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A1-BescheinigungArbeiten im europäischen Ausland: Wann eine A1-Bescheinigung notwendig ist
| Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber in Deutschland beschäftigt sind, vorübergehend Arbeiten im europäischen Ausland erledigen und dafür eine A1-Bescheinigung brauchen. Ob die Bescheinigung bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit vorliegt, wird aktuell verstärkt geprüft. LGP nimmt dies zum Anlass, das Thema A1-Bescheinigung einmal komplett aufzurollen. |
Inhaltsverzeichnis
- A1-Bescheinigung – dazu dient sie
- Dieser Personenkreis braucht eine A1-Bescheinigung
- Der „persönliche Geltungsbereich“ muss erfüllt sein
- A1-Bescheinigung und Zeitpunkt der Beantragung
- Wer die A1-Bescheinigung wie beantragt
- Wo die A1-Bescheinigung beantragt wird
- Sonderfall: A1-Bescheinigung und Mehrfacherwerbstätigkeit
- Sonderfall: A1-Bescheinigung und Transitland
- Sonderfall: Grenzüberschreitende Telearbeit und A1-Thema
- Sanktionen bei fehlender A1-Bescheinigung
- Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2026
A1-Bescheinigung – dazu dient sie
Die A1-Bescheinigung, auch Entsendebescheinigung genannt, ist ein Nachweis, dass eine Person, die vorübergehend
- im EU-Ausland,
- in Island,
- Liechtenstein,
- Norwegen,
- der Schweiz oder
- dem Vereinigten Königreich
arbeitet („Entsendung“), weiter den Sozialversicherungsbestimmungen des Entsendestaats unterliegt. Die deutsche A1-Bescheinigung dokumentiert in diesen Fällen, dass die im Ausland erwerbstätige Person weiter dem deutschen Recht unterliegt. Auch wer in mehreren Mitgliedstaaten arbeitet, benötigt die A1-Bescheinigung, um nachzuweisen, dass er deutschem Recht unterliegt.
Der Vorteil der A1-Bescheinigung: Durch die A1-Bescheinigung wird eine gleichzeitige Beitragszahlung in mehreren Mitgliedstaaten und ein Wechsel zwischen den Sozialversicherungssystemen vermieden.
Für die Entsendung in Staaten, mit denen Deutschland ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat (z. B. USA oder China), sind andere Entsendebescheinigungen als das A1-Formular nötig.
Für das „vertragslose Ausland“ (z. B. Mexiko oder Indonesien) gibt es generell keine Entsendebescheinigungen. Der Arbeitgeber muss im Rahmen der ihm obliegenden Melde- und Beitragspflichten selbst klären, ob die deutschen Rechtsvorschriften bei vorübergehender Beschäftigung im vertragslosen Ausland im Rahmen einer Entsendung vorliegen.
Dieser Personenkreis braucht eine A1-Bescheinigung
Arbeitnehmer, verbeamtete Personen und Selbstständige brauchen regelmäßig eine A1-Bescheinigung, wenn sie grenzüberschreitend in den obigen Ländern tätig sind.
Der „persönliche Geltungsbereich“ muss erfüllt sein
Eine wichtige Voraussetzung für die Entsendung ist die Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen, sprich der persönliche Geltungsbereich muss erfüllt sein. Dieser ist erfüllt, wenn die Staatsangehörigkeit der Person eine Entsendung in das angestrebte Beschäftigungsland zulässt.
Eine EU-Staatsangehörigkeit berechtigt immer zu einer Entsendung in einen anderen EU-Mitgliedstaat. Es gibt aber einzelne Konstellationen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der zu entsendenden Person und des Beschäftigungslandes, für die eine Entsendung nach EU-Recht unzulässig ist. Folglich darf in diesen Fällen keine A1-Bescheinigung erteilt werden.
Beispiele | |
| → Lösung: Der „persönliche Geltungsbereich“ ist erfüllt. Eine A1-Bescheinigung darf ausgestellt werden. |
| → Lösung: Der „persönliche Geltungsbereich“ ist nicht erfüllt. Norwegen ist kein Mitglied der EU. Eine A1-Bescheinigung darf nicht ausgestellt werden. |
| → Lösung: Der „persönliche Geltungsbereich“ ist nicht erfüllt. Die Türkei ist kein Mitglied der EU. Eine A1-Bescheinigung darf nicht ausgestellt werden. |
Ist der „persönliche Geltungsbereich“ nicht erfüllt, kann die Weitergeltung des deutschen Rechts für die Dauer der grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit dennoch in Betracht kommen. Hier sind die bilateralen Verträge zu prüfen. Die Einzugsstelle (gesetzliche Krankenkasse) hilft hier weiter.
A1-Bescheinigung und Zeitpunkt der Beantragung
Eine A1-Bescheinigung ist grundsätzlich vor jeder Entsendung eines Arbeitnehmers in EU- und EWR-Staaten sowie die Schweiz beim zuständigen Träger einzeln zu beantragen. Sie kann jedoch auch noch nachträglich erteilt werden.
Bei nicht-regelmäßigen kurzfristig anberaumten und/oder kurzzeitigen Geschäftsreisen und bei anderen sehr kurzen Entsendezeiträumen bis zu einer Woche kann die A1-Bescheinigung im Bedarfsfall nachträglich beantragt werden. Dies ist rechtlich zulässig und wird von der Rechtsprechung des EuGH (Rs. 178/97) bestätigt; darauf weist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hin (www.iww.de/s14126).
Was tun, wenn A1-Bescheinigung nicht vorliegt? Praxistipp | Liegt die A1-Bescheinigung bei dringenden kurzfristigen Einsätzen noch nicht vor, sollte eine Fotokopie des aktuellen Antrags auf Ausstellung der A1-Bescheinigung mitgeführt werden. Bei einer Entsendung nach Österreich empfiehlt es sich, zusätzlich einen Nachweis über die Anmeldung zur Sozialversicherung in Deutschland mitzunehmen. Das kann auch eine frühere A1-Bescheinigung sein. Auch in Frankreich wird strenger geprüft. |
Ist ein Arbeitnehmer beruflich auf Dauer mindestens einmal pro Monat sowohl in Deutschland als auch in einem oder mehreren Mitgliedstaaten tätig, kann eine A1-Bescheinigung für die Dauer von bis zu fünf Jahren für alle Mitgliedstaaten ausgestellt werden, in denen die Erwerbstätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (mehr dazu unten unter Mehrfacherwerbstätigkeit).
Wer die A1-Bescheinigung wie beantragt
Die A1-Bescheinigung ist seit dem 01.01.2025 immer elektronisch zu beantragen. Der Antrag auf Ausstellung einer A1-Bescheinigung mit einem Papierformular ist nicht mehr möglich. Die Bescheinigung wird wie folgt beantragt:
- Arbeitgeber bzw. Dienstherren beantragen die Ausstellung einer A1-Bescheinigung entweder über eine vorhandene Lohn- oder Entgeltabrechnungssoftware oder mittels einer Ausfüllhilfe über das „SV-Meldeportal“.
- Grenzüberschreitend tätige Personen, die den Antrag selbst stellen, nutzen die maschinelle Ausfüllhilfe über das SV-Meldeportal.
- Selbstständige – dazu gehören auch mitarbeitende Gesellschafter, Gesellschafter-Geschäftsführer und ähnliche Personen, die zwar in ein Unternehmen eingegliedert sind, aber sozialversicherungsrechtlich den Status eines Selbstständigen haben – beantragen die Ausstellung der A1-Bescheinigung für sich selbst ausschließlich über das SV-Meldeportal.Selbstständige nutzen SV-Meldeportal
Wo die A1-Bescheinigung beantragt wird
Bei welcher Stelle die A1-Bescheinigung beantragt wird, hängt davon ab, wie die betroffene Person krankenversichert ist.
- Antrag bei Krankenkasse: Die Krankenkasse ist für alle zuständig, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig, familien- oder pflichtversichert sind. Gleiches gilt für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind und eine private Zusatzversicherung haben.
- Antrag bei der ABV: Personen mit einer berufsständischen Versorgung stellen hier ihren Antrag bei der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Dies gilt auch, wenn sie ausschließlich über eine private Krankenversicherung verfügen.
- Antrag beim Rentenversicherungsträger: Wer nicht gesetzlich krankenversichert und auch nicht berufsständisch versorgt ist, für den ist der Rentenversicherungsträger zuständig. Dies gilt also für Personen, die ausschließlich über eine private Krankenversicherung verfügen. Bei der Rentenversicherung ist im Rahmen der elektronischen Antragstellung die Versicherungsnummer der zu entsendenden Person anzugeben.
- Antrag beim GKV-Spitzenverband: Für Personen, die gewöhnlich in mehr als einem Mitgliedstaat beruflich tätig sind („Gewöhnliche Mehrfacherwerbstätigkeit“), wird der Antrag beim Träger des Wohnstaats gestellt. In Deutschland ist das der GKV-Spitzenverband (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, DVKA). Auf das Krankenversicherungsverhältnis kommt es bei Mehrfacherwerbstätigen nicht an. Von einer „gewöhnlichen“ Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ist auszugehen, wenn die Tätigkeit mindestens an einem Tag pro Monat oder fünf Tagen pro Quartal auch in mindestens einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt wird.
Sonderfall: A1-Bescheinigung und Mehrfacherwerbstätigkeit
Für Personen, die gewöhnlich in mehr als einem Mitgliedstaat beruflich tätig sind (= gewöhnliche Mehrfacherwerbstätige), muss die A1-Bescheinigung nicht für jeden Auslandseinsatz beantragt werden. Hier kann eine A1-Bescheinigung für die Dauer von bis zu fünf Jahren für alle Mitgliedstaaten ausgestellt werden, in denen die Erwerbstätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird.
Der typische Fall sind Fernfahrer, die regelmäßig in mehreren Mitgliedstaaten Güter transportieren. Aber auch Beschäftigte, die regelmäßig in anderen Mitgliedstaaten tätig sind, um z. B. an Vorstandssitzungen oder Verbandsmeetings teilzunehmen, können von der Vorschrift erfasst werden.
Beispiele |
A1-Bescheinigung ist vereinfacht für Lkw-Fahrer Der angestellte deutsche Lkw-Fahrer ist für eine deutsche Spedition auf Dauer mindestens einmal pro Monat sowohl in Deutschland als auch in Österreich und Italien tätig. Lösung: Die Spedition als Arbeitgeber muss nicht für jeden Auslandseinsatz eine gesonderte A1-Bescheinigung beantragen. Sie kann vielmehr eine A1-Bescheinigung für die Dauer von bis zu fünf Jahren für Österreich und Italien beim GKV-Spitzenverband (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, DVKA) beantragen. |
Sonderfall: A1-Bescheinigung und Transitland
Des Öfteren stellt sich die Frage, ob die A1-Bescheinigung auch für ein Transitland beantragt werden muss. Entscheidend ist, ob die berufliche Tätigkeit bei Durchreisen durch Transitländer tatsächlich ausgeübt wird. Ist dies nicht der Fall, wird keine A1-Bescheinigung für den betreffenden Staat benötigt. Dienstliche Telefongespräche oder E-Mails während des Transits sind marginal und bleiben außer Betracht.
Beispiel |
In dem Fall ist keine A1-Bescheinigung nötig Ein Bauingenieur, der seine Beschäftigung in Deutschland ausübt, übernimmt einen Auftrag oder eine befristete Tätigkeit in Italien. Er fährt hierfür mit dem Auto von München über Österreich zu seinem Zielort in Mailand. Lösung: Der Bauingenieur benötigt für Österreich keine A1-Bescheinigung, weil er seine Tätigkeit dort nicht ausübt. |
Sonderfall: Grenzüberschreitende Telearbeit und A1-Thema
Seit der Corona-Pandemie hat die grenzüberschreitende Telearbeit zugenommen. Sobald die Erwerbstätigkeit in mehr als einem Mitgliedstaat – z. B. aus dem Home-Office im Wohnstaat – ausgeübt wird, wird eine A1-Bescheinigung benötigt. Nach geltendem EU-Recht unterliegen regelmäßig alle Personen den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Staates, in dem sie erwerbstätig sind. Ist eine Person z. B. im Rahmen von Home-Office-Regelungen teilweise im Wohnstaat und nicht mehr nur in dem Staat, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, gewöhnlich erwerbstätig, kann dies zu einem Wechsel der anzuwendenden Rechtsvorschriften führen.
Bei Telearbeit von unter 50 Prozent im Wohnstaat kommt eine Ausnahmevereinbarung in Betracht: Die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates können weiter Anwendung finden. Damit die Ausnahmevereinbarung anwendbar ist, ist sie zu beantragen. Zuständig ist der GKV-Spitzenverband (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, DVKA).
Beispiel |
Am Fall eines Grenzgängers erklärt Arbeitnehmer A verlegt seinen Wohnsitz dauerhaft nach Kufstein (Österreich), bleibt aber für das Unternehmen in Rosenheim (Deutschland) tätig. Lösung: Damit weiterhin das deutsche Sozialversicherungsrecht gilt, treffen der A und der Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Verrichtung der Arbeitsleistung, dass der Arbeitnehmer 40 Prozent seiner Arbeitszeit (zwei Tage bei Fünf-Tage-Woche) im Home-Office aus Österreich arbeitet, die anderen Tage arbeitet er in Präsenz im Unternehmen in Rosenheim. Da die Home-Office-Regelung die 49,99-Prozent-Grenze nicht überschreitet, kann die Ausnahmevereinbarung beantragt werden und somit das deutsche Sozialversicherungsrecht gelten. Die Ausnahmevereinbarung ist bei dem GKV-Spitzenverband (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, DVKA) zu beantragen. |
Sanktionen bei fehlender A1-Bescheinigung
Liegt eine A1-Bescheinigung nicht vor, kann das dazu führen, dass die Entsendeten die Arbeit sofort niederlegen müssen, keinen Zutritt zu einem Gelände erhalten oder dass Bußgelder fällig werden. Bleiben im Ausland Beschäftigte nicht in ihrem Heimatland versichert oder können eine Weiterversicherung nicht nachweisen? Dann unterliegen sie grundsätzlich den im Ausland geltenden Rechtsvorschriften. Und in einem solchen Fall muss der Arbeitgeber (teilweise unverzüglich) zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge im Ausland entrichten. In einzelnen Ländern wird der Nachweis einer A1-Bescheinigung als Teil der arbeitsrechtlichen Meldepflicht angesehen, sodass bei fehlendem Nachweis zusätzliche Bußgelder drohen. In Österreich belaufen sich z. B. die Bußgelder auf 1.000 bis 10.000 Euro. In Frankreich können Bußgelder von 3.311 Euro fällig werden.
Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2026
Für Entsendebescheinigungen auf Basis von Sozialversicherungsabkommen ist in bestimmten Konstellationen der Einsatz eines elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahrens ab 01.01.2026 vorgesehen. Mehr dazu in Kürze in LGP.
AUSGABE: LGP 9/2025, S. 191 · ID: 50454618