII R 12/24) hat entschieden, dass die im Gegenzug für die Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO geleisteten bzw. auf das Streitjahr bezogen noch zu leistenden Zahlungen keine steuermindernd zu berücksichtigenden Betriebsausgaben oder Verbindlichkeiten darstellen. Ob die im Streitjahr erfolgten Zahlungen in die Insolvenzmasse bereits keine Aufwendungen im bilanzsteuerlichen Sinne darstellen, hat das FG offengelassen. Zweifel könnten sich diesbezüglich aber aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BFH ergeben, der unter dem Begriff der „Aufwendungen“ i. S. d. EStG alle Wertabflüsse verstehe, die nicht Entnahmen seien (vgl. z. B. BFH 10.10.17, X R 33/16, BStBl II 18, 185).
Jedenfalls hat das FG die betriebliche Veranlassung der Zahlungen verneint. Hierbei verweist das FG auf die Begründung des BFH zum abgelehnten Werbungskostenabzug einer Treuhändervergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren (BFH 4.8.16, VI R 47/13, BStBl II 17, 276). Diese Ausführungen sind nach Auffassung des FG auf Zahlungen an den Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO zu übertragen, da auch diese Zahlungen der Gläubigerbefriedigung dienen und damit die private Lebensführung des Steuerpflichtigen/Insolvenzschuldners betreffen.
Praxistipp | Da der BFH im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Revision mit Beschluss vom 4.6.24 (VIII B 8/23) zugelassen hat, kann die Rechtsfrage der steuerrechtlichen Qualifizierung der Ablösezahlungen an die Insolvenzmasse nun höchstrichterlich geklärt werden. Bis dahin sollten vergleichbare Zahlungen weiterhin als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Bei zu erwartendem Widerstand der FÄ sind die betroffenen Steuerbescheide mittels Einspruchs und Antrags auf Ruhen des Verfahrens offenzuhalten. |
4. Übernommenes Eigenkapital beim Formwechsel einer GmbH in eine Personengesellschaft
Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen vorliegen. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen. In diesem Zusammenhang hat das FG Münster (12.6.24, 6 K 564/19 G, F; Rev. BFH IV R 10/24) entschieden, dass die Regelungen in § 4 Abs. 4a EStG auch in einer mehrstöckigen Personengesellschaft ohne Beteiligung einer natürlichen Person anwendbar sind. Die im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG vorzunehmende betriebsbezogene Betrachtung gilt danach auch für mehrstöckige Personengesellschaften. Der Einlagebegriff in § 4 Abs. 4a S. 2 EStG ist – so das FG – vor dem Hintergrund der (umwandlungs-)steuerrechtlichen Besonderheiten des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft (im Streitfall: GmbH mit positivem Eigenkapital) in eine Personengesellschaft (mit positivem Kapitalkonto) unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm zu modifizieren bzw. normspezifisch auszulegen; der Vermögenszugang bei der Personengesellschaft infolge des Formwechsels (Übernahme des positiven Eigenkapitals) ist danach steuerlich als (fingierte) Einlage i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG zu qualifizieren.
Praxistipp | Der Besprechungsfall dürfte insbesondere für die Gestaltungsberatung eine größere praktische Bedeutung haben, insbesondere im Zusammenhang mit Umstrukturierungen in Unternehmensgruppen. Hier bieten sich Gestaltungsmöglichkeiten für die Sicherung des größtmöglichen Schuldzinsabzugs an. |
In ähnlich positiver Weise hatte bereits zuvor das FG Berlin-Brandenburg (19.3.24, 15 K 15090/22) entschieden, dass bei der Berechnung von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG auch das positive Eigenkapital einer GmbH als Einlage zu berücksichtigen ist, welche der Alleingesellschafter auf sein Einzelunternehmen verschmolzen hat. Bei bereits eingetretenem Streit mit dem FA ist in vergleichbaren Konstellationen der Einspruch und ggf. die Klage unter Hinweis auf das Besprechungsurteil geboten. |
5. Viermonatige Ausbildung zum Rettungsassistenten als erste Berufsausbildung
Nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden, ein Ausbildungsdienstverhältnis sowie eine geringfügige Beschäftigung sind allerdings unschädlich (§ 32 Abs. 4 S. 3 EStG).
In diesem Zusammenhang hat das FG Münster (28.8.24, 9 K 108/24 Kg, AO; Rev. BFH III R 31/24) entschieden, dass ein Kind durch die Qualifikation als Rettungssanitäter keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Nach § 9 Abs. 6 S. 2 EStG liegt eine Berufsausbildung danach nur vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Im Streitfall dauerte die Ausbildung des Kindes nur vier Monate. Die Erwerbstätigkeit neben dem im Anschluss durchgeführten Jurastudium stand deshalb der Berücksichtigung als Kind und einer Festsetzung des Kindergeldes nicht entgegen.
Die Legaldefinition des Begriffs der Berufsausbildung in § 9 Abs. 6 S. 2 EStG ist nach Auffassung des FG – anders als die Familienkassen meinen – auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG anzuwenden (so bereits FG Nürnberg 9.1.23, 3 K 782/22; Rev. BFH III R 12/24).
Praxistipp | Die Frage, wie der Begriff der Berufsausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auszulegen ist, ist wegen der großen praktischen Bedeutung von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt. Bei Ablehnung der Kindergeldfestsetzung wegen schädlicher Erwerbstätigkeit während des Studiums/der Ausbildung ist der Einspruch geboten, sofern die zuvor absolvierte Ausbildung die Voraussetzungen, die § 9 Abs. 6 S. 2 EStG an eine erste Berufsausbildung stellt, nicht erfüllt. |
6. Lohnsteuerliche Behandlung des Geldkartenmodells
Das FG Rheinland-Pfalz (30.8.24, 3 K 1285/22; Rev. BFH VI R 28/24) hat entschieden, dass eine Gehaltsumwandlung beim Geldkartenmodell das „Zusätzlichkeitserfordernis“ des § 8 Abs. 4 EStG nicht erfüllt, wenn der Arbeitslohn zugunsten der monatlichen Aufladungen auf die Geldkarte reduziert wird.
In diesem Rechtsstreit berief sich die Klägerin (Arbeitgeberin) auf die zuvor anderslautende Rechtsprechung des BFH (1.8.19, VI R 32/18). Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die angeordnete rückwirkende Anwendung des mit dem JStG 2021 eingeführten § 8 Abs. 4 EStG (Anwendung für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31.12.19 beginnen) verfassungswidrig ist. Das FG ist der Auffassung, dass die Einführung des § 8 Abs. 4 EStG durch das JStG 2021 eine zulässige unechte Rückwirkung darstellt, da das Gesetz auf einen noch nicht abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der Einkommensteuer angewendet wird.
Der Vertrauensschutz auf eine unveränderte Fortgeltung der früheren Rechtslage werde durch das Interesse des Gesetzgebers an der Klarstellung der steuerlichen Voraussetzungen für Sachbezüge überwogen. Lohnsteuer und Einkommensteuer seien im Hinblick auf die Anwendung des „Zusätzlichkeitserfordernisses“ einheitlich zu betrachten, wobei der Arbeitgeber verpflichtet sei, rückwirkende Gesetzesänderungen beim Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift des § 8 Abs. 4 Nr. 2 EStG gebietet nach Auffassung des FG keine Beschränkung auf solche Lohnumwandlungen, die erst seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift in § 8 Abs. 4 EStG vereinbart worden sind.
Praxistipp | Die Problematik betrifft alle vergleichbaren Gehaltumwandlungsmodelle im Lohnzahlungszeiträumen vor Einfügung des § 8 Abs. 4 EStG. Diese Problematik dürfte in vielen Fällen jetzt im Rahmen von Lohnsteueraußenprüfungen zutage treten. Sollte sich die Auffassung des FG auch beim BFH durchsetzen, sollten steuerliche Berater beachten, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, auch nachträglich Lohnsteuer einzubehalten, wenn ihnen dies wirtschaftlich zumutbar ist (§ 41c Abs. 2 S. 2 EStG). Bis zur Klärung der verfassungsrechtlichen Problematik sind aber zunächst Einspruch und ggf. Klage gegen betroffene Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheide geboten. |
7. Genehmigung der Ist-Besteuerung für freiwillig buchführende Freiberufler
Das FG Baden-Württemberg (9.7.24, 9 K 86/24; Rev. BFH V R 16/24) hat sich der herrschenden Meinung und der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen und fordert bei Freiberuflern – über den Wortlaut des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG hinaus –, dass diese nicht freiwillig Bücher führen, weil ihnen sonst eine gegenüber § 20 S. 1 Nr. 2 UStG „zweckwidrige Begünstigung“ gewährt werde. Danach schließt auch eine freiwillige Buchführung bereits die Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 S. 1 Nr. 3 UStG aus.
Praxistipp | Immerhin sprechen Praktikabilität und erleichterte Nachvollziehbarkeit für die Rechtsauslegung des FG. Die zeitlich übereinstimmende Erfassung der Umsätze bei Einkommen- und Umsatzsteuer nach wirtschaftlicher Verursachung erleichtert der Finanzbehörde die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen. |
Da bei freiwilliger Buchführung und freiwilligem Abschluss keine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG mehr zulässig ist, stimmt die einkommensteuerrechtliche Erfassung von Forderungen mit dem umsatzsteuerrechtlichen Sollprinzip überein. Allerdings bestehen auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Aufzeichnungspflichten, insbesondere nach § 22 UStG, weshalb auch insoweit „eine gewisse Buchhaltung erforderlich ist“. Führen Freiberufler derartige Aufzeichnungen für die Erstellung einer Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, schließt dies die Genehmigung der Ist-Besteuerung nicht aus (Mrosek in: Wäger, UStG, 3. Auflage 2024, § 20 Rz. 23). Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten steuerliche Berater gleichwohl weiterhin für Freiberufler mit freiwilliger Buchführung den Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung stellen und bei zu erwarteter Ablehnung unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren Einspruch einlegen. |
8. Betriebsvermögenszugehörigkeit von ehemals dem Sonderbetriebsvermögen zuzurechnenden Miteigentumsanteilen an Grundstücken
Das FG Niedersachsen (18.9.24, 3 K 22206/21; Rev. BFH VI R 27/24) hat entschieden, dass bei der Übertragung oder Überführung von Miteigentumsanteilen an Grundstücken aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers bei Aufgabe des Betriebs einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft vor dem 17.12.20 die Miteigentumsanteile an den betreffenden Grundstücken notwendig in das Privatvermögen übergehen, sofern sich keine Eigenbewirtschaftung durch den übernehmenden Mitunternehmer anschließt.
Das FA war im Streitfall von einer fortdauernden Betriebsvermögenszugehörigkeit der betreffenden Grundstücke ausgegangen und hatte die erzielten Veräußerungsgewinne versteuert. Damit setzte das FA die Vorgaben des BMF (17.5.22, IV C 7-S 2230/21/10001:007, BStBl I 22, 678, Rz. 14 f.) um. Werden Wirtschaftsgüter aus dem eigenen Sonderbetriebsvermögen überführt (§ 6 Abs. 5 S. 2 EStG), stellen diese nach Auffassung des BMF beim (bisherigen) Mitunternehmer weiterhin Betriebsvermögen dar (unter Bezug auf BFH 17.5.18, VI R 66/15), sofern der Umfang einer vergleichbaren privaten Gartenbewirtschaftung für Eigenbedarfszwecke überschritten wird. Dabei soll es unerheblich sein, ob die überführten Wirtschaftsgüter einen Betrieb oder Teilbetrieb bilden oder es sich insgesamt um einen Mitunternehmeranteil handelt. Dem ist das FG nun mit seiner bürgerfreundlichen Entscheidung entgegengetreten.
Praxistipp | Trotz der zwischenzeitlichen gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 3 S. 1 und 2 EStG ist zu beachten, dass zahlreiche land- und forstwirtschaftliche Mitunternehmerschaften bereits vor Geltung dieser neuen Regelung beendet worden sein dürften und die im hiesigen Verfahren streitige Frage der fortdauernden Betriebsvermögenszugehörigkeit entsprechender Flächen oder Flächenanteile daher auch für weitere Fälle von Bedeutung sein dürfte. Bis zur Klärung der Rechtslage sollten steuerliche Berater in diesen Fällen gegen betroffene Steuerbescheide Einspruch einlegen und das Verfahren im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren zum Ruhen bringen. |
9. Rückgängigmachung eines IAB für 2021 nach Einführung des Steuerbefreiungstatbestands für PV-Anlagen
Aktuell sind zahlreiche Rechtsfragen rund um die Einführung des Steuerbefreiungstatbestands des § 3 Nr. 72 EStG umstritten. Dazu gehört auch die Frage, ob infolge der Einführung des Gewinnermittlungsverbots in § 3 Nr. 72 S. 2 EStG ein 2021 noch gebildeter IAB rückgängig gemacht werden muss, da eine – gewinnerhöhende – Hinzurechnung i. S. d. § 7g Abs. 2 S. 1 EStG nicht mehr vorgenommen werden kann. Das FG Köln (14.3.24, 7 V 10/24) hat sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstmals hierzu geäußert und gegen die Rückgängigmachung des IAB bei summarischer Prüfung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Insbesondere sollen danach keine Verstöße gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vorliegen. Eine verfassungswidrige Rückwirkung und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes durch § 3 Nr. 72 EStG sei bereits aufgrund der begünstigenden Rechtsfolgenwirkung der Norm ausgeschlossen.
Im Beschwerdeverfahren gegen diesen Beschluss hat der BFH (15.10.24, III B 24/24, AdV-Beschluss) allerdings bei summarischer Prüfung eine andere Auffassung vertreten. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter IAB für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 S. 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist. Der BFH hat solche ernstlichen Zweifel bereits in einfachrechtlicher Hinsicht. Zweifelhaft sei der Veranlagungszeitraum, in dem der „actus contrarius“ zum IAB zu erfassen sei.
Praxistipp | Da das BMF (17.7.23, IV C 6 – S 2121/23/10001 :001, BStBl I 23, 1494, Rz. 19) die FÄ anweist, die Rückgängigmachung des IAB durchzuführen, sollten steuerliche Berater gegen betreffende Änderungsbescheide unter Hinweis auf den o. g. BFH-Beschluss vom 15.10.24 Einspruch einlegen und ggf. die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Die weiteren Rechtsentwicklungen sollte zudem sorgfältig im Auge behalten werden. |
AUSGABE: PFB 3/2025, S. 73 · ID: 50224153