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MusterfallÜbertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt und das Ende einer Betriebsaufspaltung

Abo-Inhalt22.01.20258 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

| Die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung fallen weg, wenn die sachliche oder die personelle Verflechtung nicht mehr vorliegt. Diese Fälle der Entflechtung können recht offensichtlich sein, wie bei der Beendigung eines Mietverhältnisses. Manche sind aber auch weniger offensichtlich, wie z. B. der Wegfall der Betriebsaufspaltung durch Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Und die ungewollte Beendigung der Betriebsaufspaltung kann teuer werden, da mitunter hohe stille Reserven aufzulösen und zu versteuern sind. |

1. Grundlagen

Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass

  • einer Betriebsgesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen von einem Besitzunternehmen überlassen werden (sachliche Verflechtung) und dass
  • die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (personelle Verflechtung). Der einheitliche geschäftliche Betätigungswille ist anzunehmen, wenn die Person bzw. Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann (st. Rspr. seit BFH 8.11.71, GrS 2/71, BStBl II 72, 63).

Ob die Voraussetzungen der sachlichen und der personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu entscheiden (BFH 18.8.09, X R 22/07). Aus einer Betriebsaufspaltung folgt, dass das Besitzunternehmen (wie die Betriebsgesellschaft) gewerbliche Einkünfte erzielt und deshalb Betriebsvermögen bildet, zu dem v. a. die überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen sowie die Anteile an der Betriebsgesellschaft gehören. Dieses Ergebnis kann steuerlich gewollt sein. Häufig ist es jedoch ein gestalterischer GAU.

1.1 Sachliche Verflechtung

Eine sachliche Verflechtung liegt also vor, wenn das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt. Als funktional wesentlich sind alle Wirtschaftsgüter anzusehen, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebs notwendig sind oder dem Betrieb das Gepräge geben. Auch immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. der Geschäftswert, die für den Betrieb wesentlich sind, können der Betriebsgesellschaft überlassen werden und eine Betriebsaufspaltung begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass die wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft entgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Es genügt vielmehr eine leihweise Überlassung (BFH 17.11.20, I R 72/16). Eine sachliche Verflechtung liegt bereits vor, wenn das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft wenigstens eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt. Das gilt sowohl für Nutzungsüberlassungen auf schuldrechtlicher als auch für solche auf dinglicher Grundlage (BFH 24.9.15, IV R 9/13, BStBl II 16, 154). Auch im Fall einer mittelbaren Überlassung ist bei Überlassung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage vom Vorliegen einer sachlichen Verflechtung auszugehen.

Wirtschaftsgüter sind dann als wesentliche Betriebsgrundlagen einer Betriebsaufspaltung anzusehen, wenn sie von besonderem wirtschaftlichen Gewicht für die Betriebsführung und zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind – allerdings nicht allein deshalb, weil in ihnen erhebliche stille Reserven ruhen. Wesentliche Betriebsgrundlagen können materielle, immaterielle, bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter sein. Büro- und Verwaltungsgebäude, Fabrikgrundstücke, Produktionsmaschinen und Patente wurden von der Rechtsprechung bereits als wesentliche Betriebsgrundlagen anerkannt, da sie die Kriterien des besonderen wirtschaftlichen Gewichts und der Erforderlichkeit für den Betriebszweck i. d. R. immer erfüllen (vgl. H 15.7 (5) EStH). Der BFH (10.5.16, X R 5/14) sieht auch dann eine Betriebsaufspaltung als gegeben an, wenn die wesentliche Betriebsgrundlage, die das Besitzunternehmen an die Betriebs-GmbH vermietet, nicht im Eigentum des Besitzunternehmens steht, sondern angemietet wird. Es genügt, wenn derjenige, der die Nutzung überlässt, die wesentliche Betriebsgrundlage aus eigenem Recht nutzen kann und somit zur Weiterverpachtung befugt ist.

1.2 Personelle Verflechtung

Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten. Nur dann unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmens von der Tätigkeit eines gewöhnlichen Vermieters. Eine Personenidentität in den Organen der Besitz- bzw. Betriebsgesellschaft ist nicht erforderlich. Ein solcher Wille ist in zwei Fällen anzunehmen:

  • Beteiligungsidentität: Dieser Wille tritt am klarsten hervor, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind.
  • Beherrschungsidentität: Es genügt aber, dass die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen (vgl. grundlegend BFH 8.11.71, GrS 2/71, BStBl II 72, 63).

Bei der Beurteilung der personellen Verflechtung spielen neben gesetzlichen Regelungen auch der Anteilsbesitz, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Stimmrechtsverhältnisse, Mehrheitserfordernis bei der Beschlussfassung) sowie Nebenabsprachen der Beteiligten eine Rolle.

Exkurs: Personengruppentheorie

Mit dem Beschluss des Großen Senats (BFH 8.11.71, GrS 2/71, BStBl II 72, 63) wurde geklärt, dass für die personelle Verflechtung eine Beteiligungsidentität nicht zwingend erforderlich ist, sondern dass bei nur teilweise identischen Beteiligten die Beherrschungsidentität ausreicht.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde die Personengruppentheorie entwickelt, wonach es für das Vorliegen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens bei beiden Unternehmen nicht darauf ankommt, ob durch besondere Bestimmungen in den Gesellschaftsverträgen oder durch andere besondere Vereinbarungen über Stimmrecht und Geschäftsführung das einheitliche Handeln der hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen nachgewiesen ist, sondern vielmehr allein die Identität dieser Personen bei beiden Unternehmen und ihr Anteilsbesitz entscheidend sind (st. Rspr seit BFH 2.8.72, IV 87/65, BStBl II 72, 796). Wie die Beteiligungsverhältnisse innerhalb der beherrschenden Personengruppe bei beiden Unternehmen gestaltet sind, ist dabei ohne Bedeutung. Sie können sogar konträr gestaltet sein (BFH 24.2.00, IV R 62/98, BStBl II 00, 417). Eine Ausnahme wird nur bei extrem gegensätzlichen Beteiligungsverhältnissen gemacht (z.B. 90:10 und 10:90).

1.3 Unbeabsichtigte Beendigung einer Betriebsaufspaltung

Die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung fallen weg, wenn die sachliche oder die personelle Verflechtung nicht mehr vorliegt. Diese Fälle der Entflechtung können recht offensichtlich sein, wie im Falle der Beendigung eines Mietverhältnisses. Manche sind aber auch weniger offensichtlich. Anlässe für die Beendigung einer Betriebsaufspaltung können sein: der Verkauf des Grundbesitzes, die Anmietung anderer Räume, der Verkauf der GmbH-Beteiligung, die Aufnahme anderer stimmberechtigter Gesellschafter, die Vererbung von GmbH-Anteilen und Grundbesitz auf unterschiedliche Erben oder wie in diesem Musterfall der Wegfall der Betriebsaufspaltung durch Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Die ungewollte Beendigung ist steuerlich teuer; denn sie führt zur Versteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Betriebsunternehmens (Grundbesitz, Patente, Wert der Anteile an der Betriebsgesellschaft etc.).

2. Vermögensübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt

Eine Übertragung von Vermögen unter Nießbrauchsvorbehalt ist eine beliebte Form der vorweggenommenen Erbfolge, die es ermöglicht, Unternehmensanteile zu übertragen, ohne dass der Übertragende seine Einkommensquelle verliert. Bei dieser Übertragungsform wird das zivilrechtliche Eigentum (z. B. an den GmbH-Anteilen) auf den Empfänger übertragen, während sich der Übertragende ein Nießbrauchsrecht vorbehält. Dabei wird der Empfänger rechtlicher Eigentümer der Anteile, der Übertragende behält aber das Recht auf die Erträge (z. B. Gewinnausschüttungen) aus den Anteilen.

Zu beachten ist, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht zwangsläufig mit dem rechtlichen Eigentum übergeht. Die Zuordnung hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab:

  • Stimmrechte,
  • Wertentwicklungschancen und -risiken,
  • Vereinbarung eines Widerrufsrechts.

Oft behält sich der Übertragende zusätzlich zum Nießbrauch auch das Stimmrecht durch eine Vollmacht vor.

Steuerlich werden die Erträge in der Regel dem Nießbraucher zugerechnet. Der Wert des Nießbrauchs reduziert die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage. Bei einem späteren Verkauf der Anteile können sowohl die ursprünglichen als auch nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemacht werden.

Bei Betriebsaufspaltungen ist besondere Vorsicht geboten. Um die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung nicht zu gefährden, muss sichergestellt werden, dass der Übertragende wirtschaftlicher Inhaber der Beteiligung bleibt.

3. Sachverhalt

Der 70-jährige Steuerpflichtige S überträgt sowohl das Eigentum am Besitzunternehmen (Grundstück) als auch an der Betriebsgesellschaft (GmbH) auf seine (volljährigen) Kinder S und T (vorweggenommene Erbfolge). Er behält sich, um weiterhin Erträge zu erzielen, ein Nießbrauchsrecht am Grundstück und den GmbH-Anteilen zurück.

Frage: Führt die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zur Beendigung der Betriebsaufspaltung?

4. Lösung

Eine Betriebsaufspaltung liegt nach H 15.7 (4) „Allgemeines“ EStH vor, wenn

Merke | Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Vermietung oder Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung. Das Besitzunternehmen ist ein Gewerbebetrieb.
Das überlassene Wirtschaftsgut und auch die Anteile an der Betriebs-Kapitalgesellschaft werden zu notwendigem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Dies hat zur Folge, dass etwaige stille Reserven steuerverhaftet sind.
  • ein Unternehmen (Besitzunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt (sachliche Verflechtung) und
  • eine oder mehrere Person(en) zusammen sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung).

4.1 Beendigung der Betriebsaufspaltung

Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden; denn dann entfällt grundsätzlich die personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft (BFH 21.1.15, X R 16/12). Ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen bewirkt i. d. R. nicht (vorbehaltlich einer entsprechenden vertraglich abweichenden Gestaltung), dass der Nießbraucher stimmberechtigt wird. Auf das Stimmrecht kommt es für die personelle Verflechtung indes entscheidend an, weil eine GmbH (abgesehen vom Fall der faktischen Beherrschung) durch die Ausübung der Stimmrechte beherrscht wird. Somit verfügt S nach der Übertragung nicht mehr über die Stimmrechte an der GmbH, kann aufgrund des Nießbrauchs aber die laufenden Geschicke des Grundstücks bestimmen.

Beachten Sie | Somit liegt eine Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG vor. Da S das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, können unter den weiteren Voraussetzungen die Begünstigungen nach § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und nach § 34 Abs. 3 EStG (ermäßigter Steuersatz) genutzt werden.

4.2 Abwandlung

S überträgt nach § 6 Abs. 3 EStG nur die GmbH-Anteile, an denen er sich den Nießbrauch und das Stimmrecht vorbehält. Das Grundstück wird nicht übertragen.

Überträgt in Fällen der Betriebsaufspaltung der Gesellschafter der Betriebs-GmbH seine Anteile unter Vorbehaltsnießbrauch, bleibt die personelle Verflechtung bestehen, wenn er weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann (BFH 25.1.17, X R 45/14).

Das Besitzunternehmen verbleibt bei S. Lediglich die stillen Reserven der GmbH-Anteile sind aufgrund der Entnahme aus dem Betriebsvermögen zu versteuern. Denn der Nießbrauchsvorbehalt beinhaltet kein wirtschaftliches Eigentum für den Nießbraucher (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Übertragung der GmbH-Anteile führt daher zwar zu einem laufenden Gewinn aufgrund der Entnahme der GmbH-Anteile. Im Übrigen bleibt der Betrieb allerdings bestehen, sodass die stillen Reserven des Grundstücks nicht aufzudecken sind (kein Fall des § 6 Abs. 3 EStG, da insoweit kein Eigentumswechsel stattgefunden hat).

AUSGABE: PFB 2/2025, S. 52 · ID: 50099673

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