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HonorarDie Objekttrennung bei Straßenverkehrsanlagen: (Teil 1): So kommen Sie zum gerechten Honorar

Abo-Inhalt27.08.2025205 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. Ulrich Welter, ö.b.u.v. Sachverständiger für Ingenieurhonorare, nach HOAI, ingside®, Büsum

| Es ist ziemlich einfach, aber kaum jemand weiß es: Honorarvereinbarungen für die Planung von Straßenverkehrsanlagen werden häufig falsch getroffen. Die unschöne Folge in honorartechnischer Hinsicht ist, dass nahezu keine Objekttrennung stattfindet. Das ist bei innerörtlichen und außerörtlichen Straßen nicht anders als bei der Planung einer Autobahn. PBP klärt deshalb in einer zweiteiligen Beitragsreihe auf. |

Die drei Grundsätze der Objekttrennung in der HOAI

Nach der Generalvorschrift in § 11 Abs. 1 HOAI sind Objekte grundsätzlich getrennt abzurechnen. Das gilt auch für Verkehrsanlagen. Zur Objekttrennung bestehen für alle Leistungsbilder drei Grundsätze.

  • 1. Leistungsbildübergreifende Objekte gibt es nicht (BGH Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 192/03, Abruf-Nr. 042799).
  • 2. Innerhalb des Leistungsbilds: Ungleichartige Bauwerke bzw. Anlagen können nicht ein gemeinsames Objekt sein. Im Leistungsbild Verkehrsanlagen unterscheidet die HOAI in § 45 ungleichartige Anlagen, nämlich
    • 1. Anlagen des Straßenverkehrs,
    • 2. Anlagen des Schienenverkehrs und
    • 3. Anlagen des Flugverkehrs.
  • Anlagen des Straßenverkehrs können damit z. B. mit den Anlagen des Schienenverkehrs kein gemeinsames Objekt bilden. Dies schon deshalb, weil die HOAI für die Anlagen des Schienenverkehrs eigene Abrechnungsvorschriften enthält, die für die Anlagen des Straßenverkehrs nicht gelten. Auch insoweit ist das vorgenannte Urteil des BGH anzuwenden. Die HOAI unterscheidet in § 41 für das Leistungsbild Ingenieurbauwerke insgesamt sieben Gruppen. Auch dort können die unterschiedlichen Anlagen nicht zu einem Objekt zusammengefasst werden.
  • 3. Innerhalb des Leistungsbilds ist bei gleichartigen Bauwerken zu trennen nach funktionaler Selbstständigkeit und konstruktiver Selbstständigkeit. Liegen also mehrere Anlagen des Straßenverkehrs vor, sind sie nach funktionalen und konstruktiven Kriterien zu trennen.

Zur Trennung von Verkehrsanlagen im Allgemeinen

Bei Verkehrsanlagen spielt die konstruktive Trennung nur eine nachgeordnete Rolle. Anders ist es bei Gebäuden, bei denen die räumliche Trennung und damit die konstruktive Eigenständigkeit ein ausreichendes Merkmal für ein eigenständiges Objekt darstellt (BGH Urteil vom 09.02.2012, Az. VII ZR 31/11, Abruf-Nr. 120903). Straßenverkehrsanlagen sind insgesamt zusammenhängend und in der Regel gerade nicht konstruktiv getrennt, was in der Natur der Sache liegt und aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Das ist nur in Ausnahmefällen anders, wie z. B. bei Übergangskonstruktionen von Brückenbauwerken. Bei Verkehrsanlagen kommt es deshalb vordringlich auf die funktionale Selbstständigkeit an (so auch Fuchs/Berger/Seifert, 3. Auflage 2022, § 37 Rz. 37). Wie lässt sich die funktionale Trennung fassen? Hier hilft ein Blick in die Objektliste der HOAI:

Die HOAI 2021 im Wortlaut: Anlage 13.2 - Objektliste Verkehrsanlagen

Nachstehende Verkehrsanlagen werden in der Regel folgenden Honorarzonen zugeordnet. (...)

Aus der Überschrift (Objektliste Verkehrsanlagen) der Anlage 13.2 ergibt sich schon, dass die Liste den Zweck hat, für die aufgeführten Objekte Honorarzonen für den „Normalfall“ (in der Regel) auszuweisen. Daraus folgt aber auch, dass die in der Liste aufgeführten Anlagen sämtlich Objekte im Sinne der HOAI sind. Zum einen sind Verkehrsanlagen in § 2 Abs. 1 HOAI als Objekte ausdrücklich benannt und zum anderen lautet die Überschrift der ersten Spalte der Tabelle in der Anlage 13.2 zur HOAI „Objekte“.

In der ersten Objekt-Gruppe der Objektliste „a) Anlagen des Straßenverkehrs“ der Anlage 13.2 unterscheidet die HOAI

  • einerseits in Straßen, Wege und Plätze (außerörtliche Straßen, innerörtliche Straßen und Plätze, Wege, Plätze, Verkehrsflächen) und
  • zum anderen in Knotenpunkte.

Straßennetze, analog zu Leitungsnetzen im Leistungsbild Ingenieurbauwerke (vgl. Anlage 12.2 zur HOAI, Gruppen 1 und 2), gibt es im Leistungsbild Verkehrsanlagen nicht. Daraus folgt, dass Knotenpunkte immer eine räumliche Trennung von Straßen mit sich bringen und ein Verlauf von z. B. Knotenpunkt – Straße – Knotenpunkt deshalb zu drei (unterschiedlichen) Objekten führt (vgl. Fuchs/Berger/Seifert, 3. Auflage 2022, § 37, Rz. 37).

Gelegentlich sind diesbezüglich andere Sichtweisen zu lesen. So vertritt Kaufhold in dem Kommentar zur HOAI (Jochem/Kaufhold, 6. Auflage 2016, § 45, Rz. 16) die Meinung, dass Anschlussstellen und Autobahnkreuze zum Objekt Autobahn zugehörig sind und insgesamt nur ein einziges Objekt besteht. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, da Kaufhold die preisrechtlichen Vorschriften der HOAI, die in Straßen und Knotenpunkte trennt, außer Acht lässt.

Vielmehr ist es gerade so, dass bei einem vermeintlich höhenungleichen Anschluss einer Straße an eine übergeordnete Straße (z. B. Anschlussstelle an einer Autobahn) im Bereich der untergeordneten Straße zwei höhengleiche Knotenpunkte entstehen. Je einer für jede Richtungsfahrbahn der Autobahn. Es muss deshalb bei der in der HOAI verankerten Trennung der Objekte Straße und Knotenpunkt bleiben. Das wird in Teil 2 des Beitrags weiter vertieft.

Wie viele Objekte hat eine Autobahn?

Bei einer Autobahn handelt es sich um eine Verkehrsader, die die Verkehre in Richtungsverkehre konsequent trennt. Die Fahrbahnen (Richtungsfahrbahnen) sind durch einen Mittelstreifen getrennt. Sie erfüllen eigenständig ihre Funktion und können dies auch, ohne dass es die andere Richtungsfahrbahn überhaupt gibt. Tatsächlich gibt es nicht wenige Fälle, in denen die beiden Richtungsfahrbahnen räumlich deutlich voneinander getrennt sind (zum Teil mehrere Kilometer). Dies ist z. B. bei der BAB A 8 im Bereich Mühlhausen im Täle oder bei der BAB A 9 im Bereich Bühl der Fall.

Es kann in derartigen Fällen gar keinen Zweifel daran geben, dass es sich um zwei eigenständige Fahrbahnen (Straßen) handelt. Daran ändert auch nichts, dass es sich um Richtungsfahrbahnen einer Autobahn handelt. Seifert/Berger ist nicht zuzustimmen, dass zwei Richtungsfahrbahnen, die „durch einen Grünstreifen oder einen anderen Zwischenraum getrennt sind“ , deshalb immer noch ein zusammenhängendes Objekt „Verkehrsanlage“ bilden (vgl. Fuchs/Berger/Seifert, 3. Auflage 2022, § 11, Rz. 38). In den genannten Beispielen handelt es sich auch nur um einen Zwischenraum zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen. Und doch ist auf Anhieb erkennbar, dass es sich sicher nicht um ein zusammenhängendes Objekt handeln kann.

Wenn es sich bei zwei Gebäuden, die durch einen Zwischenraum getrennt sind, grundsätzlich um zwei Objekte handelt, dann muss das für Verkehrsanlagen auch gelten. Auch ein übergeordneter Zweck (hier: Autobahn) führt nicht dazu, dass die beiden Richtungsfahrbahnen gemeinsam ein Objekt bilden. Das verdeutlicht die nachfolgende Entscheidung des OLG München:

OLG München, Urteil vom 15.09.2004, Az. 27 U 938/99, Abruf-Nr. 050186

Ein verbindender übergeordneter Zweck schließt die getrennte Abrechnung von ansonsten jeweils konstruktiv getrennten und funktionalen für sich selbstständigen Anlagen, die aus übergeordneter Sicht Teilanlagen bilden, nicht aus. (...) Der Gerichtssachverständiger kommt zu der Auffassung, dass es sich hier nicht um unselbstständige Anlagenteile handelt, sondern um jeweils selbstständige Teilanlagen, die jede für sich autark sind und zu einem Ganzen zusammengestellt werden. Die komplexe Gesamtanlage ist unter Zweck- und Funktionsaspekten in Subsysteme untergliedert, die jeweils eigenständige Zwecke verfolgen.

Bei den beiden Richtungsfahrbahnen handelt es sich nicht um unselbstständige Anlagenteile, sondern um selbstständige Teilanlagen. Die Selbstständigkeit wird eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wenn eine der beiden Fahrbahnen wegen Unfall oder Baustelle vollständig gesperrt ist. Dann fließt der Verkehr in die Gegenrichtung ungehindert und wie geplant weiter.

Wie oben ausgeführt spielt die konstruktive Trennung bei Verkehrsanlagen eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die funktionelle Eigenständigkeit. Bei einer Autobahn haben die beiden Richtungsfahrbahnen gerade keine gemeinsame Funktion. Es ist vielmehr der Sinn einer Autobahn, die beiden Funktionen der Fahrtrichtungen zu trennen. Es soll und darf nicht zu einer gemeinsamen Nutzung (Funktion) der beiden Fahrbahnen kommen.

Es verhält sich wie bei der Trennkanalisation bei einer Abwasserbeseitigung. Schmutz- und Regenwasserkanäle sind funktional und konstruktiv getrennt und deshalb zwei getrennte Objekte (OLG Braunschweig, rechtskräftiges Urteil vom 11.03.2004, Az. 8 U 17/99, Abruf-Nr. 053024). Zu dieser Entscheidung führt Seifert in seinem Beitrag „Getrennte Honorarabrechnung bei Kanalisation eines Baugebiets mit Trennsystem?“ (IBR 2005, 690) zustimmend aus:

Werner Seifert im Wortlaut in ibr 2025, 690

Das OLG stellt fest, dass die Honorare für beide Abwassersysteme und die Verkehrsanlagen jeweils getrennt abzurechnen sind. Zwar sind Bauwerke und Anlagen der Abwasserentsorgung bei § 51 Abs. 1 Nr. 2 HOAI unter einer Ordnungsnummer als Ingenieurbauwerke aufgeführt. Das besagt aber noch nichts zu der hier maßgeblichen Frage, ob eine getrennte Abrechnung zu erfolgen hat. Nach § 22 Abs. 1 HOAI sind die Honorare für jedes Gebäude getrennt zu berechnen, wenn ein Auftrag mehrere Gebäude umfasst. Das gilt sinngemäß auch für Ingenieurbauwerke (HOAI § 52 Abs. 7). Dazu muss der Begriff „Gebäude“ des § 22 HOAI durch „Bauwerke und Anlagen“ ersetzt werden. Ingenieurbauwerke sind Kunstbauten mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen und technischen Funktionen. Die Klassifizierung und Einteilung der Bauwerke geschieht nach Baustoffen, nach technischkonstruktiven Maßgaben oder nach ihrer technischen Zweckbestimmung. In diesem Sinne sind Schmutzwasser- und Regenwasserkanal, die als Trennkanalisation geführt sind, sowie Verkehrsanlagen als verschiedene Ingenieurbauwerke anzusehen und die anrechenbaren Kosten damit nicht zusammenzurechnen. Das ergibt sich auch aus der selbstständigen und getrennten Benennung dieser Gewerkebereiche bei der Objektliste (HOAI § 54 Abs. 1). Die getrennte Abrechnung der Verkehrsanlagen folgt schließlich auch daraus, dass § 51 HOAI in verschiedenen Abs.n nach Ingenieurbauwerken und Verkehrsanlagen unterscheidet. Diese Unterscheidung setzt sich in anderen Vorschriften der HOAI fort.

Praxistipp | Das Urteil folgt im Ergebnis der absolut herrschenden Meinung, bleibt in seiner Urteilsbegründung jedoch knapp. Der BGH hat in dieser Frage aber klargestellt, dass es darauf ankommt, ob die Anlagenteile nach funktionellen und technischen Kriterien zu einer Einheit zusammengefasst sind (BGH, IBR 2002, 198). An der funktionalen und technischen Selbstständigkeit kann es bei einem Trennsystem keinen Zweifel geben, denn das ist gerade der Zweck einer solchen Trennung. Aber auch bei mehreren gleichartigen Abwasseranlagen können mehrere Objekte vorliegen, wenn jede Anlage für sich allein arbeiten kann (OLG Frankfurt, IBR 2005, 380). Dabei kommt es nicht darauf an, dass mehrere für sich selbstständig arbeitende Anlagen einer übergeordneten Zweckbestimmung zu dienen bestimmt sind (KG, IBR 2003, 549) oder ein enger funktionaler Zusammenhang besteht (BGH, IBR 2004, 703).

Wichtig | Nach alledem ist festzustellen, dass es sich bei den beiden Richtungsfahrbahnen einer Autobahn um zwei getrennte Objekte handelt.

Weiterführende Hinweise
  • Teil 2 der Beitragsserie erscheint in PBP 10/2025. Er trägt den Titel „Die Objekttrennung bei Straßenverkehrsanlagen: Die Abrechnung von Knotenpunkten“.
  • Viel Neues zum Thema „Objekttrennung“ erfahren Sie auch im Lehrgang „Vertrags- und Nachtragsmanagement in der Infrastrukturplanung“ mit Ulrich Welter am 29.09.2025 und 30.09.2025 in Würzburg → https://www.nachtragsmanagement-infrastrukturplanung.de/programm

AUSGABE: PBP 9/2025, S. 10 · ID: 50472047

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