AltersversorgungKapitaloption für Arbeitgeber in betrieblicher Versorgungszusage – BAG klärt Anforderungen
| Viele Versorgungspläne sehen neben einer Rente auch eine alternative Kapitalzahlung vor. Die Option zur Wahl des Kapitals ist häufig dem Arbeitnehmer eingeräumt, in manchen Plänen aber auch dem Arbeitgeber. Ob der Arbeitnehmer die Kapitaloption des Arbeitgebers hinnehmen muss, war Gegenstand einer Auseinandersetzung, die das BAG entschieden hat. LGP stellt das Urteil und dessen Bedeutung für die Praxis vor. |
Der Fall: Unterstützungskasse mit Option zur Kapitalzahlung
Für die Mitarbeiter eines Unternehmens bestand eine Versorgung in einer Unterstützungskasse im Sinne des § 1b Abs. 4 BetrAVG. Zugesagt war eine lebenslange Altersrente. Alternativ stand der Unterstützungskasse die Option zu, eine Kapitalzahlung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu leisten.
Eine Mitarbeiterin vollendete das Pensionsalter. Der Arbeitgeber teilte der Rentnerin mit, dass er beabsichtige, vom Kapitalwahlrecht Gebrauch zu machen. Sie widersprach schriftlich und teilte dem Arbeitgeber mit, dass sie die lebenslange Rentenzahlung verlange. Dessen ungeachtet zahlte der Arbeitgeber aber die Kapitalleistung in Höhe der zehnfachen Jahresrente abzüglich Lohn- und Kirchensteuer an die Rentnerin aus. Diese überwies das Geld umgehend zurück.
Der Arbeitgeber klagte. Er wollte feststellen lassen, dass er mit der Kapitalzahlung den Anspruch der Mitarbeiterin aus der Betriebsrentenzusage erfüllt hatte und keine Ansprüche aus der Versorgungszusage mehr bestünden. Hilfsweise wollte er feststellen lassen, dass er die Versorgungszusage gegenüber der Mitarbeiterin durch Zahlung einer zehnfachen Jahresrente erfüllen darf. Damit hat er in allen drei Instanzen keinen Erfolg.
BAG: Die Kapitaloption steht dem Arbeitgeber zu
Nach Ansicht des BAG steht die Kapitaloption auch dem Arbeitgeber zu, auch wenn sie im Leistungsplan der Unterstützungskasse eingeräumt worden ist. Bei dem Wahlrecht handelt es sich um eine sog. Ersetzungsbefugnis des Arbeitgebers (BAG, Urteil vom 17.01.2023, Az. 3 AZR 220/22, Abruf-Nr. 233990).
Das BAG betont, dass es sich beim Leistungsplan der Unterstützungskasse um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt. Der Leistungsplan müsse also an den für AGB einschlägigen Rechtsvorschriften geprüft werden. Die im Leistungsplan enthaltene Klausel mit der Ersetzungsbefugnis unterliegt damit der Klauselkontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Diese Prüfung hat ergeben, dass die Kapitaloption vom Arbeitnehmer nicht akzeptiert werden muss. Denn gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders (der AVB), die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
Angewandt auf den Fall heißt dies: Das im Leistungsplan verankerte Recht auf Kapitaloption ist unwirksam, wenn die Kapitalauszahlung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für die Rentnerin nicht zumutbar ist. Das BAG kam zum Schluss, dass eine Kapitalzahlung in Höhe der zehnfachen Jahresrente weniger war als der versicherungsmathematisch ermittelte Barwert der laufenden Renten; damit war die Kapitalleistung nicht wertgleich zum Rentenversprechen und daher für die Rentnerin nicht zumutbar. Also war die Klausel unwirksam. Damit musste die Rentnerin die Kapitalzahlung nicht akzeptieren. Sie hat Anspruch auf eine lebenslange Rente.
Wichtig | Kapitalwahlrechte in Versorgungsplänen sind nach dem Urteil des BAG unwirksam, wenn sie nicht dem versicherungsmathematischen Barwert der Rentenleistung entsprechen. Zu den anzuwendenden Rechnungsgrundlagen (Zins, Sterbetafeln) äußert sich das BAG jedoch nicht; üblich sind hier die Heubeck-Richttafeln; beim Zins wird in der Praxis inzwischen häufig auf den BilMoG-Rechnungszins gemäß § 253 Abs. 2 HGB zurückgegriffen.
BAG: Rechtfertigungsgrund für Umstellung notwendig
Bereits mit Urteil vom 15.05.2012 (Az. 3 AZR 11/10, Abruf-Nr. 122374) hatte das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber für die nachträgliche Umstellung eines Versorgungsplans von Rentenzahlung in Kapitalleistung im Wege einer ablösenden Betriebsvereinbarung eigenständige Rechtfertigungsgründe benötigt. Denn eine Rentenzusage hat für den Arbeitnehmer eine hohe Wertigkeit, z. B. weil das Langlebigkeitsrisiko beim Arbeitgeber liegt, die Steuerbelastung für den Arbeitnehmer niedriger ist.
Sprich: Will der Arbeitgeber einen auf Rente lautenden Versorgungsplan in einen Plan mit Kapitalleistung ändern, muss sein begründetes Interesse an der Umstellung das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt der Rentenleistung überwiegen.
Berechtigte wirtschaftliche Gründe des Arbeitgebers können z. B. sein: Der Arbeitgeber ist auf Dauer nicht mehr in der Lage, die Kosten des bisherigen Versorgungswerks einschließlich der daran anknüpfenden Anpassungsprüfungen aufzubringen. Auch Vorteile im Hinblick auf die Bilanzierung und die Finanzierung der Versorgungsverpflichtungen können den Ausschlag geben. Ebenso andere Umstände, wie Leistungsverbesserungen durch eine Anhebung des Dotierungsrahmens. Hat der Arbeitgeber in der Neuregelung etwa eine Kapitalleistung zugesagt, die den nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert der ursprünglich geschuldeten Rentenleistung übersteigt, so kann dies unter Umständen die Nachteile für den Arbeitnehmer durch die Umstellung aufwiegen.
Ausgabe: 05/2024, S. 131 · ID: 49260855
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