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EinkommensteuerIst die Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH-Anteilen nicht steuerbar?

Abo-Inhalt11.12.20248 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Stephan Peters, Haltern am See

| Die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts für Anteile an einer GmbH ist weder nach § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 EStG, noch gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 22 Nr. 2, § 23 EStG steuerbar und somit mangels anderer Tatbestände nicht steuerbar (FG Köln 29.2.24, 7 K 95/23; Rev. BFH IX R 14/24). |

1. Hintergrund

Nießbrauchgestaltungen kommen in der Praxis v.a. bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge eine große Bedeutung zu. Ein zentraler Aspekt ist dabei insbesondere die Möglichkeit zur Optimierung der Belastung mit Schenkungsteuer bei Anteilsschenkungen, da das kapitalisierte Nießbrauchrecht die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer reduziert. Im Einzelfall kann unter entsprechender Gestaltung die Bemessungsgrundlage dergestalt reduziert werden, dass die einschlägigen Freibeträge (§ 16 ErbStG) nicht überschritten werden.

Normiert ist das Nießbrauchrecht in den §§ 1030 ff. BGB. Da Gegenstand des Nießbrauchrechts auch ein Recht sein kann (§ 1068 BGB), können auch Anteile an GmbHs oder Personengesellschaften mit einem Nießbrauchrecht belastet werden, wobei es sich bei dem Nießbrauchrecht um ein dingliches Recht an der belasteten Beteiligung handelt.

Während die Bestellung eines Nießbrauchrechts an GmbH-Anteilen der notariellen Beurkundung bedarf, ist die Bestellung an einem Personengesellschaftsanteil grundsätzlich formfrei möglich, bei unentgeltlicher Bestellung des Nießbrauchrechts sind die Formvorschriften für die Schenkung zu prüfen (§ 518 BGB).

Arten des Nießbrauchs
VorbehaltsnießbrauchZuwendungsnießbrauchVermächtnisnießbrauch
Dinglicher Übergang der Vermögenssubstanz (bspw. durch Schenkung)
Übertragender behält sich die Erträge und ggf. auch Gesellschaftsrechte vor.
Besteller des Nießbrauchrechts bleibt Eigentümer.
Nießbrauchbesteller wendet Drittem Nießbrauchrecht zu.
Drittem stehen Erträge aus Unternehmen/Beteiligung zu.
Sonderform des Zuwendungsnießbrauchs
Unternehmensvermögen geht im Wege der Erbfolge über.
Erben werden durch Vermächtnis beschwert, da sie einem Dritten (überlebender Ehegatte) ein Nießbrauchrecht einräumen müssen.

Bei Einzelunternehmen ist die Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt in der Praxis wenig verbreitet, da dem Empfänger der Schenkung in diesem Fall die Nutzungen nicht zustehen, er aber gleichwohl das zivilrechtliche Haftungsrisiko trägt. In der Praxis haben sich verschiedene Erscheinungsformen des Nießbrauchrechts entwickelt, wobei dem Vorbehaltsnießbrauch in der Praxis die größte Bedeutung zukommt.

Welche Rechte dem Nießbrauchberechtigten mit der Bestellung des Nießbrauchrechts eingeräumt werden, hängt von den Bedürfnissen des Einzelfalls ab. Diese Ausgestaltungen sind für die steuerrechtliche Bewertung von großer Bedeutung. In der vertraglichen Gestaltungspraxis tauchen insbesondere folgende Gestaltungsmöglichkeiten auf:

  • Stimmbindungsvereinbarung (Gesellschafter übt Stimmrecht nach Weisung des Nießbraucher aus)
  • Stimmrechtsvollmacht (Nießbraucher erhält Vollmacht, gesellschaftsvertragliche Grenzen für Stellvertretung bei Stimmrechtsausübung beachten)
  • Übertragung des Stimmrechts (Zulässigkeit umstritten! BFH geht wohl von Zulässigkeit aus, wenn Stimmrechtsübertragung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen oder alle Mitgesellschafter zugestimmt haben)

Steuerrechtlich ist bei Übertragungsvorgängen unter Einräumung von Nießbrauchrechten stets im Einzelfall zu prüfen, wem eine belastete Beteiligung zuzurechnen ist. Im Grundsatz ist dem Besteller des Nießbrauchrechts der Anteil auch weiterhin gemäß § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen. Eine Sonderregelung enthält § 20 Abs. 5 S. 3 EStG für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Danach gilt: Sind einem Nießbraucher die Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 zuzurechnen, gilt er als Anteilseigner.

Welche Anforderungen an die Zurechnung von Einkünften nach § 20 Abs. 5 S. 3 EStG zu stellen sind, ist im Einzelfall nicht unumstritten. Auf Ebene der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt sich in jüngster Vergangenheit eine Linie, die der BFH demnächst im Rahmen von anhängigen Revisionsverfahren zu würdigen haben wird!

2. Sachverhalt

Die Klägerin (K) war zu 49 % am Stammkapital der C-GmbH beteiligt. Den weiteren Anteil von 51 % hielt die E-GmbH. Im Jahr 2012 wurde der Anteil der Klägerin geteilt und dann von der Klägerin an ihre beiden Töchter (F und G), jeweils unter Vorbehalt eines lebenslangen und unentgeltlichen Nießbrauchrechts, verschenkt.

Das Nießbrauchrecht von K beschränkt sich auf die Ziehung der Nutzungen aus den Geschäftsanteilen (v. a. Bilanzgewinn). Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte gehört ausdrücklich nicht zu den der K zustehenden Nutzungen.

Nach Übertragung der Anteile auf ihre Töchter erklärte K Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. In ihrem Gewinnverwendungsbeschlüssen wies die C-GmbH auf den Vorbehaltsnießbrauch von K hin. Im Jahr 2019 verkauften die Töchter F und G ihre Anteile an die E-GmbH. Um einen lastenfreien Verkauf der Geschäftsanteile zu ermöglichen, zahlte die E-GmbH an die Klägerin zur Ablösung ihres Nießbrauchrechts eine Geldzahlung. Den hätte das FA zwar gerne versteuert, doch daraus wurde nichts; denn die Klage der K vor dem FG Köln war erfolgreich.

3. Entscheidungsgründe

Die Ablösezahlung führt nicht zu steuerpflichtigen Einkünften, da es sich nicht um eine Entschädigung für entgehende Einnahmen i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG handelt. Da § 24 EStG keine eigene Einkunftsquelle schafft, setzt die Annahme einer Entschädigung immer voraus, dass die Zahlung im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einkünften steht, woran es bei der vorliegenden Abfindungszahlung fehlt.

Damit die Abfindungszahlung für die Klägerin steuerpflichtig sein könnte, müsste der Klägerin gemäß § 20 Abs. 5 S. 3 EStG zunächst abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum der Anteil wirtschaftlich zugerechnet werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall! Der Klägerin sind die Anteile entgegen der Regelung in § 20 Abs. 5 S. 3 EStG nicht zuzurechnen, sondern weiterhin den Anteilseignern, da der nießbrauchberechtigten Klägerin vorliegend lediglich ein Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil eingeräumt wurde. Die Klägerin hatte hingegen keine Möglichkeiten zur Ausübung wesentlicher Verwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte. Insoweit waren die Anteile weiter den Anteilseignern zuzuordnen, womit das FG die bisherige Rechtsprechung des BFH (14.2.22, VIII R 29/18, BStBl II 22, 544) aufgreift.

Anders wäre der Fall zu beurteilen gewesen, wenn der Klägerin die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und die Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Die bloße Bestellung eines Nießbrauchrechts, welches dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil vermittelt, genügt nicht. Dass der Klägerin vorliegend keine Dispositionsbefugnis eingeräumt war, ist unstreitig.

Weitere Einkünfte kamen im Ergebnis ebenfalls nicht in Betracht, sodass die Ablösezahlung bei der Klägerin nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führt.

4. Relevanz für die Praxis

Die ertragsteuerliche Behandlung von Nießbrauchgestaltungen wird weiterhin zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung führen. Abzugrenzen sind dabei die in dem obigen Fall dargestellten Streitigkeiten bzgl. der Belastung eines GmbH-Anteils mit einem Nießbrauchrecht sowie die Belastung von Personengesellschaftsanteilen mit Nießbrauchrechten.

4.1 Nießbrauchrecht an GmbH-Anteilen

Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen zu der nunmehr relevanten Rechtsfrage zur ertragsteuerlichen Behandlung von Ablösezahlungen für die Aufgabe eines Nießbrauchrechts bei GmbH-Anteilen, bildet sich in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung das Kriterium der Dispositionsbefugnis als Abgrenzungskriterium heraus.

Weitere FG-Rechtsprechung

Das FG Nürnberg (29.9.23, 7 K 1029/21; Rev. BFH IX R 5/24) kommt zwar zu einem anderen Ergebnis, stellt im Kern aber auch auf das Merkmal der Dispositionsbefugnis ab.
In dem dort zur Entscheidung vorgelegten Fall wurde – im Gegensatz zum Sachverhalt beim FG Köln – eine Stimmrechtsvollmacht erteilt und damit der Übergang der Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle angenommen.
In der Folge nahm das FG Nürnberg konsequent laufende Kapitalerträge der Nießbrauchberechtigten an (Zurechnung § 20 Abs. 5 S. 3 EStG). Anders hat das FG Münster (12.12.23, 6 K 2489/22, Rev. BFH IX R 4/24) in einem Sachverhalt entschieden, der dem des FG Köln vergleichbar ist.

Es bleibt abzuwarten, ob auch der BFH dem Kriterium der Dispositionsbefugnis einer derart zentrale Bedeutung für die Zurechnung der Anteile beimessen wird.

4.2 Nießbrauchrecht an Personengesellschaftsanteilen

In der Vergangenheit wurde die Ansicht vertreten, dass es im Einzelfall zu einer „doppelten Mitunternehmerschaft“ bei Bestellung eines Nießbrauchrechts an einer Personengesellschaft kommen kann.

Unter Anwendung dieser Annahme einer „doppelten Mitunternehmerschaft“ unterliegt der Gewinnanteil (entnahmefähige und nicht außerordentliche Gewinne) der Einkommensteuer beim Nießbrauchberechtigten. Soweit darüber hinaus auf die Beteiligung Gewinnanteile entfallen (nicht entnahmefähige Gewinnanteile/außerordentliche Gewinnanteile/Gewinn aus Realisierung stiller Reserven des Anlagevermögens) sind diese dem Gesellschafter (Nießbrauchrechtsgeber) zuzurechnen. Verfahrensrechtlich wird der Gewinnanteil aber nur der Mitunternehmerschaft zugeordnet. Voraussetzung war in dieser Konstellation stets, dass der Gesellschaft neben dem Nießbraucher ebenfalls Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative ausüben kann. Bedeutung kommt der Einordnung des Gesellschafters als Mitunternehmer auch bzgl. der Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG zu.

Diese Rechtsprechung ist jedoch durch ein Urteil zur atypisch stillen Beteiligung (BFH 19.7.18, IV R 10/17) grundsätzlich infrage gestellt worden. Der BFH stellt in seiner Begründung ausdrücklich klar, dass an einem Gesellschaftsanteil nur eine Mitunternehmerstellung begründet werden kann.

BFH (19.7.18, VI R 10/17)

Ausgehend von dem Grundsatz, dass an einem Gesellschaftsanteil nur eine einzige Mitunternehmerstellung begründet werden kann, ist der Erwerber eines Gesellschaftsanteils nur dann Inhaber der daran bestehenden Mitunternehmerstellung geworden, wenn Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko vollständig auf ihn übergegangen sind.

In der Literatur wird diese Aussage des BFH zu Recht kritisch gesehen (Götz, FR 19, 605; Kepper, NZG 19, 211). Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH in dieser Frage in Zukunft positionieren wird und ob diese Aussagen tatsächlich auch auf Gestaltungen mit Nießbrauchrecht zu übertragen sind. Gegen eine solche grundsätzliche Ablehnung der doppelten Mitunternehmerschaft spricht auch, dass § 6 Abs. 3 S. 1 HS. 2 Alt. 2 EStG diese voraussetzt (Götz, FR 19, 605).

Fazit | Im Hinblick auf die durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung aufgeworfene Abgrenzungsfrage zur Zurechnung von Ablösezahlungen für den Verzicht auf ein Nießbrauchrecht bleibt abzuwarten, wie der BFH die vorliegenden Revisionsverfahren entscheiden wird. Sollte der BFH die von den Finanzgerichten vertretene Linie bestätigen, könnte sich ein gesetzgeberisches Einschreiten aufdrängen, um eine Zurechnung entsprechender Zahlungen beim Nießbrauchberechtigten zu erfassen.
Weiterführender Hinweis

AUSGABE: PFB 1/2025, S. 4 · ID: 50163591

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