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Mitarbeitermobilität/LohnabrechnungAusländische Grenzgänger: Das sind die Regelungen zur Grenzgängerregelung mit Österreich

Top-Beitrag Abo-Inhalt 19.08.2024 9 Min. Lesedauer Von Martina Kaul, Director, Steuerberaterin, WTS GmbH, Frankfurt am Main

| Gerade Arbeitnehmer, die im Ausland grenznah zu Deutschland wohnen, pendeln oft zur Arbeit nach Deutschland, ggf. mit einer zusätzlichen Vereinbarung über tageweise Home-Office-Tätigkeit im Ausland. Dadurch nimmt die Anzahl der ausländischen Grenzpendler bzw. -gänger tendenziell zu. LGP nimmt das zum Anlass, die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in einer Beitragsserie unter die Lupe zu nehmen. In diesem Beitrag geht es um die steuerlichen Besonderheiten eines Grenzgängers aus Österreich, der für einen Arbeitgeber in Deutschland tätig wird. |

Regelungen zur Grenzgängerregelung mit Österreich

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Deutschland sieht grundsätzlich die Besteuerung im Tätigkeitsstaat vor. Ein Arbeitnehmer, der also in Österreich wohnt und in Deutschland für seinen inländischen Arbeitgeber tätig wird, wird also grundsätzlich steuerpflichtig in Deutschland.

Eine Abweichung von diesem Tätigkeitsstaatsprinzip stellt die Grenzgängerregelung mit Österreich in Art 15. Abs. 6 DBA D/AT dar. Ende 2023 wurde ergänzend ein Änderungsprotokoll zum DBA mit Österreich unterzeichnet, das einige Erleichterungen für Grenzgänger ab 01.01.2024 enthält. In einer neuen Konsultationsvereinbarung nimmt die Finanzverwaltung zusätzlich Stellung zu Zweifelsfragen. Sind die Voraussetzungen der Grenzgängerregelung erfüllt, erfolgt die Besteuerung eines österreichischen Grenzgängers nicht im Tätigkeitsstaat Deutschland, sondern im Ansässigkeitsstaat Österreich.

Voraussetzungen für Anwendung der Grenzgängerregelung

Die Grenzgängerregelung mit Österreich ist der Grenzgängerregelung mit Frankreich recht ähnlich. Beide Regelungen sehen eine Grenzzone vor (im Gegensatz zur Grenzgängerregelung mit der Schweiz). Gleichwohl gibt es Abweichungen zur Grenzgängerregelung mit Frankreich.

Arbeitnehmer muss innerhalb der Grenzzone wohnen und arbeiten

Die Grenzgängerregelung mit Österreich sieht eine räumliche Einschränkung vor. Grenzgänger ist demnach nur der Arbeitnehmer, der innerhalb der Grenzzone wohnt und arbeitet. Bisher befand sich die Grenzzone jeweils 30 km Luftlinie beidseits der Grenze. Entscheidend war dabei die Entfernung zwischen dem Wohnort bzw. der Arbeitsstätte und der Grenze. Die neue Konsultationsvereinbarung vom 20.12.2023 (Abruf-Nr. 243271) stellt nun allerdings klar, dass auf die Gemeindegrenze abzustellen ist – wie im Abkommen mit Frankreich. Das Änderungsprotokoll enthält im Anhang eine Liste mit den Gemeinden, die in der Grenzzone liegen. Sind sowohl der Hauptwohnsitz des Grenzgängers als auch der Arbeitsort in einer dieser Gemeinden, ist die regionale Erfordernis der Grenzgängerregelung erfüllt.

Wichtig | Es genügt für die Anwendung der Grenzgängerregelung mit Österreich nicht, wenn der Arbeitnehmer eigens für die Anwendung der Grenzgängerregelung ein kleines Apartment als Zweitwohnsitz in der Grenzzone anmietet, um von dort aus zu pendeln. Der Lebensmittelpunkt/Familienwohnsitz muss sich zwingend in der Grenzzone befinden. Das ist anders als bei der Grenzgängerregelung mit Frankreich.

Arbeitstägliches Pendeln und die 45-Tage-Regelung

Die Tätigkeit des Grenzpendlers muss üblicherweise in der Grenzzone ausgeübt werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, auf welcher Seite der Grenze die Tätigkeit ausgeübt wird, solange sie eben innerhalb der Grenzzone erbracht wird (also entweder im Home-Office oder in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers). Eine Mindestanzahl an Tagen, an denen der Arbeitnehmer tatsächlich pendelt, gibt es nicht.

Sollte es für den Grenzgänger nicht möglich sein, ausschließlich in der Grenzzone zu arbeiten, z. B. weil er Dienstreisen außerhalb der Grenzzone tätigt, kann der Arbeitnehmer gleichwohl seinen Grenzgängerstatus behalten, wenn der Arbeitnehmer an maximal 45 Arbeitstagen im Kalenderjahr ganz oder teilweise außerhalb der Grenzzone tätig wird.

Beispiel 1

Arbeitnehmer A wohnt in Österreich innerhalb der Grenzzone. Er ist für einen deutschen Arbeitgeber tätig, der ebenfalls in der Grenzzone seinen Firmensitz hat. Er tätigt von Montag bis Freitag eine Dienstreise nach Düsseldorf.
Lösung: Die fünftägige Dienstreise nach Düsseldorf erfolgt außerhalb der Grenzzone. Daher sind die fünf Tage in die Berechnung der 45-Tage-Grenze einzubeziehen.

Wird die Tätigkeit an einem Arbeitstag nicht vollumfänglich innerhalb der Grenzzone ausgeübt, ist dies ein schädlicher Tag für die Berechnung der 45-Tage-Grenze. Wird der Grenzgänger z. B. sechs Stunden am Tag in seinem Home-Office tätig und arbeitet anschließend im Rahmen eines Kundenbesuchs zwei Stunden außerhalb der Grenzzone, ist dieser Tag insgesamt in die Berechnung der 45-Tage-Grenze einzubeziehen.

Kehrt ein Grenzgänger im Rahmen einer Dienstreise, z. B. am Wochenende nicht an seinen Hauptwohnsitz zurück, und wird an diesen Tagen keine Arbeit verrichtet, gilt: Weil der Arbeitnehmer frei hat, sind diese Tage nicht in die Berechnung der 45-Tage-Grenze einzubeziehen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer zusätzlich Aufwandsentschädigungen für die Tage am Wochenende erhält, solange eben keine Tätigkeit und demnach auch kein Arbeitsentgelt für diese Tage geleistet wird.

Höchstgrenze von 20 Prozent der tatsächlichen Arbeitstage

Sollte das Beschäftigungsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr andauern (z. B. bei unterjähriger Tätigkeitsaufnahme), wird abweichend von den o. g. 45 Tagen auf 20 Prozent der insgesamt während des Beschäftigungszeitraums geleisteten Arbeitstage abgestellt. Gleiches gilt für Teilzeitbeschäftigte, die nicht an jedem Arbeitstag pro Woche arbeiten. Damit gilt: zusätzlich zur 45-Tages-Grenze dürfen die Tage außerhalb der Grenzzone höchstens 20 Prozent der tatsächlichen Arbeitstage während eines Kalenderjahrs betragen. Sollten 20 Prozent der tatsächlichen Arbeitstage mehr als 45 Tage sein, gelten gleichwohl 45 Tage als Höchstgrenze für den Grenzgängerstatus.

Beispiel 2

Arbeitnehmerin J wohnt in Österreich in der Grenzzone und ist seit dem 01.02.2024 für einen deutschen Arbeitgeber tätig, der ebenfalls in der Grenzzone seinen Firmensitz hat. Von Februar 2024 bis Dezember 2024 arbeitet J an zehn Tagen im Home-Office in Österreich, an 15 Tagen arbeitet sie mobil aus ihrem Zweitwohnsitz in Österreich außerhalb der Grenzzone und an 20 Tagen ist sie auf Geschäftsreise in einem Drittstaat. Die restlichen Tage ist J in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers innerhalb der Grenzzone tätig. 2024 hat J insgesamt 230 Arbeitstage.
Lösung: J fällt unter die Grenzgängerregelung. J hat 2024 insgesamt 35 Tage außerhalb der Grenzzone gearbeitet (20 Tage Geschäftsreisen in Drittstaaten + 15 Tage mobiles Arbeiten am Zweitwohnsitz). Da das Beschäftigungsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr andauert, wird auf 20 Prozent der insgesamt während des Beschäftigungszeitraums geleisteten Arbeitstage abgestellt; das wären 46 Tage (= 20 % x 230 Tage), maximal dürfen es aber nur 45 Arbeitstage sein.

Aus Vereinfachungsgründen kann nur auf die Grenze von 45 Tagen abgestellt werden, wenn ein Arbeitnehmer ganzjährig an mindestens fünf Tagen pro Woche beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist. Diese Vereinfachungsregelung gilt folglich nicht, wenn

  • ein Arbeitsverhältnis nicht ganzjährig besteht,
  • nicht ganzjährig ein Vergütungsanspruch besteht (z. B. bei Elternzeit, längerer Krankheit, unbezahltem Urlaub),
  • der Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt ist mit weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche,
  • bei Zuzug in die oder Wegzug aus der Grenzzone oder
  • bei Umzug des Arbeitnehmers während des Kalenderjahrs innerhalb der Grenzzone von einem Staat in den anderen.

Beispiel 3

Wie Beispiel 2, nur hat J unbezahlten Urlaub genommen, sodass sich die Anzahl der gesamten Arbeitstage im Jahr von 230 Tagen auf 156 Tage reduziert.
Lösung: J fällt 2024 nicht unter die Grenzgängerregelung. J hat 2024 insgesamt 35 Tage außerhalb der Grenzzone gearbeitet. Da das Beschäftigungsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr andauert, wird auf 20 Prozent der insgesamt während des Beschäftigungszeitraums geleisteten 156 Arbeitstage abgestellt; das sind unschädliche 32 Tage (20 % x 156 Tage = 31,2 Tage, aufgerundet: 32 Tage).

Beispiel 4

Arbeitnehmer X wohnt in Österreich in der Grenzzone und ist seit dem 01.01.2024 für einen deutschen Arbeitgeber innerhalb der Grenzzone tätig. X ist teilzeitbeschäftigt und arbeitet lediglich an zwei Tagen pro Woche. 2024 wird X an insgesamt 90 Tagen tätig, davon an 17 Tagen aus beruflichen Gründen in einem Drittstaat.
Lösung: X fällt unter die Grenzgängerregelung, da er aus beruflichen Gründen mit den 17 Tagen in einem Drittstaat nicht mehr als 20 Prozent außerhalb der Grenzzone tätig wird (20 % x 90 Tage = 18 Tage).

Home-Office-Tage sind seit 2024 unschädliche Tage

Arbeitstage im Home-Office in der Grenzzone galten bis einschließlich 2023 als schädliche Tage im Sinne der 45-Tage-Grenze. Seit dem 01.01.2024 sind Home-Office-Tage hingegen unschädliche Tage.

Diese Regelung ist erfreulich und wird dem allgemeinen Trend der Zunahme einer Home-Office-Tätigkeit gerecht. Außerdem wird damit eine Vereinheitlichung im Umgang mit Home-Office-Tagen in den Grenzgängerregelungen zwischen Frankreich, der Schweiz und Österreich erzielt.

Rechtsfolgen bei Anwendung der Grenzgängerregelung

Sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Grenzgängerregelung erfüllt und ist die Anwendung der Grenzgängerregelung beantragt, kann der deutsche Arbeitgeber von dem Lohnsteuereinbehalt in Deutschland absehen. Dazu muss der Grenzgänger oder sein Arbeitgeber eine Freistellungsbescheinigung beim zuständigen deutschen Betriebsstättenfinanzamt beantragt und das Finanzamt muss diese Freistellungsbescheinigung erteilt haben. Freistellungsbescheinigungen werden für die Dauer der Tätigkeit, längstens für drei Jahre erteilt. Danach ist ggf. ein neuer Antrag zu stellen.

Der Grenzgänger wird sodann ausschließlich in seinem Ansässigkeitsstaat Österreich steuerpflichtig. Die Abführung der Steuer in Österreich erfolgt im Rahmen einer österreichischen Einkommensteuererklärung. Der deutsche Arbeitgeber ist nicht dazu verpflichtet, österreichische Lohnsteuer abzuführen.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen Aufzeichnungen über die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage und der Arbeitstage außerhalb der Grenzzone in einem der beiden Vertragsstaaten oder in Drittstaaten führen. Ein Reisekalender ist damit unabdingbar für den Grenzgänger.

Rechtsfolgen bei Verlust der Grenzgängereigenschaft

Verliert der Arbeitnehmer seinen Grenzgängerstatus, bspw. weil er an mehr als 45 Tagen außerhalb der Grenzzone tätig wird, sind die allgemeinen Regelungen des DBA zwischen Deutschland und Österreich anwendbar.

Anteilige Steuerpflicht in Deutschland für deutsche Arbeitstage

Demnach wird der Grenzgänger ohne Wohnsitz in Deutschland beschränkt steuerpflichtig in Deutschland mit dem anteiligen Gehalt für deutsche Arbeitstage. Der inländische Arbeitgeber hat darauf entsprechend deutsche Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen. Dieser Lohnsteuereinbehalt hat grundsätzlich abgeltende Wirkung, d. h. der Arbeitnehmer ist nicht dazu verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung in Deutschland abzugeben (unterstellt, dass der Arbeitnehmer keine weiteren privaten Einkünfte aus deutschen Quellen erzielt, die zu einer Erklärungspflicht in Deutschland führen).

Praxistipp | Der Arbeitnehmer kann auf Antrag als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig betrachtet werden. In diesem Fall kann er vom Familiensplitting und dem Abzug von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen profitieren, was einem lediglich beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer grundsätzlich verwehrt wird. Die Beantragung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht ist allerdings nicht in jedem Fall vorteilhaft, da in Österreich steuerpflichtige Einkünfte im Rahmen des sog. Progressionsvorbehalts, also zur Ermittlung des persönlichen Steuersatzes, herangezogen werden. Es wird daher empfohlen bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft im Zweifel eine Vergleichsberechnung durchzuführen, um festzustellen, ob im individuellen Fall die fiktiv unbeschränkte Steuerpflicht vorteilhaft ist oder eben nicht.

Besteuerungsrecht für Arbeitstage in Österreich/Drittstaaten

Das Besteuerungsrecht für Arbeitstage in Österreich oder Drittstaaten steht Österreich als Ansässigkeitsstaat zu. In Österreich hat der Arbeitnehmer eine Einkommensteuererklärung einzureichen.

Sonderregelung im DBA D/AT: Sog. Geschäftsführerklausel

Neben der Grenzgängerregelung enthält das DBA D/AT eine weitere Sonderregelung für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder – die sog. Geschäftsführerklausel. Diese sieht vor, dass ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer, der Geschäftsführer oder Vorstand einer deutschen Gesellschaft ist, losgelöst vom Tätigkeitsort vollumfänglich steuerpflichtig in Deutschland ist.

Die Geschäftsführerklausel mit Österreich hat Vorrang vor der Grenzgängerregelung – anders als im DBA mit der Schweiz. Dies bedeutet, dass ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied einer deutschen Gesellschaft mit Ansässigkeit in Österreich vollumfänglich steuerpflichtig in Deutschland wird; und zwar losgelöst vom Tätigkeitsort und losgelöst davon, ob er die Voraussetzungen für die Grenzgängerregelungen erfüllt oder nicht.

Weiterführende Hinweise

Ausgabe: 09/2024, S. 182 · ID: 49994389

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