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GmbH-GeschäftsführerversorgungPensionsverpflichtungen im Jahresabschluss nach HGB: Zinswende und verdeckte Ausschüttungssperre

Abo-Inhalt30.04.202416 Min. LesedauerVon Kevin Pradl, MPM, LL.B., Rentenberater und Jürgen Pradl, Rentenberater für die betriebliche Altersversorgung, beide Zorneding

| Die handelsrechtliche Bewertung und Passivierung von Pensionsverpflichtungen ist seit Einführung des BilMoG sowohl in der Literatur als auch in der Beratungspraxis ein Dauerbrenner. Denn mit dem BilMoG wurde ab 2010 handelsrechtlich ein variabler „atmender“ Marktzinssatz eingeführt, der der Abzinsung von Pensionsverpflichtungen zu Grunde zu legen ist. Durch die wenig später einsetzende „Zinsschmelze“ kam es in den Folgejahren zu explodierenden Pensionsrückstellungen, wodurch viele Unternehmen in bilanzielle Schieflagen geraten sind. Doch mit der neuerlichen Zinswende infolge des Ukraine-Kriegs wendet sich jetzt das Blatt. Die unerwartete Konsequenz ist, dass in den anstehenden Jahresabschlüssen – voraussichtlich erstmals zum 30.6.24 – ein negativer ausschüttungsgesperrter Unterschiedsbetrag im Anhang der Bilanz (oder unter der Bilanz) auszuweisen sein wird. |

1. Bilanzierungserleichterung wird ins Gegenteil umschlagen

Die Eingangs erwähnte fatale Wirkung der Zinsschmelze veranlasste den Gesetzgeber im Jahr 2016 dazu, die erst mit Einführung des BilMoG geschaffene Neuregelung nach so kurzer Zeit bereits anzupassen. Mit der dadurch implementierten Bilanzierungserleichterung sollten die in Mitleidenschaft gezogenen Handelsbilanzen der notleidenden Unternehmen vor weiteren Belastungen geschützt werden. Dass die gesetzgeberische Maßnahme nur für eine kurzzeitige Entlastung gesorgt hat, konnten alle Marktteilnehmer in den Jahren 2017 bis 2021 leidvoll am eigenen Leib erfahren (siehe im Einzelnen GStB 15, 450 ff. sowie GStB 16, 152 ff.)

Seit dem Ukraine-Krieg hat sich die Lage für Unternehmen diesbezüglich aber wieder etwas gebessert. Denn der handelsrechtliche Rechnungszinsfuß zur Abzinsung von Pensionsverpflichtungen hat seine Talfahrt beendet und zeigt (im siebenjährigen Durchschnitt) seit Februar 2022 eine steigende Tendenz. Diese Zinswende führt dazu, dass die im Jahre 2016 beschlossene Bilanzierungserleichterung ihre Wirkung komplett verlieren und in den kommenden Wochen sogar ins Gegenteil umschlagen wird. Dies dürfte insbesondere diejenigen inhabergeführten kleinen und mittelständischen GmbHs empfindlich treffen, die ihren Geschäftsführern eine Pensionszusage erteilt haben.

2. Historische Entwicklung der handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen

Seit Inkrafttreten des BilMoG im Jahre 2009 hat für die handelsrechtliche Passivierung von Pensionsrückstellungen eine eigenständige versicherungsmathematische Bewertung stattzufinden. So regelt § 253 Abs. 1 S. 1 HGB, dass Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen sind.

Der Gesetzgeber verwendet in § 253 Abs. 1 S. 1 HGB explizit den Begriff „Erfüllungsbetrag“, ohne diesen näher zu definieren. Das IDW geht in seiner Stellungnahme RS HFA 30 n. F. davon aus, dass der Gesetzgeber damit klarstellen wollte, dass bei der Bewertung der Pensionsverpflichtung Preis- und Kostenentwicklungen zu berücksichtigen sind, die sich bis zum voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung vollziehen. Speziell für Verpflichtungen aus unmittelbaren Pensionszusagen bedeutet dies, dass bei der Ermittlung der korrespondierenden Rückstellung künftige Lohn-, Gehalts- und Rententrends zu berücksichtigen sind, auch wenn diese vertraglich bzw. gesetzlich noch nicht garantiert sind (sog. zukunftsorientierte Bewertung).

2.1 Alte Rechtslage hinsichtlich des maßgeblichen Rechnungszinsfußes

§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB a. F. sah darüber hinaus vor, dass Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen seien, den die Deutsche Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung monatlich neu ermittelt und bekannt gibt. Für Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen konnte pauschal der Marktzinssatz verwendet werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt (mittlere Duration).

Auf der Grundlage dieses siebenjährigen Durchschnittszinssatzes haben sich zum 31.12. eines jeden Jahres folgende maßgeblichen Rechnungszinsfüße zur Abzinsung von Pensionsverpflichtungen ergeben:

GSTB-Grafik_Siebenjähriger Durchschnittszinssatz.eps (© IWW Institut)
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Wie der obigen Grafik deutlich entnommen werden kann, sank der siebenjährige Durchschnittszinssatz in den ersten drei Jahren nur um 0,21 % auf 5,04 %. Dann aber zeigte die Zinsschmelze ihre volle Auswirkung, sodass der siebenjährige Durchschnittszinssatz anschließend bis auf 3,89 % „abstürzte“, was die handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen explodieren ließ.

2.2 Neue Rechtslage hinsichtlich des maßgeblichen Rechnungszinsfußes

Diese Entwicklung veranlasste den Gesetzgeber im Februar/März 2016, mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften (BGBl I 2016, Nr. 12, S. 396) die Durchschnittsbildung des Marktzinssatzes anzupassen.

§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB n. F. sieht seither vor, dass Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre abzuzinsen seien, den die Deutsche Bundesbank monatlich neu ermittelt und bekannt gibt. Dabei kann nach wie vor pauschal der Marktzinssatz verwendet werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt (mittlere Duration). Die Gesetzbegründung zur Neuregelung der Durchschnittsbildung des Marktzinssatzes enthielt hierzu folgende Ausführungen:

„Ziel ist, die negativen Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf die Attraktivität der Direktzusagen von Betriebsrenten spürbar zu vermindern. (…) Bei der Anwendung der Neuregelung kommt es in den ersten Jahren im Vergleich zur bisherigen Regelung zu einer Reduzierung des jährlichen Aufwandes für die Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen. (…) Da sich dieser Ertrag ausschließlich aus einer geänderten gesetzlichen Vorgabe und nicht aus der Geschäftstätigkeit selbst ergibt, soll eine Ausschüttung des Unterschiedsbetrags nicht erfolgen können. (…) Deshalb soll die jeweilige Entlastung beim Pensionsrückstellungsaufwand gegenüber der bisherigen Regelung das Unternehmen nicht verlassen und wird mit einer Ausschüttungssperre versehen (§ 253 Abs. 6 HGB). Diese Ausschüttungssperre wird in jedem Geschäftsjahr erhöht oder reduziert, so dass sie immer genau dieselbe Höhe hat, wie der für das jeweilige Geschäftsjahr ermittelte positive Unterschiedsbetrag zwischen neuer und alter Regelung. Auf diese Weise werden statt Rückstellungen teilweise Rücklagen gebildet“ (BT-Drucksache 18/7584).

Der Gesetzgeber hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass er den Erfüllungsbetrag unter Anwendung des siebenjährigen Durchschnittszinssatzes unter dem Aspekt des Vorsichtsprinzips nach wie vor als den angemessenen Wertansatz zur Pensionsrückstellung erachtet. Die Neuregelung zur Verlängerung des maßgeblichen Zeitraumes dient lediglich als Bilanzierungserleichterung, weshalb der Unterschiedsbetrag aus der doppelten Bewertung mit dem sieben- bzw. zehnjährigen Durchschnittszinssatz gemäß § 253 Abs. 6 HGB einer Ausschüttungssperre unterworfen wird. Die maßgeblichen Rechnungszinsfüße bei sieben- und zehnjähriger Durchschnittsbildung entwickelten sich seither wie folgt (jeweils 31.12. eines jeden Jahres):

GSTB-Grafik_Siebenjähriger vs. zehnjähriger Durchschnittszinssatz.eps (© IWW Institut)
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Die Neuregelung war erstmals verpflichtend für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.15 endeten. Die Anwendung für Geschäftsjahre, welche nach dem 31.12.14 begannen und vor dem 1.1.16 endeten, konnte auf freiwilliger Basis erfolgen (Wahlrecht).

Der obigen Grafik kann entnommen werden, dass die Zinsfüße bis einschließlich 31.12.21 stetig gefallen sind – und dass der zehnjährige Durchschnittszinssatz jeweils (deutlich) höher ausfiel als der siebenjährige. In der Spitze betrug der Abstand 0,89 % (31.12.18: 3,21 % vs. 2,32 %). Mit Beginn des Ukraine-Kriegs stiegen die Zinsen plötzlich wieder auf ein Niveau, das wohl kaum jemand mehr für möglich erachtet hätte. Dieser Effekt schlug auch auf die handelsrechtlichen Rechnungszinsfüße durch, wenn auch aufgrund der Durchschnittsbildung erst mit zeitlicher Verzögerung. So stieg der siebenjährige Durchschnittszinssatz erstmals im Februar 2022 wieder und näherte sich in der Folgezeit auch dem zehnjährigen Durchschnittszinssatz wieder an. Zum 31.12.23 betrug die Differenz nur noch 0,08 %.

2.3 Aktuelle Rahmenbedingungen

Die letzten von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze belaufen sich auf (Stand: 31.3.24):

Zehnjähriger Durchschnittszinssatz
Siebenjähriger Durchschnittszinssatz
1,83 %
1,80 %

Die aktuellen Zahlen zeigen, dass insb. der siebenjährige Durchschnittszinssatz weiter rapide steigt (0,06 % in drei Monaten) und sich beide Zinssätze somit weiter angenähert haben.

2.4 Prognostizierte Entwicklung der handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen

Aktuelle Prognosen zur weiteren Entwicklung der Rechnungszinsfüße gehen – unter Annahme eines gleichbleibenden Zinsniveaus – davon aus, dass sich beide Rechnungszinsfüße per Ende Mai 2024 mit jeweils 1,83 % entsprechen werden. Ab Juni 2024 wird der siebenjährige Durchschnittszinssatz den zehnjährigen dann voraussichtlich übersteigen. Damit einher geht eine Durchbrechung der bisherigen Systematik, bei der der siebenjährige Durchschnittszinssatz immer unterhalb des zehnjährigen lag (so u. a. Heubeck Zins-Info Stand 31.12.24; Aon Rechnungszins HGB Stand 31.3.24):

GSTB-Grafik_Prognose siebenj. Zinssatz vs. zehnjähriger Zinssatz.eps (© IWW Institut)
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Wie die obige Grafik zur prognostizierten Entwicklung der Rechnungszinsfüße zeigt, wird momentan davon ausgegangen, dass der siebenjährige Durchschnittszinssatz die nächsten Jahre den zehnjährigen Durchschnittszinssatz – in der Spitze mit 0,65 % in 2028 – übersteigen wird. Damit würde die im Jahre 2016 geschaffene Bilanzierungserleichterung genau das Gegenteil davon erzeugen, was mit der Gesetzesänderung eigentlich gewollt war. Denn Unternehmen hätten dann in ihrer Handelsbilanz höhere Pensionsrückstellungen auszuweisen, als sie nach der eigentlich maßgeblichen Bewertung mit dem siebenjährigen Durchschnittszinssatz bilden müssten. In der Folge wird der im Anhang der Bilanz auszuweisende ausschüttungsgesperrte Unterschiedsbetrag gemäß § 253 Abs. 6 HGB auf einmal einen negativen Betrag umfassen.

3. Der praktische Fall

Die praktischen Auswirkungen sollen anhand des folgenden Musterfalls zu einer klassischen Geschäftsführer-Pensionszusage (Leistungszusage, nicht-versicherungsgebunden) verdeutlicht werden:

Eckdaten zur Geschäftsführer-Pensionszusage
Männlicher GGF, geboren am
31.12.1964
Diensteintritt/Zusageerteilung
01.1.00/1.1.05
Altersrente/BU-Rente/Witwenrente / Pensionsalter
5.000 EUR/5.000 EUR/3.000 EUR/67
Rentendynamik
2 % jährlich
Handelsrechtliche Pensionsrückstellung (auf volle TEUR gerundet)
BilanzstichtagAlterPR 10-jähriger ZinsPR 7-jähriger ZinsAusschüttungssperre
31.12.1551276.000307.00031.000
31.12.1652330.000399.00069.000
31.12.1753393.000488.00095.000
31.12.1854480.000596.000116.000
31.12.1955586.000700.000114.000
31.12.2056694.000820.000126.000
31.12.2157820.000926.000106.000
31.12.2258890.000961.00071.000
31.12.2359937.000954.00017.000
31.12.2460979.000969.000− 10.000
31.12.25611.019.000990.000− 29.000
31.12.26621.044.000990.000− 54.000
31.12.27631.084.000995.000− 89.000
31.12.28641.129.0001.018.000− 111.000
31.12.29651.170.0001.079.000− 91.000
31.12.30661.210.0001.170.000− 40.000
31.12.31671.258.0001.258.0000

Wie der obigen Darstellung deutlich entnommen werden kann, führte die Zinsentwicklung in den Jahren seit Einführung der Bilanzierungserleichterung stets zu einem positiven Unterschiedsbetrag, der im Anhang der Handelsbilanz als Ausschüttungssperre auszuweisen war. Voraussichtlich erstmals zum 30.6.24 wird die Ausschüttungssperre aufgrund der Zinswende einen negativen Betrag annehmen (im obigen Beispiel per 31.12.24: −10.000 EUR). Aller Voraussicht nach wird es sich dabei nicht nur um ein einmaliges Phänomen handeln, sondern um eine nachhaltige Veränderung, die sich in den kommenden Jahren sogar noch ausweiten wird (im obigen Beispiel Anstieg der Ausschüttungssperre auf über −110.000 EUR).

Vor diesem Hintergrund stellt sich für die Praxis die u. E. höchstrelevante Frage, wie mit einer derartigen negativen Ausschüttungssperre umzugehen ist? Die in der Literatur aufzufindende lapidare Aussage, dass „die Ausschüttungssperre ins Leere laufen und die zusätzliche Anhangsangabe bedeutungslos werde“, erachten wir an dieser Stelle als nicht ausreichend substantiiert und auch nicht als zutreffend (so aber Goldbach/Rasch/Ricken: Betriebliche Altersversorgung im Jahresabschluss nach nationalen und internationalen Bilanzierungsgrundsätzen, DB 23, 2961 ff.)

4. Umgang mit der negativen Ausschüttungssperre

Um den sachgerechten Umgang mit der negativen (verdeckten) Ausschüttungssperre ermitteln zu können, ist es notwendig, sowohl den maßgeblichen Gesetzestext wie auch die Verlautbarungen des IDW auf etwaige Ausführungen zu einer negativen Ausschüttungssperre hin zu überprüfen. In § 253 Abs. 6 HBG als der maßgeblichen Norm ist hierzu folgendes geregelt:

1Im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ansatz der Rückstellungen nach Maßgabe des entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatzes aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und dem Ansatz der Rückstellungen nach Maßgabe des entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatzes aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren in jedem Geschäftsjahr zu ermitteln. 2Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens dem Unterschiedsbetrag nach S. 1 entsprechen. 3Der Unterschiedsbetrag nach S. 1 ist in jedem Geschäftsjahr im Anhang oder unter der Bilanz darzustellen.“

S. 1 regelt die doppelte Bewertung der Pensionsverpflichtung, einmal mit dem zehnjährigen und einmal mit dem siebenjährigen Durchschnittszinssatz, sowie die Ermittlung des sich daraus ergebenden Unterschiedsbetrags. S. 2 regelt sodann, dass der Unterschiedsbetrag einer Ausschüttungssperre unterliegt. In S. 3 wird vorgeschrieben, dass der Unterschiedsbetrag in jedem Geschäftsjahr im Anhang (oder unter der Bilanz) ausgewiesen werden muss.

Die Formulierungen zum Unterschiedsbetrag sind u. E. neutral gehalten, sodass diese unzweifelhaft für einen positiven Unterschiedsbetrag – von dem der Gesetzgeber zweifelsohne bei Einführung der Bilanzierungserleichterung ausgegangen sein wird – gelten. Sie müssen u. E. aber auch auf einen negativen Unterschiedsbetrag Anwendung finden, da der gesetzlichen Regelung keine dies verhindernde Beschränkung zu entnehmen ist.

Somit kann bereits festgehalten werden, dass sich aus dem Gesetzestext auch künftig die Notwendigkeit einer doppelten Bewertung von unmittelbaren Pensionsverpflichtungen mit beiden Rechnungszinsfüßen ergibt, wie auch die Pflicht, den damit ermittelten (negativen) Unterschiedsbetrag im Anhang (oder unter der Bilanz) auszuweisen. Denn S. 3 regelt u. E. klar und eindeutig, dass die Anhangsangabe eine Pflicht darstellt; eine Ausnahmeregelung zum Wegfall der Ausweispflicht – bspw. bei einem negativen Unterschiedsbetrag – ist nicht ersichtlich. Dies deckt sich auch mit den Verlautbarungen des IDW gemäß Rz. 89a des RS HFA 30 n. F., welcher im Übrigen auch in keiner Weise auf die Möglichkeit eines negativen Unterschiedsbetrags eingeht.

Allein anhand des Gesetzestextes kann u. E. jedoch nicht gänzlich geklärt werden, wie sich der negative Unterschiedsbetrag auf die in S. 2 geregelte Ausschüttungssperre auswirkt. Auch die Verlautbarungen des IDW verfügen über keine diesbezüglichen Ausführungen. Somit bleibt als nächstes ein Blick in die Gesetzesbegründung zur – im Jahre 2016 geschaffenen – Bilanzierungserleichterung. Dort hat der Gesetzgeber uns folgende Ausführungen mit auf den Weg gegeben:

„Ist der Unterschiedsbetrag negativ, entfällt die Ausschüttungssperre für dieses Geschäftsjahr.“ (BT-Drucksache 18/7584). So weit, so gut. Was aber bedeutet jetzt die Aussage, dass „die Ausschüttungssperre entfällt“?

Der Gesetzgeber hat eine vermeintliche Bilanzierungserleichterung für Unternehmen geschaffen, die jetzt ins Gegenteil umschlägt und für Unternehmen letztlich zu einer Belastung wird. In Folge der Zinswende müssen in der Bilanz nun höhere Pensionsrückstellungen gebildet werden, als unter Anwendung des – aus Sicht des Gesetzgebers – eigentlich zutreffenden siebenjährigen Durchschnittszinssatzes gebildet werden müssten. Da könnte ein spitzfindiger Geschäftsleiter durchaus auf die Idee kommen, dass der in seiner Handelsbilanz zu hoch passivierte Anteil der Pensionsrückstellung ausgeschüttet werden dürfte. Der negative Unterschiedsbetrag würde damit ein ausschüttbares Volumen begründen. Betrachten wir vor dem Hintergrund dieses Gedankengangs die – etwas sperrige – Formulierung zur Ausschüttungssperre im Gesetzestext unter § 253 Abs. 6 S. 2 HGB nochmals genauer:

„Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens dem Unterschiedsbetrag nach S. 1 entsprechen.“

Zur Verdeutlichung dieses Regelungsinhaltes wird mit dem folgenden Beispiel anhand des zuvor dargestellten Musterfalls die Entwicklung vom Jahresabschluss 2023 zum Jahresabschluss 2024 dargestellt (alle Werte in Tausend Euro):

GSTB-Grafik Jahresabschlüsse.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

Hier wird also unterstellt, dass der negative Unterschiedsbetrag ein zusätzliches Ausschüttungsvolumen begründen würde. Denn das Eigenkapital der GmbH wurde schließlich um den Unterschiedsbetrag i. H. v. 10 geschmälert, der ausschließlich auf die nun eintretende Überbewertung der Pensionsverpflichtung zurückzuführen ist. Der nach einer Ausschüttung verbleibende Betrag entspräche dem (negativen) Unterschiedsbetrag – und somit dem Wortlaut des § 253 Abs. 6 S. 2 HGB.

Dies würde jedoch dazu führen, dass ein Betrag ausgeschüttet würde, der die verfügbaren Rücklagen und Gewinnvorträge übersteigt. Würde nun eine Ausschüttung i. H. v. 135 vorgenommen, so würde damit in das gezeichnete Kapital (Stammkapital) eingegriffen. Dies würde sich im obigen Beispiel von 25 auf 15 verringern. Das Stammkapital ist aber nach dem in § 30 GmbHG verankerten Grundsatz der Kapitalerhaltung gerade nicht ausschüttungsfähig.

Beachten Sie | Ausschüttungsfähig ist nämlich nur derjenige Teil des Reinvermögens, der den Betrag des Stammkapitals übersteigt. Verboten sind demnach Ausschüttungen, wenn eine sog. Unterbilanz besteht oder durch die Ausschüttung herbeigeführt werden würde, wenn also das Aktivvermögen das Fremdkapital (zzgl. Rückstellungen) und das Stammkapital nicht mehr deckt (Altmeppen: GmbHG, 11. Auflage, § 30 Rz. 10.). Somit ist an dieser Stelle u. E. klar erkennbar, dass der negative Unterschiedsbetrag kein zusätzliches Ausschüttungsvolumen begründen kann.

Nun könnte der spitzfindige Gesellschafter auf die Idee kommen, in seiner Handelsbilanz nur noch den geringeren Wertansatz zur Pensionsrückstellung, der sich unter Anwendung des siebenjährigen Durchschnittszinssatzes ermittelt, zu passivieren, um das zusätzliche Ausschüttungsvolumen zu mobilisieren. Denn er stellt sich berechtigterweise die Frage, wieso er in seiner Bilanz einen höheren Wert passivieren sollte, als ihn der Gesetzgeber eigentlich für sachgerecht erachtet (im obigem Beispiel 979 statt 969)? Dies ist wirtschaftlich betrachtet absolut nachvollziehbar. Allein das Gesetz steht einer derartigen Vorgehensweise im Wege. Denn dass in der Handelsbilanz eine Pensionsrückstellung zu bilden ist, die unter Anwendung des zehnjährigen Durchschnittszinssatzes zu ermittelt ist, daran lässt § 253 Abs. 2 HGB keinen Zweifel.

Mit den in der Gesetzesbegründung enthaltenen Ausführungen wird letztlich nur darauf Bezug genommen, dass ein negativer Unterschiedsbetrag schon rein systembedingt keine offene Ausschüttungssperre (mehr) begründen kann. Eine Grundlage für eine darüber hinausgehende Interpretation/Auslegung ist u. E. nicht gegeben.

Durch die Umkehrung des Unterschiedsbetrags ins Negative wird jedoch aus der offenen Ausschüttungssperre eine verdeckte Ausschüttungssperre. Diese kann nicht nur inhabergeführte kleine und mittelständische Unternehmen empfindlich treffen. Schließlich wird durch die Überbewertung der Pensionsverpflichtung das Eigenkapital – und in der Folge auch die Eigenkapitalquote – künstlich reduziert. In Härtefällen könnte dies sogar zu einer bilanziellen Überschuldung führen, die für den betroffenen Geschäftsleiter weitreichende Pflichten – insb. im Zusammenhang mit einer möglichen insolvenzrechtlichen Überschuldung – begründen würde.

Werden die gesetzlichen Vorschriften zur Ausschüttungssperre bei der Jahresabschlusserstellung missachtet, können sich neben der Sanktionierung der Geschäftsleitung mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe sogar persönliche Regressansprüche ergeben (u. a. § 331 HGB). Ein etwaiger Gewinnausschüttungsbeschluss wäre in vollem Umfang nichtig.

5. Aktuelle Initiative des IDW

Das IDW hat sich mit seinem Schreiben vom 6.9.23 an das BMJ gewandt und dafür geworben, den zur handelsrechtlichen Abzinsung von unmittelbaren Pensionsverpflichtungen anzuwendenden Rechnungszinsfuß erneut zu reformieren und anstelle des bisherigen variablen „atmenden“ Marktzinssatzes auf einen festen, aber in größeren Zeitabständen auch zu überprüfenden Zinssatz überzugehen (abrufbar unter https://fmos.link/21158).

Das IDW begründet seinen Vorschlag u. a. damit, dass die über die Durchschnittsbildung nur angenäherte Marktwertbewertung von Pensionsverpflichtungen als inkonsistent gegenüber der Bewertung von unverzinslichen Verbindlichkeiten wahrgenommen würde. Da sich in einer unmittelbaren Pensionszusage zwischen Gesellschaft und Pensionsberechtigten vereinbarte „implizite“ Zinssätze nicht zweifelsfrei ableiten lassen, wird die Festlegung eines konstanten Zinssatzes vorgeschlagen, der

  • 1. weitgehend risikofrei sein,
  • 2. unterhalb der von der Mehrzahl der Unternehmen erzielbaren Gesamtkapitalrendite liegen,
  • 3. ein langfristiges Marktzinsniveau widerspiegeln und
  • 4. nur in größeren Zeitabständen auf seine weitere Angemessenheit überprüft werden sollte.

Die ersten drei Anforderungen würden z. B. von der Ultimate Forward Rate (UFR) erfüllt, die von der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) regelmäßig ermittelt wird und für 2024 mit 3,3 % festgestellt wurde. Dass an der UFR als einzig maßgeblichem Referenzzins auch Bedenken bestehen, wurde im Rahmen eines Vortrags beim aba Forum Steuerrecht am 12.3.24 in Mannheim kundgetan. Wie auch immer ein derartiges Festzinskonzept – so wie es auch in § 6a Abs. 3 S. 3 EStG verankert ist – letztlich ausgestaltet werden würde, eins stünde jedenfalls fest: Die unter Ziffer 4 geschilderte Problematik der aus der doppelten Bewertung unter Anwendung der beiden „atmenden“ Marktzinssätze resultierenden negativen Ausschüttungssperre würde damit beseitigt.

Insbesondere aufgrund dieser nun neu hinzukommenden Problematik wäre eine Reformierung des Abzinsungssatzes sehr zu begrüßen. Damit einhergehen dürfte gerne auch eine gleichzeitige Reformierung des scheinbar ausschließlich von der Bundesregierung und dem BVerfG noch für angemessen erachteten 6%igen Zinssatzes bei der steuerlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen gemäß § 6a EStG. Da sich das BMJ zu dem Reformvorschlag des IDW bislang noch nicht geäußert hat, erscheint es allerdings unrealistisch, dass eine derartige Gesetzesänderung noch beschlossen werden könnte, bevor bei den nun anstehenden Jahresabschlüssen erstmalig mit einer verdeckten Ausschüttungssperre umgegangen werden muss.

Die Äußerungen des Vorsitzenden Richters des 10. Senats des Finanzgerichts Niedersachsen im Rahmen des aba Forum Steuerrecht am 12.3.24 machen darüber hinaus nur wenig Hoffnung, dass das BVerfG selbst bei einer erneuten (überarbeiteten) Vorlage durch das FG Köln den 6%igen Zinssatz gemäß § 6a Abs. 3 S. 3 EStG als verfassungswidrig beurteilen könnte.

6. Fazit

Aufgrund der steigenden „atmenden“ Zinssätze, die für die Abzinsung von unmittelbaren Pensionsverpflichtungen gemäß § 253 Abs. 2 und 6 HGB maßgeblich sind, wird es sich ergeben, dass in den anstehenden Jahresabschlüssen – voraussichtlich erstmals zum 30.6.24 – ein negativer ausschüttungsgesperrter Unterschiedsbetrag im Anhang der Bilanz (oder unter der Bilanz) auszuweisen sein wird. Dass dadurch „die Ausschüttungssperre ins Leere laufen und die zusätzliche Anhangsangabe bedeutungslos werden“ (Goldbach/Rasch/Ricken: Betriebliche Altersversorgung im Jahresabschluss nach nationalen und internationalen Bilanzierungsgrundsätzen, DB 2023 S. 2961 ff.) würde, deckt sich nicht mit unseren Schlussfolgerungen. Vielmehr besteht weiterhin die Pflicht, die doppelte Bewertung der Pensionsverpflichtungen stattfinden zu lassen und den sich daraus ergebenden (negativen) Unterschiedsbetrag im Anhang der Bilanz (oder unter der Bilanz) auszuweisen.

Dem Gedankengang, dass mit einem negativen Unterschiedsbetrag ein zusätzliches Ausschüttungsvolumen begründet werden könnte, muss jedoch eine Abfuhr erteilt werden. Eine derartige Vorgehensweise hätte eine Schmälerung des Stammkapitals zur Folge, was nach dem Grundsatz der Kapitalerhaltung nicht zulässig wäre. Letztlich sehen sich Unternehmer nun damit konfrontiert, dass die eigentlich vom Gesetzgeber geschaffene Bilanzierungserleichterung durch die Zinswende in eine Bilanzierungsbelastung umschlägt, die ihren ausschüttungsfähigen Gewinn nun künstlich schmälert und in deren Folge aus einer offenen eine verdeckte Ausschüttungssperre wird. Ein Entrinnen aus dieser Thematik ist – vorausgesetzt es wird nicht kurzfristig zu einer Gesetzesänderung kommen – nicht in Sicht.

Zu den Autoren | Kevin Pradl, MPM, LL.B., ist gerichtlich zugelassener Rentenberater und geschäftsführender Gesellschafter der Pensions Consult Pradl GmbH, Kanzlei für Altersversorgung, kevin.pradl@pcp-kanzlei.de und der BPS – Bayerische Pensions Service GmbH, kevin.pradl@bps-online.bayern; Jürgen Pradl ist gerichtlich zugelassener Rentenberater für die betriebliche Altersversorgung und geschäftsführender Gesellschafter der Pensions Consult Pradl GmbH, Kanzlei für Altersversorgung, juergen.pradl@pcp-kanzlei.de

AUSGABE: GStB 5/2024, S. 182 · ID: 49987163

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