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Leitfaden, Teil 3Umfangreiche augmentative Maßnahmen korrekt abrechnen und dokumentieren
| Die Abrechnung augmentativer Maßnahmen stellt für viele Zahnarztpraxen eine Herausforderung dar. In diesem dritten Teil unseres „Leitfadens zur Abrechnung knochenaufbauender Leistung“ erläutern wir die Spaltung und Spreizung von Knochensegmenten – Bone Splitting (Nr. 9130 GOZ), die Fixation oder Stabilisierung des Augmentates durch Osteosynthesemaßnahmen (Nr. 9150 GOZ), die Entfernung unter der Schleimhaut liegender Materialien (Nr. 9160 GOZ), die Entfernung im Knochen liegender Materialien durch Osteotomie (Nr. 9170 GOZ) sowie die Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung (Nr. 2442 GOÄ). |
Inhaltsverzeichnis
Merke | Wichtig ist bei allen im Folgenden beschriebenen Ziffern, dass eine umfangreiche Dokumentation aller operativen Einzelschritte erfolgt, damit die Leistungen vollständig und betriebswirtschaftlich stimmig abgerechnet werden können.
Bone Splitting (Nr. 9130 GOZ)
Die Nr. 9130 GOZ beschreibt zwei völlig unterschiedliche chirurgische Leistungen: den Knochenaufbau
Nr. 9130 GOZ | ||||
GOZ | Leistungstext | 1,0 | 2,3 | 3,5 |
9130 | Spaltung und Spreizung von Knochensegmenten (Bone Splitting), ggf. mit Auffüllung der Spalträume mittels Knochen oder Knochenersatzmaterial, ggf. einschließlich zusätzlicher Osteosynthesemaßnahmen, ggf. einschließlich Einbringung resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Barrieren und deren Fixierung je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich oder vertikale Distraktion des Alveolarfortsatzes einschließlich Fixierung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich. | 86,61 | 199,21 | 303,14 |
- mittels Spaltung und Spreizung von Knochensegmenten,
- mittels vertikaler Distraktion.
Die Leistung enthält laut Leistungsbeschreibung alle operationstechnisch notwendigen Einzelschritte, obwohl deren Aufwand völlig unterschiedlich sein kann. Ziel der Maßnahme ist es, eine Verbreiterung des Knochens in vertikaler Richtung zu erreichen. Die Honorierung des Mehraufwands kann nur durch die Anpassung des Steigerungsfaktors, ggf. unter Anwendung einer Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ erfolgen.
Die vertikale Distraktion ist keinesfalls mit Bonesplittingmaßnahmen vergleichbar – zeitlicher Aufwand und chirurgische Tätigkeit sind völlig unterschiedlich. Es ist daher nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen diese völlig unterschiedlichen Leistungen in einer einzigen Gebührenposition verankert wurden.
Merke | Wird zusätzlich außerhalb des OP-Gebietes intraoral Knochen entnommen, ist hierfür die Nr. 9140 GOZ (Intraorale Entnahme von Knochen außerhalb des Aufbaugebiets) berechnungsfähig. Bei dieser Leistung ist zu beachten, dass bei Entnahme eines Knochenblocks und Anlagerung mit eigenständiger Fixierung die doppelte Gebühr berechnungsfähig ist.
Die primäre Wundversorgung der Wunde ist mit der Nr. 9130 GOZ abgegolten, außer es erfolgt eine Wundversorgung mit separater Lappenbildung. In diesen Fällen ist entweder die Nr. 3100 GOZ (Plastische Deckung im Rahmen einer Wundversorgung) berechnungsfähig – Bedingung hierfür ist allerdings eine Periostschlitzung. Erfolgt eine Lappenbildung ohne Periostschlitzung können je nach Aufwand die Nrn. 2381 (einfache Hautlappenplastik) oder 2382 (schwierige Hautlappenplastik oder Spalthauttransplantation) GOÄ berechnet werden. Bei der Durchführung von Hautlappenplastiken sollte darauf geachtet werden, dass die Dokumentation der Leistung detailliert erfolgt (Region, Indikation, Art des Hautlappens).
Bei der zweiten in der Nr. 9130 GOZ genannten Leistung der Distraktionsosteogenese wird ein Knochensegment des Kiefers von seiner Basis abgetrennt. Durch das Anbringen der Distraktionsschraube erfolgt eine Dehnung des Frakturspaltes und somit entsteht über einen längeren Zeitraum ein größeres Knochenangebot. Die Honorierung dieser Maßnahmen kann aufgrund des immensen Aufwands nur über eine Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ erfolgen.
Sowohl Bonesplitting als auch vertikale Distraktion sind je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich berechnungsfähig. Eine zusätzliche Berechnung der Nr. 9100 GOZ für das gleiche Gebiet ist gebührenrechtlich ausgeschlossen.
Fixation oder Stabilisierung des Augmentates durch Osteosynthesemaßnahmen (Nr. 9150 GOZ)
Die Leistung kommt häufig in Verbindung mit dem Anlagern von Knochenblöcken zum Ansatz – diese müssen in der Einheilphase in der Regel fixiert werden, um eine Verschiebung zu verhindern.
Nr. 9150 GOZ | ||||
GOZ | Leistungstext | 1,0 | 2,3 | 3,5 |
9150 | Fixation oder Stabilisierung des Augmentates durch Osteosynthesemaßnahmen (z. B. Schrauben- oder Plattenosteosynthese oder Titannetze), zusätzlich zu der Leistung nach der Nummer 9100 je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich | 37,96 | 87,32 | 132,87 |
Die Leistungsbeschreibung weist darauf hin, dass die Fixierung auf unterschiedliche Arten erfolgen kann, z. B. mittels Osteosyntheseschrauben, Titannetzen oder auch Platten. Sämtliche genannten Methoden unterscheiden sich im Aufwand enorm. Die Berechnung der Nr. 9150 GOZ ist ausschließlich neben der Nr. 9100 GOZ möglich und kann je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich nur einmal berechnet werden. Bei aufwendigen Methoden oder mehreren Fixierungselementen sollte der Faktor entsprechend angepasst werden. Die eingesetzten Osteosynthesematerialien sind zusätzlich berechnungsfähig.
Entfernung unter der Schleimhaut liegender Materialien
In der GOZ existieren zwei Leistungen für die Entfernung von Materialien, die bei einer vorherigen OP zum temporären Verbleib eingebracht wurden.
Nr. 9160
Die Nr. 9160 GOZ beschreibt die Entfernung von unter der Schleimhaut liegenden Materialien. In der Regel handelt es sich hierbei um Materialien wie z. B. Membranen sowie deren Fixierungen (z. B. Membranpins).
Nr. 9160 GOZ | ||||
GOZ | Leistungstext | 1,0 | 2,3 | 3,5 |
9160 | Entfernung unter der Schleimhaut liegender Materialien (z. B. Barrieren- einschließlich Fixierung-, Osteosynthesematerial), je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich | 18,56 | 42,69 | 64,96 |
Die Entfernung im Knochen liegender Materialien, wie z. B. Osteosyntheseschrauben ist mit der Nr. 9170 GOZ beschrieben. Wird jedoch im Knochen befindliches Material entfernt, dass z. B. bedingt durch eine Lockerung keiner Osteotomie bedarf, ist hierfür die Nr. 9160 GOZ anzusetzen. Die primäre Wundversorgung (ohne Hautlappenplastik) ist mit der Leistung abgegolten.
Da die Leistung je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich berechnungsfähig ist, sollte bei Entfernung mehrerer Materialien pro Kieferhälfte oder Frontzahnbereich der Faktor entsprechend dem Aufwand angepasst werden.
Nr. 9170 GOZ
Die Leistung beschreibt zwei völlig unterschiedliche operative Maßnahmen:
- die Entfernung im Knochen liegender Materialien sowie
- die Entfernung eines subperiostalen Gerüstimplantats.
Bei der Entfernung im Knochen liegender Materialien handelt es sich z. B. um Osteosyntheseschrauben oder Schirmschrauben, die zur Fixierung des Augmentates bei der eigentlichen Operation in den Knochen eingebracht wurden. Eine Osteotomie ist zwingender Bestandteil der Leistung und sollte auch entsprechend dokumentiert werden.
Nr. 9170 GOZ | ||||
GOZ | Leistungstext | 1,0 | 2,3 | 3,5 |
9170 | Entfernung im Knochen liegender Materialien durch Osteotomie (z. B. Osteosynthesematerial, Knochenschrauben) oder Entfernung eines subperiostalen Gerüstimplantats, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich | 28,12 | 64,68 | 98,42 |
Die Leistung ist je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich berechnungsfähig. Werden mehrere Osteosyntheseschrauben pro Kieferhälfte oder Frontzahnbereich entfernt, resultiert hieraus ein erhöhter Zeitaufwand – dieser sollte sich in der Wahl des Steigerungsfaktors niederschlagen.
Erfolgt die Durchführung der Leistung unter Anwendung des Operationsmikroskops, kann zusätzlich der Zuschlag nach Nr. 0110 GOZ in Ansatz gebracht werden.
Die Leistung enthält auch die Entfernung eines subperiostalen Gerüstimplantates. Unter subperiostalen Gerüstimplantaten versteht man Implantate, die unter die Knochenhaut und auf dem Knochen aufliegend eingebracht werden. Dieses Verfahren findet schon lange Zeit keine Anwendung mehr, es ist jedoch möglich, dass einzelne Patienten noch solche subperiostalen Implantate tragen, die ggf. entfernt werden müssen.
Die Entfernung dieser Form von Implantaten gestaltet sich in der Regel extrem aufwendig und ist keinesfalls mit dem Entfernen einer Osteosyntheseschraube vergleichbar. Die Honorierung kann daher nur unter Ansatz einer Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ erfolgen.
Merke | Einer Parallelberechnung der Nrn. 9160 und 9170 GOZ steht gebührenrechtlich nichts entgegen, wenn in der gleichen Kieferhälfte oder im selben Frontzahnbereich in getrennten OP-Gebieten sowohl unter der Schleimhaut liegende als auch im Knochen befindliche Materialien entfernt werden.
Die allgemeinen Bestimmungen weisen noch explizit darauf hin, dass die Entfernung von Implantaten nicht nach dieser Ziffer abgerechnet werden kann. Hierfür stehen in der GOZ die Leistungen 3000 und 3030 zur Verfügung. Aufgrund der niedrigen Bewertung der beiden Leistungen sollte auch hier der Faktor entsprechend angepasst werden.
Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung (Nr. 2442 GOÄ)
Im Rahmen von Implantationen wird häufig zusätzlich zur knöchernen Augmentation eine Weichteilunterfütterung mit alloplastischem Material durchgeführt. Erfolgt die Maßnahme als selbstständige Leistung, kann zusätzlich zur knöchernen Augmentation die Nr. 2442 GOÄ für die Weichteilunterfütterung abgerechnet werden. Eine detaillierte Dokumentation beider Maßnahmen ist in diesem Zusammenhang extrem wichtig.
Nr. 2442 GOÄ | ||||
GOÄ | Leistungstext | 1,0 | 2,3 | 3,5 |
2442 | Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung, als selbständige Leistung | 52,46 | 120,65 | 183,60 |
Ein häufig verwendetes Material im Sinne der Nr. 2442 GOÄ ist z. B. ein Collagen Patch – aber auch Knochenersatzmaterial kann zum Einsatz kommen. Die Materialkosten sind im Sinne der GOÄ-Bestimmung nach § 10 gesondert berechnungsfähig. Die Leistung enthält keine Einschränkung hinsichtlich der Häufigkeit, somit ist sie je OP-Gebiet berechnungsfähig.
Die Begrifflichkeit „selbständige Leistung“ beschreibt lediglich, dass die Leistung als eigenständige Leistung zu erbringen ist, nicht jedoch, wie es häufig von privaten Kostenträgern fehldefiniert wird, als alleinige Leistung.
Erfolgt eine Weichteilunterfütterung mittels Eigenknochen ist die im Teil 1 dieser Serie beschriebene Nr. 9090 GOZ zu berechnen (PA 03/2024, Seite 5).
Welche Zuschläge sind berechnungsfähig?
Nach den Allgemeinen Bestimmungen der GOZ können bei nicht stationärer Durchführung bestimmter zahnärztlich-chirurgischer Leistungen in Praxen niedergelassener Zahnärzte oder in Krankenhäusern Zuschläge berechnet werden. Die Zuschläge dienen der Abgeltung der Kosten für die Aufbereitung wiederverwendbarer Operationsmaterialien bzw. -geräte und/oder von Materialien, die mit der einmaligen Verwendung verbraucht sind. Folgende OP-Zuschläge sind berechnungsfähig:
- zu Nr. 9130 GOZ der Zuschlag Nr. 0530Berechnungsfähige OP-Zuschläge
- zu Nr. 9150 GOZ der Zuschlag Nr. 0510
- zu Nr. 9160 GOZ der Zuschlag Nr. 0500
- zu Nr. 9170 GOZ der Zuschlag Nr. 0510
Merke | Pro Tag ist nur ein OP-Zuschlag anzusetzen. Grundlage für den Ansatz ist die Operationsleistung, die mit der höchsten Punktzahl belegt ist.
Der Zuschlag für den Einsatz des Mikroskops (Nr. 0110 GOZ) ist zu den Nrn. 9130, 9170 GOZ berechnungsfähig. Der Zuschlag ist nur einmal pro Sitzung berechnungsfähig, unabhängig davon, wie viele der in der Leistungsbeschreibung abschließend genannten Leistungen erbracht werden.
Der Zuschlag für den Einsatz des Lasers (Nr. 0120 GOZ) ist zu der Nrn. 9160 berechnungsfähig und löst eine Gebühr von 18,56 Euro aus (1,0-facher Faktor der Leistung). Der Zuschlag ist nur einmal pro Sitzung berechnungsfähig, unabhängig davon, wie viele der in der Leistungsbeschreibung abschließend genannten Leistungen erbracht werden.
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- Leitfaden, Teil 1: Augmentative Maßnahmen – wie erfolgt die korrekte Abrechnung und Dokumentation? (PA 03/2024, Seite 5)
- Leitfaden, Teil 2: Umfangreiche augmentative Maßnahmen korrekt abrechnen und dokumentieren (PA 04/2024, Seite 15)
- Augmentation in derselben Sitzung wie die Extraktion – gesondert abrechenbar oder nicht? (PA 12/2021, Seite 9)
AUSGABE: PA 6/2024, S. 3 · ID: 49996385