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ErtragsteuernAtypisch stille Beteiligung: Gestaltungsmöglichkeiten kennen und umsetzen (Teil 1)

Abo-Inhalt02.10.20241573 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

| Die atypisch stille Gesellschaft bietet erhebliches Gestaltungspotenzial. Sie begründet eine Innengesellschaft, die steuerrechtlich einer GmbH & Co. KG sehr ähnlich ist. Der zweiteilige Beitrag zeigt, aus welchen Gründen die atypisch stille Gesellschaft interessant sein kann. |

1. Steuerliche Einordnung der atypisch stillen Beteiligung

Ist der Stille – insbesondere bei Beendigung der stillen Gesellschaft – an den stillen Reserven des Betriebs beteiligt und/oder hat er starke Mitwirkungsrechte, dann liegt eine atypisch stille Gesellschaft vor. Einkommensteuerlich ist damit mit allen Konsequenzen eine Mitunternehmerschaft i. S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gegeben.

Während der typisch stille Gesellschafter, je nachdem, ob er die stille Beteiligung im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen hält, entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der Abgeltungsteuer oder subsidiär solche aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit oder Landwirtschaft erzielt, erhält der atypisch stille Gesellschafter die vereinbarte Gewinnbeteiligung wegen seiner Mitunternehmerstellung als Sondervergütung nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG.

Beachten Sie | Der atypisch stille Gesellschafter erzielt also Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sondervergütungen wie etwa Pachteinnahmen bei Verpachtung eines Grundstücks an den Geschäftsinhaber, Zinsen aus Darlehen an den Geschäftsinhaber oder Vergütungen für Tätigkeiten im Betrieb sind ebenfalls gewerbliche Einkünfte. Dem Betrieb überlassene Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücke, werden zu Sonderbetriebsvermögen und sind damit steuerverhaftet.

Über den Zeitraum, über den die atypisch stille Gesellschaft besteht, ist das Unternehmen des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich der Mitunternehmerschaft zuzuordnen. Die Beteiligung basiert lediglich auf einer schuldrechtlichen Beziehung (Wittlinger 2021, Stille Gesellschaft, 2.3 atypisch stille Gesellschaft). Das heißt, dass das Betriebsvermögen des Handelsgewerbes zu mitunternehmerischem Vermögen wird, das vom Inhaber des Handelsgewerbes für Rechnung der Mitunternehmerschaft in eigenen Namen verwaltet wird. Folglich steht der erwirtschaftete Gewinn des Handelsgewerbes der Mitunternehmerschaft zu.

Der Gewinn ist im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§§ 179, 180 AO) auf den Inhaber des Handelsgewerbes und den atypisch stillen Gesellschafter anhand der vereinbarten Gewinnverteilungsquote aufzuteilen. Die atypisch stille Gesellschaft ist dabei als Innengesellschaft nicht buchführungspflichtig. Der Gewinn als Grundlage für die Gewinnaufteilung der stillen Gesellschaft ist der steuerliche Jahresabschluss bzw. der steuerliche Gewinn des Handelsgewerbes und das Ergebnis aus der Sonderbilanz des Stillen.

Merke | Beteiligen sich Gesellschafter still an der „eigenen“ Gesellschaft, ist bei der Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung auf die Angemessenheit der Gewinn- und Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters zu achten, um die Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung zu verhindern.

Die Angemessenheit der Beteiligung am Gewinn und Verlust hängt dabei von einer Vielzahl von Umständen ab. Aspekte können die Höhe der erbrachten Kapitalleistung, die eingegangenen Risiken, die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder auch die Dringlichkeit des Kapitalbedarfs sein.

Ertragsteuerlich wird die atypisch stille Gesellschaft wie eine „Innen-KG“ behandelt (BFH 1.3.18, IV R 38/15). Dies hat zur Folge, dass insbesondere die folgenden spezialgesetzlichen Regelungen auf die GmbH & atypisch Still anwendbar sind:

  • § 24 UmwStG
  • § 6 Abs. 5 S. 3 EStG
  • Die Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung (vgl. BFH 21.12.17, IV R 44/14)
  • § 15a EStG, soweit die Haftung des stillen Gesellschafters mit der eines Kommanditisten vergleichbar ist

2. Anforderungen an eine atypisch stille Beteiligung

2.1 Ertragsteuerliche Anforderungen

Um einen stillen Gesellschafter atypisch still zu beteiligen, muss diesem eine Stellung als Mitunternehmer eingeräumt werden.

Beachten Sie | Kann ein Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung Entscheidungen treffen (Mitunternehmerinitiative) und trägt dieser das Risiko für den Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft (Mitunternehmerrisiko), dann gilt er als Mitunternehmer. Um als Mitunternehmer zu gelten, müssen beide Merkmale kumulativ erfüllt sein, können aber unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Auch wenn eines der beiden Merkmale weniger stark ausgeprägt ist, kann die Position als Mitunternehmer angenommen werden, wenn das andere Merkmal besonders stark ausgeprägt ist.

Merke | Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Ausprägung des relevanten Mitunternehmerrisikos ist die vermögensrechtliche Stellung des (stillen) Gesellschafters. Mitunternehmerrisiko trägt der Gesellschafter durch seine Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Handelsgewerbes.

Beachten Sie | Im Einzelfall kann bereits eine bloße Gewinnbeteiligung des Gesellschafters als Mindestanforderung an das Mitunternehmerrisiko ausreichen. Dies ist dann der Fall, wenn die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist. Unter diesen Umständen kann ggf. auch dann von einem atypischen Gesellschafterverhältnis ausgegangen werden, obwohl das Mitunternehmerrisiko hinter der im HGB dem Kommanditisten zugewiesenen Rechtsstellung zurückbleibt (vgl. hierzu BFH 13.7.17, IV R 41/14, Rz. 23).

Eine starke Ausprägung der Mitunternehmerinitiative liegt vor, wenn Rechte der Geschäftsführung übertragen werden oder der Gesellschafter gar als Gesellschafter-Geschäftsführer unternehmerische Entscheidungen selbst beherrscht. Für die Mitunternehmerinitiative in einer nicht starken Ausprägung genügt die Möglichkeit, Gesellschaftsrechte auszuüben, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach § 164 und § 166 HGB zustehen (Leitfigur des Kommanditisten) oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten entsprechen.

2.2 Gewerbesteuerliche Anforderungen

Die atypisch stille Gesellschaft ist selbst nicht persönlich gewerbesteuerpflichtig, da Mitunternehmerschaften nur dann Steuerschuldner der Gewerbesteuer sind, wenn diese über Gesellschaftsvermögen verfügen. Der persönlichen Gewerbesteuerpflicht unterliegt der Inhaber des Handelsgewerbes i. S. des § 5 Abs. 1 GewStG.

Während die atypisch stille Gesellschaft persönlich nicht gewerbesteuerpflichtig ist, aber im vollen Umfang als Gewerbebetrieb gilt, unterliegt sie dennoch der sachlichen Gewerbesteuerpflicht (vgl. § 2 Abs. 2 GewStG i. V. mit R 2.4 Abs. 5 GewStR). Die persönliche und die sachliche Gewerbesteuerpflicht fallen bei der atypisch stillen Gesellschaft auseinander. Für Zwecke der Gewerbesteuer ist nach § 7 S. 1 GewStG der gesondert und einheitlich festgestellte Gewinn der zweiten Stufe maßgeblich. Der so ermittelte Gewinn ist um die Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu erhöhen sowie um die Kürzungen nach § 9 GewStG zu mindern.

2.3 Umsatzsteuerliche Anforderungen

Innengesellschaften, die ohne eigenes Vermögen, ohne Betrieb, ohne Rechtsfähigkeit und ohne Firma bestehen, sind keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne. Die Unternehmereigenschaft im Sinne der Umsatzsteuer setzt einen Auftritt nach außen voraus. Deswegen können umsatzsteuerliche Unternehmer nur die an der Innengesellschaft Beteiligten sein, soweit diese die übrigen Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft erfüllen (A 2.1 Abs. 5 S. 1 bis 3 UStAE).

3. Anrechnung der Gewerbesteuer

Eine Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG ist nur für den atypisch stillen Gesellschafter möglich.

Beispiel

Die X-GmbH ist Mitunternehmerin der Z-GmbH & atypisch Still. Der Gesamtgewinn beträgt 1.000.000 EUR und entfällt zu 85 % auf die X-GmbH und zu 15 % auf den atypisch stillen Gesellschafter A.

Lösung: Der Gesamtgewinn ist i. H. von 1.000.000 EUR gesondert und einheitlich festzustellen (§§ 179, 180 AO). Er unterliegt i. H. von 975.500 EUR (1.000.000 EUR abzüglich 24.500 EUR GewSt-Freibetrag nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG) der Gewerbesteuer.

  • X-GmbH: Die X-GmbH ist selbst körperschaftsteuerpflichtig. Sie hat einen Gewinn i. H. von 850.000 EUR der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer ist nicht möglich.
  • Besteuerung des stillen Gesellschafters A: A ist als atypisch stiller Gesellschafter Mitunternehmer und erzielt demzufolge Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Insgesamt sind dem A 150.000 EUR als atypisch stillem Gesellschafter nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 1. HS EStG zuzurechnen. Diese Einkünfte unterliegen der regulären Einkommensbesteuerung zum individuellen Steuertarif des A. Insoweit besteht allerdings über § 35 EStG die Möglichkeit, die gesondert und einheitlich festgestellte Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer des A anzurechnen.
  • Die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f, 34g, 35a und 35c EStG, ermäßigt sich, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG um das 4,0-Fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags.
  • Der Anteil des A am Gewerbesteuer-Messbetrag richtet sich nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels. Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % ist eine vollständige Anrechnung der Gewerbesteuer möglich (bei über 400 % nicht mehr).

Ausblick | Der zweite Teil des Beitrags erscheint in der nächsten Ausgabe von MBP. Hier werden einige interessante Gestaltungsmöglichkeiten durch die atypisch stille Beteiligung gezeigt. Dies sind

  • die Ausnutzung des Freibetrags nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG,
  • die Nutzung des Gewinnverteilungsschlüssels für Zwecke des § 35 EStG sowie
  • Gestaltungen zur Verlustverrechnung.

AUSGABE: MBP 10/2024, S. 177 · ID: 50132731

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