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Mitarbeitermobilität/LohnabrechnungAusländische Grenzpendler im Inland: Das sind die allgemeinen steuerlichen Regeln

Top-Beitrag Abo-Inhalt 12.04.2024 9 Min. Lesedauer Von Steuerberaterin Martina Kaul, Director, WTS GmbH, Frankfurt am Main

| Gerade Arbeitnehmer, die im Ausland grenznah zu Deutschland wohnen, pendeln oft zur Arbeit nach Deutschland, ggf. mit einer zusätzlichen Vereinbarung über tageweise Home-Office-Tätigkeit im Ausland. Dadurch nimmt die Anzahl der ausländischen Grenzpendler bzw. -gänger tendenziell zu. LGP nimmt das zum Anlass, die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in einer Beitragsserie unter die Lupe zu nehmen. Los geht es in dieser Ausgabe mit den allgemeinen steuerlichen Regelungen. |

Was man unter Grenzpendler und Grenzgänger versteht

Grenzpendler sind Arbeitnehmer, die im Ausland wohnen und grundsätzlich arbeitstäglich nach Deutschland pendeln. Typischerweise verfügen Sie in Deutschland weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt. In einigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gibt es Sonderregelungen für diese Arbeitnehmer. Dann wird nicht von Grenzpendlern, sondern von Grenzgängern gesprochen. Eine sog. Grenzgängerregelung besteht in den DBA, die Deutschland mit Frankreich, Österreich und der Schweiz abgeschlossen hat. Auf diese speziellen Grenzgängerregelungen geht LGP in den folgenden Ausgaben im Detail ein.

Die Besteuerung der Grenzpendler nach deutschem Recht

In Deutschland wird zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht unterschieden. Unbeschränkt steuerpflichtig sind Personen, die über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfügen. Dies ist – wie oben erwähnt – bei einem Grenzpendler typischerweise nicht der Fall. Daher unterliegt er in Deutschland nur der beschränkten Steuerpflicht.

Das Besteuerungsrecht Deutschlands ist für ausländische Grenzpendler beschränkt auf Einkünfte aus deutschen Quellen – sog. „inländische Einkünfte“. Was genau alles zu den „inländischen Einkünften“ zählt, ist im Einkommensteuergesetzt (§ 49 EStG) geregelt. Dazu zählt das anteilige Gehalt für Arbeitstage, die physisch in Deutschland erbracht werden. Da ein ausländischer Grenzpendler seine Tätigkeit in der Regel in Deutschland ausübt, unterliegt der Grenzpendler damit also der Besteuerung in Deutschland. Sollte es allerdings zu Arbeitstagen außerhalb Deutschlands kommen, z. B. im Rahmen von Dienstreisen oder einer Home-Office-Tätigkeit im Ausland, steht Deutschland für diese Tage nach dem rein nationalen deutschen Steuerrecht kein Besteuerungsrecht zu.

Etwas Besonderes gilt für Vorstände, Geschäftsführer oder Prokuristen einer inländischen Gesellschaft. Für diesen Personenkreis sieht das nationale Besteuerungsrecht eine Besteuerung in Deutschland vor, und zwar losgelöst vom Tätigkeitsort.

Die Besteuerung der Grenzpendler nach DBA

Deutschland hat mit über 90 Staaten DBA abgeschlossen. DBA bestehen u. a. mit den Nachbarstaaten Deutschlands. Regelungen in den DBA haben dabei Vorrang vor dem oben beschriebenen nationalen deutschen Recht. Daher ist ein Blick in die jeweiligen DBA unabkömmlich.

Grundsatz der Besteuerung nach dem OECD-Musterabkommen

Die individuellen DBA, die Deutschland mit den Nachbarstaaten abgeschlossen hat, sind sehr eng an das sog. OECD-Musterabkommen angelehnt. Gleichwohl gibt es je nach DBA einige Abweichungen, sodass der Blick in das individuelle DBA unerlässlich ist.

Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung nach den einschlägigen DBA im Ansässigkeitsstaat des Mitarbeiters. Ansässigkeitsstaat ist dabei das Land, in dem der Mitarbeiter über einen Wohnsitz verfügt. Dies ist bei einem Grenzpendler typischerweise das Ausland. Grundsätzlich wird ein Grenzpendler danach also im Ausland steuerpflichtig.

Weichen Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat voneinander ab, so wie es bei einem Grenzpendler der Fall ist, weisen die einschlägigen DBA das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zu. Als Rückausnahme fällt das Besteuerungsrecht in den Ansässigkeitsstaat zurück, wenn der Mitarbeiter

  • 1. sich weniger als 183 Tage im Zwölf-Monatszeitraum im Tätigkeitsstaat aufhält,
  • 2. nicht für einen (wirtschaftlichen) Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat tätig wird und
  • 3. auch nicht für eine Betriebsstätte seines Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat tätig wird.

Bei einem Grenzpendler wird die Rückausnahme nicht greifen. Denn der ausländische Grenzpendler verfügt über einen Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat.

Beispiel

A wohnt in Venlo in den Niederlanden, er ist verheiratet, seine Ehefrau erzielt keine eigenen Einkünfte. Neben seinem Arbeitslohn erzielt A keine weiteren Einkünfte. Er hat jüngst einen Arbeitsvertrag mit der X-GmbH in Düsseldorf abgeschlossen. Er pendelt arbeitstäglich zwischen den Niederlanden und Deutschland.
Lösung: Unter Anwendung des DBA D/NL gilt:
  • Grundsatz: A gilt als ansässig in den Niederlanden. Damit steht den Niederlanden das Besteuerungsrecht grundsätzlich zu.
  • Ausnahme: Da er seine Tätigkeit jedoch in Deutschland ausübt, steht Deutschland das Besteuerungsrecht auf seine Vergütung zu.

Steuerliche Folgen für den Grenzpendler in Deutschland

Da Grenzpendler typischerweise nicht über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfügen, gelten sie als nur beschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Beschränkt Steuerpflichtige werden mit der Steuerklasse I abgerechnet. Damit die Steuerklasse I über ELSTAM abgerufen werden kann, muss für den Grenzpendler in Deutschland eine Steueridentifikationsnummer beantragt werden. Der Lohnsteuereinbehalt in Deutschland hat abgeltende Wirkung. Dies bedeutet, dass keine Einkommensteuererklärung in Deutschland einzureichen ist; vorausgesetzt der Grenzpendler hat neben seinem Arbeitslohn keine weiteren Einkünfte aus deutschen Quellen (wie z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer in Deutschland belegenen Immobilie).

Fortführung des Beispiels

A vereinbart mit seinem inländischen Arbeitgeber, dass er jeden Freitag von seinem Home-Office aus in Venlo tätig wird.
Lösung: Unter Anwendung des DBA D/NL:
  • Grundsatz: A gilt als ansässig in den Niederlanden. Damit steht den Niederlanden das Besteuerungsrecht grundsätzlich zu.
  • Ausnahme: Da A seine Tätigkeit jedoch zu 80 Prozent in Deutschland ausübt, steht Deutschland das Besteuerungsrecht auf 80 Prozent seiner Vergütung zu. Die verbleibenden 20 Prozent (ein Arbeitstag pro Woche im Home-Office) sind steuerpflichtig in den Niederlanden.
Praxistipp | A sollte mittels Reisekalender auf monatlicher Basis die Anzahl der Arbeitstage in und außerhalb Deutschlands dokumentieren und für die monatliche Gehaltsabrechnung seinem inländischen Arbeitgeber übergeben. Auf Basis des Kalenders ist dann das Gehalt entsprechend der Tätigkeit in und außerhalb Deutschlands in einen steuerpflichtigen und steuerfreien Anteil aufzuteilen.

Zu beachten ist, dass auch Einmalzahlungen wie Boni, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc. entsprechend des Verhältnisses der deutschen Arbeitstage zu den Gesamtarbeitstagen im Bezugszeitraum für lohnsteuerliche Zwecke in Deutschland aufzuteilen sind.

Die steuerlichen Folgen für den Grenzpendler im Ausland

Grundsätzlich sind inländische Arbeitgeber in den meisten Ländern nicht dazu verpflichtet, ausländische Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen. Die Abführung erfolgt vielmehr über den Arbeitnehmer direkt im Rahmen einer ausländischen Einkommensteuererklärung. A aus dem obigen Beispiel wird also in den Niederlanden eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen und darin 20 Prozent seiner Vergütung als steuerpflichtig deklarieren.

Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang Frankreich dar. Auch deutsche Arbeitgeber sind in bestimmten Fällen dazu verpflichtet, französische Lohnsteuer zu berechnen und monatlich abzuführen, wenn das DBA Frankreich das Besteuerungsrecht zuweist. Ausländische Lohnsteuer zu berechnen stellt die allermeisten deutschen Unternehmen vor eine Herausforderung. Üblicherweise wird dieser Verpflichtung nur mit Hilfe eines ausländischen Payroll-Providers nachgekommen werden können.

Eine Tätigkeit im ausländischen Home-Office für ein inländisches Unternehmen birgt grundsätzlich ein gewisses Risiko, dass das inländische Unternehmen durch die Tätigkeit des Mitarbeiters im Ausland eine Betriebsstätte begründet. Besondere Vorsicht ist dabei bei Personen geboten, die über Vollmachten verfügen, im Namen des inländischen Unternehmens Verträge vorzubereiten, zu verhandeln, abzuschließen oder zu unterzeichnen. Ferner besteht ein erhöhtes Risiko bei Geschäftsführern oder Vorständen. Wird durch die Home-Office-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet, ist diese im Ausland zu registrieren und entsprechenden Deklarationsverpflichtungen nachzukommen. Ferner ist die ausländische Betriebsstätte sodann regelmäßig dazu verpflichtet, ausländische Lohnsteuer für den Arbeitnehmer abzuführen.

Praxistippp | Unternehmen sollten das Risiko einer Betriebsstätte im Ausland analysieren, bevor sie Home-Office-Tätigkeiten zustimmen.

Antragsveranlagung – fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Wie oben erwähnt ist die Steuer für einen ausländischen Grenzpendler in Deutschland grundsätzlich durch den Lohnsteuereinbehalt abgegolten. Der Lohnsteuereinbehalt erfolgt dabei grundsätzlich mit der Steuerklasse I. Die Berücksichtigung familiärer Verhältnisse wie z. B. für Verheiratete mit der Steuerklasse III, Kinderfreibeträge oder auch die Berücksichtigung von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ist für beschränkt Steuerpflichtige grundsätzlich nicht vorgesehen.

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass ein Grenzpendler ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auf Antrag als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird (Antragsformular: Antrag auf Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3, § 1a EstG – Anlage Grenzpendler EU/EWR). Er hat dann z. B. für den Fall, dass er verheiratet ist, die Möglichkeit, von der Steuerklasse III zu profitieren und den Lohnsteuereinbehalt in Deutschland zu reduzieren.

Voraussetzung für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht ist, dass

  • mindestens 90 Prozent der Summe der gesamten Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 Prozent der Besteuerung in Deutschland unterliegen oder, falls diese Grenze nicht erreicht wird,
  • die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen (Grundfreibetrag 2024: 11.604 Euro für Ledige, für Verheiratete: 23.208 Euro).

Ein fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger ist dazu verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung in Deutschland abzugeben, in der er Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sowie Kinderfreibeträge geltend machen kann. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass im Rahmen der Einkommensteuererklärung ausländische Einkünfte (z. B. das anteilige Gehalt für die Home-Office-Tätigkeit, Ehegatteneinkünfte bei Zusammenveranlagung etc.) in der deutschen Einkommensteuererklärung im Rahmen des sog. Progressionsvorbehalts anzugeben sind. Dies bedeutet, dass diese ausländischen Einkünfte in Deutschland zur Ermittlung des persönlichen Steuersatzes herangezogen werden.

Abwandlung des Beispiels

A erzielt ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die zu 100 Prozent in Deutschland der Besteuerung unterliegen. Seine Ehefrau hat keine eigenen Einkünfte. Damit sind die Voraussetzungen für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht erfüllt (mindestens 90 Prozent der gemeinsamen Einkünfte des Ehepaares unterliegen der Besteuerung in Deutschland).
Anders verhält es sich bei Fortsetzung des Beispiels: Hier wird A zu 20 Prozent im niederländischen Home-Office tätig. Damit unterliegen nicht mehr mindestens 90 Prozent der gemeinsamen Einkünfte der Besteuerung in Deutschland. Unterstellt, dass 20 Prozent des Gehalts auch den Grundfreibetrag für Verheiratete in Höhe von 23.208 Euro überschreiten, kann A nicht mehr von der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht profitieren.
Praxistipp | Die Beantragung auf Behandlung als fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger kann im Einzelfall vorteilhaft sein, ggf. aber auch nachteilig. Es wird daher empfohlen, unter Berücksichtigung der individuellen familiären Situation und Einkommensverhältnisse zu überprüfen, ob eine Behandlung als fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger sinnvoll erscheint. Grundsätzlich lässt sich sagen: Für verheiratete Grenzpendler, bei denen der Ehepartner keine oder verhältnismäßig geringe Einkünfte hat und neben dem Arbeitslohn des Grenzpendlers keine weiteren privaten Einkünfte erzielt werden, wird die Beantragung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht vermutlich vorteilhaft sein.

Diese Besonderheit gilt für Luxemburg

Das DBA mit Luxemburg enthält – anders als die DBA mit Frankeich, Österreich und der Schweiz – keine eigene Grenzgängerregelung. Allerdings wurde im Rahmen einer Verständigungsvereinbarung zwischen Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg eine Bagatellgrenze eingeführt.

Diese Bagatellgrenze sieht vor, dass ein in Luxemburg ansässiger Arbeitnehmer, der für einen deutschen Arbeitgeber tätig wird und grundsätzlich zwischen den Staaten pendelt, bis zu bisher 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr in Luxemburg oder Drittstaaten tätig werden darf, ohne dass die Zuweisung des Besteuerungsrechts von Deutschland nach Luxemburg erfolgt. Damit soll eine Aufteilung des Besteuerungsrechts bei einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Arbeitstagen außerhalb Deutschlands vermieden werden. Zum 01.01.2024 wurde die Bagatellgrenze sogar von 20 auf 34 Tage erhöht, vermutlich um dem allgemeinen Trend der Home-Office-Tätigkeit zu folgen. Somit kann ein in Luxemburg ansässiger Arbeitnehmer, der für einen deutschen Arbeitgeber tätig ist, bis zu 34 Tage im luxemburgischen Home-Office tätig werden und dennoch ausschließlich steuerpflichtig in Deutschland sein.

Weiterführender Hinweis

Ausgabe: 05/2024, S. 115 · ID: 49992276

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