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PersonengesellschaftenZur Abfärbung gewerblicher Einkünfte auf andere Einnahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
. 238245
| In einer umfangreichen Entscheidung hat der BFH zu der seit langem schwelenden Streitfrage Stellung genommen, in welchem Umfang gewerbliche Einkünfte auf andere Einnahmen einer GbR abfärben (BFH 5.9.23, IV R 24/20, Abruf.-Nr. 238245). |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
An der W-GbR waren W zu 50 % sowie D und G zu je 25 % beteiligt. Die W-GbR vermietete den überwiegenden Teil ihres Grundbesitzes an die nicht gewerblich tätige Z-KG, an der W mit 50 % und D und G ab einem späteren Zeitpunkt mit je 10 % beteiligt waren. Weitere Grundstücke der W-GbR waren an fremde Dritte vermietet. Die A-KG wurde von den Gesellschaftern der W-GbR gegründet. Komplementärin war die A-GmbH. Der Notar hatte bei der Gründung allerdings darauf hingewiesen, dass die Kommanditanteile anteilig von den Gesellschaftern der W-GbR übernommen werden, da eine GbR nicht in das Handelsregister eingetragen werden könne. In ihrer Feststellungserklärung erklärte die W-GbR Einkünfte aus V + V, von denen sie die von der A-KG bezogenen gewerblichen Beteiligungseinkünfte abgrenzte. Das FA veranlagte zunächst entsprechend der Erklärung.

Im Jahr 2006 veräußerte die GbR ihren Grundbesitz an die Z-KG, wodurch die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung im Verhältnis zur Z-KG beendet wurde und die W-GbR ihren Betrieb einstellte. Im Jahr 2007 kam es auch zum Verkauf der Kommanditanteile an der A-KG. Das FA kam infolge einer BP zu der Auffassung, dass die Einkünfte der W-GbR in den Jahren bis 2006 in rückwirkender Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 32a EStG i. d. F. des JStG 2007 insgesamt als gewerblich zu qualifizieren seien, da die W-GbR neben ihren Einkünften aus V+V auch Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der gewerblich tätigen A-KG erzielt habe. Obwohl die Anteile an der A-KG laut Handelsregisterauszug von den einzelnen Gesellschaftern gehalten würden, handele es sich bei dem KG-Anteil um Betriebsvermögen der W-GbR, da eine Eintragung unter der Firmierung als Grundstücks-GbR bis 2001 nicht möglich gewesen sei. Das FG gab der Klage teilweise statt und hat die GewSt-Messbetragsfestsetzungen aufgehoben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der BFH bestätigte dies im Ergebnis.
2. Rechtliche Würdigung
Die W-GbR war seit Gründung der A-KG bis zur Veräußerung der Anteile im Jahr 2007 Mitunternehmerin der A-KG. Dass die W als GbR nach der bis 2001 geltenden Rechtsprechung zivilrechtlich nicht Kommanditistin einer KG sein und auch nicht als solche in das Handelsregister eingetragen werden konnte, steht der Annahme einer Mitunternehmerstellung der W-GbR bei der A-KG nicht entgegen. Ein unwirksames Rechtsgeschäft bleibt gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 AO jedenfalls für die Besteuerung erheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
Nach § 41 Abs. 1 S. 1 AO kommt es für Zwecke der Besteuerung auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung an. Solange die Beteiligten aus der anfänglichen oder späteren Unwirksamkeit keine Folgerungen ziehen und das wirtschaftliche Ergebnis eintreten lassen, wird dieser Sachverhalt verwirklicht. Steuerrechtlich besteht keine umfassende Bindung an das Zivilrecht. Vielmehr ordnet § 41 Abs. 1 S. 1 AO dem Grunde nach an, dass die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts für die Besteuerung materiell-rechtlich unerheblich ist.
Entsprechend hat die W-GbR in den Jahren 2003 bis 2005 als Mitunternehmerin der A-KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen. Diese Beteiligungseinkünfte haben dazu geführt, dass die von der W-GbR unternommene vermögensverwaltende Tätigkeit aus der Vermietung der Grundstücke an die Z-KG nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Denn die von der W-GbR aus der A-KG bezogenen Beteiligungserträge haben in den Streitjahren 2003 bis 2005 zu einer sog. Aufwärtsabfärbung geführt.
Zwar liegt in einkommensteuerlicher Hinsicht eine Ungleichbehandlung der Personengesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter gegenüber einer Einzelperson vor. Während die Einzelperson auch dann noch gleichzeitig eine oder mehrere Einkunftsarten verwirklichen kann, wenn sie sich an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt, können die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die sich an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt, neben den Einkünften aus dieser Beteiligung keine weiteren Einkunftsarten verwirklichen, da die gesamte Tätigkeit als Gewerbebetrieb gilt.
Diese Ungleichbehandlung ist einkommensteuerlich sachlich gerechtfertigt, denn die Abfärbung von Beteiligungseinkünften gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 EStG dient der umfassenden Verstrickung des Gesellschaftsvermögens. Eine Bagatellgrenze – wie sie bei der sog. Seitwärtsabfärbung bei äußerst geringfügigen gewerblichen Einkünften mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entwickelt wurde – gilt bei der Aufwärtsabfärbung nicht.
Auch ist die in § 52 Abs. 32a EStG 2007 angeordnete zeitliche Rückwirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG 2007 auf Veranlagungszeiträume vor 2006 ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar handelt es sich hier um eine echte Rückwirkung, die im Regelfall unzulässig ist. Diese „echte“ Rückwirkung ist jedoch dann nicht zu beanstanden, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar war oder weil ein Zustand erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit herrschte, was rechtens sei.
Dem Gesetzgeber ist es unter Vertrauensschutzgesichtspunkten erst recht verfassungsrechtlich nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor der Änderung einer gefestigten Rechtsprechung entsprach, und wenn mit der gesetzlichen Regelung keine Verschlechterung gegenüber dem Rechtszustand vor der Rechtsprechungsänderung verbunden ist.
Anders ist es hingegen bei der Gewerbesteuer. Ein gewerbliches Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG gilt nicht automatisch als nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb. Die Möglichkeit der Aufwärtsabfärbung gilt im Bereich der Gewerbesteuer nicht. Dies stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung dar, da nicht unberücksichtigt werden darf, dass die einzelnen Gesetze unterschiedliche Zielsetzungen haben.
3. Wichtige Praxishinweise
Der BFH unterscheidet also zwischen ESt und GewSt. Während er bei der ESt die Aufwärtsabfärbung zulässt, lehnt er sie bei der GewSt ab. Dies erscheint auf den ersten Blick willkürlich hat jedoch seinen Hintergrund in der unterschiedlichen Besteuerungssystematik der ESt und der GewSt. Auswirkungen hat die Entscheidung insbesondere auch bei „mitunternehmerischen Betriebsaufspaltungen“. Eine solche liegt vor, wenn das Betriebsunternehmen keine Kapitalgesellschaft, sondern eine Personengesellschaft ist. In diesen Fällen galt bis 1996 generell der Grundsatz, dass § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Hs. EStG Vorrang vor der Betriebsaufspaltung hat (BFH, BStBl II 85, 622).
Diesen Grundsatz hat der BFH allerdings mit Urteil vom 23.4.96 (BStBl II 98, 325) für den Fall der Nutzungsüberlassung an eine Schwestergesellschaft eingeschränkt und für diesen Fall einen Durchgriff durch die überlassende Gesellschaft nicht zugelassen. Hier hat seither die Betriebsaufspaltung Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen.
Grundfall | ||
GbR | OHG | |
A | 33 1/3 % | 50 % |
B | 33 1/3 % | 50 % |
C | 33 1/3 % | – |
Die GbR verpachtet ein Fabrikgrundstück an die gewerblich tätige OHG. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der GbR werden mit Mehrheit gefasst.
Steuerliche Behandlung: Seit 1998 liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Die ABC-GbR unterhält einen eigenen Gewerbebetrieb (Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung). Die Gewerblichkeit umfasst auch den Anteil des C („Nur-Besitzgesellschafter“), der an der Betriebsgesellschaft nicht beteiligt ist. Dies hat folgende ertragsteuerlichen Auswirkungen (vgl. BMF-Schreiben vom 28.4.98, BStBl I, 583):
Auch ein Nur-Besitzgesellschafter erzielt im Hinblick auf die Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG anteilig gewerbliche Einkünfte. Eine Veräußerung des verpachteten Vermögens führt zu einer Beendigung der Betriebsaufspaltung und damit zu einer Betriebsaufgabe beim Besitzunternehmen. Ein entstehender Gewinn ist dabei – anders als die Veräußerung aus dem Sonderbetriebsvermögen – nach §§ 16, 34 EStG begünstigt (Fünftelregelung bzw. ermäßigter Steuersatz).
Keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung liegt aber bei unmittelbarer Beteiligung des Verpächters an der Betriebsgesellschaft vor. Die Rechtsfolgen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung werden in diesem Fall durch das Sonderbetriebsvermögen verdrängt. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform des Verpächters (natürliche Person, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft).
Beispiel | ||
Besitzunternehmen | Betriebsunternehmen OHG | |
A | 100 % | 70 % |
B | – | 30 % |
A vermietet ein Grundstück an die OHG. Urteil auf Verpachtung durch einzelnen Gesellschafter nicht anwendbar |
Sonderfall „Freiberufler“ | ||
Es wird keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung begründet | ||
Grundstücksgemeinschaft | § 18 EStG Praxis-GbR | |
X | 50 % | 50 % |
Y | 50 % | 50 % |
Steuerliche Lösung: Im Freiberuflerbereich keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung. Die von der Grundstücksgemeinschaft an die GbR verpachtete Praxis stellt kein eigenständiges Besitzunternehmen dar. Die Miteigentumsanteile von X und Y sind vielmehr notwendiges Sonderbetriebsvermögen I bei der Praxis-GbR. |
AUSGABE: GStB 5/2024, S. 157 · ID: 49871212