FeedbackAbschluss-Umfrage

BüroführungDie Neuregelung des anwaltlichen Berufsrechts: Neue Kooperations-Chancen für Planer am Bau

Top-BeitragAbo-Inhalt25.10.20229746 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Tina Bieniek, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

| Wer sein Architektur- oder Ingenieurbüro in einer gemeinsamen Gesellschaft mit Rechtsanwälten oder Steuerberatern ausüben wollte, lief bisher gegen die Wand. Die für diese Berufsgruppen einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften erlaubten solche Zusammenschlüsse nicht. Das ist seit dem 01.08.2022 anders. An dem Tag ist das „Gesetz zur Neuregelung des anwaltlichen Berufsrechts“ in Kraft getreten. Es hat berufsübergreifenden Kooperationen den Weg geebnet. Lesen Sie nachfolgend was möglich und für die planenden Berufe sinnvoll ist. |

Der Hintergrund der Gesetzesnovelle

Das Berufsrecht der Rechts- und Patentanwälte sowie Steuerberater hat eine lange Historie. Über die Jahre hinweg gelang es insbesondere in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) allerdings nicht immer, die berufsrechtlichen Regelungen im Tempo der Zeit weiterzuentwickeln. Das führte auch dazu, dass sie immer wieder auf dem (verfassungs-)gerichtlichen Prüfstand standen und in einigen Fällen als unwirksam eingestuft wurden. Der Gesetzgeber hat darauf mit umfassenden Änderungen reagiert, die im Wesentlichen zum 01.08.2022 in Kraft getreten sind.

Statt Protektionismus nun mehr Raum für Kooperationen

Bislang war das Berufsrecht der (patent-)anwaltlichen und steuerberatenden Berufe von einem gewissen Protektionismus gegenüber anderen Berufsgruppen gekennzeichnet. Im Wesentlichen wurden Kooperationen (z. B. die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft und sogar die Zusammenarbeit in Bürogemeinschaften) nur zwischen diesen sog. sozietätsfähigen Berufen zugelassen. Rechtsanwälte konnten also ausschließlich mit anderen Rechts- oder Patentanwälten, Notaren, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern (ggf. aus dem Ausland) kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit anderen freien Berufen – wie z. B. Ingenieuren, Architekten oder Stadtplanern war ausgeschlossen. Allein das Steuerberatungsgesetz war etwas flexibler und erlaubte unter bestimmten Voraussetzungen Zusammenschlüsse mit weiteren freien Berufen. Mit Steuerberatern wären daher eine Büro- oder sonstige Betriebsgemeinschaft schon nach dem bisherigen Berufsrecht möglich gewesen.

Die neuen Berufsausübungsgesellschaften

Mit dem „Gesetz zur Neuregelung des anwaltlichen Berufsrechts“ (Abruf-Nr. 231248) sind zum 01.08.2022 die Möglichkeiten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung erheblich erweitert worden. Rechtsanwälte und Steuerberater können sich in einer sog. Berufsausübungsgesellschaft mit Mitgliedern aller freien Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen. Die Beschränkung auf sozietätsfähige Berufe ist entfallen.

Wer profitiert von der Liberalisierung?

Mit dieser Liberalisierung des anwaltlichen und steuerberaterlichen Berufsrechts entsteht Potenzial für neue Formen der Zusammenarbeit für die Angehörigen aller freien Berufe. Neue Chancen bieten sich somit für alle Berufe, die sich durch eine „besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung“ und die „persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art“ auszeichnen. Darunter fallen insbesondere auch die Leistungen der Planer am Bau.

Einschränkungen beim Gesellschafterkreis

Einige grundlegende „Notbremsen“ hinsichtlich des Gesellschafterkreises (über die Beschränkung auf die Zugehörigkeit zu einem freien Beruf) bleiben auch im neuen Berufsrecht. Besonders in den folgenden Fällen verbietet das Berufsrecht den Anwälten und Steuerberatern den Zusammenschluss:

  • Die Tätigkeit des potenziellen Mitgesellschafters ist mit dem Beruf des Rechts- bzw. Patentanwalts oder Steuerberater, insbesondere ihrer beruflichen Unabhängigkeit, nicht vereinbar. Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründung Fälle, in denen der Mitgesellschafter aus dem anderen freien Beruf gegenüber gesellschaftsfremden Dritten weisungsgebunden ist.
  • Dem potenziellen Mitgesellschafter wäre die Zulassung als Anwalt oder Steuerberater zu versagen. Selbstverständlich handelt es sich dabei um Ausnahmefälle, wie z. B.
    • Entziehung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter infolge einer strafrechtlichen Verurteilung,
    • Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft oder Entfernung aus dem Dienst in der Rechtspflege,
    • Vermögensverfall.

Ist alles rechtlich Mögliche auch sinnvoll?

Auch wenn es nun rechtlich möglich ist, dass Sie sich mit Rechtsanwälten und Steuerberatern zusammenschließen, ist eine Kooperation nicht in jedem Fall sinnvoll. Potenzial für eine vertiefte Zusammenarbeit gibt es in praktischer Hinsicht meist dann, wenn inhaltliche Parallelen oder Spezialisierungen bestehen und die Angehörigen der verschiedenen Berufe ihr jeweiliges Know-How in die Kooperation mitbringen und davon gegenseitig profitieren können. Eine interprofessionelle Zusammenarbeit (vor allem mit Rechtsanwälten) kann deswegen in den folgenden Situationen erwägenswert sein:

  • Zusammenarbeit von Architekten mit Rechtsanwälten für Bau- und Architektenrecht (so auch die Gesetzesbegründung zur Änderung des anwaltlichen Berufsrechts)
  • Zusammenarbeit von Planern mit Rechtsanwälten bei der umfassenden Begleitung größerer Bau- oder Infrastrukturprojekte oder im Anlagenbau
  • Zusammenarbeit von Architekten oder Ingenieuren mit Patentanwälten im IP-Recht bzw. im Bereich des geistigen Eigentums

Die Zusammenarbeit muss nicht immer auf Dauer angelegt sein. Eine gemeinsame Gesellschaft kann – bei Wahl der richtigen Rechtsform mit vertretbarem Aufwand – für einen bestimmten Zeitraum errichtet werden und daher besonders für einzelne (Groß-)Projekte eine Erwägung wert sein (sozusagen als „Interprofessionelle Projektgesellschaft“).

Bürogemeinschaft als niederschwellige Kooperationsform

Selbst ohne fachlichen Bezug zueinander kommt die Gründung einer Bürogemeinschaft zwischen verschiedenen Berufsgruppen in Betracht. Bürogemeinschaften sind nämlich – jedenfalls aus Sicht des anwaltlichen und steuerberaterlichen Berufsrechts – in Zukunft mit allen Berufsgruppen zulässig. Sie dürfen also nun gemeinsam mit rechts- und steuerberatenden Berufen ein gemeinsames Büro oder IT nutzen oder sogar gemeinsames Personal (z. B. im Telefondienst oder am Empfang) einsetzen.

Fachliche Parallelen sind nicht erforderlich. Angemessene organisatorische, personelle und technische Maßnahmen müssen allerdings die Einhaltung der jeweiligen Berufspflichten (insbesondere der notwendigen Verschwiegenheit) sicherstellen.

Kooperation bleibt ein Kann-Konstrukt

Nur weil man Gesellschaften zwischen den Angehörigen aller freien Berufe errichten kann, muss man das nicht aus Prinzip tun. Es handelt sich lediglich um eine bedenkenswerte Option. Das heißt auch: Der Wunsch nach Kooperation muss nicht immer mit der Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft einhergehen; ein „klassisches“ (Unter-)Auftragsverhältnis (z. B. für die Erstellung von Gutachten) oder vergleichbare Gestaltungen sind nach wie vor möglich und in vielen Fällen sinnvoll.

Wenn sich Angehörige freier Berufe zu anderen Zwecken als zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen (z. B. zum gemeinsamen Erwerb einer Immobilie), greifen die berufsrechtlichen Vorschriften von vornherein nicht ein. Das war und ist nach altem und neuem Recht zulässig.

Weitere Neuerung: Freiheit bei der Rechtsformwahl

Nach den alten berufsrechtlichen Regelungen hatten Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater keine Freiheit bei der Rechtsformwahl. Sie durften sich nur in bestimmten Gesellschaftsformen zusammenschließen (GbR, PartG (mbB), GmbH, UG (haftungsbeschränkt), AG).

Im neuen Berufsrecht fällt die Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen weg. Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater haben für ihre Kooperation zukünftig freie Rechtsformwahl. Sie können sich damit in allen möglichen (inländischen und europäischen) Rechtsformen – unter bestimmten Voraussetzungen auch in doppel- oder mehrstöckigen Berufsausübungsgesellschaften – zusammenschließen. In Frage kommen also:

  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • Partnerschaftsgesellschaft (mbB)
  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
  • Aktiengesellschaft
  • Offene Handelsgesellschaft
  • Kommanditgesellschaft
  • Kommanditgesellschaft auf Aktien
  • Europäische Gesellschaft
  • EU-Gesellschaften

Welche Rechtsform im Einzelfall passt, hängt weniger von den beteiligten Berufsgruppen als von sonstigen Kriterien ab. Das kann die Frage nach dem einmaligen und dauerhaften Gestaltungs- und Verwaltungsaufwand sein (bei Personengesellschaften gerade mit Blick auf das zum 01.01.2024 neu in Kraft tretende Personengesellschaftsrecht), die Frage nach der Publizität und Transparenz im Rechtsverkehr oder steuerliche Erwägungen. Eine Berufsausübungsgesellschaft, die Rechtsanwälte und Architekten als Gesellschafter hat, kann einem im Rechtsverkehr als Personen- oder Kapitalgesellschaft ebenso begegnen wie in Form einer europäischen Gesellschaftsform.

Achtung: Eigenes Berufsrecht beachten!

Wer als Angehöriger eines freien Berufs den Zusammenschluss mit Rechts- oder Patentanwälten bzw. Steuerberatern anstrebt, darf bei aller Freude über die Aufhebung der Restriktionen im Berufsrecht dieser Berufsgruppen nicht vergessen, dass er ggf. Beschränkungen aus seinem eigenen Berufsrecht berücksichtigen muss.

Bei Architekten und Ingenieuren sind deswegen die Berufsordnungen der Architekten- bzw. Ingenieurskammern der Bundesländer bzw. die Kammergesetze zu beachten. Beschränkungen – insbesondere wenn die Gesellschaft eine eigene Registrierung bei der zuständigen Kammer anstrebt – können insbesondere den Unternehmensgegenstand, Mehrheitserfordernisse (z. B. hinsichtlich des Gesellschafter- und Geschäftsführerkreises) oder Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Gesellschaftsanteile betreffen (z. B. §§ 7, 7a Berliner Architekten- und Baukammergesetz oder §§ 17, 17a Ingenieurkammergesetz BadenWürttemberg).

Meistens finden sich zudem Konkretisierungen zur Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Berufe. Dieses Berufsrecht kann in seinem aktuellen Stand deswegen durchaus (noch) strenger sein als das inzwischen wesentlich liberalere Berufsrecht der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater. Vor der Gründung einer interprofessionellen Gesellschaft sollte deshalb unbedingt überprüft werden, ob (wirksame) Beschränkungen aus anderen berufsrechtlichen Regelungen bestehen und – wenn das der Fall ist – die Gestaltung darauf eingestellt werden.

Die Gestaltung der interprofessionellen Gesellschaft

Zwar sind viele Beschränkungen aus dem alten Berufsrecht der Anwälte und Steuerberater weggefallen (u. a. Mehrheitserfordernisse für den Gesellschafter- und Geschäftsführerkreis). Bei der konkreten Gestaltung der Kooperation müssen aber weiterhin einige berufs- und gesellschaftsrechtliche Besonderheiten berücksichtigt werden.

Hier besteht Prüfungs- und Regelungsbedarf

Prüfungs- und Regelungsbedarf besteht u. a. bei folgenden Punkten:

  • Besetzung der Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane (in der Regel müssen die Angehörigen der jeweiligen Berufe mindestens in vertretungsberechtigter Anzahl, teils auch mehrheitlich vorhanden sein)
  • Verfügungs und Übertragungsbeschränkungen (Anteilsübertragungen unter Lebenden muss Gesellschafterversammlung zustimmen)
  • Regelungen zur Weisungsfreiheit gegenüber Berufsfremden
  • Prüfung von Versicherungspflichten für die Berufsgruppen/Versicherung von Haftpflichtrisiken
  • Wahl des Gesellschaftsnamens
  • Erforderlichkeit der Zulassung oder Anzeige bei den zuständigen Kammern

Berufspflicht „der anderen Fraktion“ gilt auch

Wer sich für eine interprofessionelle Zusammenarbeit entscheidet, muss sich außerdem bewusst sein, dass für ihn nicht nur seine eigenen berufsrechtlichen Pflichten gelten, sondern ihn außerdem die Berufspflichten der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater (z. B. Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Sachlichkeit) – jedenfalls mittelbar – betreffen. Schon deshalb sollten ihre Mitgesellschafter unabhängig von ihrem eigenen Beruf ein Interesse an deren Einhaltung und der Vermeidung von Sanktionen zulasten „ihrer“ Berufsausübungsgesellschaft haben.

In kostenlosem Webinar am 06.12.2022 mehr erfahren

Wenn Sie sich für die neue Möglichkeit interessieren, berufsübergreifende Kooperationen zu schließen, sei Ihnen das kostenlose Webinar am 06.12.2022 sehr ans Herz gelegt. Von 16:00 bis 18:00 Uhr wird Sie Rechtsanwältin Tina Bieniek mit dem neuen Gesetz vertraut machen und Ihnen auf Ihre Fragen Rede und Antwort stehen. Zur Anmeldung kommen Sie hier: https://www.iww.de/webinare.

Fazit | Die neuen berufsrechtlichen Regelungen eröffnen Räume für mehr Kooperationen zwischen den Angehörigen freier Berufe, gerade auch in Architektur- und Ingenieurbüros. Suchen Sie nach „Gleichgesinnten“, um Kompetenzen und Marktzugänge und -chancen zu erweitern und sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der Blick über den Tellerrand hat noch nie jemandem geschadet, und „Netzwerken“ schon gar nicht.

AUSGABE: PBP 11/2022, S. 20 · ID: 48672560

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte