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AussetzungsverfahrenPhotovoltaikanlage: Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages laut FG Köln rechtens

Abo-Inhalt28.04.20244 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Die Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen (IAB) für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen ist nicht zu beanstanden – so hat das FG Köln mit Beschluss vom 14.3.24 (7 V 10/24) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden. |

Zum Hintergrund

Seit 2022 ist gesetzlich verankert, dass Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern bis zu 30 kWp steuerfrei gestellt sind. Zudem gibt es Steuerbefreiungen für Anlagen, die auf Mehrfamilienhäusern, gemischt genutzten Häusern oder betrieblich genutzten Gebäuden installiert sind (§ 3 Nr. 72 EStG). Doch was geschieht, wenn für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage z. B. in 2021 ein IAB gebildet wurde, und zwar i. H. v. bis zu 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten? Muss der IAB des Jahres 2021 rückgängig gemacht werden oder bleibt er erhalten? Immer vorausgesetzt natürlich, die Installation ist ernsthaft geplant und erfolgt später auch tatsächlich.

Die Finanzverwaltung verlangt, dass der IAB rückgängig gemacht wird. Im BMF-Schreiben vom 17.7.23 (BStBl I 23, 1494) heißt es dazu: „Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1.1.22 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.21 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.“ Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen die Photovoltaikanlage zum Betriebsvermögen eines Betriebes gehört, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist.

Sachverhalt

Der Antragsteller bildete im Rahmen seiner ESt-Erklärung 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus einen steuermindernden IAB. Im November 2022 schaffte er die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp an. Der Gesetzgeber stellte jedoch mit dem Jahressteuergesetz vom 17.12.22 rückwirkend zum 1.1.22 u. a. Einnahmen aus Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei. Hierauf machte das FA den bislang für 2021 gewährten IAB rückgängig, was für den Antragsteller zu einer Nachzahlung führte. Zur Begründung verwies das FA auf das o. g. BMF-Schreiben. Der Steuerzahler legte Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Steuernachzahlung von der Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Einspruch. Den Aussetzungsantrag lehnte das FA ab. Daraufhin wandte sich der Steuerbürger an das FG. Seines Erachtens sei die nachträgliche Streichung des IAB unzulässig. Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der Photovoltaikanlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen. Doch der Aussetzungsantrag hatte auch beim FG keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Es bestehe kein besonderes Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da ihm durch die nachträgliche Streichung keine irreparablen Nachteile drohten. Die Rückgängigmachung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keinen besonderen Schutz der Erwartung, dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die rückwirkende Steuerbefreiung allgemein eine günstigere Rechtslage eingetreten sei, von der zahlreiche Steuerzahlende profitierten. Der Umstand, dass hiermit als Rechtsreflex auch für Einzelne steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien, führe nicht zu einem anderen Ergebnis (Quelle: FG Köln, PM vom 10.4.24).

Relevanz für die Praxis

Es ging zunächst nur um ein Aussetzungsverfahren, also um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Im Übrigen hat der Antragsteller gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, die unter III B 24/24 beim BFH geführt wird. Das letzte Wort ist also noch lange nicht gesprochen!

Betroffene sollten sich daher in ihren eigenen Fällen – weiterhin – gegen die Rückgängigmachung des IAB wehren. Ein Anspruch auf Ruhenlassen des eigenen Einspruchs besteht zwar erst, wenn es zumindest ein Verfahren (in der Hauptsache) bis vor den BFH oder das BVerfG geschafft hat. Doch es besteht eine zumindest geringe Hoffnung, dass die Finanzämter – aufgrund der Vielzahl der zu erwartenden Einsprüche – ein „stillschweigendes Ruhen“ gewähren werden. Ob zusätzlich ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden sollte, muss individuell entschieden werden. Zum einen muss nach heutigem Stand davon ausgegangen werden, dass dieser ohnehin abgelehnt wird und daher der Gang vor das FG angetreten werden muss. Zum anderen können die Aussetzungszinsen bei einem späteren Obsiegen der Finanzverwaltung recht hoch sein.

Kritik

Es ist bemerkenswert, dass sich die Richter zwar mit der „Funktion“ des neuen § 3 Nr. 72 EStG, nicht aber mit der des § 7g EStG befasst haben. § 7g EStG hat die Aufgabe, potenziellen Investoren frühzeitig Liquidität zu verschaffen, um Anschaffungs- oder Herstellungskosten überhaupt stemmen zu können. Die „Liquiditätsfunktion“ wurde beispielsweise mit der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BT-Drs. 16/5377 vom 18.5.07, S. 11) ausdrücklich bestätigt. Dass dem Kläger nun keine irreparablen Nachteile entstehen sollen, ist wirklichkeitsfremd. Ihm können sehr wohl – mehr oder weniger hohe – Zinsnachteile entstehen.

Oder aber plakativ ausgedrückt: Nach dem Willen des FG Köln könnte der Gesetzgeber beispielsweise eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG rückwirkend streichen. Dass der Liquiditätsvorteil, den eine hohe Sonderabschreibung mit sich bringt, dabei verloren ginge, müsste hingenommen werden, denn bei rein steuerlicher – und nicht wirtschaftlicher – Betrachtung entstünde dem Steuerpflichtigen ja kein Schaden. Das ist ein seltsames Rechtsverständnis des FG Köln.

AUSGABE: GStB 5/2024, S. 155 · ID: 49996390

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