FeedbackAbschluss-Umfrage
MKMietrecht kompakt

Direktversorgung mit Strom und GasProbleme beim Wechsel des Energieanbieters

Abo-Inhalt31.07.202535 Min. LesedauerVon RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen

| Strom und Gas werden immer teurer. Das liegt nicht nur an einer Preisbeschleunigung durch Inflation und Energiekrise, sondern auch – in Bezug auf Gaspreise – an politischem Willen. Denn der Ausstieg aus fossilen Energieträgern soll insbesondere zur Wärmegewinnung im Gebäudebereich forciert werden. Die staatlich verordnete „Preisschraube“ soll zum Umstieg auf erneuerbare Energien motivieren. Dieser und folgende Beiträge widmen sich daraus folgenden Praxisproblemen zwischen Mieter und Vermieter. |

1. Allgemeines

Ständige Preissteigerungen im Energiekostenbereich motivieren dazu, sich möglichst den günstigsten Energieanbieter auszusuchen. Folge: Anbieter werden viel häufiger gewechselt, als dies früher der Fall war. Das bedeutet, dass neben technischen Umstellungsprozessen vor allem Verträge beendet, abgerechnet und neue Vertragsverhältnisse geschaffen werden müssen. Und genau hier schlummert Konfliktpotenzial zwischen der Anbieterseite und zwischen dem Endkunden als Energieverbraucher. Dazu folgendes Beispiel:

Beispiel

Hauseigentümer H. kündigt seinem Energieversorger E. zum 30.11.24. Die Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2023 ist noch nicht erstellt. Die Endabrechnung zum 30.11.24 ist auch noch zu fertigen. H. telefoniert vielfach und wendet sich auch per E-Mail an E. Er erhält trotz mehrfacher Kontaktversuche keine Rückmeldung. Weil sich nichts tut, kündigt H. das erteilte SEPA-Lastschriftmandat und setzt die vereinbarten Vorauszahlungen aus. Wie kann H. weitergeholfen werden?

Zunächst lohnt ein Blick in den gekündigten Energielieferungsvertrag und die ihm zugrunde liegenden AGB (vgl. § 41 EnWG zu den notwendigen Inhalten des Energielieferungsvertrags mit Letztverbrauchern). Üblicherweise ist darin bestimmt, dass der Energieversorger mindestens einmal jährlich den Energieverbrauch (z. B. Gasverbrauch) abrechnen muss. So bestimmt es auch § 40b Abs. 1 S. 1 EnWG (aktuell i. d. F. vom 23.12.24, BGBl. I/24 Nr. 448). Dabei ist nach § 40c Abs. 2 EnWG innerhalb von sechs Wochen seit Ende des Abrechnungszeitraums abzurechnen. Mit dieser Pflicht befindet sich also der Gaslieferant im o. g. Beispiel in Verzug (AG Bernau 11.6.24, 10 C 68/24, WuM 24, 768; AG Greifswald 11.6.24, 43 C 15/24, WuM 24, 767). Einer besonderen Mahnung hierfür bedarf es nicht, da seine Leistungspflicht, also die Pflicht, Abrechnung zu erteilen, nach dem Kalender gesetzlich bestimmt ist.

Für den Fall eines erwarteten Guthabensaldos als Abrechnungsergebnis können deswegen aus dem Gesichtspunkt des Verzugs schon jetzt Verzugszinsen sowie weiterer verzugsbedingter Schadenersatz geltend gemacht werden. Denn bekanntlich ist der zu erwartende Guthabensaldo 14 Tage nach Zugang der Abrechnung an den Endkunden zu entrichten (§ 40 c Abs. 3 EnWG). Wird die Abrechnung verzögert, tritt Verzug mit der Rückzahlung des Guthabensaldos spätestens 14 Tage nach entstandener Abrechnungspflicht ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Verzugszins zu berechnen. Diese Fristen gelten nicht nur für die Jahresabrechnung, sondern auch für die Endabrechnung zum Vertragsende.

Neben Schadenersatz kann in Aussicht gestellt werden, die Bundesnetzagentur sowie die Schlichtungsstelle Energie (info@schlichtungsstelle-energie.de) als Streitvermittler anzurufen. Bei der Schlichtungsstelle geschieht dies durch einen Schlichtungsantrag, der online gestellt wird oder zur Print-Bearbeitung dort heruntergeladen werden kann (schlichtungsstelle-energie.de). Nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens kann der Betroffene (hier: Hauseigentümer H.) eine Stufenklage auf Abrechnung und Rückzahlung des Abrechnungssaldos einreichen.

2. Prüfung der Abrechnung auf Richtigkeit

Kommt die Abrechnung nach dem hier beschriebenen ersten „Aufschlag“ doch noch, muss sie natürlich auf Richtigkeit überprüft werden. Folgendes ist dabei zu beachten:

  • Ist der Rechnungsbetrag fällig? Üblicherweise muss nicht gezahlt werden, solange dieser nicht fällig ist. Fällig ist der Rechnungsbetrag nach allgemeinen Vorschriften nur, wenn die Mindestanforderungen der Abrechnung beachtet sind (§§ 271, 259, 260 BGB; so ausdrücklich für eine Betriebskostenabrechnung des Vermieters: AG Hamburg-Bergedorf 4.12.12, 409 C 174/12; AG Saarbrücken 20.6.16, 121 C 21716 (13); zu den Anforderungen an eine Gas- und Stromrechnung vgl. § 40 Abs. 1 bis Abs. 4 EnWG i. V. m. § 16 Abs. 1 StromGVV, § 16 Abs. 1 GasGVV). Das ist bei Strom- und Gasrechnungen anders (§ 17 Abs. 1 StromGVV, § 17 Abs. 1 GasGVV). Hier tritt Fälligkeit 14 Tage nach Zugang der Zahlungsaufforderung ein. Sowohl nach § 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV als auch nach § 17 Abs. 1 S. 2 GasGVV kann aber die Zahlung des Rechnungssaldos nur verweigert oder aufgeschoben werden,
    • soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
    • sofern der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
  • Stimmt der abgerechnete Verbrauch? Prüfungsansätze sind die Zählerstände und die vorangegangene Rechnung. Nur ausnahmsweise darf der Verbrauch geschätzt werden, wenn für einen bestimmten Abrechnungszeitraum trotz einer entsprechenden Verpflichtung des Endkunden keine Ablesedaten übermittelt wurden oder wenn der Anbieter aus anderen Gründen, die er nicht zu vertreten hat, den tatsächlichen Verbrauch nicht ermitteln kann, weil ihm kein Zutritt zur Wohnung gewährt oder etwa der Zähler manipuliert wurde (dazu: AG Brandenburg 29.1.16, 34 C 73/14; vgl. zur unzulässigen Verbrauchsschätzung durch den Energieversorger: LG Kleve 18.5.16, 2 O 300/15; AG Villingen-Schwenningen 10.2.16, 11 C 429/15).
  • Wurde unzulässig geschätzt und ist jetzt eine Ablesung der Zählerstände nicht mehr möglich, muss das Versorgungsunternehmen zur Überzeugung des Tatrichters den bestrittenen Verbrauch nachweisen (OLG Hamm 12.7.07, 19 U 98/06, NJW-RR 07, 1650; OLG Düsseldorf 21.1.09, I-3 U 28/08 R, RdE 09, 227). Kann der Verbrauch nicht mehr exakt ermittelt werden, kann das Gericht durch eigene Schätzung nach § 287 ZPO den Verbrauch bestimmen, solange der vorgetragene Streitstoff eine hinreichende Grundlage für eine tatsächliche Schätzung des Verbrauchs bietet (BGH 16.10.13, VIII ZR 243/12; 17.11.10, VIII ZR 112/10, WuM 11, 21; LG Kleve 12.12.14, 5 S 156/11).
  • Bestehen Zweifel an der Zählerfunktion, kann der Kunde eine „Befundprüfung“ veranlassen, jedoch zunächst auf eigene Kosten. Auf diesen Kosten bleibt man sitzen, wenn die Prüfung ergibt, dass der Zähler einwandfrei funktioniert.
  • Sind die angesetzten Preise korrekt? Hier kommt es entweder auf einen Vergleich mit der jüngsten Mitteilung einer Preisänderung oder mit dem Inhalt des ursprünglichen Vertrags an.
  • Wurden alle geleisteten Zahlungen im Abrechnungszeitraum korrekt erfasst? Geleistete Nachzahlungen und Abschläge sind hier zu kontrollieren. Das gilt auch für die Darstellung von Last- und Gutschriften in der Rechnung. Wichtig ist dann ein Abgleich mit den eigenen Bankauszügen.
  • Ist ein vertraglich vereinbarter Preisbonus richtig ermittelt und ausbezahlt? Anbieterwechsel werden oft mit der Gewährung eines Bonus verbunden („Sofortbonus“, „Neukundenbonus“). Die Prüfung erfolgt in zwei Schritten; zunächst ist der Vertragsinhalt einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf zu überprüfen, ob und welche Boni versprochen sind; in einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, ob ein Bonus richtig berechnet wurde.
  • Wurden gesetzlich gewährte Bonuszahlungen beachtet? Das gilt insbesondere für
    • „Dezemberabschlag 2022“ als Einmalzahlung bei Gasrechnungen nach dem EWSG vom 15.11.22 (BGBl. I S. 2035, 2051),
    • „Gaspreisbremse 2023“ als zusätzlicher staatlicher Zuschuss vom 1.1.23 bis zum 30.4.24 nach dem EWPBG vom 20.12.22 (BGBl I, 2560 ff.) und
    • „Strompreisbremse 2023“, eingeführt durch das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen vom 20.12.22 (BGBl. I 2512 ff).
  • Im Fall eines Guthabensaldos: Wurde er binnen 14 Tagen seit Rechnungslegung ausgezahlt und wurden die zukünftig verlangten Abschlagszahlungen entsprechend „nach unten“ angepasst?
  • Im Fall einer geforderten Nachzahlung: Wurde ein zu gewährender Bonus verrechnet? Falls nicht, kann man diese Aufrechnung selbst vornehmen und die Nachzahlung entsprechend kürzen.
  • Berücksichtigen die künftig geforderten Abschlagszahlungen den Rechnungssaldo? Die künftig verlangten Abschläge müssen dem letzten Jahresverbrauch im Abrechnungszeitraum entsprechen. Bei Strom- und Gaslieferverträgen ist die Zahl der Kilowattstunden auf der Jahresabrechnung mit dem Preis pro Kilowattstunde zu multiplizieren. Zu diesem Zwischenergebnis ist der Grundpreis für das gesamte Jahr hinzuzuaddieren. Die Summe ist bei monatlichen Abschlägen durch 12 zu dividieren.
  • Wichtig | Auch wenn die Rechnung fehlerhaft ist, muss zunächst gezahlt werden. Davon gibt es innerhalb der Grundversorgung zwei Ausnahmen:
  • Der abgerechnete Verbrauch ist mehr als doppelt so hoch wie im vorherigen Abrechnungszeitraum und zusätzlich ist am Zähler bei einer Prüfung (Befundprüfung) ein Fehler festgestellt worden.
  • Die Rechnung zeigt einen „offensichtlichen Fehler“ (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 StromGVV, § 17 Abs. 1 Nr. 1 GasGVV), der auf den ersten Blick zu erkennen ist (z. B. keine Händleradresse, kein Anfangszählerstand, kein Endzählerstand, keine Preisangaben, völlig unerklärliche eklatante Verbrauchssteigerungen, z. B. das Zehnfache des Vorjahresverbrauchs; vgl. OLG Celle 12.11.15, 13 U 9/15; LG Lübeck 22.2.18, 14 S 149/17 – angegebene Differenzen beim Zählerstand im Augenblick des Anbieterwechsel in der Rechnung des alten Anbieters im Vergleich zur Rechnung des neuen Anbieters).

Ob der Rechnungsbetrag dann insgesamt einbehalten werden kann, bleibt immer noch zu prüfen. Denn wurde z. B. Energie verbraucht und ist nur die Menge streitig, sollte zumindest auf Vorjahresbasis (teilweise) gezahlt werden (so ausdrücklich für Grundversorgungsverträge: BGH 16.10.13, VIII ZR 243/12; für Sonderverträge beachte die AGB als Vertragsbestandteil; zur Fälligkeit der Teilforderung bei streitigen Preiserhöhungen: BGH 11.12.13, VIII ZR 41/13).

Beachten Sie | Wichtig ist auch immer ein Blick in die AGB des Energieanbieters, insbesondere bei Sonderverträgen.

Weiterführender Hinweis
  • Horst, Direktversorgung mit Strom und Gas: Praxisprobleme bei unbezahlten Rechnungen, MK 25, 74

AUSGABE: MK 8/2025, S. 151 · ID: 50478844

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte