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VerwaltungsvermögenErbschaftsteuer: Geleistete Anzahlungen als Verwaltungsvermögen einzuordnen?

Abo-Inhalt30.04.20246 Min. Lesedauer von Steuerberater Hans Günter Christoffel, Bornheim

| Der BFH kommt in seinem Urteil vom 1.2.23 (II R 36/20, BStBl II 24, 269) zu dem Ergebnis, dass Anzahlungen auf eine von dem anderen Vertragspartner noch zu erbringende Lieferung oder Leistung zu den Sach- oder Dienstleistungsansprüchen gehören und nicht zu den Finanzmitteln zählen, wenn sie nicht auf den Erwerb von Gegenständen des Verwaltungsvermögens gerichtet sind. Dabei hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, wie zu verfahren ist, wenn die Anzahlungen den Erwerb von Gegenständen des Verwaltungsvermögens betreffen. Die Finanzverwaltung hat das BFH-Urteil vom 1.2.23 (a. a. O.) nunmehr zum Anlass genommen, in gleich lautenden Ländererlassen vom 6.3.24 (S 3812, BStBl I 24, 382) zur bewertungsrechtlichen Behandlung von Anzahlungen Stellung zu nehmen und dabei einige wichtige Grundsätze festgelegt. |

1. Keine Finanzmittel, sondern Sachleistungsanspruch

Geleistete Anzahlungen auf Wirtschaftsgüter, die kein Verwaltungsvermögen sind, rechnen nicht zu den Finanzmitteln i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG. Sie begründen einen Sachleistungsanspruch. Anzahlungen verkörpern auch dann einen Sachleistungsanspruch, wenn sie auf Wirtschaftsgüter gerichtet sind, die zum Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG gehören. Damit scheiden jedoch die Anzahlungen nicht aus dem Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 ErbStG aus. Vielmehr geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Sachleistungsanspruch den Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens zuzurechnen ist, die in § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG aufgeführt sind.

Damit rechnet die Anzahlung auf den Erwerb eines einem Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücks als Sachleistungsanspruch zu den Wirtschaftsgütern des § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Die Konsequenz ist, dass der Sachleistungsanspruch wie das später erworbene Grundstück als Verwaltungsvermögen zu erfassen ist. Damit weitet die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich der in § 13b Abs. 3 Nr. 1 bis 4 ErbStG genannten Wirtschaftsgüter über das Wirtschaftsgut hinaus auch auf den das Wirtschaftsgut betreffende Sachleistungsanspruch aus. Ob dies vom BFH mitgetragen wird, ist in dem Urteil vom 1.2.23 (a. a. O) ausdrücklich offen gelassen worden.

Beachten Sie | Sollte das Finanzamt auf Grund der gleich lautenden Ländererlasse vom 6.3.24 einen Sachleistungsanspruch wie das ihm zugrunde liegende Wirtschaftsgut als Verwaltungsvermögen behandeln, empfiehlt es sich, gegen den betreffenden Bescheid Einspruch einzulegen und ggf. den Weg zum Finanzgericht zu beschreiten.

2. Junges Verwaltungsvermögen

Sachleistungsansprüche, die dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als zwei Jahre zuzurechnen sind, behandelt die Finanzverwaltung als junges Verwaltungsvermögen. Dabei stellt sie bei mehreren Anzahlungen auf dasselbe Wirtschaftsgut auf den Zeitpunkt der ersten Anzahlung ab, was sich für den Steuerpflichtigen günstig auswirkt. Dadurch verkürzt sich bei den folgenden Anzahlungen der 2-Jahreszeitraum für die Annahme von jungem Verwaltungsvermögen.

Merke | Wird der Sachleistungsanspruch durch die Anschaffung des Wirtschaftsguts ersetzt, beginnt mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts ein neuer 2-Jahreszeitraum. Wirtschaftsgut und Sachleistungsanspruch werden also getrennt beurteilt. Dies hätte die Finanzverwaltung zugunsten des Steuerpflichtigen auch anders regeln können – und zwar in der Weise, dass Sachleistungsanspruch und Anschaffung des Wirtschaftsguts als Einheit gesehen werden, sodass mit der ersten Anzahlung der 2-Jahreszeitraum auch für die spätere Anschaffung des Wirtschaftsguts begonnen hätte. Hier ist das letzte Wort durch den BFH aber noch nicht gesprochen.

3. Schuldenabzug

Korrespondierend zu den Anzahlungen beim Leistenden behandelt die Finanzverwaltung die erhaltenen Anzahlungen als Sachleistungsverpflichtungen. Sie rechnen zu den Schulden i. S. d. § 13b Abs. 10 ErbStG. Für den Schuldenabzug gilt das allgemeine Gebot, dass die Schulden wirtschaftlich belastend sein müssen, um nach § 13b Abs. 8 ErbStG bei der Ermittlung des Substanzwerts oder bei der Schuldenverrechnung mit Finanzmitteln oder mit Verwaltungsvermögen berücksichtigt werden zu können.

Zwischenergebnis | Der BFH wird sich auch künftig mit der Behandlung der Anzahlungen als Verwaltungsvermögen beschäftigen müssen, wenn sie auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens gerichtet sind. Hier geht es um die Grundsatzfrage, ob Sachleistungsansprüche den darauf basierenden angeschafften Wirtschaftsgütern gleichzusetzen sind.

4. Anzahlungen auf Vorräte

Wer Anzahlungen auf Vorräte leistet, hat in der Handels- und Steuerbilanz zwei Möglichkeiten: Er kann sich entweder für die Nettomethode entscheiden, bei der die Anzahlungen mit den Vorräten verrechnet werden. Oder er kann sich zum Bruttoausweis entschließen, die Vorräte also auf der Aktivseite erfassen und die damit zusammenhängenden Anzahlungen als Verbindlichkeiten auf der Passivseite. Für die Ermittlung des Substanzwerts hat die Wahl des Ausweises in der Bilanz keine Bedeutung. Wer sich für die Bruttomethode entscheidet, hat höhere Aktivwerte, die er mit höheren Schulden verrechnen kann. Bei der Nettomethode wirkt sich dies sowohl mindernd auf die Aktiva als auch auf die Passiva aus.

Folgen ergeben sich aus der Bruttomethode für den Schuldenabzug gemäß § 13b Abs. 6 ErbStG. Denn die auf Grund der Anzahlungen höheren Verbindlichkeiten sind vorrangig mit den Finanzmitteln und nachrangig mit dem Verwaltungsvermögen zu verrechnen. Bei der Verrechnung mit den Finanzmitteln wirken sie sich zu 100 % aus, bei der Verrechnung mit dem Verwaltungsvermögen nur im Verhältnis begünstigtes Vermögen zu Verwaltungsvermögen. Bei der Nettomethode werden die Vorräte hingegen um die Anzahlung gekürzt, sodass das begünstigte Vermögen zu 100 % gemindert wird.

Damit ist der Bruttomethode der Vorzug einzuräumen, weil sie zum einen zu geringeren Wertansätzen bei den Finanzmitteln und beim Verwaltungsvermögen führt, zum anderen durch die Verrechnung der Anzahlungen mit den Finanzmitteln zu einem Unterschreiten der 20 %-Grenze für die Gewährung des 100%igen Verschonungsabschlags führen kann.

Merke | Bei der Umsatzbesteuerung nach vereinbarten Entgelten hat die Versteuerung bereits bei Vereinnahmung des Entgelts und nicht erst bei der Ausführung der Leistung zu erfolgen. Um eine Verzerrung beim Gewinnausweis zu vermeiden, sieht § 5 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 EStG daher vor, dass in einem solchen Fall die Umsatzsteuer als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten angesetzt wird, wenn sie als Aufwand gebucht worden ist und soweit die Anzahlung am Bilanzstichtag auszuweisen ist. Der Fortbestand des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens ist vom Passivposten „erhaltene Anzahlung“ abhängig. Das heißt, dass der aktive Rechnungsabgrenzungsposten aufzulösen ist, wenn die erhaltene Anzahlung ausgebucht wird.
Damit steht auf der Passivseite eine höhere Verbindlichkeit für die Verrechnung mit Finanzmitteln und Verwaltungsvermögen zur Verfügung. Der aktive Rechnungsabgrenzungsposten „in den Anzahlungen enthaltene Umsatzsteuer“ ist als Bilanzierungshilfe weder den Finanzmitteln noch dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen.

5. Übergangsregelung erforderlich

Das BFH-Urteil vom 1.2.23 (a. a. O.) führt gegenüber der bisherigen Verwaltungsmeinung zu einer Verschärfung bei der Erbschaftsbesteuerung, wenn es sich bei den Anzahlungen um solche handelt, die auf die Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens gerichtet sind. Bisher ist die Finanzverwaltung bei diesen Anzahlungen davon ausgegangen, dass es sich um Finanzmittel handelt, die mit Schulden und dem Sockelbetrag von 15 % des Unternehmenswerts verrechnet werden können. Junges Verwaltungsvermögen trat dabei nicht auf. Künftig werden diese Anzahlungen als Verwaltungsvermögen, in den ersten beiden Jahren, gerechnet ab dem Besteuerungszeitpunkt, als junges Verwaltungsvermögen behandelt. Dies hat zur Folge, dass keine Schuldenverrechnung möglich ist, kein Sockelbetrag gewährt wird und auch keine Umgliederung von schädlichem in unschädliches Verwaltungsvermögen vorgenommen wird. Um diese nachteiligen Folgen für den Steuerpflichtigen auszuschließen, bedarf es in Ergänzung der gleichlautenden Ländererlasse vom 6.3.24 (a. a. O.) einer Übergangsregelung.

AUSGABE: GStB 5/2024, S. 164 · ID: 50013153

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