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Werkvertragsrecht Vorwurf mangelhafter Objektüberwachung: Wann eine Verjährungsfrist (nicht) gehemmt wird
| Die Regelverjährungsfrist beim Werkvertrag für Planung und Bauüberwachung beträgt fünf Jahre. Das hat die Rechtsprechung wiederholt bestätigt. Diese Frist kann durch eine sog. Hemmung verlängert werden mit der Folge, dass Sie länger in der Gewährleistung sind. Nicht jede Maßnahme hemmt aber die Verjährung. Diese Erfahrung musste ein Bauherr in Zusammenhang mit einem selbstständigen Beweisverfahren vor dem OLG Braunschweig machen. PBP stellt Ihnen die Entscheidung vor und macht Sie mit den Spielregeln der Hemmung vertraut. |
Was heißt „Hemmung der Verjährung“?
Hemmung der Verjährung (§ 203 BGB) bedeutet, dass eine Verjährungsfrist nicht mehr weiterläuft, sondern eben für einen bestimmten Zeitraum gehemmt ist. Die Hemmung der Verjährung ist nicht zu verwechseln mit dem Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB). Der Neubeginn beschreibt Situationen, in denen die Verjährungsfrist unterbrochen wird und erneut zu laufen beginnt. Bei der Hemmung der Verjährung setzt der Lauf der Verjährungsfrist dagegen eine bestimmte Zeit lang aus und läuft danach weiter wie gehabt.
Hemmt selbstständiges Beweisverfahren den Fristablauf?
Ob ein selbstständiges Beweisverfahren den Fristablauf hemmt, hängt davon ab, wer es einleitet und was damit erreicht werden soll.
Objektüberwacher leitet selbstständiges Beweisverfahren ein
Im Fall vor dem OLG Braunschweig hatte der Objektüberwacher das selbstständige Beweisverfahren eingelegt. Ziel: Mängelansprüche des Auftraggebers abzuwehren. In dem Fall – so das OLG – hemmt das selbstständige Beweisverfahren die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht (OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.04.2022, Az. 8 U 96/20, Abruf-Nr. 232937).
Es begründet das wie folgt: „Die Hemmungswirkung des selbstständigen Beweisverfahrens betrifft indes nur solche Ansprüche, für deren Nachweis die vom Gläubiger zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemachten Tatsachenbehauptungen von Bedeutung sind. Dies ist etwa der Fall, wenn es um die Klärung der Mängelfreiheit zum Zwecke der gerichtlichen Durchsetzung des eigenen Vergütungsanspruchs geht, nicht jedoch wenn – wie hier – der Auftragnehmer die Mangelfreiheit aufklären lassen will, um Mängelrechte des Auftraggebers lediglich abzuwehren. Denn in einem solchen Fall widerspricht die Annahme einer Hemmungswirkung dem Prinzip der Verjährungshemmung in § 204 BGB, wonach der Gläubiger die Feststellung oder Durchsetzung seiner Ansprüche aktiv betreiben muss.“
Hemmen Verhandlungen den Fristablauf?
Eine andere Frage ist, ob Verhandlungen zwischen Bauherr und Objektüberwacher den Fristablauf hemmen. Auch zu dieser Frage hat sich das OLG Braunschweig (wie zuvor schon das OLG Köln) geäußert: Die Verjährungsfrist wird gehemmt, wenn zwischen dem Planer bzw. Bauüberwacher und dem Auftraggeber Verhandlungen über die Mangelursache oder Mangelbeseitigung laufen.
Die Hemmung endet wieder, wenn z. B. einer der beiden Vertragspartner deren Fortsetzung verweigert, die Verhandlung also abbricht. Um seine Ansprüche zu wahren, muss der Auftraggeber dann im Zweifel vor Fristablauf Klage einreichen. Denn die Verjährung wird auch gehemmt, wenn eine Klage eingereicht wird (OLG Köln, Urteil vom 28.03.2018, Az. 17 U 110/15, Abruf-Nr. 224123, rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 27.01.2021, Az. VII ZR 97/18).
Wann enden Verhandlungen?
Für die Hemmung ist es keine Voraussetzung, dass Sie einlenken oder signalisieren, zu einem Vergleich bereit zu sein. Weigern Sie sich generell, sich auf Verhandlungen einzulassen, läuft die Verjährungsfrist ungehemmt weiter.
Das OLG Braunschweig sagt zur Verweigerung – und dem damit verbundenen Ende von Verhandlungen – Folgendes: „Die Verweigerung der Fortsetzung von Verhandlungen muss wegen ihrer Bedeutung für die Durchsetzbarkeit des geltend gemachten Anspruchs grundsätzlich durch ein klares und eindeutiges Verhalten einer der Parteien zum Ausdruck kommen. Erforderlich ist in der Regel ein doppeltes „nein“, nämlich die Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen und eine endgültige Ablehnung der Leistung durch den Schuldner ....“
Verhandlungen können auch einschlafen – was dann?
Gelegentlich tröpfeln Verhandlungen vor sich hin oder schlafen ganz ein. In diesem Fall – so das OLG – endet die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt, an dem es der Berechtigte (hier: Bauherr) versäumt hat, auf die letzte Mitteilung des Ersatzpflichtigen (hier: Planer) zu reagieren. Nach Auffassung des OLG Köln ist hier ein Karenzzeitraum von drei Monaten angemessen. Danach läuft die Verjährungsfrist weiter.
Beispiel |
Sie erhalten im Verlauf der Verjährungsfrist eine Mangelrüge von Ihrem Auftraggeber, weil eine Fassade undicht sei. Nach Ablauf von fünf Wochen senden Sie dem Auftraggeber eine Erläuterung zum Mangel. Darin schildern Sie, dass ein reiner (verdeckter) Ausführungsmangel vorliegt. Danach hören Sie vier Monate nichts mehr vom Auftraggeber. Folge: Die Karenzzeit ist nach Ablauf von drei Monaten, nachdem Sie sich geäußert haben, abgelaufen. Die Verjährungsfrist ist weitergelaufen. |
Auch die Verhandlung mit dem Versicherer wirkt hemmend
Richtet sich der Auftraggeber als Geschädigter nicht an Sie, sondern direkt an Ihre Haftpflichtversicherung, wirkt das wie eine hemmende Verhandlung nach § 203 BGB.
Beispiel |
Hören Sie drei Monate nichts vom Auftraggeber, kann das auch bedeuten, dass letzterer nur noch mit Ihrer Haftpflichtversicherung verhandelt. In dem Fall wurde die Verjährungsfrist während dieser drei Monate gehemmt. |
Handelt es sich um schwierige Sachverhalte und stehen verschiedene Mängel in Rede, die von mehreren Beteiligten verursacht worden sein können, können die Parteien auch eine gegenseitige Erklärung abgeben, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichten. Das sollte aber immer nur mit anwaltlicher Beratung und letztlich durch den bevollmächtigten Anwalt erfolgen.
Verjährungsfrist muss überhaupt erst einmal starten
Bevor über das Ende der Verjährungsfrist nachgedacht wird, muss Klarheit über den Start der Verjährungsfrist bestehen. Denn nur eine Frist, die zu laufen begonnen hat, kann irgendwann auch wieder ablaufen.
Abnahme ist Dreh- und Angelpunkt
Bei Planungsverträgen beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Abnahme der Planungsleistung zu laufen. Diese Abnahme sollten Sie herbeiführen; z. B. dadurch, dass Sie die Abnahme beim Auftraggeber beantragen. Ist es nicht möglich, Ihr Werk entgegenzunehmen, beginnt die Verjährung mit der Vollendung Ihrer Leistung. Das ist aber die seltene Ausnahme.
So können Sie die Abnahme einfach selbst herbeiführen
Beantragen Sie die Abnahme auf jeden Fall, wenn Sie Ihre Leistung beendet haben (§ 640 Abs. 1 BGB). Kommt der Bauherr in Abnahmeverzug, setzt die Abnahmewirkung automatisch ein, wenn die von Ihnen gesetzte Abnahmefrist fruchtlos abgelaufen ist (§ 640 Abs. 2 BGB). Damit haben Sie den Beginn der Verjährungsfrist in Ihrer Hand. Prüfen Sie bei einem Stufenvertrag, ob Sie für jede Vertragsstufe die Abnahme beantragen können. Steht das so im Vertrag, nutzen Sie das.
Fazit | Um Verjährungsfristen nicht unnötig auszudehnen, sollten Sie die Abnahme schnell herbeiführen. Bei einer unberechtigten Abnahmeverweigerung läuft die Verjährungsfrist trotzdem an. Die fristverlängernde Wirkung einer Hemmung kann verkürzt werden, indem schnell darüber befunden wird, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt. |
- Abnahmeformular für Planungsleistungen bzw. Bauüberwachung → Abruf-Nr. 42244648
- Beitrag „Frühe Abnahme bei Teilaufträgen“, PBP 11/2020, Seite 8 → Abruf-Nr. 46934837
- Beitrag „Die Abnahme Ihrer Planungsleistungen können Sie auch selbst herbeiführen“, PBP 8/2014, Seite 8 → Abruf-Nr. 42831454
AUSGABE: PBP 1/2024, S. 22 · ID: 48969595