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Technische AusrüstungKI in der TA-Planung – Teil 2: Vergütung
| In der Dezember-Ausgabe haben wir uns mit den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz (KI) für die TA-Planung auseinandergesetzt. Je weiter sich die Möglichkeiten der KI entwickeln, desto größer wird der Anpassungsdruck auf die Honorare und das „Geschäftsmodell Planungsbüro“ überhaupt. Schon jetzt entstehen immer wieder Diskussionen über vermeintliche und tatsächliche Effizienzsteigerungen mittels digitaler Modelle und der damit verbundenen möglichen Verringerung des Honorars. |
KI-Anwendungen und deren Auswirkung auf das Honorar
Derzeit ist die Zeitersparnis durch die Nutzung digitaler Planungsmethoden an der einen Stelle meist noch mit einem Mehraufwand an anderer Stelle verbunden. Klassisches Beispiel ist die Diskussion um das „Front-Loading“ in der Lph 3 beim Einsatz von BIM. Der tiefere Detaillierungsgrad innerhalb der Entwurfsplanung erhöht zunächst den Planungsaufwand, wirkt aber in der Lph 5 entlastend. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn im Planungsprozess keine umfangreichen Änderungen vorgenommen werden. Denn dann ist das Änderungshonorar häufig höher als bei einer „konventionellen“ Planung.
Betrachtet man die einzelnen Planungsleistungen und Honorare hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit einer KI-Nutzung, so sind verschiedene Kategorien zu unterscheiden. Diese sind
- 1. die methodisch beratenden und konzeptionellen Leistungen,
- 2. die dimensionierenden Leistungen,
- 3. die darstellenden Leistungen und
- 4. die dokumentierenden sowie prüfenden Leistungen.
1. Die methodisch beratende und konzeptionelle Leistungen
Unter diesen versteht man z. B.
- das Entwickeln eines Energiekonzepts,
- die Abstimmung der Lage von Schächten und Erschließungstrassen,
- die Abstimmung mit Architekten und Bauherrn (z. B. zu Kühlheizsystemen),
- die Abstimmung elektrotechnischer Anforderungen,
- die Berücksichtigung gestalterischer Anforderungen sowie
- die Grundlagenermittlung und Bedarfsplanung.
Bei diesen Leistungen wird KI zukünftig assistieren können. In letzter Instanz wird aber immer noch ein Fachmann benötigt werden. Auch KI-gestützte Variantenbetrachtungen oder Kosten- und Terminprognosen sind eine interessante Einsatzmöglichkeit für die KI, aber auch diese werden langfristig mit menschlicher Leistung und Kommunikation verbunden sein.
Generell ist anzumerken, dass die in Deutschland ungeklärten Fragen rund um das Werkvertragsrecht und die Haftung sowie komplexe versicherungsrechtliche Fragen einen umfänglichen Einsatz der KI in diesem Teilleistungssegment hemmen. Dennoch muss aus betriebswirtschaftlicher Sicht hinterfragt werden, wieviel und welches Personal zukünftig noch für derartige KI-gestützte Leistungen benötigt werden wird. Denn eines ist sicher: Strukturen, Kosten und Honorare werden sich verändern.
2. Die dimensionierenden Leistungen
Netze lassen sich schon heute halbautomatisch dimensionieren. Der Schritt hin zu vollautomatisierten Rohr- und Kanalnetz- oder zu Netzberechnungen im Neubau ist also klein. Da zudem auch die Komplexität der Berechnungsmethoden überschaubar ist, ist mit einer honorartechnischen Entwertung dieser Leistungen zu rechnen. Es wird zwar noch über einen längeren Zeitraum hinweg ein „menschlicher Prüfer“ eingesetzt werden müssen – aber eben nur einer.
Bewegung ist auch in der TA-Software-Landschaft zu erwarten. Die wenigen „Platzhirsche“ werden sich dem Thema nicht verschließen können, wenn sie langfristig am Markt bestehen wollen. Da sie über die meisten Erfahrungen und wohl auch die meisten Trainingsdaten verfügen, ist von dieser Seite ein Innovationsschub zu erwarten.
3. Die darstellenden Leistungen
Der größte Rückgang der Honorare ist allerdings bei den darstellenden Leistungen zu erwarten. Darunter ist sowohl das Erzeugen von Grundrissen als auch von Schemata zu verstehen. Sind die Grundzüge der Planung, wie Schächte und Grobtrassierungen festgelegt, dann ist die Darstellung im Wesentlichen ein rein geometrisches Optimierungsproblem und fällt in die Kernkompetenz der KI. Dabei kann stark regelbasiert gearbeitet werden. Erste KI-Modelle laufen bereits. Kollisionen und Regelverletzungen in BIM-Modellen lassen sich durch einfache Modell-Checker erkennen.
Die Königsdisziplin ist jedoch der Schritt vom Grundriss zum Schema. Die meisten Softwarehersteller kämpfen hier seit Jahren mit einer automatisierten Schemaerstellung auf Basis der Grundrissplanung; und langsam lassen sich erste Erfolge erkennen. Die Leistungen der klassischen TA-Zeichner und reinen Fachplaner werden somit sukzessive verschwinden und damit auch der entsprechende Honoraranteil.
In diesem Zusammenhang muss auch die Auslagerung von Konstruktionsleistungen ins Ausland betrachtet werden. Aufgrund der angespannten Honorar- und Fachkräftesituation weichen Planungsbüros bereits heute auf ausländisch Subunternehmen aus. Diese sitzen in Serbien, Rumänien, Spanien, aber auch in Indoniesen oder Indien. Dort werden die Leistungen von vergleichsweise günstigen Konstrukteuren erledigt, doch mit der KI entsteht nun zusätzliche Konkurrenz aus dem Ausland.
Insbesondere in Indien sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz und Umgang mit Trainingsdaten deutlich weniger restriktiv als in Deutschland. Zudem ist das Land IT-affiner und auch das Lohnniveau ist deutlich niedriger als in Deutschland, was dazu führt, dass große Tech-Giganten schon heute teure KI-Trainings in Indien durchführen. Es ist also durchaus möglich, dass die KI-Lösung zur Erstellung der „deutschen Heizlast“ zukünftig aus Indien kommt. Dies würde den Druck auf dieses Honorarsegment weiter erhöhen und zudem auch die heimischen Softwarehersteller unter Zugzwang setzen.
4. Dokumentierende und prüfende Leistungen
Das Begleiten bzw. Herbeiführen von Entscheidungen sowie die technische Beratung wird hingegen auch in näherer Zukunft der „menschlichen Intelligenz“ vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für die abschließende Qualitätssicherung und vor allem für die Objektüberwachung.
Zukünftige Rolle ausführender Firmen: Montage oder Totalübernehmer
Dabei muss aber auch die Entwicklung der KI auf das Geschäftsmodell der ausführenden Firmen betrachtet werden. Ähnlich wie in der Planung lassen sich hier viele Prozesse effizienter gestalten. Es wird schon seit längerem gerätselt, ob sich der Markt langfristig zum Modell des General- oder Totalübernehmers, also zum stärker planenden Ausführer, oder vielmehr zu einem nur noch montierenden Anbieter von Leiharbeitern entwickeln wird. Das Fortschreiten der KI wird die Dynamik in jedem Fall beschleunigen.
Ein „montierender Zeitarbeiter“ würde nur mehr eine - hoffentlich - mangelfreie Planung ausführen. Es würde sich also um einen Personaldienstleister mit Materialeinkauf und hoher Vorfertigung handeln. Dafür müssten aber alle Details durch die KI-gestützte Planung entwickelt werden. Die M+W-Planung wäre überflüssig.
Geht die Entwicklung hingegen in eine andere Richtung und große Baukonzerne integrieren die KI in ihre Wertschöpfungskette, kann dies zu einer erheblichen Qualitäts- und Effizienzverbesserung führen. Vor allem wären Baukonzerne im Unterschied zu den Planungsbüros viel eher in der Lage, in neue Technologie zu investieren.
Ob sich nun der Markt hin zum planenden Ausführer oder zur „reinen Montage“ entwickelt, die Objektüberwachung verbliebe bei beiden Modellen beim „Menschen“.
Wer baut in Zukunft – die KI oder der Mensch?
Trotz immenser Anstrengungen und mittlerweile beachtlicher Erfolge in der Modul- und Serienfertigung sowie dem Einsatz erster Montageroboter (z. B. „IronBot“, „Husky A200“, „SPOT“ oder „Mesh Mould“) bleibt die Baustelle selbst vorerst das Hoheitsgebiet des Menschen. Bauen ist derzeit noch zu individuell und komplex und zudem ständiger Veränderung unterworfen. Unter diesen Bedingungen stoßen die heutigen Roboter- und Montagesysteme schnell an ihre Grenzen. Wahrscheinlich ist jedoch, dass sich in näherer Zukunft digitale Montagehilfen auf Basis von „Augmentend Reality“ durchsetzen. Dies erzwingt allein schon der Fachkräftemangel. Aber auch für diesen Schritt wäre ein stabiles BIM-Modell eine Grundvoraussetzung.
Auswirkungen auf die Objektüberwachung
Auf jeden Fall muss die Entwicklung auf der Baustelle auf der Bauherrenseite begleitet werden, um nicht in völlige Abhängigkeit zu geraten. Die Leistungsphase Objektüberwachung wird daher auch zukünftig keine starken Honorarverluste hinnehmen müssen. Ggf. wird ihr Honoraranteil sogar steigen, insbesondere in dem großen Marktsegment der Bestandssanierung. Ob die Objektüberwachung jedoch klassisch im Planungsumfeld verbleibt oder verstärkt separat angeboten werden wird, bleibt abzuwarten.
Honorarverschiebung oder Honorarverluste?
Analysiert man den potenziellen KI-Einsatz hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Gewerke und Leistungsphasen, so ist zu erkennen, dass die klassisch „mechanischen“, konstruktiven und sich wiederholenden Planungsschritte an Wert verlieren werden. Das gilt vor allem für die digitale Planung von Neubauobjekten. Denn je standardisierter ein Gebäude ist, desto einfacher ist der Einsatz von KI.
Technisch hochqualifizierte Beratungsleistungen, komplexe Sanierungsplanungen oder die Objektüberwachung sollten dagegen im Honoraranspruch steigen. Vor dem Hintergrund des immensen Fachkräftemangels dürfte die Erfahrung und Kommunikationsfähigkeit des „beratenden TA-Ingenieurs“ in Zukunft besser bezahlt werden als bisher.
Überhaupt ist zu erwarten, dass sich die veränderten Planungsleistungen im kommenden KI-Zeitalter sukzessive von der HOAI-Vergütung lösen werden. Stattdessen wird sich die Honorierung von Beratungsleistungen an den Honorarstrukturen anderer Dienstleister anpassen.
Eine Honorarprognose bei KI-basierter Planung
Um eine erste Prognose der Honorarveränderungen durch den Einsatz von KI aufzuzeigen, wird in den Siemon-Teilleistungstabellen simuliert, wie sich der Honoraranteil der jeweiligen Teilleistung verändern könnte. Die durch den Einsatz von KI reduzierten Grundleistungen werden dabei geschätzt. Die Einwertung steht unter folgenden Prämissen vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung:
- Neubauprojekt
- Vollständige digitale Projektbearbeitung durch alle Projektbeteiligten
- Halbautomatisierte KI-Bearbeitung, d. h. Dimensionierung über alle Planungsleistungen: 70-80 Prozent. Die derzeit in Entwicklung befindlichen KI-Anwendungen weisen allerdings lediglich eine Automatisierung von ca. 20 bis 40 Prozent auf; und das nur bezogen auf ausgewählte Gewerke und Leistungsphasen. „Halbautomatisch“ bedeutet bei dieser Prognose, dass die KI folgende Leistungen bis zu einem Fertigstellungsgrad zum angegebenen Prozentsatz selbstständig umsetzen kann:... halbautomatisierter KI-Bearbeitung entwickeln
- Erkennen und analysieren des digitalen Gebäudekörpers inkl. Schächten und Raumvolumen: ca. 90 Prozent
- Darstellen von Varianten und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen: ca. 95 Prozent
- Automatische Zuordnung von Rauminformationen und Anforderung aus digitalen Raumbüchern: ca. 95 ProzentBei Anwendung der Siemon-Teil- leistungstabellen ...
- Dimensionierung aller Gewerke inkl. graphischer Umsetzung, Koordination, S+D Planung und Kollisionsprüfung: ca. 80 Prozent
- Erstellung von Trassenverläufen, Schächten und Technikzentralen: 60 Prozent
- Schemaerstellung aus dem Grundriss: ca. 80 Prozent
- Erstellung aller notwendigen Berechnungen, z. B. Heizlast, Auslegung von Komponenten: ca. 85 Prozent
- Modellauswertung inkl. Massen und Kosten: ca. 95 Prozent
- LV-Erstellung aus dem Modell: ca. 95 Prozent
- Terminplanung: ca. 70 Prozent
- Rendering, Schnitte, Details: ca. 95 Prozent
- Erstellung der Erläuterungsberichte: ca. 90 Prozent
- Analysieren von Schriftverkehr: ca. 90 Prozent
- Besondere und zusätzliche Leistungen aus der KI-Anwendung sind nicht berücksichtigt... könnte sich das Honorar erheblich reduzieren
- Keine unterschiedliche Betrachtung der Fachgewerke
Überschlägig führt das Szenario dazu, dass nur mehr ca. 57 Prozent des HOAI-Honorars der Grundleistungen verbleiben. Die Honorare der Teilleistungen würden dabei für die Vergütung der noch immer vom Menschen übernommenen Leistungen benötigt werden. Diese wären im Wesentlichen das Prüfen, Anpassen und Kommunizieren (siehe Honorarprognose bei KI-basierter Planung: Bewertungstabelle für das Leistungsbild TA → Abruf-Nr. 49841599.
Wann ist die KI so weit einsatzfähig?
Wie schnell und in welchen Entwicklungsschritten sich derartige Veränderungen vollziehen werden, ist sehr schwer zu prognostizieren. Sicher ist, dass die KI keinesfalls wieder verschwinden wird. Sie wird sich definitiv entwickeln und ja, sie wird die Planungsprozesse in der TA verändern.
Die „Gretchenfrage“ bleibt allerdings, wann ein Softwarehersteller den Durchbruch schaffen wird und ob bzw. wann genügend belastbare Trainingsdaten der KI zur Verfügung stehen werden. Oder aber ein großer Marktteilnehmer entdeckt den deutschen TA-Planungsmarkt der Zukunft für sich. Würden sich Google oder Microsoft mit dem Thema beschäftigen, so wäre es mit der klassischen TA-Planung innerhalb kürzester Zeit vorbei.
Vom jetzigen Entwicklungsstand aus betrachtet, und auch auf die Gefahr hin, die exponentielle Komponente der Entwicklung zu überschätzen, ist in jedem Fall mit einer größeren Veränderung der Planungsbranche innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren zu rechnen.
Was bedeuten diese Entwicklungen für Ihr Geschäftsmodell?
Kurzfristig ist der Anpassungsdruck durch den fortschreitenden Einsatz von KI noch gering. TA-Dienstleister sind jedoch gut beraten, sich frühzeitig mit dieser Technologie und ihren möglichen Folgen auseinanderzusetzen. Folgende Fragestellungen können hilfreich sein, sich dem Thema zu nähern:
Checkliste / Mit diesen Fragen zum Thema KI sollten Sie sich schon heute auseinandersetzen: | |
Welches Marktsegment wird derzeit hauptsächlich durch Ihr Planungsbüro bearbeitet? Wie wird sich dieses Segment (Neubau, Bestandssanierung, öffentlicher Bau, Industriebau, Wohnungsbau, Modulbau) in Zukunft entwickeln? | ❒ |
Welche Auswirkungen hat die Entwicklung der KI auf dieses Segment und von welchen Veränderungszeitraum ist auszugehen? | ❒ |
In welcher „Phase“ befindet sich mein Planungsbüro? Stehe ich kurz vor Ende meiner „kaufmännischen Lebenszeit“? Möchte ich das Büro an die nächste Generation übergeben oder beginne ich gerade? Wie könnten sich die bevorstehenden mittelfristigen Veränderungen auf diesen Umstand auswirken? | ❒ |
Wie schnell kann ich mich an veränderte Rahmenbedingungen, die die KI mit sich bringt, in folgenden Bereichen anpassen?
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Wie würde mein Planungsbüro bzw. Kundenkreis auf eine disruptive KI-Anwendung, also einen technologischen „schwarzen Schwan“ (z. B. eine funktionsfähige vollautomatische TA-Planungs-KI) reagieren? Wieviel Zeit würden mir innerhalb der laufenden Verträge zur Umstellung bleiben? | ❒ |
Welche Art der KI-Nutzung ist für mein Planungsbüro und meinen Fachbereich sinnvoll? | ❒ |
Wie stelle ich im Büro sicher, dass ich ein Auge auf die Entwicklung im Bereich der KI habe? | ❒ |
Welche Kosten bzw. Einsparungen erwarten mich mittelfristig bei der Nutzung von KI? | ❒ |
Wie könnten sich meine Vertragsstrukturen und Versicherungsbedingungen verändern? | ❒ |
KI wird die Planungswelt definitiv verändern |
- Beitrag „Diese Chancen bietet der Einsatz von KI in der TA-Planung“, PBP 12/2023, Seite 14 → Abruf-Nr. 49761546
- Honorarprognose bei KI-basierter Planung: Bewertungstabelle für das Leistungsbild TA → Abruf-Nr. 49841599
AUSGABE: PBP 1/2024, S. 13 · ID: 49785865