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VertragsrechtMitwirkung bei Fördermittelbeschaffung und Verwendungsnachweis: Keine Grundleistungen

Abo-Inhalt31.01.2024136 Min. Lesedauer

| Immer mehr – sowohl öffentliche auch private – Projekte werden mit öffentlichen Mitteln gefördert. Die Beantragung von Fördermitteln (meist verbunden mit Planungsleistungen), die Mittelbewirtschaftung und Sicherstellung der Förderfähigkeit im Planungs- und Ausführungsprozess bis hin zum abschließenden Verwendungsnachweis gewinnen an Bedeutung. Aber machen solche Leistungen für Planungsbüros überhaupt Sinn und unter welchen Voraussetzungen können die damit verbundenen – großen – Risiken geschultert werden? PBP bezieht Stellung. |

Dieses Leistungsbündel steht bei Förderprojekten im Fokus

Zunächst lohnt ein Blick auf die Leistungen, die bei solchen Projekten üblicherweise anstehen und von den Planungsbüros gefordert werden:

  • 1. Fachliche Leistungen bei Aufstellung von Fördermittelanträgen, die keine Grundleistungen sind; z. B.
    • ergänzende fachliche Begründungen zur Notwendigkeit von Flächenbedarfen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen,
    • detaillierte Kostenberechnungsangaben, die weit über die Kostenschätzung oder -berechnung hinausgehen, aber dennoch vorzulegen sind.
  • 2. Mitwirkung bei der Finanzierungsplanung (z. B. Mittelabflussplanung, Koordination verschiedener Förderanträge).
  • 3. Aufstellen von Zwischenverwendungsnachweisen für die (teils verschiedenen) Fördermittelbehörden, um die stufenweisen Auszahlungen von Fördergeldern an den Bauherrn zu erwirken.
  • 4. Begründungen und fachliche Herleitungen zu Nachträgen zu Förderanträgen (z. B. bei Änderungen gegenüber dem Bewilligungsbescheid). Oft ist dort eine Klausel enthalten, die besagt, dass die Maßnahme dem bewilligten Antrag entsprechen muss und etwaige beabsichtigte Planungsänderungen bzw. Abweichungen beantragt und von der Förderhöhe genehmigt werden müssen, weil ansonsten der Fördermittelverlust droht.
  • 5. Sicherstellung der Einhaltung aller Vergaberechtsregelungen (die sind in den Bescheiden oft als Auflage in Fördermittelbescheiden aufgeführt).
  • 6. Begleiten und Mitwirken bei der Einbeziehung nicht unmittelbar an der Planung Beteiligter (z. B. Aufsichtsbehörden, die stichprobenartige Prüfungen vornehmen).
  • 7. Aufstellung eines anforderungsgerechten Schlussverwendungsnachweises mit fachlichen Begründungen für die Verwendung von Fördermitteln (Voraussetzung zur Auszahlung des endgültigen Förderbetrags).
  • 8. Aufteilung von Kostenanteilen nach unterschiedlichen Finanzierungen bzw. Fördermittelanteilen (z. B. wenn ein Projekt aus verschiedenen Förderprogrammen finanziert wird).
  • 9. Prüfen von Honorarrechnungen anderer Planungsbeteiligter durch den Objektplaner (z. B. als delegierte Auftraggeberleistung).
  • 10.Bearbeitung fachlicher Rückfragen des Fördermittelgebers, die im Zuge der Verwendungsnachweisprüfung anfallen.

Die komplexe Problemstellung bei diesen Projekten

Die Gemengelage bei den öffentlich geförderten Projekten ist komplex.

  • Als Planer haben Sie das Problem, dass sich die oben aufgelisteten Leistungen in den typischen Architekten- und Ingenieurleistungen nicht widerfinden.
  • Private Investoren, die in den Genuss von Fördermitteln kommen, haben das Problem, dass sie für solche Bauvorhaben weder die personelle Kapazitäten noch das Know-How haben, um die aufgeführten Leistungsbeispiele selber abzuarbeiten.
  • Für Behörden, die sehr häufig bereits jetzt schon mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben, besteht die Verlockung, diese Leistungen in die Leistungen der Planungsverträge (und entsprechenden VGV-Verfahren) durch entsprechende textliche Formulierungen hinein zu integrieren.

So gehen Sie vor: Vertragsanbahnung mit Risikobeurteilung

Für Sie heißt das: Treffen Sie oben beschriebene Anforderungen im Zuge der Vertragsanbahnung als vorgesehene Vertragsleistung an, ist höchste Vorsicht geboten. Denn hier schlummert nicht nur ungeahnter Zeitaufwand, sondern umfangreiche Haftungsrisiken, die oft auch nicht versichert und darüber hinaus nur schwer beherrschbar sind. Das Kleingedruckte in Förderbescheiden hat es in sich.

Das Risiko liegt bei weitem nicht nur in der Bearbeitung von Rechtsfragen

Dass Vergaberechtsfragen (Ziff. 5 oben) nicht Sache von Planungsbüros sind, hat PBP in der zurückliegenden Berichterstattung bereits erläutert. Alle anderen oben aufgeführten Leistungen bergen aber wegen der Komplexität und der hohen Haftungsrisiken das gleiche Risiko.

Werden am Projektende z. B. Fördermittel zurückgefordert, weil die Ausführung vom bewilligten Planungsinhalt abweicht (das passiert öfter als gedacht), droht ein erhebliches Haftungsrisiko, wenn Sie die beschriebenen Leistungen als Vertragsleistung vereinbart hatten. Beachten Sie deshalb, dass die eingereichten und genehmigten Zeichnungen, Beschreibungen und Berechnungen Bestandteil des Förderbescheids sind und daher einzuhalten sind. Änderungen der Planung und Abweichungen vom Förderbescheid bedürfen daher der Zustimmung des Auftraggebers. Dabei sollten Sie ihn vorsorglich auf entsprechende Auflagen aus dem Bewilligungsbescheid hinweisen, damit er seine Leistung, die entsprechende Abstimmung mit der Förderbehörde, in eigener Zuständigkeit erbringen kann.

Praxistipp | Wenn möglich, sollten Sie die unter Ziff. 1 bis 9 gelisteten Leistungen nicht erbringen. Dagegen können rein baufachliche Zuarbeiten für den Auftraggeber erbracht werden, wenn sich diese Tätigkeiten auf fachtechnische Inhalte beschränken und keine Rechts- oder Verwaltungsfragen betreffen. Schon gar nicht können Sie als Planer für ein bestimmtes Leistungsbild Verantwortung dafür übernehmen, dass

  • alle Einzelheiten der Bewilligungsauflagen in allen Phasen der Planung und Bauüberwachung eingehalten werden. Denn es gibt hier eine Reihe weiterer Planungsbeteiligter, die ebenfalls für die Einhaltung ihrer Fachplanungsbeiträge verantwortlich sein sollten;
  • der Verwendungsnachweis so gestaltet sein muss, dass keine Fördermittel zurückgehalten oder später zurückgefordert werden können.

PBP-Sonderausgabe hilft bei der Kommunikation mit dem Auftraggeber

Es ist klar, dass es Verhandlungskraft kostet, den Auftraggeber bei der Vertragsanbahnung davon zu überzeugen, dass hier der Bereich der typischen Architekten- und Ingenieurleistungen verlassen wird. Um diese Diskussionen zu versachlichen, hat PBP eine Sonderausgabe „Das Auftraggeber-Leistungsbild“ erarbeitet, in der u. a. auch typische Auftraggeberleistungen bei der Verwendung von Fördermitteln aufgelistet sind. Diese Sonderausgabe steht Ihnen unter der Abruf-Nr. 46332556 auf pbp.iww.de zum Download bereit.

Auch die HOAI 202X hat das Abgrenzungsthema auf dem Schirm

Im Zuge der Aufstellung der neuen HOAI ist erkannt worden, dass dieser brisante Bereich gewürdigt werden muss. In der dem zuständigen Wirtschaftsministerium auf dem Tisch liegenden (vom Bauministerium erarbeiteten) Vorschlägen für die neuen Leistungsbilder der HOAI 202X (Abruf-Nr. 239177) sind z. B. folgende Besondere Leistungen integriert worden:

Praxistipp | Dazu muss man wissen, dass die Leistungsbilder der neuen HOAI 202X lediglich behutsam geändert worden sind. Im Umkehrschluss kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese neuen Besonderen Leistungen in der jetzigen HOAI innerhalb der Grundleistungen anzusiedeln wären. Die Grundleistungen sind inhaltlich abschließend. Dort darf nichts hineingelesen werden, was nicht schon explizit enthalten ist. Damit ist klar, dass o. g. Leistungen auch jetzt schon allesamt Besondere Leistungen sind.

  • Beispiele aus Leistungsbild Gebäude/Innenräume:
    • Lph 6: Aufstellen von Leistungsverzeichnissen nach besonderen Anforderungen, z. B. nach Förderbedingungen, Budgetbereichen
    • Lph 6: Integrieren von differenzierten Preisanpassungsklauseln (z. B. in Bezug zu Materialien innerhalb von Einheitspreispositionen) in Ausschreibungen
    • Lph 8: Aufbereiten der Planungs- und Kostendaten für eine Objektdatei oder Kostenrichtwerte
  • Beispiele aus Leistungsbild Ingenieurbauwerke/Verkehrsanlagen
    • Lph 2: Wirtschaftlichkeitsprüfung oder -untersuchung, z. B. als Bestandteil von Förderanträgen
    • Lph 2: Kostenermittlungen nach mehreren Kostengliederungsvorschriften
    • Lph 2: Mitwirken bei Verhandlungen über die Bezuschussung und Kostenbeteiligung
    • Lph 3: Mitwirken beim Aufstellen des Finanzierungsplans sowie Vorbereiten der Anträge auf Finanzierung.
    • Lph 3: Kostenteilung für mehrere Kostenträger
    • Lph 3: Ermitteln und Begründen der zuwendungsfähigen Kosten
    • Lph 3: Mitwirken beim Aufstellen des Finanzierungsplans sowie Vorbereiten der Anträge auf Finanzierung

Rechtsprechung belegt hohes Haftungsrisiko für Planer

Um Ihr Risiko bei solchen Projekten einschätzen zu können, hilft – last but not least – auch ein Blick in die Rechtsprechung. Vom OLG Köln stammt folgender Urteilstenor: Hat der Architekt es vertraglich übernommen, den Auftraggeber bei der Beschaffung von öffentlichen Fördermitteln zu beraten und die hierfür erforderlichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu erstellen, so muss er sich Gewissheit über das Eigenkapital des Auftraggebers verschaffen und diesen rechtzeitig über mögliche Eigenkapitallücken sowie die sich hieraus für eine private Anschlussfinanzierung ergebenden Risiken belehren. Geschieht das nicht, haftet der Architekt nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung auf Schadenersatz (OLG Köln, Urteil vom 07.05.2003, Az. 13 U 158/02, Abruf-Nr. 032182).

Hand aufs Herz, hätten Sie das geahnt? Ähnlich sieht es aus, wenn Sie sich verpflichtet haben, die Leistung Nr. 7 zu erbringen und Ihnen ein formaler Fehler beim Verwendungsnachweis passieren sollte.

Fazit | Leistungen im Zusammenhang mit Finanzierungsfragen oder Fördermittelfragen sollten nicht übernommen werden. Die Übernahme von Leistungen zur Vorbereitung, Organisation oder Sicherstellung von Fördermitteln oder Finanzierungsbestandteilen ist mit erheblichen Risiken verbunden. Daher empfiehlt es sich, diese Leistungen nicht zu übernehmen. In vielen Fällen sind diese Leistungen auch nicht versichert. Prüfen Sie also auch Ihre entsprechenden Haftpflichtversicherungsunterlagen.

Weiterführende Hinweise
  • Die Sonderausgabe „Das neue Auftraggeber-Leistungsbild: Ertrag steigern und Haftungsrisiko senken“ finden Sie auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 46332556
  • Beitrag „Öffentlich geförderte Projekte: Honorar-Fallstricke kennen und vermeiden“, PBP 3/2017, Seite 12 → Abruf-Nr. 44535669

AUSGABE: PBP 2/2024, S. 11 · ID: 49877666

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