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Entwicklung des BerufsstandsEs ist Zeit für ein neues Rollenverständnis in der Steuerberatung

Abo-Inhalt16.06.20255 Min. Lesedauer von Sonja Bruns, Berlin

| Automatisierung, KI und neue Mandantenerwartungen verändern die Steuerberatung. Wer darauf nur reagiert, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Wer dagegen jetzt gezielt in strategische Beratung investiert, positioniert sich neu – als Zukunftspartner für Unternehmen, die mehr brauchen als Zahlen. |

Die klassische Buchhaltung verschwindet – (k)ein Verlust

Der Wandel in der Buchhaltung durch digitale Tools und KI ist bereits Realität. Kanzleien, die dies ignorieren, bemerken es spätestens, wenn ihre Mandanten schneller arbeiten als sie selbst. Automatisierung bietet keine Bedrohung, sondern eine Chance zur Neupositionierung, da sie den Kern der steuerlichen Beratung nicht betrifft. Statt Buchungssätze stehen nun Liquiditätssteuerung und strategische Weitsicht im Vordergrund. Ein Berliner Steuerberater fasst es treffend zusammen: „KI nimmt uns Arbeit ab, aber nicht die Pflicht, nachzudenken.“ Mit Automatisierung können Kanzleien weniger buchen und mehr beraten.

Die Rolle neu denken – vom Verwalter zum Impulsgeber

Die Beziehung zwischen Mandant und Steuerberater war früher oft rückwärtsgewandt. Zahlen aufbereiten, Ergebnisse prüfen, Bescheide einordnen. Doch Mandanten, gerade aus dem Mittelstand, erwarten heute anderes. Sie fragen nicht mehr nur: „Was kostet mich das?” Sondern: „Wie geht es weiter?” Zahlen und Daten bieten eine hervorragende Reflexionsbasis, doch die Einordnung der Daten muss dazu eingesetzt werden, mögliche Fehler zu beheben, Schwachstellen zu identifizieren und das jeweilige Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

In diesem Moment schlägt die Stunde der strategischen Beratung. Die meisten Kanzleien haben mit den Jahren umfangreiches Wissen angehäuft, nur leider kamen viele oft nicht dazu, dieses in den passenden Kontext zu setzen. Wer BWAs nicht nur kommentiert, sondern einordnet, wer Steuerstrategien mit Wachstumszielen verknüpft, entwickelt sich zum unverzichtbaren Sparringspartner: Jemand, der mitdenkt und Probleme löst, bevor sie entstehen. Dabei geht es nicht um neue Show-Formate oder modische Begriffe, sondern um echte Relevanz im Mandantengespräch. Immer mehr Kanzleien richten ihren Fokus weg von der reinen Belegbearbeitung hin zu unternehmerischen Zielen. Themen wie Investitionsplanung, Finanzierungsstrategien oder auch die Nachfolgeregelung rücken in den Vordergrund. Das sind alles vertraute Themen, die nun ganz neu interpretiert werden – nicht als Pflicht, sondern als Chance zur aktiven Mitgestaltung.

Neue Geschäftsfelder? Ja, aber nicht um jeden Preis!

Der Ruf nach neuen Geschäftsmodellen in der Steuerberatung ist laut. Doch wer glaubt, er müsse morgen ESG-Beratung, Digitalisierung, Coaching und Künstliche Intelligenz in die Website schreiben, kann sich verheddern. Es geht nicht um Breite, sondern um Tiefe. Wer ein neues Feld besetzt, sollte es wirklich verstehen und dazu stehen. Wer neue Beratungsfelder erschließen will, sollte gezielt Schwerpunkte setzen, die fachlich und strategisch zur Kanzlei passen. Eine klare thematische Ausrichtung sorgt für ein überzeugendes Außenbild, ist intern leichter steuerbar und schafft Raum, um Kompetenzen gezielt weiterzuentwickeln. So wird Beratung nicht zum Zusatzgeschäft, sondern zum integralen Bestandteil des Kanzleiprofils. In einem gesättigten Markt ist Differenzierung entscheidend. Steuerberater, die Beratung anbieten, weil sie wirklich beraten wollen, werden langfristig erfolgreich sein. Der Versuch, alle Themen gleichzeitig zu bedienen, scheitert oft an Tiefe, Glaubwürdigkeit und vor allem an Kapazität.

Umsatz kommt von umsetzen

Klar ist: „Wollen” allein reicht nicht. Wer die eigene Kanzlei neu ausrichten will, braucht neben einem Plan vor allem Konsequenz.

In sieben Schritten zur Neuausrichtung der Kanzlei

  • 1. Schritt – Standort bestimmen
  • Der Beginn jeder Neuausrichtung erfordert eine Bestandsaufnahme der fachlichen, strukturellen und personellen Situation. Es gilt, interne Prozesse und versteckte Routinen zu analysieren: Was funktioniert gut, wo gibt es Probleme und welche Ressourcen sind unnötig gebunden? Wichtig ist auch, unbewusste Beratungsleistungen zu erkennen. Eine reflektierte Analyse des eigenen Handelns bildet die Basis für strategische Entscheidungen.
  • 2. Schritt – Fokus finden
  • Nicht jede Kanzlei muss alles beherrschen. Es geht darum, die passenden Themenfelder zur eigenen DNA zu finden, sowohl fachlich als auch im Team und der Mandatsstruktur. Wer z. B. auf Arztpraxen spezialisiert ist, versteht deren wirtschaftliche Herausforderungen und kann darauf basierend Praxisentwicklungsberatung anbieten. Zwei fokussierte Beratungsfelder mit erkennbarem Mehrwert sind effektiver als ein unstrukturiertes Dienstleistungssammelsurium.
  • 3. Schritt – Prozesse systematisch auf Effizienz prüfen
  • Bevor neue Leistungen eingeführt werden, sollten die Prozesse optimiert werden. Die Digitalisierung ermöglicht die Automatisierung, wodurch wertvolle Zeit für Mandantenbetreuung, strategische Entwicklung oder eine bessere Work-Life-Balance frei wird. Effiziente Kanzleien schaffen so Raum für Wachstum.
  • 4. Schritt – Beratungsleistung sichtbar machen
  • Vor Einführung neuer Leistungen sollten bestehende Prozesse optimiert werden. Durch Digitalisierung können Routinetätigkeiten automatisiert werden, was Zeit für individuelle Betreuung und strategische Gespräche schafft und Wachstum fördert. Kanzleien sollten ihr gesamtes Beratungsangebot aktiv kommunizieren, etwa über die Website oder Mandantenbriefe, und den Fokus von Service-Kommunikation auf Beratung als festen Bestandteil verlagern.
  • 5. Schritt – Fortbildung strategisch denken
  • Der Aufbau neuer Geschäftsfelder erfordert umfassendes Wissen. Neben steuerrechtlicher Fortbildung sind Fähigkeiten in Gesprächsführung, betriebswirtschaftlicher Analyse, Finanzkommunikation und Change-Management wichtig. Berater müssen mehr als Zahlen interpretieren: Zuhören, Vermitteln und Erklären sind essenziell. Gezielte Fortbildung dieser Kompetenzen wird so zum starken Hebel für die Kanzleientwicklung.
  • 6. Schritt – Das Team einbinden
  • Veränderung gelingt nur gemeinsam. Teams frühzeitig einbeziehen, vorhandene Kompetenzen erkennen und ungenutztes Potenzial nutzen. Interesse an neuen Themen fördern und Verantwortung übertragen. Erste Schritte: internes Ideenformat, Fortbildungsbudget, thematischer Arbeitskreis.
  • 7. Schritt – Mit Pilotmandaten starten
  • Nicht alle Mandanten sind sofort für strategische Beratung bereit, aber offene und entwicklungsfreudige Mandanten ermöglichen es, neue Formate zu testen. Kleine Pilotprojekte wie ESG-Gespräche oder Liquiditäts-Reviews helfen, Erfahrungen zu sammeln und das Angebot zu verbessern. Diese Mandanten fühlen sich ernst genommen und werden oft zu wichtigen Multiplikatoren für die Kanzlei.

Fazit: Die Zukunft gehört denen, die sie gestalten

Der Wandel ist nicht aufzuhalten, aber er ist gestaltbar. Steuerberaterinnen und Steuerberater, die bereit sind, über ihr klassisches Rollenbild hinauszuwachsen, treffen auf eine Zielgruppe, die genau das sucht: Partner, die mitdenken, fragen und begleiten. Es braucht keine Revolution, sondern kluge Entscheidungen, einen klaren Fokus, ein starkes Team und den Mut, vertraute Wege zu verlassen. Doch damit die Neuausrichtung gelingt, braucht es auch das passende Handwerkszeug. Hierbei kommt es darauf an, die Brücke zwischen Zahlenverständnis und strategischer Beratungspraxis zu schlagen.

Praxistipp | „Buchhaltung goes BWL“ – wenn Beratung zur Kernleistung wird: An diesem Punkt setzt das Produkt „Buchhaltung goes BWL“ von TeleTax an. Es richtet sich an Kanzleien, die den Schritt von der rückblickenden Bearbeitung hin zur zukunftsgerichteten Unternehmensberatung aktiv gehen wollen. Der Lehrgang vermittelt nicht nur betriebswirtschaftliche Grundlagen, sondern zeigt konkret, vor welchen Herausforderungen Unternehmen heute stehen, sodass Potenziale erkannt und neue Beratungsleistungen integriert werden können. Dabei ist „Buchhaltung goes BWL“ zeit- und ortsunabhängig, KI-unterstützt, mit personalisierbaren Lerneinheiten für unterschiedliche Lernstile und Zielgruppen konzipiert. Mehr Informationen unter: https://teletax.de/startseite/.

Zur Autorin | Sonja Bruns ist Geschäftsführerin der TeleTax GmbH, einer Tochter des Deutschen Steuerberaterverbandes, und der zugehörigen Landesverbände.

AUSGABE: KP 7/2025, S. 118 · ID: 50389153

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