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VertragsgestaltungÄrztliche Gesellschaftsverträge im Lichte des MoPeG
| Das am 1.1.24 in Kraft getretene Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) hat in vielerlei Hinsicht Auswirkung auf das Recht der Personengesellschaften. Es wirkt sich auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften insbesondere in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus. Diese Auswirkungen sollen im Folgenden zunächst beleuchtet werden. Hiernach erfolgt eine nähere Betrachtung, was es bei der Gestaltung künftiger Gesellschaftsverträge zu beachten gilt. |
1. Auswirkungen auf Bestandsverträge
Sei es im Streit über eine Beschlussfassung anlässlich des altersbedingten Ausscheidenswunsches eines Gesellschafters, des Todes oder der Berufsunfähigkeit eines Gesellschafters oder wegen des geplanten Beitritts eines zusätzlichen Gesellschafters – es gibt zahlreiche Konstellationen, in denen man als Berater einen teilweise bereits viele Jahre oder gar Jahrzehnte alten Gesellschaftsvertrag vorgelegt bekommt mit der Frage: „Was bedeutet das denn jetzt für unsere Situation eigentlich?“ Nicht selten geraten Steuerberater und Juristen bei der Lektüre selbst ins Rätselraten, weil Vertragsklauseln mehrdeutig, in sich widersprüchlich, unvollständig oder unverständlich sind oder weil Regelungen zur betreffenden Fragestellung schlicht fehlen. Neben dem Instrument der Vertragsauslegung wird dann häufig auf die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze sowie auf die geltende Gesetzeslage zurückgegriffen. Nun hat sich letztere aber kürzlich in mancherlei Hinsicht drastisch geändert, sodass sich vermehrt die Frage stellen wird, wie hiermit umzugehen ist. An welchen Stellen ist auf die Gesetzeslage zurückzugreifen? Und auf welche: die alte oder die neue? Dabei ist auf den Unterschied dispositives versus zwingendes Recht zu achten.
1.1 Dispositive Geltung des Rechts – Vorrang des Parteienwillens
In zahlreichen Fällen wird man gar nicht so weit kommen, dass man sich mit der geänderten Gesetzeslage zu befassen hat. Denn die Auslegung des Vertrags anhand des Willens der Parteien ist grundsätzlich vorrangig vor dem Rückgriff auf die Gesetzeslage. Zumindest gilt dies, solange es sich um solche Regelungsbereiche handelt, in denen die aktuelle gesetzliche Regelung dispositiv ist, d. h. die Parteien eigene Regelungen abweichend von der Gesetzeslage treffen dürfen. Dann wird anhand der Vertragsregelungen sowie möglicherweise auch der begleitenden Überlegungen rund um den Vertragsschluss (ggf. anhand der Korrespondenz zur Vertragsgestaltung) versucht zu ermitteln, was die Parteien hier regeln wollten. Solange aufgrund der Regelungen des Vertrags erkennbar ist, was die Parteien im Hinblick auf dispositives Recht konkret vereinbaren wollten, gilt immer diese Regelung – völlig ungeachtet der gesetzlichen Regelungen und damit auch unbeschadet von Gesetzesänderungen. Kurz gesagt: Solange die Parteien sich wirksam innerhalb des dispositiven Rechts auf eine rechtmäßige Handhabung geeinigt haben, ist kein Raum für die Anwendung des Gesetzes. In diesen Bereichen sind Gesetzesänderungen damit schlicht unerheblich.
1.1.1 Gesetzliche Regelung entfällt nachträglich
Auf diese Weise lassen sich u. a. Fälle einfach und eindeutig beantworten, in denen auf Paragrafen verwiesen wurde, die nachträglich weggefallen sind. Ein Beispiel sei § 708 BGB. Dieser regelte bisher, dass ein Gesellschafter nur im Umfang der eigenüblichen Sorgfalt haftet, also nur unter Zugrundelegung eines für ihn individuellen Haftungsmaßstabs, der sich daran bemisst, wie sorgfältig er in eigenen Angelegenheiten vorgeht. Eine solche Regelung gibt es mit Inkrafttreten des MoPeG nicht mehr. Der § 708 BGB in seiner jetzigen Fassung regelt die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die §§ 708-718 BGB. Aus heutiger Sicht ergibt die Formulierung also keinen Sinn mehr. Vor dem Hintergrund der früheren Regelung ist aber weiterhin deutlich, dass damit ursprünglich die Beschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt intendiert war. An dieser Regelungsabsicht ändert sich durch den Wegfall des Paragrafen nichts. Verweist also ein Vertrag im Rahmen der Haftung auf § 708 BGB, so ist dessen Wegfall unbeachtlich, da erkennbar ist, dass die Parteien die in dieser Vorschrift seinerzeit geregelte eigenübliche Sorgfalt zum Maßstab nehmen wollten.
Ebenso wirkt sich die in der Literatur ausufernd beleuchtete Gesetzesänderung in § 709 BGB in dieser Konsequenz schlicht nicht aus, solange insbesondere Regelungen zu den Punkten Beiträge der Gesellschafter, Beteiligungsverhältnisse, Stimmkraftverteilung und Verteilung von Gewinn und Verlust getroffen wurden, da diese konkreten Vereinbarungen weiter gelten. Der etwas sperrige und der Rechtsfolge nach teils ungewöhnlich anmutende § 709 BGB mit seiner Zweifelsregelung in Abs. 2 und der mehrstufigen Bezugnahmeregelung in Abs. 3 findet also in solchen Fällen (erfreulicherweise) keine Anwendung. Sind zu diesen Punkten hingegen keine (eindeutigen) Regelungen getroffen, empfiehlt sich hier dringend die Nachbesserung, um die in den meisten Fällen vermutlich nicht gewünschte Folge des § 709 BGB abzubedingen.
1.1.2 Statische versus dynamische Gesetzesverweise?
Kniffliger wird es bei Verweisungen aufs Gesetz, bei denen nicht erkennbar ist, ob die Parteien sich konkret auf die damalige bei Unterzeichnung geltende Gesetzeslage beziehen wollten (statische Verweisung) oder auf die zum jeweiligen Zeitpunkt geltende Fassung des Gesetzes (dynamische Verweisung). Auch hier begibt man sich wieder zunächst auf die Ebene der Auslegung: Während in dem einen Fall die Parteien vielleicht grob die Rechtslage kannten und für adäquat hielten (Hinweis auf statischen Verweis), mögen die Parteien in einem anderen Fall sich keinerlei Gedanken dazu gemacht haben, was insoweit das Gesetz regelt und wollten sich schlicht darauf verlassen, dass der Gesetzgeber wohl schon eine Regelung bereithalten wird, die der Situation angemessen ist (was für eine dynamische Verweisung sprechen kann, aber nicht muss).
1.1.3 Vertragslücken
Diesem „Es kommt auf den Einzelfall an“-Ergebnis lässt sich noch eine mögliche Variante hinzufügen, wenn man schließlich die Fälle der Vertragslücken betrachtet. Haben die Parteien einen bestimmten Fall schlicht gar nicht geregelt, muss man sich fragen, was sie denn vereinbart hätten, hätten sie sich mit dieser Frage befasst und diese regeln wollen. Auch hier kommt man zum einen wieder zu den beiden Möglichkeiten, dass
- a) die damalige Gesetzeslage oder
- b) die jeweilige Gesetzeslage gelten soll, ergänzt um die dritte Möglichkeit, dass
- c) man eine eigene konkrete Regelung getroffen hätte, dies aber aus irgendeinem Grund versäumt hat.
Zur Auslegung des Vertrags wird zudem häufig auch anhand der tatsächlich gelebten Praxis ein Rückschluss möglich sein, worauf die Gesellschafter sich geeinigt haben. Doch auch insoweit können sich wieder argumentative Grenzen ergeben, etwa wenn im Vertrag das Schriftformerfordernis vereinbart ist und zugleich eine Regelung besteht, wonach die Regelungen der § 705 ff. BGB gelten sollen, soweit im Vertrag nichts hierzu geregelt ist. Denn dann ließe sich strikt argumentieren, dass kein Raum für eine konkludente Regelung durch reines Praktizieren sei, weil ja für alle nicht geregelten Fälle das Gesetz gelten solle – ob statisch oder dynamisch, fragt sich dann auch hier wieder.
Kommt man bei der Frage nach der Auslegung zu keinem klaren Ergebnis, etwa weil die eine Partei meint, man habe natürlich X gewollt, die andere Partei aber sicher ist, dass selbstverständlich Y gemeint gewesen sei, bleibt wiederum nur der Rückgriff auf die allgemein geltende Rechtslage und damit erneut die Frage: alt oder neu?
1.2 Zwingende Geltung des Gesetzes
Während die vorstehenden Überlegungen sich auf Regelungen hinsichtlich dispositiven Rechts bezogen, gibt es natürlich auch Paragrafen, deren Inhalt nach heutiger Rechtslage nicht dispositiv, sondern zwingend und unabänderlich sind. Derartige Rechte und Pflichten, die das Gesetz unveränderlich vorschreibt, gelten immer, egal ob im Vertrag das Gegenteil oder gar nichts hierzu geregelt ist. Letzteres wird insbesondere der Regelfall sein bei solchen Rechten, die das Gesetz in dieser Form bisher gar nicht kannte.
Ein Beispiel ist das außerordentliche Auflösungsrecht nach § 731 BGB. Denn durch die Umstellung des Regelungsregimes weg von der Auflösung hin zu Fortsetzung und Ausscheiden, hätte dem Gesellschafter innerhalb der neuen Systematik der §§ 723 ff. BGB nur noch die Möglichkeit des eigenen Ausscheidens (bzw. des Drittausschlusses) zur Verfügung gestanden, nicht aber eine Möglichkeit zur Auflösung der Gesellschaft insgesamt. Um weiterhin diese Möglichkeit der einseitig bewirkten Auslösung aufrechtzuerhalten (die ja bisher die gesetzliche Regelfolge jeder ordentlichen Kündigung war), hat der Gesetzgeber dem Gesellschafter zumindest als ultima ratio das Recht des § 731 BGB zugestanden. Ein solches Recht war bisher auch in der Gestaltungspraxis (die ja auch nach alter Gesetzeslage regelhaft von der Fortsetzung und nicht von der Auflösung ausging) nicht üblich, sodass es vermutlich keinen einzigen Altvertrag geben wird, der eine Vereinbarung enthält, die dieser zwingenden gesetzlichen Regelung gerecht wird. Auch innerhalb dieser Verträge steht aber nun jedem Gesellschafter (ungeschrieben) das Recht nach § 731 BGB zu.
2. Auswirkungen auf die Neugestaltung ärztlicher Gesellschaftsverträge
In der Neugestaltung von Gesellschaftsverträgen sowie bei Gründung neuer Gesellschaften ergeben sich infolge der Änderungen durch das MoPeG zahlreiche Neuerungen. Einige besonders relevante sollen hier kurz dargestellt werden.
2.1 Rechtsform
Ein völliges Novum seit Inkrafttreten des MoPeG ist die eGbR, die eingetragene GbR, die sich von der herkömmlichen GbR lediglich dadurch unterscheidet, dass sie in dem hierfür geschaffenen Gesellschaftsregister als öffentlichem Register eingetragen ist und damit ebenfalls den Regeln des öffentlichen Glaubens unterliegt. Es ist daher nun auch darüber zu beraten, ob die Gesellschaft eingetragen werden muss oder freiwillig eingetragen werden sollte. Das zwingende Erfordernis besteht beispielsweise, wenn die Gesellschaft Grundstücksrechte erwerben oder übertragen soll oder wenn für die Gesellschaft die Eintragung eines anderen Umstands in ein anderes öffentliches Register ansteht, die wiederum die Voreintragung im Gesellschaftsregister erforderlich macht. Auch ohne Eintragungspflicht kann die Eintragung auf freiwilliger Basis empfehlenswert sein, beispielsweise wegen der Publizität spezieller Vertretungsregelungen oder der zeitlichen Befristung der Nachhaftung des Ausscheidenden (Beginn der Fünfjahresfrist mit Eintragung des Ausscheidenden unabhängig von der Kenntnisnahme des Gläubigers).
Beachten Sie | Gestaltet man also eine Gesellschaft, die bei der Rechtswahl der GbR verpflichtend ins Gesellschaftsregister einzutragen wäre oder die freiwillig eingetragen werden soll, empfiehlt sich von Beraterseite aus dringend der Hinweis auf die Möglichkeit der Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft. Während diese als Alternative zur bisherigen GbR oft eher ein Schattendasein geführt hat, könnte sie nun als echte Alternative zur eGbR zu neuer Bedeutung gelangen. Denn der wesentliche Grund für die bisher seltene Wahl der PartG dürfte im zusätzlichen Aufwand liegen, der insbesondere mit der notariellen Tätigkeit zur Eintragung und steten Aktualisierung des Registers bei der PartG einhergeht. Hat man diesen Aufwand aber ohnehin, weil auch die GbR eingetragen werden muss oder eingetragen werden soll, so kann stattdessen auch gleich die Partnerschaft gegründet werden. Der Vorteil dort ist die Haftungsbeschränkung nach § 8 Abs. 2 PartGG. Denn auch wenn im ärztlichen Bereich die Möglichkeit zur Beschränkung im Sinne der PartGmbB nicht besteht, so kann doch zumindest diese Beschränkung auf den jeweiligen Behandler einen wesentlichen Vorteil im Einzelfall darstellen.
2.2 Stimmkraft, Beteiligungsverhältnisse, Gewinn- und Verlustbeteiligung
Während schon immer der Grundsatz galt, dass man nach Möglichkeit alles regeln und konkret festlegen sollte, was für die Gesellschaft von Bedeutung ist, so gilt dies seit Inkrafttreten des MoPeG nur noch umso mehr für die Aspekte der Stimmverteilung, der Vermögensbeteiligung, der Gewinnverteilung sowie der Beiträge der Gesellschafter (und ggf. deren Wertigkeit). Denn hierzu bestimmt nun § 709 Abs. 3 BGB:
§ 709 Abs. 3 BGB |
„Die Stimmkraft und der Anteil an Gewinn und Verlust richten sich vorrangig nach den vereinbarten Beteiligungsverhältnissen. Sind keine Beteiligungsverhältnisse vereinbart worden, richten sie sich nach dem Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge. Sind auch Werte der Beiträge nicht vereinbart worden, hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf den Wert seines Beitrags die gleiche Stimmkraft und einen gleichen Anteil am Gewinn und Verlust.“ |
Das über diese gestaffelte Regelung im Einzelfall zu erzielende Ergebnis mag in einigen Fällen den Interessen der Beteiligten gerecht werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfte dies aber eher nicht der Fall sein. Der Rückgriff auf Zweifelsregelungen, die in sich auch noch Meinungsverschiedenheiten Tür und Tor öffnen, sollte daher durch klare Einzelfallregelungen im Gesellschaftsvertrag von vornherein ausgeschlossen werden.
2.3 Ausscheiden statt Auflösung – „Ausnahme“ wird zur gesetzlichen Regel
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Neuerungen des MoPeG betrifft die Ausscheidensregelungen. Wurde bisher nach der gesetzlichen Systematik eine GbR aufgelöst, wenn einer ihrer Gesellschafter verstarb, die Kündigung erklärte oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so gilt stattdessen nun, dass der Betroffene Gesellschafter ausscheidet und die Gesellschaft ohne diesen fortgeführt wird. Der Gesetzgeber macht also die bisher in der vertraglichen Gestaltungspraxis ohnehin schon regelmäßig geltende „Ausnahme“ (Fortsetzungsklauseln mit Ausscheidensregelung) zum gesetzlichen Regelfall.
Diese Systematik hat der Gesetzgeber aber soweit zu Ende gedacht, dass er zudem einige konsequente Folgeänderungen vorgenommen hat. So soll die nach bisheriger Gesetzeslage bestehende Möglichkeit, dass ein einzelner Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft insgesamt bewirken können soll, aufrechterhalten werden. In der bisher gängigen Gestaltungspraxis (Fortsetzungsklauseln mit Ausscheidensregelung) bestand diese Möglichkeit nicht, da ja die Kündigung eines Gesellschafters regelmäßig nur zu seinem eigenen Ausscheiden führte. Um also darüber hinaus eine einseitige Auflösung zu ermöglichen, wurde der neue § 731 BGB geschaffen, der besagt:
§ 731 BGB |
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Diese Kündigung der Gesellschaft (als Ganzes) stellt laut der Gesetzesbegründung ausdrücklich nur die ultima ratio dar, ist also subsidiär zu allen anderen zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten (ordentliche oder außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft in der Gesellschaft, Ausschluss eines anderen Gesellschafters oder auch die Entziehung von Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsbefugnissen).
2.4 Kündigung – die verschiedenen Arten, Begrifflichkeiten und Fristen
Zur begrifflichen Abgrenzung der verschiedenen Kündigungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen differenziert der Gesetzgeber nun zwischen der Kündigung der Mitgliedschaft und der Kündigung der Gesellschaft. Da die altbekannten Formen der Kündigung (ordentliche und außerordentlich) nur noch zum Ausscheiden des Kündigenden bei Fortsetzung der Gesellschaft führen, heißen diese Kündigungsformen nun Kündigung der Mitgliedschaft. Insoweit ist auch häufig von der „Austrittskündigung“ die Rede. Die neu geschaffene Kündigung nach § 731 BGB hingegen bewirkt die Auflösung der Gesellschaft insgesamt und wird daher als Kündigung der Gesellschaft definiert. Diese wird auch als „Auflösungskündigung“ bezeichnet.
Diese Begrifflichkeiten gilt es nun, auch im Rahmen der Beratung und der Vertragsgestaltung sowie erst recht bei der Ausübung der Kündigungsrechte sauber zu trennen. Vor allem, wenn eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird, ist es für alle Beteiligten ein elementarer Unterschied, ob der Kündigende hiermit lediglich sein eigenes Ausscheiden oder die Auflösung der Gesellschaft insgesamt bewirken will. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann er beides und muss entsprechend deutlich machen, welche Rechtsfolge er wählt.
Zur Gestaltung der ordentlichen Kündigung sei noch darauf hingewiesen, dass diese zwar nun nicht mehr jederzeit möglich ist, sondern eine gesetzliche Frist geschaffen wurde. Mit drei Monaten zum Kalenderjahresende ist diese allerdings weiterhin sehr knapp bemessen und insbesondere im Hinblick auf etwaige Nachbesetzungsverfahren der ärztlichen Versorgungsaufträge deutlich zu kurz. Es empfiehlt sich also nach wie vor die Vereinbarung einer vertraglichen Frist, beispielsweise von neun Monaten (oder mehr) zum Kalendervierteljahresende.
2.5 Ausscheiden des Vorletzten Gesellschafters – neue Gesetzesautomatik
Der neue § 712a BGB regelt nun, dass beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters automatisch eine Gesamtrechtsnachfolge des Letztverbleibenden stattfindet, ohne dass es hierzu einer Übernahmeerklärung oder einer anderen freiwilligen, aktiven Handlung oder Willenserklärung bedarf. Dieser Fall war in der Auflösungssystematik des bisherigen Gesetzes nicht kodifiziert, sodass auch hier eine Neuregelung geschaffen wurde, die aber natürlich abdingbar ist. Bedingt man diese Rechtsfolge nicht ab, so hat der Letztverbleibende also keine Wahl, ob er alleine die Praxis fortführt und den Ausscheidenden für die Übernahme seines Gesellschaftsanteils abfindet. Während man diese Konstellation bei der vertraglichen Gestaltung einer ohnehin von Anfang an nur zweigliedrigen Gesellschaft zwingend vor Augen hat, kann dieses womöglich in ferner Zukunft gewähnte Szenario bei mehrgliedrigen Gesellschaften eher einmal aus dem Blick geraten. Gerade dort kann dies aber letztlich zu einer fatalen Überforderung des Letztverbleibenden führen, erst recht, wenn zwischen dem Ausscheiden des Drittletzten und des Vorletzten kein nennenswert großer Zeitraum liegt. Es sollte daher immer dieses Szenario mitgedacht und geregelt werden, sei es nun über ein Wahlrecht, eine Beschränkung der Abfindung des Vorletzten oder die Möglichkeit der einseitigen Auflösungserklärung des Letztverbleibenden.
2.6 Wechselwirkungen: Beschlussmängelstreitigkeiten und Schiedsklausel
Der Gesetzgeber hat weiterhin darauf verzichtet, eine einheitliche Regelung zur Handhabung von Beschlussmängelstreitigkeiten zu treffen. Möglich ist natürlich das Optieren zu den Regeln der §§ 109 bis 115 HGB oder auch die Vereinbarung eigener Regelungen zu Anfechtung und Co. Wichtig zu beachten ist hier aber – wie bereits zuvor – dass die Möglichkeit eines Vorgehens gegen Beschlüsse immer dazu führen kann, dass die höchstgerichtlichen Anforderungen an eventuelle Schiedsklauseln aufgrund der „Schiedsfähigkeit“-Gesetzgebung Anwendung finden. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte daher, wann immer der Vertrag eine solche Möglichkeit vorsieht, die Schiedsklausel so differenziert treffen, dass sie den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH aus „Schiedsfähigkeit II“ (BGHZ 180, 221, Rz. 19) genügt. Das heißt, die Unterrichtung aller Gesellschafter über die Einleitung des Schiedsverfahrens ist zu gewährleisten, um deren Beteiligung zu ermöglichen; alle Gesellschafter müssen das Recht haben, an Auswahl und Bestimmung des Schiedsrichters mitzuwirken, und alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten sind zu einem Verfahren zu verbinden, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden.
AUSGABE: PFB 1/2025, S. 24 · ID: 50215116