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VertragsrechtPlanungsvertrag: Wann können Sie den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ beanspruchen?

Abo-Inhalt27.10.20229651 Min. Lesedauer

| Vertragsanpassungen können einvernehmlich vereinbart werden (PBP 11/2022, Seite 4). Es gibt aber auch Vertragsänderungen, auf die Sie einen Rechtsanspruch haben. Ein solcher Rechtsanspruch besteht z. B., wenn die Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB gestört ist. Hier ist – so die Äußerung des Bundesbauministeriums – zwar immer nur der Einzelfall maßgeblich. Nichtsdestotrotz gibt es grobe Anhaltswerte, wann Sie sich auf den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ berufen können. PBP nimmt nachfolgend Störungen in Bezug auf Aufwand und Termine unter die Lupe. |

Aufwandsbezogene Störung der Geschäftsgrundlage

Eine Störung der Geschäftsgrundlage dürfte vorliegen, wenn eine Kostenerhöhung bzw. Aufwandserhöhung für Ihr Planungsbüro in Höhe von 20 Prozent und mehr vorliegen. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um Baukostensteigerungen, sondern um Ihre eigenen Aufwendungen.

Zu betrachten ist dabei das Gesamtvolumen des Planungsvertrags, nicht einzelne Vertragsregelungen. Betrachten Sie den groben Schwellenwert von 20 Prozent als Anhaltswert. Dazu gibt es keine einheitliche Meinung und (noch) keine konkreten Urteile.

Beispiel

Steigt Ihr Aufwand in der Lph 8 um mehr als 20 Prozent gegenüber Ihrer ursprünglichen Kalkulation, heißt das noch nicht automatisch, dass die Geschäftsgrundlage gestört ist. Denn die Lph 8 macht ca. 1/3 des Gesamtaufwands aus, wenn Sie mit allen Lph beauftragt sind. Anders sieht es allerdings aus, wenn sie nur mit Lph 8 beauftragt sind (gilt auch bei Stufenverträgen, die selbstständige Aufträge sind).

Terminbezogene Störung der Geschäftsgrundlage

Die Geschäftsgrundlage kann auch durch erhebliche Terminverschiebungen gestört werden.

Beispiele

  • Die Planung wird auf Anordnung des Auftraggebers unterbrochen und erst nach monatelanger Pause neu aufgenommen.
  • Statt einheitlicher Durchführung werden drei zeitlich getaktete Bauabschnitte vorgegeben, deren Gesamtablauf statt ursprünglich zwei Jahre nun fünf Jahre dauern soll.

Auch hier kommt es auf den konkreten Fall (z. B. Unterbrechung oder nur Streckung) und die daraus folgende Gesamtbetrachtung an. Es hat sich durchgesetzt, dass eine terminliche Vergleichsbetrachtung „Soll – Ist“ das Mittel der Wahl ist, um die Störung der Geschäftsgrundlage darzulegen.

Die gesetzliche Grundlage in § 313 BGB

Wenn Sie sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufen wollen, sollten Sie sich vorher mit dem Gesetzestext vertraut gemacht haben:

§ 313 BGB Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Ereignisse für die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag

Den Nachweis, dass die Geschäftsgrundlage gestört ist, und ein Festhalten an den ursprünglichen Vertragsbedingungen nicht mehr zumutbar ist, müssen Sie führen. Selbstverständlich muss dieser Nachweis prüffähig sein und eine Abgrenzung zu den bereits vereinbarten Aufwendungen erkennen lassen. In der folgenden Auflistung von Beispielen finden Sie Ereignisse, die die Unzumutbarkeit belegen können:

Praxistipp | § 313 BGB kommt evtl. auch dann ins Spiel, wenn die (einvernehmliche) Vertragsanpassung nach § 58 Landeshaushaltsordnung nicht erreichbar war und sich im Zuge der Verhandlungen dann doch Anspruchsgrundlagen ergaben. Hinsichtlich der Herleitung gibt es rein fachlich viele Parallelen.

  • Streckung der Planung oder Bauüberwachungsdauer: Bei der Streckung des Projekts geht in der Regel Effizienz verloren. Das Projektpersonal wird deutlich länger gebunden. Hier ist es wichtig, dass Sie Ihren Zusatzaufwand getrennt zu den ohnehin geschuldeten Leistungen bewerten.
  • Kleinteiliges Planungs-Stop-and-Go: Auch hier müssen die jeweiligen Aufwände differenziert werden. Meistens sind hier auch zusätzliche Leistungen zu erbringen, die ohnehin und gesondert als Nachträge eingefordert werden können.
  • Planungsunterbrechung: Wird die Planung komplett unterbrochen, müssen Sie alles neu organisieren (Personaldisposition, mehrfache Wiedereinarbeitung, wiederholte Terminplanung sowie Terminabstimmungen mit den anderen Betroffenen (Planern und ausführenden Unternehmen). Auch andere Aufträge und die Akquisition können betroffen sein.
  • Bildung mehrerer Bauabschnitte: Auch die Bildung mehrerer Bauabschnitte kann, z. B. in Kombination mit einem zwischenzeitlichen Planungsstopp, zur Störung der Geschäftsgrundlage führen.

Wichtig | Planungsänderungen oder die Wiederholungen von Grundleistungen, wenn sie nicht überbordend sind, sind zunächst keine Frage der Geschäftsgrundlage. Denn hier besteht für Sie eine andere Honoraranspruchsgrundlage, nämlich das Änderungshonorar (siehe §650b BGB und § 10 HOAI).

Geschäftsgrundlage muss aber auch konkret vorliegen

Eine Geschäftsgrundlage kann nur gestört sein, wenn eine Geschäftsgrundlage existiert. Das bedeutet, dass Sie eine Geschäftsgrundlage im Vertrag haben müssen. Hilfsweise können Sie die Geschäftsgrundlage auch noch nach Vertragsabschluss erwirken (z. B. in Lph 2).

Wichtig | Die HOAI als alleinige Geschäfts- bzw. Kalkulationsgrundlage reicht in den meisten Fällen nicht aus. Sie sagt nur aus, welches Honorar je Grundleistung anfallen kann. Das HOAI-Honorar für Grundleistungen ist aber unberührt von Aufwand (Stichwort: aufwandsneutral) und unberührt von Terminen. Auch letztere sind in der HOAI nicht geregelt.

Rechtsprechung kennen und Fallstrick vermeiden

Auch der Blick in die Rechtsprechung lehrt, wie wichtig es ist, sich seine Geschäftsgrundlage zu schaffen. In einem Prozess beim LG Berlin (endete im Vergleich) hatte der Planer Zusatzvergütung verlangt, weil die Bauzeit und damit die Lph 8 terminlich doppelt so lang war. Auf die Frage des Richters, was denn die ursprüngliche Geschäftsgrundlage war (also die ursprünglich zwischen Planer und Bauherrn vereinbarten Termine), konnte der Rechtsanwalt des Planers keine glasklare Antwort geben. Denn es gab nur einen Terminplan des GU, den Auftraggeber und Planer akzeptiert hatten.

Daraufhin versagte der Richter die Honorarforderung des Planers. Er begründete das damit, dass von einer gestörten Geschäftsgrundlage nur dann auszugehen ist, wenn eine Geschäftsgrundlage (= hier: vereinbarter Terminplan zwischen den beiden Vertragspartnern nämlich Planer und Bauherr) überhaupt existiert. Der vom GU erstellte Terminplan war das nicht. Der Richter setzte noch einen drauf und erklärte, dass ein neutraler Richter auch evtl. davon ausgehen kann, dass die terminliche Abwicklung des Projekts für Auftraggeber und Planer kalkulatorisch eine besondere Relevanz hatte. Denn sonst hätten sie einen Terminablauf vertraglich geregelt.

So schaffen Sie die terminliche Geschäftsgrundlage selbst

Die terminliche Geschäftsgrundlage können Sie bereits im Vorstellungsgespräch (VGV-Ausschreibung oder Privatauftrag) unkompliziert selbst schaffen. Im Vorstellungsgespräch können Sie die Geschäftsgrundlage regeln z. B. durch Vortrag zur terminlichen Herangehensweise und Aufnahme der von Ihnen vorgetragenen Abläufe in den Vertrag .

Klappt das nicht, können Sie das z. B. in der Lph 2 nachholen, wenn Sie den Terminplan im Rahmen der Grundleistungen erstellen. Der Terminplan sollte auch die Auftraggeberleistungen (z. B. Treffen von Entscheidungen etc.) enthalten. Damit schaffen Sie auch noch in der Lph 2 eine „terminliche Geschäftsgrundlage“, indem Sie den dort zu entwickelnden Terminplan sorgfältig aufbauen und nach Abstimmung mit dem Auftraggeber als Grundlage für den weiteren Vertragsablauf gemeinsam festlegen.

Praxistipp | Im VGV-Verfahren sollten Sie ohnehin immer eine interne Aufwandskalkulation erstellen, damit Sie im Verhandlungsgespräch zu Terminen und Ihrer Herangehensweise vortragen können. Diese kann im Auftragsfall (dokumentiert z. B. durch Übergabe im Vorstellungsgespräch oder als Anhang zum unterzeichneten Planungsvertrag) dann die Geschäftsgrundlage sein.

Aufwandsbezogene Geschäftsgrundlage selbst schaffen

Die aufwandsbezogene Geschäftsgrundlage ergibt sich häufig in Ergänzung der terminlichen Geschäftsgrundlage. Tragen Sie im Verhandlungsgespräch zum Personal vor, das Sie einzusetzen planen, können Sie das auch im Terminplan als Personalbereitstellung in den jeweiligen Terminbalken bereits im Vorstellungsgespräch darstellen.

Damit liegt eine kalkulatorisch belegte Personaleinsatzplanung vor. Die aktuelle Praxis zeigt, dass es Ihnen mit einer solchen Kalkulation, die dann zur Geschäftsgrundlage gemacht wird, erheblich leichter fällt, Ansprüche durchzusetzen.

Fazit | Die Störung der Geschäftsgrundlage ist eine gute Möglichkeit, einen Rechtsanspruch auf Vertragsanpassung durchzusetzen. Wichtigste Grundlage ist, dass eine Geschäftsgrundlage überhaupt existiert. Dafür sind Sie selbst verantwortlich, die aufwandsneutrale und „terminlose“ HOAI hilft da kaum. Sie können diese Geschäftsgrundlage auch nach Vertragsabschluss in der Lph 2 noch schaffen, wenn es Ihnen im Zuge der Vertragsanbahnung nicht gelungen war.

Weiterführender Hinweis
  • Das richtige Vorgehen beim Thema „Zusatzhonorar wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB“ steht auch auf der Agenda des nächsten PBP-Lehrgangs „Honorarverhandlung im Planungsbüro“ vom 10.-11.11.2022 in Würzburg. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.honorarverhandlung-im-planungsbuero.de/

AUSGABE: PBP 11/2022, S. 11 · ID: 48661676

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