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KonzernstrukturenBeratungsbrennpunkt „Aufwärtsverschmelzung“: Wichtige Folgewirkungen für Umstrukturierungen

Abo-Inhalt02.12.202415 Min. LesedauerVon StB Marcel Jordan, M. Sc., Fachberater für die Umstrukturierung von Unternehmen (IFU/ISM gGmbH), Andernach

| In Konzernstrukturen lässt sich eine Verkürzung von Beteiligungsketten durch eine sog. Aufwärtsverschmelzung erreichen. Ein solcher „Up-Stream-Merger“ von der Tochter- auf die Muttergesellschaft zur Aufnahme ist als tauschähnlicher Vorgang einzuordnen und verlangt neben der umwandlungssteuerrechtlichen Beurteilung die Auseinandersetzung mit den steuerlichen Folgewirkungen. Dieser Beitrag zeigt ausgewählte „Brennpunkte“ in der Umstrukturierungspraxis auf. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann es je nach den Umständen des Einzelfalls sinnvoll sein, den erhöhten steuerlichen Risiken mit einem (gebührenpflichtigen) Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft beim zuständigen Finanzamt zu begegnen. |

1. Rechtliche Grundzüge der Verschmelzung

Bei einer Verschmelzung zur Aufnahme gem. § 2 Nr. 1 UmwG handelt es sich um eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers ohne Abwicklung. Als Gegenleistung für die Vermögensübertragung erhalten die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich Anteile am übernehmenden Rechtsträger. Die Vorschriften des UmwG verlangen insbesondere einen Verschmelzungsvertrag, gegebenenfalls einen Verschmelzungsbericht und eine Verschmelzungsprüfung sowie die Anmeldung und Eintragung im Handelsregister. Die den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft zu gewährenden Anteile werden i. d. R. durch eine Kapitalerhöhung neu geschaffen.

Beachten Sie | Bei einer Aufwärtsverschmelzung ist eine Kapitalerhöhung indessen unzulässig (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG). Die Vermögensübertragung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft stellt einen tauschähnlichen Vorgang dar, bei dem der Untergang der Beteiligung an der übertragenden Tochtergesellschaft als Gegenleistung anzusehen ist.

Umwandlungssteuerrechtlich wird die Einordnung der Verschmelzung von der Rechtsform und dem Besteuerungsregime der beteiligten Rechtsträger bestimmt. Dabei lassen die Vorschriften des UmwStG unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag den Ansatz der Buchwerte zu, sodass die gewinnrealisierende Aufdeckung stiller Reserven aufgeschoben werden kann.

Einordnung der Verschmelzung
Körperschaften: § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStGPersG: § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG
  • a) Verschmelzung zwischen Körperschaften: §§ 11 ff. UmwStG
  • b) Verschmelzung von einer Körperschaft auf eine PersG: §§ 3 ff. UmwStG
  • a) Verschmelzung von einer PersG auf eine KapG: §§ 20, 22 und 23 UmwStG
  • b) Verschmelzung zwischen PersG: § 24 UmwStG

2. Verlustuntergang nach § 8c KStG

2.1 Schädlicher Beteiligungserwerb

Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder Stimmrechte an einer Körperschaft auf einen Erwerber oder eine diesem nahestehende Person übertragen, kommt es gem. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG zu einem vollständigen Verlustuntergang. Hierunter fallen sämtliche entgeltliche oder unentgeltliche rechtsgeschäftliche Übertragungen bestehender Beteiligungen unter Lebenden sowohl durch Einzel- als auch durch Gesamtrechtsnachfolge (Ausnahme: der Erbfall, die unentgeltliche Erbauseinandersetzung sowie die unentgeltliche vorweggenommene Erbfolge, vgl. BMF 28.11.17, BStBl I 17, 1645, Rn. 4). Auch Umwandlungsvorgänge nach dem UmwG/UmwStG können einen schädlichen Beteiligungserwerb begründen (Ausnahme: Formwechsel).

2.2 Verkürzung der Beteiligungskette als schädlicher Vorgang?

Ist eine Tochtergesellschaft an einer Verlustkörperschaft beteiligt und wird eine Aufwärtsverschmelzung auf die Muttergesellschaft vollzogen, kommt es zur Verkürzung der Beteiligungskette. Im Wege der Verschmelzung geht die Beteiligung an der Verlustkörperschaft von der Tochter- auf die Muttergesellschaft über.

GStB-Grafik_Aufwärtsverschmelzung_1_Jordan.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

Umstritten ist, ob dies selbst dann einen schädlichen Beteiligungserwerb begründet, wenn die Muttergesellschaft bereits zuvor mittelbar mehrheitlich an der Verlustkörperschaft beteiligt war und die Anteile anschließend lediglich unmittelbar hält. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu im Anwendungsschreiben zu § 8c KStG vom 28.11.17 die Auffassung, ein schädlicher Beteiligungserwerb liege bei unmittelbarem Anteilserwerb auch dann vor, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse mittelbar nicht ändern. Demgegenüber erkennt die h. M. bei normzweckspezifischer Betrachtung keine für den Verlustuntergang maßgebliche Veränderung der Identität auf Anteilseignerebene, wenn die Beteiligung an der Verlustkörperschaft zwar unmittelbar im Wege der verschmelzungsbedingten Vermögensübertragung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft übergeht, aber mittelbar keine Veränderung der Beteiligungsstruktur stattfindet (vgl. Neumann in: R/H/N, KStG, § 8c Rn. 107; Lüdicke, DStR 15, 744, 747; auch FG Berlin-Brandenburg 18.10.11, 8 K 8311/10, DStRE 12, 1189, Rev. BFH I R 5/19 zur Abwärtsverschmelzung; a. A. BMF 28.11.17, a. a. O., Rn. 11; wohl auch Leibner/Dötsch in: D/P/M, KStG, § 8c Rn. 211). Mithin sei § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bei bloßer Verkürzung der Beteiligungskette teleologisch einzuschränken.

Aus Sicht der Praxis ist die Bedeutung der Einordnung als schädlicher Beteiligungserwerb seit der Einführung der Konzernklausel aus § 8c Abs. 1 S. 4 KStG weitestgehend in den Hintergrund gerückt. Denn regelmäßig dürften konzerninterne Aufwärtsverschmelzungen zumindest im Fall von 100%igen Beteiligungsstufen von der Konzernklausel erfasst werden und insoweit unschädlich sein (vgl. auch Neumann, a. a. O., § 8c Rn. 107).

3. Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns

3.1 Regelungsinhalt von § 22 UmwStG in Grundzügen

Wird ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gem. § 20 Abs. 1 und 2 UmwStG unter dem gemeinen Wert in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, sind die erhaltenen Anteile aus § 22 Abs. 1 UmwStG sperrfristbehaftet. Eine Veräußerung (oder die Verwirklichung eines Ersatzrealisationstatbestands) durch den Einbringenden innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt führt zur rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns I als Gewinn aus § 16 EStG.

Merke | Die siebenjährige Sperrfrist aus § 22 Abs. 1 UmwStG dient der Missbrauchsabwehr und suspendiert die missbräuchliche Ausnutzung einer steuerlichen Statusverbesserung zugunsten des Teileinkünfteverfahrens.

Im Fall der Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft im Zuge einer Sacheinlage nach § 20 UmwStG oder eines Anteilstauschs nach § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert sind die eingebrachten Anteile nach § 22 Abs. 2 UmwStG sperrfristbehaftet. Werden diese durch die übernehmende Gesellschaft innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert (oder ein Ersatzrealisationstatbestand verwirklicht), kommt es zur rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns II. § 22 Abs. 2 UmwStG ist gleichwohl nur anzuwenden, soweit der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile nicht bereits beim Einbringenden nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre.

Merke | § 22 Abs. 2 UmwStG dient ebenfalls der Missbrauchsvermeidung. Bei der vom Gesetzeszweck erfassten Statusverbesserung handelt es sich im Grunde um den zeitlichen Aufschub der Teileinkünftebesteuerung und mithin um einen Steuerstundungseffekt (vgl. auch Patt, a. a. O., § 22 Rn. 69).

Die Behandlung von Umwandlungen und Einbringungen als schädliche Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Sperrfristen ist äußerst umstritten. Die Finanzverwaltung ordnet Folgeumwandlungen und -einbringungen per se grundsätzlich unabhängig vom Wertansatz als Veräußerung der Anteile ein (BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rn. 00.02, 00.03, 22.07, 22.23). Diese Auffassung wird auch von der Rechtsprechung des I. BFH-Senats getragen (BFH 24.1.18, I R 48/15, BStBl II 19, 45; 18.11.20, I R 25/18, BStBl II 21, 732), während die h. M. (vgl. statt vieler Stangl in: R/H/vL, UmwStG, § 22 Rn. 140) richtigerweise normzweckmäßig darauf abstellt, ob sich eine steuerliche Statusverbesserung ergibt und insoweit eine Missbrauchssuspendierung angezeigt ist.

3.1.1 Das Urteil des BFH vom 24.1.18 – I R 48/15

Der BFH hatte im Verfahren I R 48/15 über die Behandlung der Aufwärtsverschmelzung als schädliche Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist aus § 22 Abs. 2 UmwStG und insoweit über die Besteuerung eines Einbringungsgewinns II zu entscheiden.

Sachverhalt
Streitbefangen war die Verschmelzung der erworbenen Gesellschaft (A-GmbH) auf die übernehmende Gesellschaft (T-GmbH), nachdem die beiden Kläger – zwei natürliche Personen – ihre Beteiligungen von jeweils 50 % im Zuge eines qualifizierten Anteilstausches gem. § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwStG gegen Ausgabe neuer Anteile zu Buchwerten eingebracht hatten. Steuerlich sind bei der Aufwärtsverschmelzung antragsmäßig ebenfalls die Buchwerte angesetzt worden.

Der erkennende Senat vertrat die Ansicht, dass die Aufwärtsverschmelzung als tauschähnlicher Vorgang der Veräußerung gleichgestellt sei, da das Vermögen der übertragenden Tochtergesellschaft im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf die Muttergesellschaft übergehe und im Gegenzug die von ihr gehaltenen Anteile an der Tochtergesellschaft untergehen. Mithin komme es gem. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG zur rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns II.

Beachten Sie | Das FG Hamburg (21.5.15, 2 K 12/13, EFG 15, 1876 Nr. 21) verneinte in der Vorinstanz noch die Qualifikation als Veräußerung, da die sperrfristbehafteten Anteile im Zuge der Aufwärtsverschmelzung untergehen und gerade nicht auf einen anderen Rechtsträger entgeltlich übertragen werden.

Mit Blick auf den Sinn und Zweck von § 22 Abs. 2 UmwStG ist der vorstehenden Entscheidung des BFH allerdings kritisch zu begegnen. Denn die Aufwärtsverschmelzung annulliert die durch den vorgelagerten Anteilstausch erlangte Statusverbesserung, da eine Veräußerung der eingebrachten Anteile an einen Dritten im Freistellungsverfahren nach § 8b Abs. 2 KStG endgültig nicht mehr möglich ist. Zu Recht ist nach überwiegender Meinung eine normzweckorientierte Auslegung von § 22 UmwStG angezeigt und die Aufwärtsverschmelzung teleologisch vom Veräußerungsbegriff auszunehmen (vgl. nur Stangl/Binder, DStR 18, 1793, 1798; Bilitewski in: H/M/B, UmwStG, § 22 Rn. 49; Stangl, a. a. O., § 22 Rn. 236 m. w. N.).

3.1.2 Das Urteil des FG Münster vom 19.5.20 – 13 K 571/16 G,F

Das FG Münster hatte im Urteil vom 19.5.20 darüber zu befinden, ob die Aufwärtsverschmelzung nach einer Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert als schädliche Veräußerung der erhaltenen Anteile i. S. v. § 22 Abs. 1 UmwStG einzuordnen ist.

Sachverhalt
Die Z-GmbH & Co. KG brachte einen Teilbetrieb nach § 20 Abs. 2 UmwStG zu Zwischenwerten in eine 100%ige Tochtergesellschaft (S-GmbH) ein. An der KG waren die Kläger – zwei natürliche Personen – zu jeweils 25 % und die Z-GmbH zu 50 % beteiligt. Innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist aus § 22 Abs. 1 UmwStG ist die Z-GmbH & Co. KG auf die Z-GmbH ohne Gewährung von Anteilen, d. h. ohne Kapitalerhöhung, verschmolzen worden.

Das FG Münster erkannte in der Verschmelzung einen tauschähnlichen Vorgang, welcher einer Veräußerung gleichzustellen sei. Mithin verletze die Aufwärtsverschmelzung als Veräußerung der erhaltenen Anteile an der S-GmbH die Sperrfrist aus § 22 Abs. 1 UmwStG. Maßgeblich stützte das Instanzgericht diesen Befund auf die Entscheidung des I. Senats des BFH vom 24.1.18. Unerheblich sei hierbei, ob der übertragende Rechtsträger eine Personen- oder Kapitalgesellschaft ist. Das Urteil ist rechtskräftig, da die Revision zwar zugelassen, aber nicht eingelegt worden ist.

Kritik

Nach hier vertretener Auffassung (vgl. bereits Jordan, StuB 24, S. 742, 745) entbehrt die Entscheidungsbegründung einer hinreichenden und durchaus erforderlich gewesenen Auseinandersetzung mit der rechtsformabhängigen Einordnung der Verschmelzung aus umwandlungssteuerlicher Sicht. Bei gezielter Betrachtung lag sowohl eine Seitwärtsverschmelzung (aus Sicht der beiden Kläger) als auch eine Aufwärtsverschmelzung (im Verhältnis zur Z-GmbH) vor. Die Seitwärtsverschmelzung erfüllt mangels Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Anteile nicht den Tatbestand des § 20 UmwStG. Mithin ist der Ausnahmetatbestand aus § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG nicht anwendbar. Allerdings liegt eine unentgeltliche Übertragung auf eine Körperschaft gem. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG vor! Demgegenüber hätte die (Aufwärts-)Verschmelzung unter Anwendung der Anwachsungsgrundsätze unschädlich bleiben müssen, da die übernehmende Z-GmbH insoweit bereits mittelbar über die Z-GmbH & Co. KG an der S-GmbH beteiligt gewesen ist.

3.2 Implikationen für die Beratungspraxis

Nach alledem zeichnet sich eine äußerst restriktive Haltung der Finanzverwaltung und Rechtsprechung zur Einordnung von Umwandlungsmaßnahmen als Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist aus § 22 UmwStG ab. Dies gilt zugleich für die Aufwärtsverschmelzung, bei welcher der Untergang der Beteiligung am übertragenden Rechtsträger als Gegenleistung für die verschmelzungsbedingte Vermögensübernahme gesehen wird. Trotz teleologischer Bedenken ist einer Up-Stream-Verschmelzung vor diesem Hintergrund mit erhöhter Vorsicht zu begegnen und insoweit ein Sperrfristverstoß nach § 22 UmwStG anzunehmen. Im Einzelfall ist im Zweifel über einen (gebührenpflichtigen) Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nachzudenken.

4. Auswirkungen in Organschaftsfällen

4.1 Fragestellung

In Konzernstrukturen kann sich die Aufwärtsverschmelzung auf den Fortbestand einer ertragsteuerlichen Organschaft auswirken. Hierbei sind ein bestehender Gewinnabführungsvertrag sowie die finanzielle Eingliederung betroffen. Die Konsequenzen sind davon abhängig, ob der Organträger oder die Organgesellschaft umgewandelt wird.

4.2 Aufwärtsverschmelzung des Organträgers

Wird der Organträger als übertragender Rechtsträger verschmolzen, tritt die übernehmende Gesellschaft aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge in den bestehenden Gewinnabführungsvertrag ein. Nach h. M. kann die Organgesellschaft gesellschaftsrechtlich den Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn der übernehmende Rechtsträger gem. § 297 Abs. 1 S. 2 AktG voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Verpflichtungen aus dem bestehenden Gewinnabführungsvertrag zu erfüllen (vgl. Herlinghaus in: R/H/vL, UmwStG, Anhang 4 Rn. 20 m. w. N.).

Steuerrechtlich liegt in diesem Fall ein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG vor (vgl. BMF 11.11.11, a. a. O., Rn. Org. 12; R 14.5 Abs. 6 S. 2 KStR; Dötsch in: D/P/M, UmwStG, Anhang 1 Rn. 11 m. w. N.). Mit Blick auf die Zurechnung der finanziellen Eingliederung beim übernehmenden Rechtsträger verlangt die Finanzverwaltung grundsätzlich, dass die Organbeteiligung im Zuge einer Umwandlung mit steuerlicher Rechtsnachfolge und steuerlicher Rückwirkung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft übergeht (vgl. BMF. 11.11.11, a. a. O., Rn. Org. 02).

Praxistipp | Nach Auffassung des BFH (11.7.23, I R 21/20, BFH/NV 24, 127 Nr. 1; 11.7.23, I R 36/20, BFH/NV 24, 133 Nr. 1; 11.7.23, I R 45/20, BFH/NV 24 139 Nr. 1) komme es für die Fortsetzung der finanziellen Eingliederung ausschließlich auf die steuerliche Rechtsnachfolge an (Fußstapfentheorie).

Bei einer Aufwärtsverschmelzung ist demgegenüber regelmäßig bereits eine mittelbare finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den übernehmenden Rechtsträger gegeben. Diese geht lediglich in eine unmittelbare finanzielle Eingliederung über, sodass die Organschaft nahtlos fortbestehen kann (vgl. Dötsch, a. a. O., Anh. 1 Rn. 28, Stand 6/22).

GStB-Grafik_Aufwärtsverschmelzung_4_Jordan.eps (© IWW Institut)
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4.3 Aufwärtsverschmelzung der Organgesellschaft auf den Organträger

Aufgrund einer Verschmelzung der Organgesellschaft auf den Organträger geht die finanzielle Eingliederung unter und der Gewinnabführungsvertrag wird durch Konfusion beendet. Damit endet das Organschaftsverhältnis zwingend. Die Verschmelzung stellt auch in diesem Fall einen wichtigen Grund für die vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG dar (vgl. BMF 11.11.11, a. a. O., Rn. Org. 26; R 14.5 Abs. 6 S. 2 KStR; Dötsch, a. a. O., Anhang 1 Rn. 14 m. w. N.).

5. Begründung von jungem Verwaltungsvermögen

5.1 Behandlung von jungem Verwaltungsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG)

Bei begünstigtem Vermögen i. S. v. § 13b Abs. 2 ErbStG sind die Verschonungsregelungen aus § 13a ErbStG anzuwenden.

Übersicht / Begünstigungsfähiges Vermögen

  • 1. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen
  • 2. Betriebsvermögen eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs und Anteile am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft
  • 3. Anteile von unmittelbar mehr als 25 % an einer Kapitalgesellschaft

Nach 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG ist das begünstigungsfähige Vermögen begünstigt, soweit sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens übersteigt. Junges Verwaltungsvermögen (= Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als zwei Jahre zuzurechnen war) ist gem. § 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG stets begünstigungsschädlich.

Junges Verwaltungsvermögen ist im Gegensatz zu jungen Finanzmitteln i. S. v. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG tatbestandlich nicht auf Einlagen von außen beschränkt. Demnach liegt junges Verwaltungsvermögen auch dann vor, wenn solches innerhalb des Zweijahreszeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist (vgl. R E 13b. 27 S. 2 ErbStR; kritisch z. B. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 68. Aufl. 2024, § 13b Rn. 391 m. w. N.).

Beachten Sie | Nach Verwaltungsmeinung (vgl. R E 13b.27 S. 2 ErbStR; OFD Frankfurt a. M. 20.10.20, DStR 20, 2791, Zu 1.1) und Auffassung des BFH (22.1.20, II R 8/18, BStBl II 20, 567; II R 21/18, BFH/NV 20, 1071 Nr. 11; II R 41/18, BStBl II 20, 577) entsteht junges Verwaltungsvermögen dem Grunde nach auch im Zuge eines Aktivtausches, bei dem der Erlös aus der Veräußerung von „altem“ Verwaltungsvermögen innerhalb derselben Gattung zum Erwerb von anderem Verwaltungsvermögen eingesetzt wird. Zugleich können Umwandlungen und konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen zur Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen führen.

5.2 Urteil des BFH vom 22.1.20, II R 41/18 zu jungem Verwaltungsvermögen durch Aufwärtsverschmelzung

Im Urteil vom 22.1.20 vertrat der II. Senat des BFH die Auffassung, dass der Vermögensübergang im Zuge einer Aufwärtsverschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft zur Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen führt. Im Streitfall sind ein Jahr vor dem Erwerb eines Kommanditanteils durch Vermächtnis Fondsanteile und Grundbesitz (= Verwaltungsvermögen) von einer Tochter-GmbH durch Verschmelzung zur Aufnahme auf eine KG übertragen worden. Nach wirtschaftsgut- und gesellschaftsbezogener – und damit entgegen einer gruppenbezogenen – Betrachtung liege junges Verwaltungsvermögen vor, weil die Fondsanteile und der Grundbesitz weniger als zwei Jahre vor dem Stichtag zum Betriebsvermögen der übernehmenden KG gehörten. Eine Anrechnung der bis zum Zeitpunkt der Verschmelzung abgelaufenen Zurechnungszeit der Tochter-GmbH komme hingegen nicht in Betracht, da sich aus § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG keine überschießende Anwendung im Rahmen von §§ 13a, 13b ErbStG ergebe. Im Ergebnis stelle die Aufwärtsverschmelzung einen begünstigungsschädlichen Aktivtausch dar, bei welchem die Beteiligung an der Tochtergesellschaft im Gegenzug für die Vermögensübernahme untergehe.

Beachten Sie | Der II. Senat des BFH entschied im Urteil II R 41/18 zu einem Streitfall im Jahr 2007 und mithin zu § 13b ErbStG a. F. Aufgrund der Regelungen zur Verbundvermögensaufstellung dürfte die Tragweite dieser Judikatur mithin fraglich erscheinen (eine gruppenbezogene Betrachtung vertretend z. B. Bron/Grosse, ZEV 20, 456, 460; Lorenz/Claussen, ZEV 20, 577, 581; a. A. R E 13b.29 Abs. 4 S. 1 ErbStR).

5.3 Gleichlautende Ländererlasse vom 13.10.22 zu jungem Verwaltungsvermögen bei Umwandlungsvorgängen

Die Finanzverwaltung äußert sich in den gleichlautenden Ländererlassen vom 13.10.22 (S 3812b, BStBl I 22, 1517) zur Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen im Zuge von Umwandlungsvorgängen. Maßgeblich sei die betriebsbezogene Zuordnung des Wirtschaftsgutes. Ein über die Einordnung von jungem Verwaltungsvermögen entscheidender Rechtsträgerwechsel könne sich ebenso aufgrund einer Umwandlung ergeben. Hinsichtlich der Aufwärtsverschmelzung übernimmt die Finanzverwaltung die Judikatur des II. Senats aus der Entscheidung II R 41/18. Als Aktivtausch wirke sich die „Up-Stream-Verschmelzung“ innerhalb des Zweijahreszeitraums bei der übernehmenden Gesellschaft ohne Anrechnung der Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers als Zuführung von jungem Verwaltungsvermögen aus.

Beachten Sie | Nach Verwaltungsauffassung gelten diese Grundsätze auch für weitere Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge!

5.4 Praxisauswirkung

Aus Sicht der Umstrukturierungspraxis impliziert die betriebs- und wirtschaftsgutbezogene Betrachtung des II. Senats und der gleichlautenden Verwaltungsmeinung erhöhte Vor- und Weitsicht, wenn Umstrukturierungen innerhalb des Zweijahreszeitraums vor einem erbschaft- bzw. schenkungsteuerbaren Erwerb von begünstigungsfähigem Vermögen vollzogen werden. Dies gilt zuvorderst für die Aufwärtsverschmelzung. Sind unentgeltliche Übertragungen planbar, dürfte der Vollzug einer Umwandlungsmaßnahme zeitlich nachgelagert werden, um junges Verwaltungsvermögen zu vermeiden. Mit Blick auf die Nachsteuertatbestände i. S. v. § 13a Abs. 6 ErbStG sind Folgeumwandlungen meist unschädlich.

6. Grunderwerbsteuerliche Implikationen

Die Aufwärtsverschmelzung wirkt sich grunderwerbsteuerlich sowohl bei unmittelbarem als auch bei mittelbarem Grundbesitz, d. h. bei Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers an einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft, aus. Gehört zum Vermögen der zu verschmelzenden Tochtergesellschaft selbst inländischer Grundbesitz, ist die Aufwärtsverschmelzung aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar.

Ist die übertragende Tochtergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt, kann sich durch die Aufwärtsverschmelzung eine Verkürzung der Beteiligungskette mit Relevanz im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG ergeben (insbesondere mit Blick auf die Altgesellschaftereigenschaft, vgl. dazu Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 10.5.22, BStBl I 22, 801; 10.5.22, BStBl  I 22, 821; so auch Meßbacher-Hönsch in: Viskorf, GrEStG, 21. Aufl. 2024, § 1 Rn. 879 ff.).

Führt die durch eine Aufwärtsverschmelzung induzierte Verkürzung der Beteiligungskette zu einer unmittelbaren Anteilsvereinigung, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 sowie Nr. 3 und 4 GrEStG nach h. M. nicht verwirklicht, wenn die Anteile an der grundbesitzenden Enkelgesellschaft bereits bei der übernehmenden Muttergesellschaft mittelbar vereinigt waren (= Wechsel von einer mittelbaren zur unmittelbaren Anteilsvereinigung, d. h. Anteilsverstärkung, vgl. auch Joisten in: Pahlke, GrEStG, 7. Aufl. 2023, § 1 Rn. 428 m. w. N.).

Bei Verwirklichung eines steuerbaren Tatbestands bedarf es einer Prüfung von § 6a GrEStG. Hierzu sind insbesondere die Bestimmung des herrschenden Unternehmens sowie die Regelungen zur Nachbehaltensfrist relevant. Die Nachbehaltensfrist ist unbeachtlich, wenn deren Einhaltung rechtlich – wie im Fall der Aufwärtsverschmelzung – nicht möglich ist (vgl. BFH 21.8.19, II R 20/19, BStBl II 20, 341; Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 25.5.23; BStBl I 23, 995 zu 3.2.2.2.; siehe auch Beitler / Bücher, GStB 24, 380 ff.).

Fazit | Die Aufwärtsverschmelzung ist insbesondere bei Änderungen bestehender Unternehmens- und Konzernstrukturen durch Verkürzung von Beteiligungsketten relevant. Nach den Vorschriften des UmwStG kann der „Up-Stream-Merger“ als solcher antragsmäßig ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden, obschon er als tauschähnlicher Vorgang einer Veräußerung gleichzustellen ist. Indes ergeben sich aufgrund ebendieser Einordnung bisweilen für die Praxis bedeutsame Auswirkungen auf nachgelagerte steuerliche Themenfelder. Mithin verlangt der Vollzug einer Aufwärtsverschmelzung – wie auch andere Umstrukturierungen – eine sorgfältige Vorbereitungsphase, um sämtliche steuerliche Risikofelder zu identifizieren und hinreichend berücksichtigen zu können. Im Einzelfall ist im Zweifel über einen (gebührenpflichtigen) Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nachzudenken.

AUSGABE: GStB 12/2024, S. 449 · ID: 50209102

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