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GestaltungsanlassDas Risiko bei nachträglich erkanntem Sonderbetriebsvermögen
| Viele Freiberufler und (Zahn-)Ärzte schließen sich zu Personengesellschaften wie einer GbR oder BAG zusammen. Auch wenn der Zusammenschluss viele Vorteile bietet, ergeben sich steuerliche Risiken. Zum Beispiel, wenn die Qualifikation von Wirtschaftsgütern als Sonderbetriebsvermögen (SBV) übersehen und sie irrtümlich als Privatvermögen behandelt werden. Doch welche Steuerfallen drohen, wenn das SBV rückwirkend – z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – erkannt wird? Mit welchen Werten sind die Wirtschaftsgüter nachträglich zu aktivieren und was gilt für die bisher versteuerten Einkünfte? |
1. Die Qualifikation von Wirtschaftsgütern als SBV
Gehen Freiberufler wie (Zahn-)Ärzte ihrer Tätigkeit gemeinsam in der Rechtsform einer GbR oder BAG nach, entsteht eine Mitunternehmerschaft. Das Besondere daran ist, dass sich das steuerliche Betriebsvermögen dieser Gesellschaft nicht nur auf die Wirtschaftsgüter erstreckt, welche der Gesellschaft gehören. Denn hierzu zählen auch die Wirtschaftsgüter des SBV. Bei Betrachtung des steuerlichen Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft ermittelt sich dieser dann aus dem Gewinn der Gesamthand zzgl. dem Gewinn des SBV und den Gewinnen aus möglichen Ergänzungsbilanzen.
Das SBV selbst wird wie folgt unterteilt:
- SBV I: Hierzu gehören die Wirtschaftsgüter, die einem oder mehreren Mitunternehmern gehören, die jedoch dazu geeignet und bestimmt sind, der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu dienen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn im Eigentum eines Gesellschafters stehende Wirtschaftsgüter der Gesellschaft zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise eine Immobilie.Dient der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft
- SBV II: Dieses bezieht sich auf Wirtschaftsgüter, die zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung eines Gesellschafters an der Gesellschaft eingesetzt werden – z. B. ein zur Finanzierung des Gesellschaftsanteils aufgenommenes Darlehen.Wird zur Stärkung der Beteiligung überlassen
Beachten Sie | Erhält der Gesellschafter für die Überlassung der Wirtschaftsgüter Vergütungen – z. B. eine Miete –, dann liegen Sondervergütungen vor (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Sondervergütungen sind korrespondierend in der Gewinnermittlung als Ertrag zu erfassen. Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft ändert sich also nicht (Aufwand in der Gesamthand; Ertrag im SBV).
Beispiel 1 |
Dr. Z ist zu 10 % an einer BAG beteiligt und überlässt dieser eine Arztpraxis. Die Anschaffungskosten von Grund und Boden haben 200.000 EUR betragen und die von ihm aufgewendeten Herstellungskosten für die 2020 fertiggestellte Praxis 500.000 EUR. Eine Finanzierung ist nicht erfolgt. Im Gegenzug erhält Dr. Z von der BAG eine jährliche Miete von 25.000 EUR. Lösung:
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Beachten Sie | Die Gewinnermittlung für das SBV hat nach der gleichen Gewinnermittlungsmethode wie beim Gesamthandsvermögen zu erfolgen. Bilanziert die Gesellschaft, muss auch im SBV bilanziert werden (BFH 23.10.90, VIII R 142/85). Wird der Gewinn durch EÜR ermittelt, gilt diese Methode auch für das SBV.
2. Das unerkannte SBV
In der Praxis bleiben Wirtschaftsgüter des SBV oft viele Jahre lang unerkannt. Gründe hierfür sind vielfältig. Beispielsweise ist es denkbar, dass dem steuerlichen Berater die Beteiligung an der Gesellschaft nicht bekannt ist oder die Beteiligung erst einige Jahre nach Beginn der Überlassung der Wirtschaftsgüter an die Gesellschaft eingegangen und im Zuge dessen nicht erneut die Qualifikation bisher vorhandener Wirtschaftsgüter überprüft wurde.
Die Folge: Die Wirtschaftsgüter sowie die Erträge aus deren Überlassung an die Gesellschaft werden irrtümlich als Privatvermögen behandelt. Die Erträge werden also im Rahmen der persönlichen Steuererklärung des Gesellschafters deklariert (z. B. nach § 21 EStG) und sie haben nicht den steuerlichen Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft erhöht.
Beispiel 2 |
Wie Beispiel 1, nur wurde das SBV nicht erkannt. Lösung:
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Beachten Sie | Durch das nicht erkannte SBV fällt der Gewinn der BAG um 10.000 EUR zu gering aus. Das hat vor allem dann Auswirkungen, wenn der Gewinn der BAG der Gewerbesteuer unterliegen sollte (z. B. durch die Beteiligung einer berufsfremden Person oder durch eine gewerbliche Infektion gem. § 15 Abs. 3 EStG). Zudem versteuert Dr. Z anstelle von 7.500 EUR Beteiligungseinkünfte nur - 2.500 EUR, muss dafür aber Vermietungseinkünfte von 15.000 EUR versteuern. Effektiv versteuert Dr. Z damit pro Jahr 5.000 EUR zu viel. Das liegt daran, dass die Gebäudeabschreibung im SBV 15.000 EUR betragen würde (3 %) und im Privatvermögen nur 10.000 EUR beträgt (2 %).
3. Das nachträglich erkannte SBV
Wird das bisher unerkannte SBV nachträglich erkannt – z. B. im Rahmen einer bei der Gesellschaft stattfindenden Betriebsprüfung –, dann wird die Fehlbehandlung des unerkannten SBV korrigiert. Das gilt nicht nur für den Gesamtgewinn der Gesellschaft, sondern über § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO auch für die bisher zu Unrecht ermittelten und versteuerten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Ebene des Gesellschafters. Denn andernfalls würde es zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung kommen. Der Gewinn aus der Vermietung an die Gesellschaft würde zum einen im Rahmen der Vermietungseinkünfte und zum anderen im Rahmen der gesondert und einheitlich festgestellten Beteiligungseinkünfte beim Gesellschafter versteuert werden.
Beispiel 3 |
Wie Beispiel 2, nur findet auf Ebene der BAG eine Betriebsprüfung statt. Diese deckt das bisher nicht erkannte SBV von Beginn an auf. Alle Veranlagungszeiträume lassen sich noch verfahrensrechtlich ändern. Lösung:
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Beachten Sie | Dr. Z versteuert nun effektiv 5.000 EUR weniger als bisher. Das liegt daran, dass die Gebäudeabschreibung im SBV 15.000 EUR (3 %) beträgt und im Privatvermögen nur 10.000 EUR (2 %) betrug.
3.1 Steuerfalle 1 – Nicht alle Jahre können geändert werden
Stellt der Betriebsprüfer bisher nicht erkanntes SBV fest, so kann daraus auch eine Steuerfalle entstehen. Dies ist der Fall, wenn der Prüfungszeitraum nicht mit dem ersten Jahr des SBV identisch ist, also die Richtigstellung nicht von Beginn an erfolgen kann. Das liegt an der im SBV vorzunehmenden Bilanzberichtigung:
Beispiel 4 |
Wie Beispiel 3, nur besteht die Vermietung des Gebäudes bereits seit 2010 und verfahrensrechtlich lassen sich nur die Verwaltungsakte ab 2020 ändern. Lösung:
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- Lässt sich das bisher nicht erkannte SBV von Beginn an korrigieren, z. B. weil alle Verwaltungsakte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen und für diese Verwaltungsakte noch keine Feststellungsverjährung eingetreten ist, dann ist das SBV von Beginn an mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten einzubuchen und abzuschreiben. Abschreibungsvolumen geht nicht verloren (Beispiel 3).Korrekturmöglichkeit von Anfang an
- Sind hingegen bereits einige Jahre in Bestandskraft erwachsen, dann erfolgt die berichtigende Einbuchung im Wege der Fehlerberichtigung mit dem Wert, mit welchem das bisher zu Unrecht nicht als SBV berücksichtigte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Behandlung zu Buche stehen würde. Das erfordert eine „Schattenrechnung“ und die Folge ist, dass die bisher unberücksichtigt gebliebene Abschreibung des Gebäudes nicht nachgeholt werden kann (BFH 24.10.01, X R 153/97).Einige Jahre schon bestandskräftig
Beachten Sie | Effektiv versteuert Dr. Z 50.000 EUR zu viel (jährlich 5.000 EUR für die Jahre 2010 bis 2019). Das liegt an der im Privatvermögen zu gering geltend gemachten Abschreibung für das vermietete Gebäude (2 % statt 3 %). Diese zu gering geltend gemachte Abschreibung kann nicht ab 2020 nachgeholt werden, da das Gebäude zum 1.1.20 im SBV mit dem fiktiv ermittelten Restbuchwert von 350.000 EUR und nicht mit dem tatsächlich noch nicht abgeschriebenen Wert von 400.000 EUR auszuweisen ist. Dieser Umstand führt zu einem tatsächlichen und erheblichen Steuernachteil.
3.2 Steuerfalle 2 – Vermeintlich steuerfreie Immobilienveräußerungen
Eine zweite Steuerfalle kann bei unerkanntem SBV in Kombination mit der Veräußerung von Immobilien entstehen. Denn geht der Veräußerer davon aus, dass es sich bei der veräußerten Immobilie um steuerliches Privatvermögen handelt, dann unterliegt der Gewinn typischerweise nur nach Maßgabe des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG der Besteuerung. Der Gewinn ist folglich steuerfrei, wenn die Spekulationsfrist von zehn Jahren verstrichen ist. Diese Frist gilt beim SBV allerdings nicht. Hier wird der Gewinn aus der Veräußerung von Immobilien immer besteuert.
Beispiel 5 |
Eine Immobilie gehört zum bisher nicht erkannten SBV des Dr. Z. Die Anschaffungskosten betragen 500.000 EUR und der fiktive Restbuchwert bei einer zutreffenden Behandlung als SBV 350.000 EUR. Die Immobilie wird nach zehn Jahren zum Preis von 800.000 EUR veräußert. Lösung: Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Immobilie zum Privatvermögen gehört. Der Veräußerungsgewinn unterlag deshalb nicht der Besteuerung, weil die Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG von zehn Jahren bereits abgelaufen ist. Da die Immobilie tatsächlich jedoch zum SBV des Dr. Z gehört, unterliegt der Gewinn auch außerhalb der Spekulationsfrist der Besteuerung im Rahmen des SBV. Deshalb muss für das SBV von Dr. Z ein Gewinn von 450.000 EUR (Verkaufspreis 800.000 EUR abzgl. fiktiver Buchwert von 350.000 EUR) ermittelt und im Anschluss von dem Gesellschafter Dr. Z versteuert werden. |
3.3 Steuerfalle 3 – Buchwertübertragung des Mitunternehmeranteils
Spätestens im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge kann nicht erkanntes, aber funktional wesentliches SBV auch zu einer Steuerfalle im Bereich des § 6 Abs. 3 EStG führen. Ziel dieser Vorschrift ist es, eine unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils auf den Rechtsnachfolger zum Buchwert zu ermöglichen – also ohne Aufdeckung der stillen Reserven und Versteuerung eines Aufgabegewinns. Werden Wirtschaftsgüter, bei welchen es sich um funktional wesentliches SBV handelt, jedoch zurückbehalten, ist die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht anwendbar (BFH 12.4.00, XI R 35/99). Deshalb ist ein (möglicherweise tarifbegünstigter) Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn zu ermitteln und zu versteuern.
Beispiel 6 |
Dr. Z überträgt seine Beteiligung an der BAG unentgeltlich auf seinen Sohn Dr. A. Dabei behält er die der BAG überlassene Immobilie in seinem Privatvermögen zurück, weil er davon ausgeht, dass es sich um Privatvermögen und nicht um funktional wesentliches SBV handelt. Lösung: Würde es sich bei der Immobilie tatsächlich um Privatvermögen handeln, wäre die Übertragung des Mitunternehmeranteils unter Anwendung der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG steuerneutral. Da es sich tatsächlich um funktional wesentliches SBV handelt, scheitert daran die steuerneutrale Buchwertfortführung. Die Folge: Dr. Z muss für den übertragenen Mitunternehmeranteil inklusive der nicht übertragenen Immobilie einen Aufgabegewinn ermitteln und diesen der Besteuerung unterwerfen (BMF 20.11.19, Rz. 9). |
Beachten Sie | Unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 16 Abs. 4 EStG (Vollendung des 55. Lebensjahres oder dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne) kann von dem Aufgabegewinn ein Freibetrag von bis zu 45.000 EUR abgezogen werden. Der Freibetrag ermäßigt sich jedoch um den Betrag, um den der Aufgabegewinn 136.000 EUR übersteigt. Zudem ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG eine tarifbegünstigte Besteuerung für den Aufgabegewinn möglich (1/5-Regelung oder ermäßigter Steuersatz).
AUSGABE: PFB 1/2025, S. 11 · ID: 50145663