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ManagementWann Digitalisierungsprojekte erfolgreich sind und wann sie scheitern: (M)ein Erfahrungsbericht
| Wenn Ingenieurbüros in Zukunft erfolgreich sein wollen, kommen sie um die Digitalisierung nicht herum. Nur mit einer digitalen Transformation sind der wirtschaftliche Erfolg des Büros und die Arbeitsplätze zu sichern. Das ist – denke ich – zwischenzeitlich Allgemeingut. Meine These lautet: Digitalisierungsprojekte scheitern häufig am Fehlen einer Strategie und aus Angst vor Veränderung. Diese beiden Dinge gilt es im Blick zu behalten. |
Was man von Homer und Odysseus lernen kann
Lassen Sie mich beginnen mit einem Rückblick in die Welt des Homer. Das war wahrscheinlich im 8. Jahrhundert vor Christus – falls er überhaupt gelebt hat, worüber sich die Wissenschaft streitet. Nach dem Krieg gegen Troja verschlug es Odysseus auf die Insel der Göttin Kalypso, eine kleine Insel südlich von Zypern. Die Göttin Kalypso ist schön, von ewiger Jugend und wie jede Göttin unsterblich. Leider war sie sehr einsam. Sie versprach dem sterblichen Odysseus ewiges Leben und ewige Jugend, wenn er nur bei ihr bliebe. Sieben Jahre lang hielt sie ihn fest. Als Göttin hatte sich genügend Macht.
Doch Odysseus wollte nach Hause zu seiner Penelope. Seine Sehnsucht wuchs von Jahr zu Jahr. Endlich konnte er sich mit Hilfe des Götterboten Hermes von Kalypso befreien.
Erfolgskriterium Eins: Die Sehnsucht nach dem Willen zur Veränderung
Mich interessiert an dieser Sage die „Sehnsucht des Odysseus“. Ohne diese Sehnsucht, ohne den Willen zur Veränderung, ist jedes Digitalisierungsprojekt zum Scheitern verurteilt. Wir alle hatten und haben Erfolge in unseren Büros. Solange der erfolgreiche Status Quo attraktiv genug ist, bleibt jeder gerne auf seiner Insel bei seiner Göttin Kalypso.
Sehnsucht kann geboren werden aus Klugheit oder aus Leidensdruck. Ohne Sehnsucht nach einer Veränderung ist jedes Digitalisierungsprojekt sinnlos.
Erfolgskriterium Zwei: Die Strategie für den Veränderungsprozess
Sehnsucht ist also eine notwendige, aber keine hinreichende, Bedingung für ein erfolgreiches Projekt. Mit der Sehnsucht kann zwar ein Ziel formuliert werden. Aber um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine Strategie. Ohne Strategie kann ein Ziel nur durch glückliche Umstände erreicht werden. Mit Strategie meine ich eine Beschreibung, mit welchen Mitteln, Aktionen und auf welchem Weg das Ziel erreicht werden soll.
Strategien fallen einem nicht in den Schoss. Deren Ausarbeitung erfordert viel Geistesarbeit. Ohne Strategie bleibt man bestenfalls dort stehen, wo man gerade steht. Im weniger guten Fällen landet man dort, wo man gar nicht hin wollte, im schlimmsten Fall in der Insolvenz.
Odysseus war klug. Er nahm die Hilfe des Hermes in Anspruch. Danach folgten weitere Entscheidungen über den Weg – zu Wasser, zu Lande oder in der Luft. Eine Strategie zu entwickeln ist eine gemeinsame Arbeit der Führungskräfte unter Berücksichtigung der Kunden, des Unternehmenszwecks und der Unternehmenskultur.
Was gute von schlechten Strategien unterscheidet
Vorsicht: Es erscheint mir keine gute Strategie, alleine den Empfehlungen eines externen Beraters oder eines Softwareverkäufers zu folgen. Diesen gilt es zu widerstehen, wie Odysseus den Sirenengesängen widerstehen musste. Das gilt insbesondere, wenn diese mit einer angeblich tausendfach bewährten Blaupause daherkommen.
Es ist auch keine Strategie, wenn man Mimikri betreibt, es also versucht anderen nachzumachen, es genauso macht wie ein anderes Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie von Büro A auch für Büro B passt, ist gering. Was bei A funktioniert, muss noch lange nicht für B richtig sein, weil dort andere Menschen mit anderer Kultur für andere Kunden arbeiten.
Genügt eine gute Strategie für ein erfolgreiches Projekt?
Leider nein. Selbst wenn eine exzellente Strategie formuliert ist, scheitern viele Digitalisierungsprojekte und zwar aus Angst.
Die Menschen und den Faktor Angst berücksichtigen
Wir Menschen sind emotionale Wesen und als solche sind wir von Natur aus ängstlich. Angst und Vorsicht haben uns über Jahrhunderte konditioniert, haben uns in der Wildnis oft das Leben gerettet. Ich rede nicht nur von den Ängsten des Managements, sondern von der Summe aller Ängste in der gesamten Organisation.
Es gibt vier Arten von Angst/Furcht: Das Angstgefühl beim Erschrecken, der Hass, die Apathie und der Kleinmut. Diese Grundarten der Angst besitzen das Potenzial, jedes Digitalisierungsprojekt – und nicht nur dieses – scheitern zu lassen.
- Erschrecken: Einem leitenden Ingenieur fährt bereits bei der Ankündigung der Einführung einer neuen Software dermaßen der Schreck in die Glieder, dass er psychosomatische Beschwerden bekommt und fürchtet, seinen Job zu verlieren.
- Hass: Ein Teamleiter hatte schon immer Probleme mit Computern. Er sagt offen, dass er das blöde Computerzeug hasst, weil es seiner Meinung nach ineffizient ist und nur unnötige Verwaltungsarbeit nach sich zieht. Mit dieser Grundeinstellung häufen sich in seinem Alltag alle möglichen Computerprobleme.... und wie sie sich im Planungsbüro konkret zeigen
- Apathie: Einige Beschäftigte stehen den Veränderungen gleichgültig gegenüber und zeigen wenig Initiative zur Weiterbildung oder boykottieren sie sogar, um den Status Quo möglichst lange zu erhalten.Beharren auf dem erfolgreichen Status quo
- Kleinmut: Andere Führungskräfte scheuen die Risiken und Kosten der Digitalisierung und sind daher zurückhaltend bei der Umsetzung neuer Projekte. Sie lassen die Initiative am langen Arm verhungern oder begründen ihre Untätigkeit mit Ausreden, z. B. schlechten Beratern oder was auch immer.
Was können Sie tun?
Mit diesen Ängsten muss sich Führung auseinandersetzen, muss analysieren und nachdenken. Anderenfalls wird Veränderung im Keim erstickt.
Führung ist gefragt
Die Befürchtungen müssen verstanden werden. Der angestrebte Nutzen muss klar sein und von allen verstanden werden. Man kann üben, trainieren, kleine Schritte machen. Schwierigkeiten sammeln und gemeinsam Wunsch-szenarien entwickeln. Nur wenn so ein Wunsch entsteht, besteht Aussicht auf Erfolg. Erst dann können wir, weil alle Beteiligten verstanden haben, das Richtige, das Notwendige angehen.
Mut machen
Und wie nennt man die Fähigkeit, das Richtige, das Notwendige zu tun? Das nennt man Mut. Es nutzt nichts, den Mitarbeitenden nach dem biblischen Motto „Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch“ Mut machen zu wollen. Warum funktioniert das nicht? Ich will es Ihnen sagen. Denken Sie bitte in den nächsten Minuten nicht an eine winzige weiße Maus auf einem rot lackierten Fahrrad. Hat es funktioniert? Nein, natürlich nicht. Jedes Mal, wenn wir „tu dies oder das Nicht“ sagen, denkt unser Gehirn genau daran. Gerade wir Deutschen sind sehr gut darin, negative Botschaften zu formulieren. Und dann haben die Menschen Angst, statt mutig voranzugehen.
Praxistipp | Besser wären positive Botschaften, wie sie ein Fußballtrainer vor dem Spiel verkündet.
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Erfolgreiche Umsetzung der Strategie bedarf der Disziplin
Doch selbst wenn die Strategie stimmt und Ängste und Befürchtungen relativiert und kanalisiert werden, können Digitalisierungsprojekte scheitern. Es gibt noch eine dritte notwendige Voraussetzung, und die nennt man Disziplin.
Neue Skills sind gefragt
Dies gilt insbesondere in komplexen und dynamischen Umfeldern, wo die Gefahr des Scheiterns in der Umsetzungsphase umso größer ist. Wir sind heute in einer Zeit, in der Fachwissen und Erfahrungswissen an Grenzen stoßen. Im komplexen und dynamischen Umfeld sind folgende Eigenschaften von Vorteil:
- 1. Analytisches und strategisches Denken... sind fünf neue Kompetenzen gefragt
- 2. Kreatives und schöpferisches Denken
- 3. Umgang mit künstlicher Intelligenz und Big Data
- 4. Führen, Entwickeln von Menschen und Teams
- 5. Neugierig sein und lebenslanges Lernen
Vor Nachjustierungen nicht zurückschrecken
Mangelnde Disziplin kann auch ein Indikator dafür sein, dass die zugrunde liegende Strategie oder das definierte Projekt selbst fehlerhaft ist. Wäre das Projekt richtig und bedarfsorientiert konzipiert worden, würde es wahrscheinlich auf breite Akzeptanz stoßen und die Mitarbeiter würden sich über die damit verbundenen Verbesserungen und Erleichterungen freuen. In solchen Fällen ist es zwingend, die Strategie und die Befürchtungen gemäß einem Regelkreis zu überprüfen und nachzujustieren. Man nennt das dann Kaizen. Der Begriff kommt aus dem Japanischen. Er setzt sich zusammen aus Kai (Veränderung, Wandel) und Zen (zum Besseren). Kaizen beschreibt die permanente Verbesserung von Tätigkeiten, Abläufen, Verfahren oder Produkten durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens.
Gleichgültig, ob Sie etwas tun oder ob Sie nichts tun – es handelt sich immer um unternehmerisches Handeln. Jede unternehmerische Entscheidung, das Handeln genauso wie das Unterlassen, sind eine Wette auf die Zukunft.
Mitarbeitende erkennen unsinnige Projekte zuweilen intuitiver als das Management. Ich frage Sie also: Warum werden dennoch so häufig in der Wirtschaft oder in der Politik Projekte gestartet, die eigentlich zum Scheitern verurteilt sind? Die Antwort lautet: wegen Managementfehlern und wegen einer verfehlten Politik.
... sondern hat das Ziel, die Bedürfnisse der Kunden besser zu befriedigen |
AUSGABE: PBP 1/2024, S. 27 · ID: 49762071