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GesetzgebungSteuerbefreiung von Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG und Gestaltungsmöglichkeiten
| Seit dem Jahressteuergesetz 2022 (BGBl I 22, 2294) ist mit § 3 Nr. 72 EStG eine neue Steuerbefreiungsvorschrift in der Welt. Danach sind bestimmte Photovoltaikanlagen von der Ertragsbesteuerung ausgenommen. Die Neuregelung gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für Mitunternehmerschaften – und über § 8 Abs. 1 S. 1 KStG auch für Körperschaften. Die neue Vorschrift macht es möglich, durch entsprechende Gestaltungen in den Genuss der Steuerbefreiung zu gelangen. Die Praxis zeigt allerdings auch, dass sich unerwünschte Rechtsfolgen ergeben können, wenn wir einen Fall des § 3 Nr. 72 EStG haben. Insbesondere im Zusammenhang mit § 7g EStG und § 3c EStG ergeben sich Fragen, die noch nicht endgültig geklärt sind. |
1. Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG und Gestaltungsmöglichkeiten
Zweck der Neuregelung ist in erster Linie, die Betreiber von Photovoltaikanlagen im Privatbereich von steuerlichen Pflichten zu entlasten und den Betrieb solcher Anlagen zu erleichtern. Dies wird daran deutlich, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG im Zusammenhang mit der Nullbesteuerung für die Lieferung und Installation einer Photovoltaikanlage gem. § 12 Abs. 3 UStG n. F. steht. In der Vergangenheit war es für den Betreiber einer kleinen Photovoltaikanlage zur Optimierung der steuerlichen Behandlung noch erforderlich, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, um die Vorsteuer aus der Investition zu erlangen. Mit der Neuregelung ist ein solcher Verzicht überflüssig und zudem die einkommensteuerliche Erfassung der Gewinne aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage abgeschafft worden.
1.1 Gesetzliche Regelungen
Die Neuregelung gilt rückwirkend bereits ab dem VZ 2022 (Art. 43 Abs. 1 JStG 2022). Sie ist daher für Einnahmen und Entnahmen anzuwenden, die nach dem 31.12.21 erzielt oder getätigt werden (§ 52 Abs. 4 EStG). Da die Rückwirkung steuerlich grundsätzlich von Vorteil ist (abgesehen von Fragen, die einen bereits geltend gemachten IAB betreffen, siehe unter 2.7), bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Probleme. Von der Besteuerung befreit werden soll die Besteuerung von Einnahmen und Entnahmen aus mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen kleinerer Photovoltaikanlagen. § 3 Nr. 72 EStG unterscheidet zwischen der Steuerbefreiung von Photovoltaikanlagen bei Einfamilienhäusern bzw. nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z. B. Gewerbeimmobilien mit einer Einheit, Garagengrundstücke, § 3 Nr. 72 S. 1 Buchst. a EStG) und bei sonstigen Gebäuden (§ 3 Nr. 72 S. 1 Buchst. b EStG).
In der Fallgruppe a) werden Photovoltaikanlagen mit einer installierten Gesamtbruttoleistung lt. Marktstammdatenregister bis max. 30 Kilowatt-Peak (kWp) steuerfrei gestellt. Bei Fallgruppe b) werden Anlagen begünstigt, wenn die Leistung je Wohn- oder Gewerbeeinheit 15 kWp nicht überschreitet. Begünstigt sind auch dachintegrierte und Fassadenphotovoltaikanlagen (BMF 17.7.23, BStBl I 23, 1494, Rz. 3). Nachdem im Gesetzgebungsverfahren bei Fallgruppe b) noch vorgesehen war, dass es sich um „überwiegend zu Wohnzwecken genutzte“ Gebäude handeln musste, hat man im Finanzausschuss diese Einschränkung gestrichen. Damit sind auch Photovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden begünstigt.
Merke | Diese sachlich bestimmte Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen in den Buchstaben a und b ist – und dies ist für die Praxis von großer Bedeutung – personenbezogen zu bestimmen. Nach § 3 Nr. 72 S. 1 Hs. 2 EStG darf die Gesamtrechnung 100 kWp pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft nicht übersteigen. Die Personenbezogenheit ist nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 72 S. 1 Hs. 2 EStG zu entnehmen. Gleichwohl geht die Verwaltung davon aus. Dies ergibt sich aus der in Rz. 12 und 13 dargelegten Prüfung in zwei Schritten, nämlich der objektbezogenen und der subjektbezogenen Prüfung. |
1.2 Beispiele und Gestaltungsmöglichkeiten
Die im BMF-Schreiben vom 17.7.23 enthaltenen Beispiele verdeutlichen nicht gerade, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Insbesondere Ehegatten, eingetragene Lebenspartnerschaften und sonstige eng verbundene Gemeinschaften können durch geschickte Gestaltungen steuerfreie Einnahmen erzielen. Dies machen folgende Beispiele deutlich.
Beispiele: Objekte mit einer Einheit |
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Beachten Sie | Im Beispiel 3 könnten A und B auf der gewerblichen Immobilie jeweils eine Anlage mit maximal 30 kWp betreiben. Damit wäre objektbezogen die Grenze eingehalten (30 kWp bei einem Einfamilienhaus und einer Gewerbeimmobilie) und subjektbezogen auch (25 + 25 + 30 = 80 kWp unter 100 kWp). Die Mitunternehmerschaft aus A und B könnte dann noch eine Anlage mit maximal 30 kWp betreiben. A und B könnten m. E. auch eine weitere Mitunternehmerschaft gründen, um die restlichen 30 kWp abzudecken. Dieses Vorgehen darf allerdings keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO darstellen. Ein solcher wäre m. E. zu verneinen, wenn z. B. eine dritte Person Mitgesellschafter wird.
Beispiele: Objekte mit mehreren Einheiten |
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Beachten Sie | Im Beispiel 6 zeigt sich, dass die Steuerpflichtigen durch eine entsprechende Gestaltung den steuerlichen Vorteil des § 3 Nr. 72 EStG erreichen können. Die Beispiele 1 bis 6 lassen sich auch kombinieren, sodass individuell angepasste Gestaltungen möglich sind. Zu beachten bleibt aber das Damoklesschwert des Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO (s. oben).
1.3 Die subjektbezogene Grenze von 100 kWp
Sollte durch eine Anlage von mehreren i. S. d. § 3 Nr. 72 S. 1 EStG oder durch eine Einzelanlage die Grenze von 100 kWp überschritten werden, so folgt aus der (Gesamt-)Rechnung, dass alle Anlagen vollumfänglich nicht nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind (BMF 17.7.23, BStBl I 23, 1494, Rz. 17; Dorn/Isinger, DB 23, 1830; a. A. Schiffers/Seifert, DStZ 23, 122). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut. Zwar ist die Formulierung „insgesamt höchstens“ für eine Auslegung in die eine oder andere Richtung offen. Eine Regelung im Sinne eines Freibetrags, die beinhalten müsste, welche Anlagen bei Überschreiten der Gesamtleistungsgrenze von der Ertragsbesteuerung befreit werden sollen (z. B. Wahlrecht des Steuerpflichtigen), enthält die Vorschrift aber nicht. Die Vorschrift dient vielmehr der Vereinfachung und der Entlastung der Finanzbehörden. Dem würden Überlegungen zu einem Freibetrag entgegenstehen (s. auch Argumentation bei Gragert, NWB 23, 2479).
Beachten Sie | Da bereits nach Ansicht des BMF Anlagen, die die objektbezogene Grenze überschreiten, nicht in die Ermittlung der 100-kWp-Grenze einberechnet werden, kann der Steuerpflichtige bzw. die Mitunternehmerschaft durch entsprechende Heraufsetzung der Bruttoleistung Kilowatt-Peak über den maßgeblichen Wert bei Anschaffung erreichen, dass diese Anlage aus der Gesamtrechnung herausfällt und damit die anderen Anlagen steuerfrei bleiben. Dies sieht auch das BMF so. Denn es kommt auch eine Änderung des Leistungsumfangs nach dem Marktdatenstammregister in Betracht, um die Steuerbefreiung ab dem Zeitpunkt der Änderung zu erreichen (s. BMF 17.7.23, BStBl I 23, 2494, Rz. 18).
Beispiele |
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Beachten Sie | Für die Praxis ist bedeutsam, dass eine bisher schädliche Überschreitung der 100-kWp-Grenze nicht in Beton gegossen ist. Durch eine spätere Vergrößerung der Anlage von 30 kWp auf z. B. 32 kWp kann eine steuerschädliche Anlage entstehen, die dann bzgl. der weiteren Anlagen zu einer Einhaltung der 100-kWp-Grenze führt. Davon geht auch das BMF aus, wenn es spätere „Änderungen der maßgeblichen Leistung der Photovoltaikanlage“ berücksichtigt (s. BMF 17.7.23, BStBl I 23, 1494, Rz. 18).
1.4 Zusammenfassung: Stellschrauben bei der Gestaltung
Das BMF weist zutreffend darauf hin, dass die subjektbezogene Sichtweise streng durchzuhalten ist. Die Beteiligung eines Steuerpflichtigen oder einer Mitunternehmerschaft an einer anderen Mitunternehmerschaft, die eine Photovoltaikanlage betreibt, führt nicht zur Hinzurechnung von Anteilen an dieser Mitunternehmerschaft (siehe BMF 17.7.23, BStBl I 23, 1494, Rz. 16; Dorn/Isinger, DB 23, 1830).
Beispiel |
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Das BMF hat eigentlich selbst alle möglichen Stellschrauben für die Gestaltung in Rz. 18 und Rz. 16 seines Anwendungsschreibens vom 17.7.23 benannt, mit denen man (von Anfang an bzw. später) erreichen kann, dass die Grenzwerte im 1. Schritt oder im 2. Schritt der Prüfung eingehalten werden:
- Die Photovoltaikanlage wird unterschiedlichen Personen zugeordnet (z. B. dem Ehegatten, einem Verwandten, einer Mitunternehmerschaft, einer anderen Mitunternehmerschaft – s. BMF 17.7.23, Rz. 16).Die drei maßgeblichen vom BMF benannten Stellschrauben
- Die maßgebliche Leistung der Photovoltaikanlage wird verändert bzw. so bestimmt, dass die Gesamtleistungsgrenze von 100 kWp nicht überschritten wird (s. Rz. 18 des BMF-Schreibens).
- Die Anzahl der Wohn-/Gewerbeeinheiten (Fälle des Buchstabens b) werden geändert bzw. so bestimmt, dass die Photovoltaikanlage die sich dadurch ergebende erhöhte objektbezogene Grenze nicht überschreitet (s. Rz. 18 mit Beispiel).
2. Besonderheiten
2.1 Sonderfall Liebhabereianlagen
Die ertragsteuerlichen Gewinne einer kleinen Photovoltaikanlage waren in der Vergangenheit häufig gering. Das BMF ermöglichte daher aus Vereinfachungsgründen bereits vor 2022 eine Freistellung von der Besteuerung, indem es die Option zur Liebhaberei ermöglichte.
Es stellt sich daher die Frage, wie diese Anlagen, die wegen Liebhaberei nicht besteuert werden, im Hinblick auf die Neuregelung zu behandeln sind. Die Sichtweise des BMF ist in diesem Zusammenhang eindeutig. Die genannten Grenzwerte 30/100 kWp sind nach seiner Auffassung nur auf Anlagen bezogen, die unter § 3 Nr. 72 EStG fallen. Anlagen, die vor Inkrafttreten der Neuregelung bereits wegen Liebhaberei nicht als Einkunftsquelle herangezogen wurden (z. B. insbesondere aufgrund eines Antrags nach BMF 29.10.21, BStBl I 21, 2202), fallen aus der Rechnung heraus. Das BMF weist zu Recht in seinem BMF-Schreiben vom 17.7.23 in Rz. 3 darauf hin, dass in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 72 EStG nur Anlagen fallen, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Dies entspricht der Dogmatik, da § 3 EStG nur Anlagen steuerfrei stellt, die bereits steuerbar sind.
Bis zum 31.12.23 konnten Anlagenbetreiber, die eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung bis zu 10 kWp betrieben, noch den Antrag auf Vereinfachung wegen Liebhaberei für Altanlagen (vor dem 1.1.22) nach dem BMF-Schreiben vom 17.7.23 (Rz. 30) stellen bzw. einen abgelehnten Antrag erneut stellen.
Beispiel |
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2.2 Marktstammdatenregister
Für die Frage, welche Leistung die Photovoltaikanlage erbringt, ist allein die Leistung nach dem Marktstammdatenregister maßgebend. Betreibt der Steuerpflichtige eine sog. gedrosselte Anlage, ist diese gedrosselte Leistung daher nicht zu beachten. Der Begriff „peak“ steht für den dem Marktstammdatenregister gemeldeten Spitzenwert, den die Anlage leisten kann.
2.3 Verwendung des Stroms
Unerheblich ist, wie der Strom verbraucht wird. Damit sind auch Einnahmen aus Anlagen steuerfrei, bei denen der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird (BT-Drs. 20/3879, 87).
2.4 Beispiele für die betroffenen Personen
Steuerfrei ist – so das BMF in seinem Anwendungsschreiben (Rz. 1) – der Betrieb von Anlagen, die eine „natürliche Person“ betreibt. Damit sind Privateigentümer von Immobilien, Privatvermieter von Immobilien und Privatmieter einer Dachfläche gemeint. Erfasst werden weiter „Mitunternehmerschaften“. Hierzu gehören z. B. Wohnungseigentümergemeinschaften, Vermietungsunternehmen in Form einer Personengesellschaft und Betreiber einer Photovoltaikanlage in Form einer Personengesellschaft. Des Weiteren kommen als betroffene Personen „Körperschaften“ in Betracht – wie z. B. eine GmbH, eine Wohnungsgenossenschaft oder eine Immobilien AG (s. BT-Drs. 20/3879, 87).
2.5 Begünstigung von Nebengebäuden bei Mehrfamilienhäusern
Unter Buchst. a fallen auch „Nebengebäude“. Gemeint sind insoweit z. B. eine Garage, ein Carport oder ein Gartenhaus. Diese Miterfassung gilt m. E. auch im Fall des Buchst. b, sodass auch bei Mehrfamilienhäusern diese Nebengebäude zu berücksichtigen sind. Diese Begünstigung dürfte sich aus dem Gesetzeszweck wie auch aus Art. 3 GG herleiten lassen.
2.6 Nicht nur neue Photovoltaikanlagen werden erfasst
§ 3 Nr. 72 EStG gilt auch für Bestandsanlagen. Denn die Neuregelung ist generell für Einnahmen aus Anlagen i. S. d. § 3 Nr. 72 EStG vorgesehen, ohne dass es auf eine bestimmte Anschaffung oder Herstellung ankommt. Dies zeigt auch die rückwirkende Anwendungsregelung für den VZ 2022, die im Finanzausschuss aufgenommen wurde.
2.7 § 3c Abs. 1 EStG
Soweit Aufwendungen im Zusammenhang stehen mit steuerfreien Einnahmen, können diese nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden (§ 3c Abs. 1 EStG). Hier stellt sich die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn ein Gewerbetreibender eine Photovoltaikanlage z. B. auf dem Dach seines Gewerbebetriebes betreibt. Ist die Photovoltaikanlage nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreit und verwendet er den Strom für sein Unternehmen oder veräußert ihn, könnte § 3c Abs. 1 EStG zu beachten sein. Veräußert er den Strom an Dritte, kann er die Aufwendungen nach § 3c Abs. 1 EStG unzweifelhaft nicht mehr steuerlich geltend machen. Verwendet er den Strom für sein Unternehmen, dann kommt es darauf an, ob der Betrieb der Photovoltaikanlage ein eigener Betrieb ist oder Teil des anderen Betriebs des Steuerpflichtigen (s. hierzu BFH 15.9.10, X R 21/08, BFH/NV 11, 235; 15.9.10, X R 22/08, BFH/NV 11, 238).
Handelt es sich um einen Betrieb, dann ist darüber hinaus fraglich, ob überhaupt Einnahmen i. S. d. § 3c EStG gegeben sind. Einnahmen i. S. d. § 3c Abs. 1 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung alle Wirtschaftsgüter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG zufließen. Dies wäre hier aber gerade nicht der Fall.
Beachten Sie | Das BMF geht einen anderen Weg. Es ist der Auffassung, dass in den Fällen, in denen sich eine Photovoltaikanlage im Betriebsvermögen befindet, dessen Zweck nicht ausschließlich der Betrieb von unter § 3 Nr. 72 EStG begünstigten Anlagen ist, ein Abzug der Aufwendungen erfolgen kann. Das BMF macht aber die Einschränkung, dass bis zur Höhe der Einnahmen und Entnahmen i. S. v. § 3 Nr. 72 EStG das Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG gelten soll (BMF 17.7.23, BStBl I 23, BStBl I 23, 1994, Rz. 24; zur Kritik s. auch v. Beckerath in: Kirchhof/Seer, § 3 Rz. 208). Soweit es sich um Photovoltaikanlagen handelt, für die bereits vor 2022 Aufwendungen entstanden sind, bleibt es aber beim Betriebsausgabenabzug (s. BFH 13.12.12, BStBl II 13, 203; Levedag in: Schmidt, § 3 Nr. 72, Rz. 239).
2.8 Überlassung an Mitunternehmerschaft
Ist der Betreiber einer Photovoltaikanlage Mitunternehmer einer Mitunternehmerschaft und verkauft er den Strom an diese Mitunternehmerschaft, so können sich daraus negative Konsequenzen ergeben. Die Photovoltaikanlage wird gewerblich betrieben und – unterstellt, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG liegen vor –, sind die Einnahmen aus dem Verkauf bei dem Betreiber steuerfrei. An sich dürfte bei der Mitunternehmerschaft § 3c Abs. 1 EStG hinsichtlich der Aufwendungen für den Strombezug nicht anwendbar sein, weil diese Aufwendungen nicht im Zusammenhang mit bei der Mitunternehmerschaft steuerfreien Einnahmen stehen. Allerdings ist bei Überlassung von mehr als 50 % des Stroms von Sonder-BV für den Betreiber auszugehen, sodass § 3c Abs. 1 EStG wohl insgesamt zur Anwendung kommen dürfte (s. im Einzelnen auch zu den umsatzsteuerlichen Folgen Kratzsch, PFB 23, 320).
2.9 Investitionsabzugsbetrag (IAB) nach § 7g EStG
2.9.1 IAB für steuerbefreite Anlagen
Wird nach dem 31.12.21 eine Photovoltaikanlage i. S. d. § 3 Nr. 72 EStG installiert, so ist der IAB rückgängig zu machen, da wegen der Steuerbefreiung keine steuerpflichtigen gewerblichen Einkünfte erzielt werden und somit keine betriebliche Nutzung erfolgt (s. auch BMF 17.7.23, Rz. 19; FG Köln 14.3.24, 7 V 10/24, Beschwerde eingelegt, Az. BFH: III B 24/24 (AdV); a. A. Strahl in: KÖSDI 23, 23129). Wurde z. B. ein IAB bereits 2020 in Anspruch genommen und die Photovoltaikanlage im Sommer 2021 in Betrieb genommen, so dürfte der IAB rückgängig zu machen sein, denn die Anlage wird „nicht mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahrs fast ausschließlich in einer inländischen Betriebsstätte“ genutzt.
Es stellt sich in diesen Fällen aber die Frage, ob eine Billigkeitsregelung in Betracht kommt. Meines Erachtens sind diese Fälle vergleichbar mit der Ausübung des Liebhaberei-Wahlrechts bei Photovoltaikanlagen. Hier hat das BMF eine Billigkeitsregelung insoweit zugelassen, als jemand, der von dem Liebhaberei-Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, den Investitionsabzugsbetrag nicht nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig zu machen hat (BMF 29.10.21, BStBl I 21, 2202, Rz. 7), obwohl die betriebliche Tätigkeit eines Liebhabereibetriebs einkommensteuerlich unbeachtlich ist (BFH 11.10.17, X R 2/16, BFH/NV 18, 421, Rz. 20 und Reddig in HHR EStG KStG, § 7g EStG Rz. 23). Insoweit dürfte die Sachlage vergleichbar sein. Es bleibt daher zu hoffen, dass das BMF auch im Hinblick auf § 3 Nr. 72 EStG eine entsprechende Billigkeitsregelung erlässt.
Vonseiten des BMF sollen in diesen Fällen aber die Regelungen zu den IAB nach § 7g EStG angewandt werden. Nach Rz. 20 des Anwendungsschreibens des BMF vom 17.7.23 (i. V. m. BMF 15.6.22, BStBl I 22, 945, Rz. 24 bis 26) sind bei Photovoltaikanlagen, soweit sie sich im Betriebsvermögen eines Betriebs befinden, die Regelungen zu den IAB nach § 7g EStG weiterhin anzuwenden.
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Im Folgenden werden mehrere Beispiele zu der Frage dargestellt, ob der IAB in anderen Fällen rückgängig zu machen ist.
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2.9.2 IAB für nicht steuerbefreite Anlagen
Wurde ein IAB vor 2022 nach § 7g EStG für eine Photovoltaikanlage geltend gemacht, die nicht unter § 3 Nr. 72 EStG fallen würde (z. B. eine Anlage, die objektbezogen die 30-kWp-Grenze nach Buchst. a übersteigt), bleibt es bei der Anwendung des § 7g EStG. Deshalb sollte der Berater entscheiden, ob nicht eine solche Anlage zunächst realisiert wird. Damit würde der steuerliche Vorteil der Stundung durch den § 7g EStG erhalten bleiben. Welche gestalterischen Überlegungen sich daraus ergeben können, zeigt folgendes Beispiel.
Beispiel |
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3. Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2024?
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024-E) vom 5.6.24 soll der Wortlaut des S. 1 wie folgt gefasst werden: [Steuerfrei sind 72.] „die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von auf, an oder in Gebäuden (einschließlich Nebengebäuden) vorhandenen Photovoltaikanlagen, wenn die installierte Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister bis zu 30 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit und insgesamt höchstens 100 kWp pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft beträgt.“
Damit soll die Unterscheidung zwischen den Fallgruppen a) und b) (siehe oben unter 1.) aufgegeben werden. Es soll danach nicht mehr darauf ankommen, ob es sich um Einfamilienhäuser bzw. nicht zu Wohnzwecken dienende Gebäude (Grenze 30 kWp) oder sonstige Gebäude (Grenze 15 kWp) je Wohn- und Gewerbeeinheit) handelt. Es soll nur noch entscheidend sein, dass je Wohn- oder Gewerbeeinheit die 30-kWp-Grenze nicht überschritten wird.
Die geplante Änderung soll erstmals für Photovoltaikanlagen anzuwenden sein, die nach dem 31.12.24 angeschafft, in Betrieb genommen oder erweitert werden (§ 52 Abs. 4 EStG-E). Damit ist geplant, die Neuregelung nicht für Altanlagen zur Anwendung kommen zu lassen. Damit werden steuerpflichtige Altanlagen nicht in die Steuerfreiheit hineinwachsen.
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Beachten Sie | Die Neuregelung soll auch für Erweiterungen gelten (s. § 52 Abs. 4 EStG-E). Damit kann durch Erweiterungen an bisher steuerpflichtigen Anlagen eine steuerfreie Anlage entstehen (ebenso Seifert, NWB 24, 1505). Erforderlich ist eine Änderung im Marktstammdatenregister.
Beispiel |
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4. Zusammenfassung
Die Neuregelung des § 3 Nr. 72 EStG ermöglicht es, durch entsprechende Gestaltungen eine Steuerbefreiung zu erlangen. Die vorstehenden Ausführungen zeigen aber auch, dass sich unerwünschte Rechtsfolgen ergeben können, wenn wir einen Fall des § 3 Nr. 72 EStG haben. Insbesondere im Zusammenhang mit § 7g EStG und § 3c EStG ergeben sich Fragen, die letztlich höchstrichterlich noch nicht endgültig geklärt sind.
AUSGABE: GStB 7/2024, S. 246 · ID: 49988832