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GesetzgebungJahressteuergesetz 2024: Sperrfristverstoß bei steuerneutraler Weitereinbringung

Abo-Inhalt01.07.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH), Thomas Rennar, Hannover

| Gerade bei M&A-Transaktionen und gruppeninternen Umstrukturierungsvorhaben spielen nicht nur Veräußerungsvorgänge eine zentrale Rolle, sondern auch Sacheinlagen oder ein etwaiger Anteilstausch als gängige Gestaltungsoptionen. Um eine Steuerneutralität der Umstrukturierung zu erhalten, sind innerhalb einer siebenjährigen Sperrfrist regelmäßig schädliche Nachbesteuerungsakte zu vermeiden. Sofern der Einbringende seine Beteiligung an der erwerbenden Gesellschaft zuvor veräußert, kommt es grds. nicht zu einer rückwirkenden Besteuerung des sog. Einbringungsgewinns II. Ob auch eine Weitereinbringung der erhaltenen Anteile ohne Aufdeckung stiller Reserven hierunter fällt, hat der Gesetzgeber im nunmehr als Regierungsentwurf vom 4.6.24 vorliegenden JStG 2024 definiert. |

1. Zum Hintergrund

In den Fällen des Anteilstauschs sowie in den Fällen der Sacheinlage unter Miteinbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften führt die Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft zur Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG. Infolgedessen ist ein Einbringungsgewinn II zu versteuern, soweit die eingebrachten Anteile im Zeitpunkt der Einbringung nicht nach § 8b Abs. 2 KStG hätten steuerfrei veräußert werden können. In den Fällen der Sacheinlage gelten die erhaltenen Anteile als Anteile i. S. d. § 22 Abs. 1 UmwStG und in den Fällen des Anteilstauschs als Anteile i. S. d. § 22 Abs. 2 UmwStG (sog. sperrfristbehaftete Anteile).

Die Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile sowie die nach § 22 Abs. 1 S. 6 und Abs. 2 S. 6 UmwStG der Veräußerung gleichgestellten Ersatzrealisationstatbestände lösen insoweit die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I oder II beim Einbringenden im Einbringungszeitpunkt aus. Dies gilt auch in den Fällen der unentgeltlichen Rechtsnachfolge (§ 22 Abs. 6 UmwStG) und bei der Mitverstrickung von Anteilen (§ 22 Abs. 7 UmwStG). Die Veräußerung der Anteile und die gleichgestellten Tatbestände gelten dabei im Hinblick auf die Steuerbescheide des Einbringenden für das Einbringungsjahr als rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

Im Fall der Veräußerung eingebrachter Anteile durch die übernehmende Gesellschaft oder der Verwirklichung eines nach § 22 Abs. 2 S. 6 i. V. m. Abs. 1 S. 6 UmwStG der Veräußerung gleichgestellten Ersatzrealisationstatbestands innerhalb der Sperrfrist ist beim Einbringenden rückwirkend auf den Einbringungszeitpunkt der Einbringungsgewinn II als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen (z. B. nach §§ 13, 15, 16, 17 und 18 i. V. m. § 3 Nr. 40 sowie §§ 20, 32d Abs. 1 EStG, § 8b KStG) zu versteuern. Dies gilt nur insoweit, als beim Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Einbringende eine natürliche Person oder ein Kreditinstitut oder ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen in der Rechtsform einer Körperschaft ist, bei der die Steuerbefreiung hinsichtlich der eingebrachten Anteile nach § 8b Abs. 7 oder 8 KStG ausgeschlossen ist (BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314).

Merke | Der Begriff der schädlichen „Veräußerung“ ist im UmwStG bisher nicht definiert. Nach allgemeiner und m. E. richtiger Auffassung ist unter dem Begriff jede Übertragung der erhaltenen Anteile gegen Entgelt zu verstehen (vgl. BFH 24.1.18, I R 48/15, BFH/NV 18, 921). Die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den erhaltenen Anteilen ist hingegen nicht erforderlich, vielmehr genügt die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums. Eine Übertragung der erhaltenen Anteile im Wege einer Umwandlung, wie z. B. Verschmelzung, Auf-, Abspaltung oder Formwechsel, oder eine Einbringung – z. B. in Form einer Ausgliederung – kann insoweit als „Veräußerung“ zu qualifizieren sein (vgl. FG Hamburg 21.5.15, 2 K 12/13; OFD Niedersachsen 22.8.14, S 1978c - 136 - St 243; BeckOK, UmwStG, § 22 Rn. 473 f., m. w. N.).

2. Gesetzgeber schafft Klarheit zur Sperrfristverhaftung bei einer Weitereinbringung

Bei der eingangs angesprochenen Ergänzung im Regierungsentwurf zum JStG 2024 handelt sich um eine klarstellende Formulierung der gesetzgeberischen Intention. § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG regelt insoweit eine Ausnahme von der Besteuerung des sog. Einbringungsgewinns II, wenn zwar unter dem gemeinen Wert (mit-)eingebrachte Anteile durch die übernehmende Gesellschaft innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert werden, aber der Einbringende die erhaltenen Anteile bereits vor dem schädlichen Ereignis veräußert hat.

Auch Umwandlungen und Einbringungen stellen zwar grundsätzlich Veräußerungsvorgänge dar. Es ergibt sich jedoch in systematischer und teleologischer Auslegung von § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG eindeutig, dass nur Veräußerungen unter Aufdeckung der stillen Reserven unter den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen sollen. Mit dem SEStEG war die Besteuerung des Einbringungsgewinns II nicht vorgesehen, wenn der Einbringungsgewinn durch die Wertverknüpfung bereits als Veräußerungsgewinn der erhaltenen Anteile besteuert wurde. Dieses ist insbesondere bei einer Veräußerung durch eine Weitereinbringung der eingebrachten Anteile nur der Fall, soweit dieser Vorgang zum gemeinen Wert vollzogen wurde. Mit der vorliegenden Ergänzung wird die gesetzgeberische Intention somit nochmals klar zum Ausdruck gebracht (vgl. RegE zum JStG 2024).

Beispiel
Der in Deutschland ansässige X bringt sein inländisches Einzelunternehmen im Jahr 01 zum Buchwert in die österreichische A-GmbH gegen Gewährung von Anteilen ein. Im Jahr 03 bringt er die sperrfristbehafteten Anteile an der A-GmbH im Wege des Anteilstauschs gegen Gewährung von Anteilen auf Antrag zum Buchwert in die französische F-SA ein.
Lösung: Die Einbringung des Einzelunternehmens zum Buchwert in die österreichische A-GmbH ist nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG möglich, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Weitereinbringung der sperrfristbehafteten Anteile an der A-GmbH im Jahr 03 im Wege des Anteilstausches in die F-SA stellt grds. einen die rückwirkende Einbringungsgewinnbesteuerung auslösenden Veräußerungsvorgang dar (§ 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Da die Weitereinbringung auf Antrag nach § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG zum Buchwert erfolgt, ist diese jedoch bisher nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 unschädlich. Eine rückwirkende Einbringungsgewinnbesteuerung der Sacheinlage im Jahr 01 wurde somit zumindest bisher durch die grenzüberschreitende Weitereinbringung der sperrfristbehafteten Anteile nicht ausgelöst.

Beachten Sie | Dieses bisherige Besteuerungsbeispiel der Finanzverwaltung (siehe BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314, Rn. 22.22) zur Sperrfristverhaftung bei steuerneutraler Weitereinbringung zu Buchwerten dürfte mit den durch das JStG 2024 beabsichtigten Neuerungen somit zukünftig nur noch gelten, sofern die stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen vollständig aufgedeckt werden. Somit liegt nach der beabsichtigten Klarstellung durch das JStG 2024 zukünftig in solchen Fällen regelmäßig ein Sperrfristverstoß vor.

Fazit | Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dem Regierungsentwurf (RegE) des JStG 2024, die bisherigen, umwandlungssteuerlichen Implikationen zur Sperrfristverhaftung des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG bei steuerneutraler Weitereinbringung zu konkretisieren. Hatte der Einbringende die erhaltenen Anteile insoweit bereits ganz oder teilweise veräußert, kam es insoweit nicht zur rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung (§ 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG a. F.). Dies galt auch, soweit aufgrund eines Vorgangs i. S. v. § 6 AStG die erhaltenen Anteile der Wegzugsbesteuerung zu unterwerfen waren, wenn und soweit die Steuer nicht gestundet wurde. Nunmehr soll ausdrücklich festgeschrieben werden, dass die Rückausnahme des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG-E zur Besteuerung des Einbringungsgewinns II bei Weitereinbringung künftig nur noch greift, wenn die stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen vollständig aufgedeckt werden. Nach § 27 Abs. 23 UmwStG-E soll die Änderung in § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG-E erstmals auf Einbringungen anzuwenden sein, wenn in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge der Umwandlungsbeschluss nach dem 31.12.23 erfolgt ist oder in den anderen Fällen der Einbringungsvertrag nach dem 31.12.23 geschlossen wurde. Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bleibt insoweit mit Spannung zu beobachten.

AUSGABE: GStB 7/2024, S. 238 · ID: 50059734

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