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ZielvereinbarungenWas bei der Gestaltung von Zielvereinbarungen in der Praxis zu beachten ist

Top-BeitragAbo-Inhalt14.04.20258 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt, FAArbR Dr. Nikolaus Polzer und Rechtsanwalt Dr. Yannick Bähr, Noerr PartGmbB, Düsseldorfvon Rechtsanwalt, FAArbR Dr. Nikolaus Polzer und Rechtsanwalt Dr. Yannick Bähr, Noerr PartGmbB, Düsseldorf

| Zielvereinbarungen sind ein weit verbreitetes Instrument zur Incentivierung von Arbeitnehmern. Sie werden genutzt, um Anreize zu schaffen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums vereinbarte Ziele zu erreichen und auf diese Weise einen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Arbeitgebers zu leisten. Doch welche Fallstricke sind bei der Gestaltung von Zielvereinbarungen zu beachten? LGP gibt einen aktuellen Überblick. |

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Abgrenzung von Zielvereinbarung und Zielvorgabe

Die Zielvereinbarung ist von einer Zielvorgabe abzugrenzen. Beide Instrumente haben gemeinsam, dass sie der Festlegung von Zielen dienen. Im Übrigen unterscheiden sich Zielvereinbarung und -vorgabe grundlegend:

  • Bei einer Zielvereinbarung legen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Ziele einvernehmlich fest. Ist eine Seite mit den von der anderen Seite vorgeschlagenen Zielen nicht einverstanden, kommt keine Zielvereinbarung zustande.
  • In einer Zielvorgabe legt dagegen der Arbeitgeber die enthaltenen Ziele einseitig fest – sogar gegen den Willen des Arbeitnehmers. Eine Zustimmung des Arbeitnehmers ist also nicht erforderlich (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Typische Ausgestaltung von Zielvereinbarungssystemen

Zielvereinbarungssysteme sind typischerweise zweistufig ausgestaltet: Der Arbeitsvertrag oder eine die variable Vergütung regelnde Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag enthält eine Rahmenregelung (sog. Zielvereinbarungs-Rahmenvereinbarung). Darin sind in der Regel das Ob und die Höhe einer zielabhängigen variablen Vergütung sowie einzelne Grundsätze der Berechnung der Zielerreichung bzw. der Höhe der variablen Vergütung festgelegt, bspw. das Verfahren zur Vereinbarung der jährlichen Ziele, die Arten von Zielen, die Gewichtung der Ziele und Fälligkeitsregelungen. Die einzelnen Ziele und deren Zielerreichungsparameter werden dagegen für die jeweilige Zielperiode, häufig ein Kalender- bzw. Geschäftsjahr, gesondert in einem zweiten Schritt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart (sog. konkrete Zielvereinbarung).

Typischer Inhalt von konkreten Zielvereinbarungen

Hinsichtlich der in der konkreten Zielvereinbarung festzulegenden Ziele sind der Fantasie der Arbeitsvertragsparteien kaum Grenzen gesetzt, soweit nicht ein einschlägiger Tarifvertrag bzw. eine Betriebsvereinbarung Vorgaben enthält, bspw. hinsichtlich der Art und/oder der Anzahl der zu vereinbarenden Ziele. In der Regel wird der Inhalt von der Position, der Tätigkeit und der Qualifikation des Arbeitnehmers einerseits sowie von der Art des Unternehmens und dessen Stellung im Markt andererseits abhängen.

Praxistipps |
  • Um Streitigkeiten über die Zielerreichung zu vermeiden, empfiehlt es sich, „harte“ Ziele zu vereinbaren – also solche Ziele, deren Erreichung anhand objektiv feststellbarer Kennzahlen ermittelt werden kann – und diese möglichst genau in der konkreten Zielvereinbarung zu definieren. Hinsichtlich des Inhalts der Ziele lässt sich an die SMART-Regel anknüpfen:
  • Spezifisch: Das Ziel sollte eindeutig und klar formuliert sein.
  • Messbar: Das Ziel sollte so klar beschrieben sein, dass die Zielerreichung nachvollziehbar und überprüfbar ist.
  • Anspruchsvoll: Das Ziel sollte anspornen und daher anspruchsvoll sein.
  • Realistisch: Das Ziel sollte anspruchsvoll, aber dennoch erreichbar sein.
  • Terminiert: Die Periode, innerhalb derer das Ziel erreicht werden soll, sollte eindeutig fixiert sein.
  • Außerdem sollte die Anzahl der Ziele übersichtlich bleiben, um Transparenz zu gewährleisten. In der Regel kommen daher selten mehr als fünf Ziele pro Zielperiode in Betracht.

Bei Zielvereinbarung besteht Verhandlungspflicht

Hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine variable Vergütung, deren Höhe sich nach dem Erreichen von in einer konkreten Zielvereinbarung festgelegten Zielen richten soll, folgt hieraus: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und realistische Ziele für die jeweilige Zielperiode anzubieten. Realistisch sind dabei solche Ziele, die der Arbeitnehmer nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots der Ziele bezogenen Prognose hätte erreichen können.

Wann die Verhandlungspflicht erfüllt wird

Der Arbeitgeber erfüllt diese Verhandlungspflicht regelmäßig nur, wenn er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumt, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellt, er sich also gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft zu Änderungen eines ggf. von ihm unterbreiteten Vorschlags bereit erklärt. Selbstverständlich ist hierbei nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer eine von dem Arbeitgeber vorgeschlagene Zielvereinbarung ohne inhaltliche Änderung akzeptiert (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Das sind die finanziellen Folgen einer Verletzung der Verhandlungspflicht

Führt der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer keine oder lediglich unzureichende Verhandlungen über die einvernehmliche Festlegung von Zielen und kommt aus diesem Grunde eine Zielvereinbarung nicht zustande, verletzt der Arbeitgeber – unabhängig davon, dass die mit einer Vereinbarung von Zielen verbundene Motivationswirkung verfehlt wird – eine vertragliche Nebenpflicht; er kann deshalb insbesondere nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 S. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB gegenüber dem Arbeitnehmer zu Schadenersatz verpflichtet sein (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967).

Wichtig | Allerdings bedarf das wirksame Zustandekommen einer Zielvereinbarung notwendigerweise der Mitwirkung des Arbeitnehmers und ist nicht nur Aufgabe des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat daher keinen Anspruch auf Schadenersatz, wenn allein aus seinem Verschulden eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, weil er sich z. B. einem Gespräch über mögliche Ziele verweigert.

Beruht das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auf Gründen, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, ist das Mitverschulden des Arbeitnehmers an dem Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Bei der Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Arbeitnehmers ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele tatsächlich erreicht hätte. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die diese Annahme ausschließen. Hieraus folgt, dass die für den Fall der Zielerreichung in Aussicht gestellte variable Vergütung Grundlage für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens ist (§ 252 S. 2 BGB).

Zielvorgabe als Ausweg bei fehlender Einigung auf Ziele?

Da eine Zielvereinbarung voraussetzt, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Einigung zustande kommt, war es bislang gängige Praxis, dass Zielvereinbarungs-Rahmenvereinbarungen einen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall enthielten, dass keine Einigung über die für die jeweilige Zielperiode zu vereinbarenden Ziele möglich war.

BAG hat gängige Praxis zu Zielvorgaben für unwirksam erklärt

Bislang wurde häufig vorgesehen, dass bei Nichteinigung der Arbeitgeber berechtigt sein soll, die Ziele einseitig nach billigem Ermessen festzulegen. Übliche Klauseln lauteten bspw. wie folgt:

Bislang gängige Klausel zur Konfliktlösung

Die Festlegung einer variablen Vergütung und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, die samt Gewichtung für jedes Geschäftsjahr spätestens innerhalb des ersten Kalendermonats des jeweiligen Geschäftsjahres zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Sollten die Ziele und deren Gewichtung nicht innerhalb des ersten Kalendermonats des jeweiligen Geschäftsjahres zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart werden, werden diese seitens des Arbeitgebers nach billigem Ermessen vorgegeben.

Eine solche Regelung hält das BAG in vorformulierten Vertragsbedingungen nunmehr für unwirksam, da sie den Arbeitnehmer i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 BGB unangemessen benachteiligt (BAG, Urteil vom 03.07.2024, Az. 10 AZR 171/23, Abruf-Nr. 243967). Rechtsfolge ist der ersatzlose Wegfall der Bestimmung über die Zielvorgabe. Die übrigen Regelungen über die variable Vergütung und den Abschluss einer Zielvereinbarung bleiben dagegen wirksam und sind zu beachten. Den Arbeitgeber trifft dann die Pflicht, mit dem Arbeitnehmer rechtzeitig Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und eine solche ggf. abzuschließen. Andernfalls droht wiederum eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers.

Ziele unmittelbar und ausschließlich im Wege einer Zielvorgabe festlegen

Arbeitgeber sollten das Urteil des BAG künftig bei der Gestaltung von Vergütungssystemen beachten, um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer mit Aussicht auf Erfolg Schadenersatzansprüche wegen fehlerhaft zustande gekommener Ziele geltend machen können. Streitigkeiten kann der Arbeitgeber insbesondere dadurch vermeiden, dass eine variable Vergütung in Formulararbeitsverträgen künftig nicht an das Erreichen von Zielen aus einer Zielvereinbarung geknüpft wird, sondern der Arbeitgeber die zu erreichenden Ziele unmittelbar und ausschließlich im Wege einer Zielvorgabe festlegt. Eine solche Gestaltung hat das BAG in seiner Entscheidung vom 03.07.2024 explizit für zulässig erachtet.

Musterklausel / Unmittelbare Zielvorgabe durch Arbeitgeber

Über die Festvergütung nach § … Abs. … dieses Arbeitsvertrags hinaus kann der Arbeitnehmer jährlich eine variable Vergütung erhalten, die bei einer Zielerreichung von 100 Prozent der Höhe nach x Prozent der Festvergütung beträgt. Das Entstehen eines Anspruchs auf die variable Vergütung und dessen Höhe hängen davon ab, dass der Arbeitnehmer bestimmte Ziele erreicht. Die konkreten Ziele, deren Gewichtung, die Methode zur Berechnung der Zielerreichung, der für das Entstehen eines Anspruchs auf die variable Vergütung erforderliche Mindestzielerreichungsgrad sowie etwaige weitere für die Bemessung der Zielerreichung bzw. der Bonushöhe maßgebliche Komponenten werden von dem Arbeitgeber für die jeweilige Zielperiode einseitig nach billigem Ermessen festgelegt und dem Arbeitnehmer bekannt gegeben. Über die inhaltliche Ausgestaltung der variablen Vergütung entscheidet der Arbeitgeber für jede Zielperiode neu, der Arbeitnehmer hat deshalb keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung der variablen Vergütung; dies gilt auch, wenn für mehrere Zielperioden jeweils die gleichen oder ähnliche Festlegungen erfolgt sind.
Praxistipp | Bei der einseitigen Festlegung von Zielen sollte der Arbeitgeber unbedingt darauf achten, dass er die Ziele möglichst bereits vor Beginn oder jedenfalls in den ersten Wochen der jeweiligen Zielperiode festlegt, sodass die Zielvorgabe ihrer Motivations- und Anreizfunktion noch gerecht werden kann. Denn werden Ziele zu spät vorgegeben, sodass eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, so droht wiederum eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers wegen Verstoßes gegen die Pflicht, dem Arbeitnehmer rechtzeitig Ziele vorzugeben (BAG, Urteil vom 19.02.2025, Az. 10 AZR 57/24, Abruf-Nr. 246678). Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn es sich um Unternehmensziele handelt, auf deren Erreichung der individuelle Arbeitnehmer nur einen sehr begrenzten Einfluss hat.

AUSGABE: LGP 6/2025, S. 133 · ID: 50358668

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