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KapitalgesellschaftsanteileRechtsfolgen bei der Ablösung eines Nießbrauchs an Gesellschaftsanteilen

Abo-Inhalt25.11.20246 Min. LesedauerVon StB Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

| Überträgt ein Gesellschafter seinen GmbH-Anteil unter Vorbehalt des Nießbrauchs an einen Abkömmling, erzielt fortan der neue Anteilseigner Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG. Denn Anteilseigner ist nach § 20 Abs. 5 S. 2 EStG derjenige, dem die Anteile nach § 39 AO im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Dies gilt zumindest dann, wenn dem Nießbrauchsberechtigten lediglich ein Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil zusteht, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (BFH 14.2.22, VIII R 29/18, BStBl II 22, 544). Doch was ist, wenn ein solcher vorbehaltener Nießbrauch später durch den Anteilseigener entgeltlich abgelöst wird. Mit dieser Problematik hat sich aktuell das FG Köln (29.2.24, 7 K 95/23, Rev. BFH IX R 14/24) beschäftigt. |

Merke | Die Einkünftezurechnung beim Nießbraucher erfolgt nur dann, wenn er – z. B. durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht – eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt (BFH 18.11.14, IX R 49/13, BStBl II 15, 224).

1. Sachverhalt

Im Streitfall hatte die Anteilseignerin einer GmbH ihre Geschäftsanteile unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf Lebenszeit auf ihre beiden Töchter übertragen. Obwohl die oben dargestellten Voraussetzungen für eine Besteuerung der Kapitalerträge bei der Nießbraucherin mangels Dispositionsbefugnis nicht vorlagen, erfasste das FA die Kapitalerträge bei der Nießbraucherin und nicht bei den neuen Anteilseignerinnen. Da die Anteilseignerinnen nachfolgend die Absicht hatten, ihre Anteile lastenfrei zu verkaufen, lösten sie das zugunsten der Mutter bestehende Nießbrauchsrecht gegen Zahlung von Ablösesummen ab. Das FA erfasste die Ablösebeträge bei der Nießbraucherin als Einkünfte gem. § 24 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

2. Entscheidungsgründe

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt und entschied, dass die Ablösesummen von keinem Einkünftetatbestand erfasst werden.

2.1 Keine Einkünfte i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 EStG

Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Eine Gegenleistung für den Verzicht auf einen Vorbehaltsnießbrauch an einer Kapitalbeteiligung ist nach der Rechtsprechung des BFH jedoch keine Entschädigung für entgehende Einnahmen i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG (BFH 25.11.92, X R 34/89, BStBl II 96, 663).

Außerdem liegt nur dann eine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vor, wenn die Zahlung im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einkünften steht. Denn § 24 EStG schafft keine Einkunftsquelle, sondern setzt das Vorhandensein einer Einkunftsquelle voraus. Dies war im Streitfall jedoch nicht gegeben, da die Dividendenansprüche, an denen zugunsten der Mutter ein Nießbrauch bestanden hatte, für sie keine Einkunftsquelle dargestellt hatten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das FA die Einkünfte fälschlicherweise bei der Nießbraucherin und nicht bei den Anteilseignerinnen erfasst hatte.

2.2 Keine Einkünfte i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG

Zu den Einkünften i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG gehören Entschädigungen, die gewährt werden für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche. Als Gewinnbeteiligung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG kommen jedoch lediglich gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in Betracht (BFH 10.10.01, XI R 50/99, BStBl II 02, 347). Diese Voraussetzung ist bei einem Nießbrauch an einem Kapitalgesellschaftsanteil, der sich letztlich auf die Auskehrung der Dividendenansprüche beschränkt, nicht erfüllt.

2.3 Keine Einkünfte nach § 17 EStG

Die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i. S. v. § 17 EStG unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i. S. v. § 17 Abs. 1 EStG (BFH 14.5.05, VIII R 14/04, BStBl II 06, 15). Entsprechend liegt auch keine Anteilsveräußerung vor, wenn das Nießbrauchsrecht später abgelöst wird und der Nießbraucher für seinen Verzicht eine Abstandszahlung erhält, sofern der Verzicht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht.

Auch kam es im Streitfall durch die Ablösung des Nießbrauchs nicht zu einem auf die Anteilsübertragung rückwirkenden Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen würden, dass die Ablösung des Nießbrauchsrechts der zweite Schritt eines von Anfang an geplanten Veräußerungsgeschäfts gewesen sei, bei dem der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in diesem Rechtsgeschäft angelegt gewesen wäre. Ein derartiger Zusammenhang war im Streitfall jedoch nicht erkennbar.

2.4 Keine Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG

Die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts bzw. der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht führt nicht zu steuerbaren Einkünften i. S. v. § 23 EStG. Derartige veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen es an dem für eine Veräußerung erforderlichen Rechtsträgerwechsel fehlt, werden von § 23 EStG nicht erfasst. Denn bei der Ablösung eines Nießbrauchsrechts fehlt es an dem für die Besteuerung nach § 23 EStG erforderlichen Rechtsträgerwechsel (so aktuell auch FG Münster 12.12.23, 6 K 2489/22 E).

2.5 Keine Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG

Unter § 22 Nr. 3 EStG fällt jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird. Ausgenommen sind jedoch Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird. Der Vertrag über den Verzicht auf ein Nutzungsrecht begründet kein nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbares Nutzungsverhältnis, weil dieser Rechtsvorgang als veräußerungsähnlicher Vorgang dem Normalbild einer (entgeltlichen) Vermögensumschichtung entspricht.

3. Relevanz für die Praxis

Das FG hat die Revision zugelassen, die das FA auch eingelegt hat und die beim BFH unter IX R 14/24 anhängig ist. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher entsprechende Steuerbescheide im Einspruchswege offenhalten und auf die gesetzliche Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 S. 1 EStG hinweisen.

Die vom BFH jetzt zu entscheidende Rechtsfrage ist – soweit ersichtlich – bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen. Im Rahmen der Revisionszulassung hat das FG auf zwei Entscheidungen hingewiesen, die für den Streitfall und damit für das Revisionsverfahren von Bedeutung sein werden:

  • In seiner Entscheidung vom 18.11.14 (IX R 49/13, BStBl II 15, 224) hat der BFH offengelassen, ob die Ablösezahlung beim Nießbrauchsberechtigten als Entschädigung für entgangene Dividendenansprüche nach § 24 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 20 Abs. 2a S. 3 EStG oder nach § 24 Nr. 2, § 17 Abs. 2 EStG steuerbar ist.
  • Zudem ist beim BFH unter IX R 4/24 ein Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Münster vom 12.12.23 (6 K 2489/22 E) zu der Frage anhängig, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts oder der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht zu steuerbaren Einkünften i. S. v. § 23 EStG führt, was das FG mangels Rechtsträgerwechsel verneint hat.

Sowohl die vorgenannte BFH-Entscheidung vom 18.11.14, das anhängige Revisionsverfahren zur Entscheidung des FG Münster (IX R 4/24) als auch das jetzt anhängig gewordene Revisionsverfahren IX R 14/24 gegen die Entscheidung des FG Köln betreffen allesamt den IX. Senat des BFH, dessen Entscheidung man nun gespannt entgegensehen darf.

AUSGABE: GStB 12/2024, S. 440 · ID: 50207563

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