FeedbackAbschluss-Umfrage
MKMietrecht kompakt

WEG-NovelleKostenverteilung im WEG: Erste Entscheidungen des BGH aus 2024 (Teil 2)

Abo-Inhalt31.07.202543 Min. LesedauerVon RAin Kornelia Reinke (), Bonn

| Weitere Grundsatzentscheidungen aus 2024 zur neu geregelten Kostenverteilung nach § 16 WEG sind Gegenstand des zweiten Teils des Beitrags (Teil 1 s. MK 25, 115). Die im Folgenden dargestellten Entscheidungen des BGH konkretisieren den Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer. |

1. Austausch von Dachflächenfenstern

a) Sachverhalt

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss. Im August 2021 beschlossen die Wohnungseigentümer, die defekten Dachflächenfenster im Bereich des Sondereigentums des Klägers durch eine Fachfirma austauschen zu lassen. Die Kosten der Arbeiten sollten vom Kläger gezahlt werden. Der Kläger erhob erfolglos Anfechtungsklage gegen die beschlossene Kostenverteilung. Die Berufung des Klägers blieb ebenfalls erfolglos. Mit der Revision wollte der Kläger erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

b) Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass der Beschluss über die Verteilung der Erhaltungskosten der Dachflächenfenster nicht zu beanstanden ist (22.3.24, V ZR 87/23, Abruf-Nr. 240732). Dabei nimmt er Bezug auf sein Urteil vom selben Tag (22.3.24, V ZR 81/23) und bestätigt, dass sich nach der Gesetzesänderung die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ergibt. Danach wird den Wohnungseigentümern die Kompetenz eingeräumt, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt auch, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Für die Beschlusskompetenz ist es unerheblich, dass der Kläger die Instandsetzungskosten der in dem Bereich seines Sondereigentums befindlichen Fenster allein tragen muss und die übrigen Eigentümer abweichend von § 16 Abs. 2 S. 1 WEG von den Kosten befreit sind.

Neben der Beschlusskompetenz kommt es für die weitere Wirksamkeit darauf an, dass der Beschluss über die Verteilung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 19 Abs. 1 WEG entspricht. Der BGH führt dazu aus: Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die zuvor vom geltenden Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Eigentümern auferlegt werden. Das setzt aber voraus, dass der Beschluss den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt. Die beschlossene Änderung der Kostenverteilung für den Austausch der Fenster bezieht sich allein auf den Bereich des Sondereigentums des Klägers, somit entspricht die Verteilung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung. Es ist dabei unerheblich, dass die Wohnungseigentümer zeitgleich keine Regelung für die Behandlung künftiger gleich gelagerter Fälle getroffen haben.

Der BGH begründet dies damit, dass nach der Rechtsprechung zu § 16 Abs. 4 WEG a. F. ein Beschluss über die abweichende Verteilung der Kosten einer einzelnen Instandsetzungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen konnte, wenn er zu einer verdeckten Änderung der Teilungserklärung führte (BGH 18.6.10, V ZR 164/099). An dieser Rechtsprechung kann nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr festgehalten werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG erreichen, dass Wohnungseigentümer einfacher als bisher eine nach den jeweiligen Umständen sinnvolle und gerechte Kostenverteilung beschließen können sollen (BT-Drucksache 19/18791 S. 27). Er hat deswegen bewusst auf nach § 16 Abs. 3, Abs. 4 WEG a. F. bestehende Beschränkungen verzichtet und aufgrund der Vielgestaltigkeit möglicher Beschlüsse über die Kostenverteilung von besonderen inhaltlichen Vorgaben abgesehen (BT-Drucksache 19/18791 S. 56).

In Anwendung dieser Grundsätze widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers, wenn bei einer Beschlussfassung über eine abweichende Verteilung einzelner Erhaltungskosten zugleich eine Regelung für alle künftigen gleich gelagerten Fälle zu treffen wäre. Dadurch würde der den Eigentümern eingeräumte Gestaltungsspielraum bei der Kostenverteilung eingeschränkt und eine Verteilung für eine bestimmte Art von Kosten vorgegeben. Eine solche Einschränkung des § 16 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 WEG lässt sich jedoch weder dem Gesetz entnehmen noch entspricht dies dem Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung wird gerade die abweichende Verteilung der Kosten eines Austauschs einzelner Fenster als Beispiel für die Reichweite von § 16 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 WEG hervorgehoben (BT-Drucksache, a. a. O., S. 56).

Nach Ansicht des BGH ist eine andere Betrachtung auch nicht im Hinblick auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz der Wohnungseigentümer geboten. Ob und in welcher Art und Weise in Folgebeschlüssen die zuvor für eine einzelne Instandsetzungsmaßnahme beschlossene Änderung der Kostenverteilung zu berücksichtigen ist, kann nicht hypothetisch für künftige Fälle beurteilt werden, sondern nur für eine konkrete Maßnahme oder einen bereits gefassten, konkreten Beschluss.

Fazit | Der BGH bestätigt in diesem Urteil, dass die Neuregelung der Kostenverteilung der Eigentümerversammlung ermöglicht, flexibel auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu reagieren und sachgerechte Lösungen zu finden, ohne sich für die Zukunft binden zu müssen. Er orientiert sich dabei an dem Willen des Gesetzgebers. Davon unabhängig dürfen die Wohnungseigentümer Beschlüsse nicht willkürlich fassen. Bei aller Flexibilität muss das Willkürverbot beachtet werden.

2. Kosten eines Rechtsstreits

a) Sachverhalt

Die drei Klägerinnen und Wohnungseigentümerinnen sind Mitglieder der beklagten Eigentümergemeinschaft. Laut Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 werden die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt. In einem Vorprozess verlor die Gemeinschaft eine von den Klägerinnen erhobene Beschlussklage, mit der Folge, dass sie die Prozesskosten tragen musste. Die Eigentümer beschlossen, die Prozesskosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Je Wohnungseinheit sollte ein bestimmter Betrag gezahlt werden, auch von den Eigentümern, die den Vorprozess gewonnen hatten. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, die vor dem AG keinen Erfolg gehabt hat. Auf die Berufung einer der Klägerinnen hat das LG der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Gemeinschaft mit der vom LG zugelassenen Revision.

b) Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Erhebung der Sonderumlage ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (19.7.24, V ZR 139/23, Abruf-Nr. 242901). Er weist zunächst darauf hin, dass die Neuregelung gilt und nicht die Rechtsordnung im Zeitpunkt der Vereinbarung der Gemeinschaftsordnung, weil der Begriff der Verwaltungskosten in dieser eine bloße Wiederholung des Gesetzes darstellt. Es kommt somit auf die aktuell geltende Rechtslage an.

Anders als nach altem Recht, wonach Beschlussmängelklagen und Beschlussersetzungsklagen gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten waren und Rechtsverteidigungskosten keine Verwaltungskosten waren, sind seit dem 1.12.20 Beschlussklagen gegen die Eigentümergemeinschaft zu richten (§ 44 Abs. 2 S. 1 WEG). Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, gehören zu den Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG, die, soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen sind. Bei Fehlen einer abweichenden Regelung muss auch der obsiegende Kläger die Prozesskosten der unterlegenen Eigentümergemeinschaft anteilig mitfinanzieren. Der BGH hatte bereits nach altem Recht im Hinblick auf Hausgeldklagen entschieden, dass Kosten, die der Eigentümergemeinschaft in einem Prozess auferlegt werden, Verwaltungskosten im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG a. F. sind (BGH 4.4.14, V ZR 168/13). Auch wenn dieses Ergebnis für den obsiegenden Kläger schwer nachvollziehbar ist, scheidet nach Ansicht des BGH eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 1 WEG aus, weil der Wortlaut des Gesetzes eindeutig ist und es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Dazu führt der BGH aus: Der Gesetzgeber hat gesehen, dass von § 16 Abs. 2 S. 1 WEG aufgrund der Parteistellung der Eigentümergemeinschaft bei Beschlussklagen auch die Kosten des obsiegenden Klägers erfasst sind. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in ihrem Abschlussbericht zur Reform des WEG von August 2019 (ZWE 19, 429, 459) ausgeführt, dass sich auch der erfolgreiche Kläger eines Beschlussmängelprozesses an den Prozesskosten der Eigentümergemeinschaft zu beteiligen habe, mit der Folge, dass die anteilige Belastung des erfolgreichen Klägers in kleineren Wohnungseigentümergemeinschaften umfangreicher sein werde als in großen Gemeinschaften.

Auch die Streichung der Regelung des § 16 Abs. 8 WEG a. F., die eine zu weit gefasste Sonderregelung für Prozesskosten vorsah und einschränkend auszulegen war, zeigt, dass der Gesetzgeber den Wohnungseigentümer als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft anteilig an den Kosten des Verfahrens beteiligen wollte. Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 1 WEG scheidet mangels Regelungslücke aus.

Beachten Sie | Die Rechtskraft einer gerichtlichen Kostenentscheidung in Beschlussklageverfahren spricht nicht gegen eine Anwendung des § 16 Abs. 2 S. 1 WEG, denn die Kostenentscheidung bezieht sich nur auf das Verhältnis der Parteien untereinander und regelt nicht, wer im Innenverhältnis die Kosten tragen muss (BGH 4.4.14, V ZR 168/13).

Die Frage nach materiell-rechtlichen Erstattungsansprüchen der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft hat der BGH offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.

Die Wohnungseigentümer hätten über § 16 Abs. 2 S. 2 WEG einen Beschluss fassen können, in dem die Prozesskosten abweichend vom vereinbarten oder gesetzlichen Verteilungsschlüssel verteilt werden. Dieser Beschluss hätte aber vor Erhebung der Sonderumlage gefasst werden müssen. Ohne Beschluss zur Änderung der Kostenverteilung entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden. Die Sonderumlage entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn den Wohnungseigentümern nicht bewusst gewesen sein sollte, dass sie eine andere Kostenverteilung hätten beschließen können. Denn die Wohnungseigentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen. Sie müssen nicht vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht ziehen.

Offengelassen hat der BGH die Frage, ob der erfolgreiche Kläger im Einzelfall einen Anspruch auf abändernde Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG hat, den er im Wege einer Beschlussersetzungsklage durchsetzen kann. Gleiches gilt für die Frage, ob die Gemeinschaft beschließen kann, dass der erfolgreiche Kläger von den Verfahrenskosten freigestellt wird.

Fazit | Das Urteil verdeutlicht, dass auch erfolgreiche Kläger in Wohnungseigentümerstreitigkeiten die Prozesskosten tragen müssen, so wie es § 16 Abs. 2 S. 1 WEG vorsieht und vom Gesetzgeber auch gewollt war. Konkret bedeutet das, dass alle für das Verfahren unmittelbar anfallenden und die an den Kläger zu erstattenden Kosten insgesamt in die Kostenverteilung nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel von allen Eigentümern zu tragen sind, auch wenn es dem obsiegenden Wohnungseigentümer nicht einleuchtend erscheinen wird, warum er die Kosten mittragen muss. Das kann in der Praxis dazu führen, dass sich vor allem in kleinen Gemeinschaften potenzielle Kläger gegen eine Klage entscheiden. Als einziger Ausweg bleibt die frühzeitige Planung einer Vereinbarung innerhalb der Gemeinschaft im Hinblick darauf, wer die Prozesskosten trägt.

AUSGABE: MK 8/2025, S. 155 · ID: 50478845

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte