Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2024 abgeschlossen.
EigentümerversammlungDie neue Online-Eigentümerversammlung (Teil 1)
| Das WEMoG hat in § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. eine Beschlusskompetenz zur Einführung der Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung geschaffen. Der Gesetzgeber hat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die darüber hinaus geht und eine reine Online-Versammlung ermöglichen soll. Die Gesetzesänderung, die im Bundestag beschlossen wurde, muss noch durch den Bundesrat und im BGBl. verkündet werden. Teil 1 des Beitrags verschafft einen Überblick über die aktuelle Rechtslage. Teil 2 zeigt die Neuerungen und gibt einen Ausblick auf deren Auswirkungen auf die Praxis. |
Inhaltsverzeichnis
1. Aktuelle Rechtslage
Der Gesetzgeber hat es bewusst vermieden, die Präsenzversammlung zugunsten einer reinen Online-Versammlung abzuschaffen. Das Recht jedes Eigentümers, physisch an der Versammlung teilzunehmen, sollte nicht zur Disposition der Mehrheit stehen (BT-Drucksache 19/18791, S. 71). Das sieht der Gesetzgeber nun anders und hat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, wonach Eigentümerversammlungen in Zukunft auch vollständig online und ohne Präsenz der Wohnungseigentümer durchgeführt werden können. Es ist jedoch eine lange Übergangszeit geplant. Die Präsenzversammlung bleibt noch bis 2028 teilweise Pflicht.
a) Pflicht zur Präsenzversammlung
Die Eigentümerversammlung dient der gemeinsamen Willensbildung, bei der auch Minderheiten gehört werden. Die Versammlung ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein Ort der Diskussion und des Austausches. Der Regelfall ist somit die Präsenzversammlung (Bärmann/Dötsch, WEG, § 23 Rn. 2). Daran hat das WEMoG nichts geändert. § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. ermöglicht nur die Online-Teilnahme an einer Präsenzversammlung, nicht die Ersetzung der Präsenzversammlung durch eine Online-Versammlung. Selbst, wenn alle Eigentümer von ihrem Recht auf Online-Versammlung Gebrauch machen, liegt keine reine Online-Versammlung vor. Nach aktueller Gesetzeslage bedarf es noch eines Versammlungsortes, an dem sich die Eigentümer einfinden könnten, z. B. das Büro des Verwalters (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 607). Eine reine Online-Versammlung, an der auch der Versammlungsleiter nur online teilnimmt, kann nicht nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. beschlossen werden. Ein solcher Beschluss wäre nichtig (Bärmann/Dötsch , a. a. O., Rn. 122, 124).
b) Anspruch auf Online-Teilnahme
Der einzelne Eigentümer hat – abgesehen von Einzelfällen – keinen Anspruch auf die Online-Teilnahme. Er kann nur einen Beschlussvorschlag zur Abstimmung stellen, über den im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 18 Abs. 2 WEG n. F. entschieden wird. Mangels Anspruch scheidet die Beschlussersetzungsklage aus (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 608 f.).
c) Gestattungsbeschluss
Die Online-Teilnahme erfordert einen Gestattungsbeschluss. Er muss nach den Vorgaben des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. festlegen, dass die Online-Teilnahme an den nächsten Versammlungen gestattet wird und welche Eigentümerrechte dabei durch Online-Teilnahme wahrgenommen werden können.
Weitere Modalitäten der Teilnahme umstritten Praxistipp | Ob auch weitere Modalitäten der Teilnahme, insbesondere die Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software beschlossen werden müssen, ist umstritten. So wird vertreten, dass die Modalitäten der Hausverwaltung in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat überlassen werden kann (AG München 27.4.22, 1292 C 19128/21 WEG; Bärmann/Dötsch, a. a. O., § 23 Rn. 126; AG Berlin-Mitte 2.5.24, 22 C 50/23 WEG). Nach a. A. muss die Eigentümergemeinschaft im Gestattungsbeschluss über das zu nutzende Kommunikationssystem sowie die technischen Anforderungen an die Hardware und Software beschließen (Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 35). Dagegen wird eingewandt, der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. sähe nur vor, dass eine Entscheidung über die grundsätzliche Gestattung und die wahrzunehmenden Eigentümerrechte zu treffen sei. Es widerspräche dem Zweck des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F., wenn der Gestattungsbeschluss stets zwingend Entscheidungen über die Technik enthalten müsse. Mit der Einführung des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. soll die Möglichkeit der Digitalisierung der Versammlung geschaffen werden. Dies würde erschwert, wenn der Beschluss mit verpflichtenden Entscheidungen über die Hard- und Software überfrachtet würde. Ein solcher Beschluss wäre fehleranfälliger und würde eine intensive Vorbereitung sowie die Vorlage von Angeboten und Beschreibungen der zu wählenden Technik erfordern. Dies könnte Eigentümergemeinschaften davon abhalten, einen Gestattungsbeschluss überhaupt zu fassen (AG Berlin Mitte 2.5.24, 22 C 50/23 WEG). Hier bleibt die höchstrichterliche Rechtsprechung abzuwarten. |
d) Ausübung sämtlicher oder einzelner Rechte
Die Eigentümer können beschließen, dass sämtliche oder einzelne Rechte, wie das Teilnahme-, Rede-, Frage-, Antrag- und Stimmrecht ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation ausgeübt werden können. Möglich ist die virtuelle Teilnahme ohne die Möglichkeit der Ausübung des Stimmrechts. Das Stimmrecht kann in diesem Fall auf einen bevollmächtigten Vertreter, der an der Versammlung vor Ort teilnimmt, übertragen werden (MüKo/Hogenschurz, BGB, § 23 WEG Rn. 34). Der Gestattungsbeschluss muss bestimmt festlegen, welche Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausgeübt werden können (Bärmann/Dötsch, a. a. O., § 23 Rn. 137).
e) Technik und die damit verbundenen Probleme
Das WEG macht im Hinblick auf künftige technische Entwicklungen keine Angaben zur technischen Ausgestaltung der Online-Teilnahme. Über diese müssen die Eigentümer beschließen, wobei sich die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nach dem allgemeinen Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung richten muss, § 18 Abs. 2 WEG n. F. (BR-Drucksache 168/20 S. 79). So dürfte eine Auswahl an extrem teurer Hard- und Software nicht der ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen (Bärmann/Dötsch, a. a. O., Rn. 142). Darüber hinaus haben die Wohnungseigentümer einen großen Gestaltungsspielraum. Dieser geht von der Bild-Ton-Übertragung im Internet, über einen Chat-Kanal bis hin zur telefonischen Zuschaltung (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 611). Bei der Wahl der einzusetzenden Technik müssen datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden. So wie bei der Einberufung zur Eigentümerversammlung der Versammlungsort angegeben werden muss, ist für die Online-Teilnahme die entsprechende Möglichkeit zur Teilnahme z. B. durch Mitteilung der Einwahldaten für eine Videokonferenz anzugeben. Das Fehlen dieser Informationen steht der Einberufung ohne Angabe des Versammlungsortes gleich (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 614). Haben die Eigentümer den Beschluss nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. gefasst, hat jeder Eigentümer einen Anspruch auf Online-Teilnahme. Der Versammlungsleiter/Verwalter muss im Rahmen der Versammlungsmöglichkeiten die notwendigen Voraussetzungen schaffen (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 613). Ein Eigentümer, der sich zunächst für die Online-Teilnahme entschieden hat, kann sich kurzfristig umentscheiden. Ihm muss ermöglicht werden, an der Präsenzversammlung teilzunehmen. Der Versammlungsleiter/Verwalter muss für genügend Platz sorgen (MüKo/Hogenschurz, a. a. O., Rn. 36).
Risikoverteilung und Vorgehensweise bei technischen Störungen Merke | Technische Störungen bei elektronischen Kommunikationsmitteln sind im Alltag keine Seltenheit. Gleichwohl hat das WEG dazu keine speziellen Regelungen getroffen. Treten bei der Online-Teilnahme Störungen auf, ist somit nach der allgemeinen Risikoverteilung zu unterscheiden, wem diese Störung zuzurechnen ist. Stammt sie aus der Sphäre des Wohnungseigentümers, z. B. fehlendes Mobilfunknetz oder mangelnde Stromversorgung, sind diese Störungen ihm zuzuweisen. Gleiches gilt für technische Störungen bis zum Einwahlzeitpunkt. Dies wird gleichgesetzt mit dem Weg zum Versammlungsort, dessen Risiko der Wohnungseigentümer trägt (MüKoBGB/Hogenschurz, a. a. O., Rn. 36). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss für die entsprechende funktionierende Technik vor Ort sorgen, die eine elektronische Teilnahme gewährleistet (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 616a). Das Verhalten des Verwalters ist der Gemeinschaft nach § 31 BGB analog zuzurechnen. Damit die technischen Voraussetzungen gegeben sind, ist es sinnvoll, die Wohnungseigentümer rechtzeitig über die technische Voraussetzung zu informieren und gegebenenfalls eine Testschaltung durchzuführen. Kommt es während der Versammlung zu Störungen, kann eine Nachfrage erforderlich sein, wobei dann ebenfalls geklärt werden muss, aus welcher Sphäre die Störung kommt. Eindeutig in der Sphäre der Eigentümer liegen Fehler der vor Ort eingesetzten IT-Technik (Bärmann/Dötsch, a. a. O., Rn. 154, 155). Kann die Störung, die aus der Sphäre der Gemeinschaft kommt, behoben werden, muss die Versammlung zunächst unterbrochen werden. Zeigt sich, dass die Störung nicht dauerhaft zu beheben ist, muss die Versammlung beendet werden (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 46). Ist dagegen nur ein einzelner Eigentümer von mehreren Online-Teilnehmern von einer Störung betroffen, darf die Versammlung fortgesetzt werden (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 617). |
Eine Anfechtung von Beschlüssen kann nicht nach § 243 Abs. 3 AktG analog darauf gestützt werden, dass durch eine technische Störung Rechte verletzt wurden (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 618). Ist die Teilnahme gestört, z. B. durch ständiges Abbrechen der Verbindung, gelten die allgemeinen Grundsätze wie bei einem formellen Fehler (Bärmann/Dötsch, a. a. O., Rn. 152).
f) Nichtöffentlichkeit und Kosten
Auch bei der Online-Teilnahme gilt der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Verstößt ein Eigentümer trotz Abmahnung dagegen, kann ihm die Teilnahme verwehrt werden. Hat die Versammlung schon begonnen und wird der Verstoß erst jetzt bemerkt, kann der Eigentümer ausgeschlossen werden (MüKo/ Hogenschurz, a. a. O., Rn. 41).
Eine Kontrolle, ob der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit eingehalten wird, stößt jedoch schnell an ihre Grenzen. Der Versammlungsleiter/Verwalter ist nicht zur Überprüfung der Einhaltung der Nichtöffentlichkeit verpflichtet (Hügel/ Elzer, a. a. O., Rn. 39). Daher ist nicht auszuschließen, dass sich zufällig im gleichen Raum aufhaltende Personen mithören. Gleiches gilt für Berater, die bei einer Präsenzversammlung gerade nicht zugelassen worden wären. Auch ein Mitschnitt kann nicht ausgeschlossen werden. Schutzmaßnahmen, die das verhindern sollen, dürfen aber nicht so weit gehen, dass damit überhaupt keine Online-Teilnahme stattfinden kann (Bärmann/Dötsch, a. a. O., Rn. 144). Eine ähnliche Situation besteht im Fall einer Online-Teilnahme ohne Bild, soweit es um die Identifikation des Eigentümers geht. Hier sind Regelungen mit „Augenmaß“ zu treffen, z. B. durch Prüfen der Telefonnummer bei Messengerdiensten oder des bekannten Absenders bei E-Mails (Bärmann/Dötsch, a. a. O., Rn. 143).
Das WEG hat die Kosten für eine Online-Teilnahme nicht geregelt, sodass die allgemeinen Grundsätze gelten. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss die Kosten für die Versammlung tragen, auch die technische Ausstattung für die Möglichkeit der Online-Teilnahme. Der einzelne Eigentümer muss die Kosten seiner Teilnahme tragen und somit ebenfalls für die Technik, die er hierfür benötigt (Lehmann-Richter/Wobst, a. a. O., Rn. 620).
2. Neues WEG: Textform statt Schriftform
Ein Beschluss ist nach § 23 Abs. 3 S. 1 WEG n. F. auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss erklären. Für diese sog. Umlaufbeschlüsse wurde durch das WEMoG die Schriftform durch Textform im Sinne des § 126b BGB ersetzt. Der Gesetzgeber wollte damit die Möglichkeit schaffen, Umlaufbeschlüsse auch im Wege elektronischer Kommunikation zu fassen, zum Beispiel per E-Mail, über Internetplattformen oder Apps (BT-Drucksache 19/18791, S. 72).
Das WEMoG hat in § 23 Abs. 3 S. 2 WEG n. F. eine weitere Erleichterung bei der Fassung eines sog. Umlaufbeschlusses geschaffen. Danach können Eigentümer beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand auch im Umlaufverfahren die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt. In diesem Fall bedarf es abweichend von § 23 Abs. 3 S. 1 WEG n. F. nicht der Zustimmung aller Eigentümer (sog. Absenkungsbeschluss). Wenn sich die Eigentümer etwa in der Versammlung mangels hinreichender Informationen nicht in der Lage sehen, abschließend einen Beschluss über einen bestimmten Gegenstand zu fassen, können sie beschließen, diesen Beschluss im Umlaufverfahren nachzuholen (BT-Drucksache 19/22634, S. 45). Um den Schutz der Minderheiten zu gewährleisten und den Grundsatz einer jährlichen Eigentümerversammlung nach § 24 Abs. 1 WEG n. F. nicht auszuhöhlen, muss der „einzelne Gegenstand“ restriktiv ausgelegt werden. Gemeint sein kann nur eine Entscheidung im Einzelfall (MüKo/Hogenschurz, a. a. O., Rn. 61).
So sieht es auch das LG Berlin (16.8.23, 85 S 59/23 WEG). Danach muss die Festlegung, dass eine Mehrheitsentscheidung ausreichen könnte, explizit getroffen und im Beschluss deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Beschlüsse müssen „aus sich heraus“ auszulegen sein, wobei der Wortlaut und der objektive Sinn maßgeblich sind, so das LG Berlin.
AUSGABE: MK 10/2024, S. 197 · ID: 50155416