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HOAIDie Honorarabrechnung bei Beauftragung im wesentlichen gleicher Objekte nach § 11 HOAI
| Nicht selten kommt es bei einem Auftrag über mehrere Objekte zum Streit über die Honorierung, die sich in der unterschiedlichen Auffassung zur Anwendung des § 11 HOAI begründet. In einer mehrteiligen Reihe versucht PBP deshalb, Licht ins Dunkel zu bringen. In Teil 2 geht es um die Regelung in § 11 Abs. 3 HOAI. Wann und in welcher Höhe darf das Honorar bei „im wesentlichen gleichen Objekten“ gemindert werden. |
Der Wortlaut von § 11 Abs. 3 HOAI
Die Wurzel allen Übels liegt im „rekordverdächtigen“ Wortlaut von § 11 Abs. 3. Er umfasst einen einzigen Satz mit 79 Worten. Doch lesen Sie selbst.
§ 11 Abs. 3 HOAI |
... als Wurzel allen Übels Werden innerhalb eines Auftrags mehrere Objekte beauftragt, die im Wesentlichen gleich sind und im zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang unter gleichen baulichen Verhältnissen geplant und errichtet werden sollen, oder es sich mehrere Objekte nach Typenplanung oder Serienbauten handelt, dann erfolgt für die Berechnung des Honorars eine Minderung der Prozentsätze der Leistungsphasen 1 bis 6 für die erste bis vierte Wiederholung um 50 Prozent, für die fünfte bis siebte Wiederholung um 60 Prozent und ab der achten Wiederholung um 90 Prozent. |
Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwei Fallgruppen unterschieden werden müssen; nämlich
- Fallgruppe 1: ... „im Wesentlichen gleiche Gebäude, Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen oder Tragwerke, die im zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang unter gleichen baulichen Verhältnissen geplant und errichtet werden sollen ...“ und
- Fallgruppe 2: „...mehrere Objekte nach Typenplanung oder Serienbauten.“
Fallgruppe 1: „im Wesentlichen gleich ...“
Wichtig ist zunächst, dass in der Aufzählung der Objektbegriffe die Objekte Freianlagen und Anlagen der Technischen Ausrüstung nicht auftauchen. Das bedeutet, dass die in § 11 Abs. 3 aufgeführten Honorarminderungsvorschriften für diese beiden Objektbegriffe nicht anzuwenden sind.
Die nächste Aussage ist, dass die Minderungsvorschrift für Gebäude, Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen oder Tragwerke nur dann greift, wenn diese Objekte im Wesentlichen gleich sind. Im Wesentlichen gleich zueinander sind aber grundsätzlich nicht die Objekte Gebäude, Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen oder Tragwerke. Für diese Objekte ist das Honorar also immer getrennt und ohne Minderung zu berechnen. Hier liegen immer völlig unterschiedliche Planungsbedingungen vor. Die Prüfung der Vergleichbarkeit ist deshalb auf Objekte der gleichen Objektklasse beschränkt.
„Im Wesentlichen gleich“ in der HOAI-Historie
Ergänzend ist zu „im Wesentlichen gleich“ noch Folgendes auszuführen. Die amtliche Begründung zur HOAI 2013 formulierte dazu: „§ 11 Abs. 3 erfasst wie bisher im Wesentlichen gleiche Gebäude …“. Die Formulierung „wie bisher“ verweist auf die HOAI 2009, in der entsprechend § 11 Abs. 2 die Formulierung „im Wesentlichen gleichartig“ verwendet wurde.
Diese Regelung stimmt wiederum, und gemäß der amtlichen Begründung zur HOAI 2009, „im Wesentlichen mit dem geltenden Absatz § 22 Abs. 2 der HOAI 1996/2002 überein“. Dort war geregelt, dass die getrennte Abrechnung mit Minderung in den Leistungsphasen für „gleiche, spiegelgleiche oder im Wesentlichen gleichartige Gebäude“ greift.
Wichtig | Das bedeutet: Die Formulierung „im Wesentlichen gleich“ aus der HOAI 2013 und „im Wesentlichen gleichartig“ aus den HOAI-Fassungen 1996/2002 und 2009 sind synonym und erfassen auch gleiche oder spiegelgleiche Gebäude.
„Im Wesentlichen gleich“ in Rechtsprechung und Literatur
In der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur wird „im Wesentlichen gleich“ wie folgt bestimmt bzw. kommentiert:
- Rechtsprechung (OLG Braunschweig, Urteil vom 24.06.2016, Az. 8 U 154/05, Abruf-Nr. 063143): „Im Wesentlichen gleichartige Gebäude liegen nur bei ganz nebensächlichen und für die Konstruktion sowie für die sonstige bauliche Gestaltung unerheblichen Veränderungen vor. Auf die Frage, ob ein Entwurf wiederverwendet werden kann, kommt es dabei nicht an. Maßgebend ist, ob der Entwurf Änderungen unterworfen ist, die einen nicht nur völlig geringfügigen Planungsaufwand erfordern.“OLG Braunschweig engt Anwendungs- bereich von § 11 Abs. 3 ein
- Weiter aus der Urteilsbegründung: „ …denn bereits die zwischen den Parteien unstreitigen Abweichungen in der Planung des Hauses 3 gegenüber dem der Planung des Hauses 2 führen dazu, dass das eng auszulegende Merkmal «wesentlichen gleichartig» nicht mehr erfüllt ist. Haus 3 verfügt nicht nur über einen anderen Eingang, sondern auch über eine gänzlich verschiedene Raumaufteilung im Keller. Der Fahrradkeller in Haus 3 ist anders gestaltet als in Haus 2, und der Waschraum ist wesentlich größer. Darüber hinaus sind bei Haus 3 verschiedene individuelle Nutzerwünsche berücksichtigt worden, so dass Änderungen in der Technischen Gebäudeausstattung vorliegen.“
- Kommentarliteratur: In der Kommentierung zu diesem Urteil wird zusammenfassend vertreten, dass bei allen Formen der Grundrissänderungen keine im Wesentlichen gleichartige Gebäude mehr vorliegen. Siehe hierzu auch die Kommentarmeinung in Fuchs/Berger/Seifert (Beck‘scher HOAI- und Architektenrechts-Kommentar, § 11, Rdnr. 74): „Im Wesentlichen gleich sind Objekte dagegen in aller Regel dann nicht mehr, wenn diese in ihren äußeren Abmessungen oder in Grundrissen, Schnitten oder Ansichten nicht nur unwesentlich voneinander abweichen.“ Das Merkmal „im Wesentlichen gleich“ ist daher eng auszulegen, weshalb entsprechende Gebäude vereinfacht formuliert in Grundriss, Schnitt und Ansicht nahezu identisch sein müssen.Grundrisssänderung schließt Anwendung von § 11 Abs. 3 aus
Der geforderte räumliche und zeitliche Zusammenhang
Die Minderungsvorschrift des § 11 Abs. 3 HOAI wegen „im Wesentlichen gleicher Objekte“ setzt außerdem noch voraus, dass die Objekte „im zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang unter gleichen baulichen Verhältnissen geplant und errichtet werden sollen“.
Auch hier wird auf die Kommentarmeinung in Fuchs/Berger/Seifert verwiesen, die wie folgt lautet (§ 11, Rdnr. 55 bis 57): „Beim zeitlichen Zusammenhang der Planung und Errichtung muss keine Gleichzeitigkeit vorhanden sein. Es genügt ein entsprechender zeitlicher Zusammenhang. Hinsichtlich des örtlichen Zusammenhangs genügt es, dass die Objekte in einer räumlich näheren Umgebung errichtet werden. Beide Tatbestandsmerkmale müssen hier nicht gleichzeitig vorliegen, im Gegensatz zu Abs. 2 reicht bei Abs. 3 das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals aus“
Bezüglich der „gleichen baulichen Verhältnisse (Planung und Errichtung)“ kommentiert Fuchs/Berger/Seifert (§ 11, Rdnr. 78): „Diese Voraussetzung der gleichen baulichen Verhältnisse muss immer gegeben sein. Sie bezieht sich auf die Umstände, die die Planungsleitungen des Planers berühren. Unterschiedliche bauliche Verhältnisse liegen z. B. bei verschiedenen Bodenverhältnissen, bei ungleichen Gründungsmaßnahmen, voneinander abweichenden topographischen Verhältnissen oder unterschiedlichen planerischen Maßnahmen im Hinblick auf das Einbinden der Objekte in die Umgebung vor.“
Fallgruppe 2: „nach Typenplanung oder Serienbauten“
Unabhängig von den oben beschriebenen Voraussetzungen zur Anwendung der Minderungsvorschriften des § 11 Abs. 3 HOAI bei Fallgruppe 1 gelten die Minderungsvorschriften gleichermaßen für Objekte nach Typenplanung oder Serienbauten (Fallgruppe Nr. 2), wobei hier die Voraussetzungen für die erste Fallgruppe nicht vorliegen müssen. Es genügt, wenn die zu beurteilenden Objekte entweder als Typenplanung oder als Serienbauten zu betrachten sind.
Was bedeutet „Objekte nach Typenplanung“?
Hierzu wird im Kommentar in Fuchs/Berger/Seifert (§ 11, Rdnr. 83) Folgendes ausgeführt: „Objekte nach Typenplanung sind solche, bei welchen die Planung im Allgemeinen zunächst orts- und grundstücksunabhängig erstellt werden und von vornherein auf mehrfache Verwendung angelegt ist. …“ und weiter „…, dass von einer Typenplanung nur gesprochen werden kann, wenn im Einzelfall keine Änderung dieser Planung erfolgt.“
Was bedeutet „Objekte nach Serienplanung“?
In Fuchs/Berger/Seifert (§ 11, Rdnr. 83 und Rdnr. 85) ist das so definiert: „Nach § 22 Abs. 2 S. 3 HOAI 1996 sollten Gebäude als Serienbauten gelten, wenn sie nach einem im Wesentlich gleichen Entwurf ausgeführt werden. …“ und weiter „Im Gegensatz zu Typenplanungen genügt es bei Serienbauten also, wenn Abweichungen zwar zu verzeichnen, diese aber insgesamt nicht als wesentlich anzusehen sind. Abweichungen sind unwesentlich, wenn weder Grundriss noch Tragwerk noch sonstige Entwurfsmerkmale irgendwie geändert werden …“und weiter „Ebenso wie Typenplanungen werden Serienbauten aber mehr oder weniger orts- und grundstücksunabhängig erstellt.“
Zusammenfassung zur Fallgruppe 2
Objekte nach Typenplanung liegen vor, wenn die Planung im Allgemeinen zunächst orts- und grundstücksunabhängig erstellt wird und von vornherein auf mehrfache Verwendung angelegt ist und, wenn im Einzelfall keine Änderung dieser Planung erfolgt. Bei Objekten nach Serienplanung sind dieselben Kriterien maßgeblich. Hier sind Abweichungen untereinander zulässig, solange sie insgesamt nicht als wesentlich anzusehen sind.
Die Anwendungsprobleme von § 11 HOAI in der Praxis
Die Schwierigkeit der Anwendung aller drei Absätze in § 11 - also des hier beschriebenen Abs. 3 sowie der Abs. 1 und 2 – besteht darin, dass der Verordnungsgeber eine Vielzahl von auslegungsbedürftigen Begriffen verwendet hat. Um diesbezüglich eine nachvollziehbare Bewertungssystematik zu erlangen, haben die beiden Sachverständigenkollegen Krüger/Ziser im BauR 2019 eine eigene Methode entwickelt (vgl. Krüger/Ziser, BauR 2019, Heft 1, Seiten 15 bis 23). In dieser sind Kriterien herausgearbeitet, die geeignet sind zu überprüfen, welche Vorschrift bei der Beauftragung mehrerer Objekte gemäß § 11 anzuwenden ist – also Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3.
Hinsichtlich der Vorschriften des § 11 HOAI ist dabei zu beachten, dass
- eine Abrechnung nach § 11 Abs. 3 HOAI Vorrang hat vor den beiden anderen Methoden, wobei hier zwischen den beiden Fallgruppen Nr. 1 und Nr. 2 zu unterscheiden ist;
- wenn § 11 Abs. 3 HOAI auszuschließen ist, überprüft werden muss, ob eine Abrechnung gemäß § 11 Abs. 2 HOAI in Frage kommt;
- die Überprüfung quasi vom „Ende“ her beginnt, also von § 11 Abs. 3 HOAI nach § 11 Abs. 1 HOAI.
Vorschau: Musterfall in der März-Ausgabe von PBP
Damit Sie selbst einschätzen können, ob bei Ihrem Projekt § 11 HOAI überhaupt und wenn ja in welcher Ausprägung (Abs. 1, 2 oder 3) anwendbar sein könnte, stellt Ihnen PBP in der März-Ausgabe die Krüger/Ziser-Bewertungssystematik anhand eines Muserfalls vor.
- Beitrag „Gleich, gleichartig oder verschieden: Honorarabrechnung bei Beauftragung mehrerer Objekte“, PBP 1/2024, Seite 8 → Abruf-Nr. 49776741
AUSGABE: PBP 2/2024, S. 7 · ID: 49864090