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Besuchsrecht für eine Betroffene in einem PflegeheimKeine Verfassungsbeschwerde ohne erfolgloses Betreuungsverfahren

Abo-Inhalt13.11.20232723 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Bevor eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird, ist der Rechtsweg zu den Fachgerichten vollständig auszuschöpfen, damit die behauptete Grundrechtsverletzung bereits dort verhindert oder beseitigt werden kann. Wird eine Tochter durch ein Besuchs- und Hausverbot betreffend ihre unter Betreuung stehende und im Pflegeheim untergebrachte Mutter belastet, ist daher zunächst der Rechtsweg zu den Betreuungsgerichten erfolglos zu durchlaufen. Das hat das BVerfG entschieden. |

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist die Tochter T der unter Betreuung stehenden Bewohnerin M eines Pflegeheims. Die T begehrt ein Besuchsrecht. Dem steht ein Hausverbot der Heimbetreiberin H entgegen. Die H begründet dies mit Hygieneverstößen der T und Infektionsrisiken für die M und weitere Bewohner. Die Betreuerin B der M bezieht sich auf das Hausverbot und untersagt ihrerseits Besuche der T. Zunächst hatte die T zivilgerichtlich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolglos den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die H begehrt, um Umgänge mit der M zu regeln. Auch die Beschwerde dagegen blieb erfolglos. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die landgerichtliche Entscheidung. Gleichzeitig begehrt die T vor dem Betreuungsgericht die Zustimmung von der B zu einer Umgangsregelung (BVerfG 25.1.23, 2 BvR 2255/22, Abruf-Nr. 233658).

Entscheidungsgründe

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, § 93b S. 1 Alt. 1 BVerfGG. Zwar macht die T sowohl eigene Grundrechtsverletzungen als auch solche der M geltend. In beiderlei Hinsicht ist die Beschwerde aber bereits unzulässig. Die T vertritt die M nicht wirksam bezüglich der behaupteten Verletzungen der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der M. Die M ist gesetzlich durch die B vertreten, die keinerlei Verfahrensvollmacht erteilt hat.

Betreffend die behaupteten Grundrechtsverletzungen der T ist der Rechtsweg zu den Fachgerichten nicht erschöpft. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Danach muss ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs i. e. S. hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachten Grundrechtsverletzung korrigieren zu lassen oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Der Beschwerdeführer muss deshalb von den fachgerichtlichen Rechtschutzmöglichkeiten dahin gehend Gebrauch machen, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt. Dies erfordert, dass bereits im fachgerichtlichen Verfahren ein so umfangreicher Vortrag gegen den beanstandeten Hoheitsakt erfolgt, dass eine Prüfung gewährleistet ist.

Das Pflegeheim muss Besuche nur dulden, wenn diese von der B gestattet worden sind. B hat dies bisher verweigert. Ob dies rechtmäßig ist, ist bisher ungeklärt. Die T kann sich am Betreuungsverfahren beteiligen und die von der B erlassene Umgangsverweigerung überprüfen lassen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens erscheinen offen. Im betreuungsgerichtlichen Verfahren ist zu klären, ob die M durch die begehrten Umgänge tatsächlich gefährdet ist. Dabei müssten auch die dem Hausverbot zugrunde liegenden Vorwürfe gegenüber der T auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Da es sich hierbei um streitige Tatsachen handelt, wird ein bloßer Verweis auf das Hausverbot nicht genügen.

Davon zu unterscheiden ist die weitergehende Frage, ob es auch im Fall eines Einverständnisses der B mit Umgangskontakten dem Pflegeheim gestattet ist, aus wichtigem Grund ein Hausverbot zu erlassen. Dieses kann ggf. erneut zivilgerichtlich überprüft werden.

Relevanz für die Praxis

Der Nichtannahmebeschluss des 2. Senats mutet auf den ersten Blick als nur schwer verständlich an. Es drängt sich geradezu das Bild zirkelschlussartig aufeinander bezogener Entscheidungen der Betreuungs- und Zivilgerichte auf. Damit könnte der Eindruck entstehen, dass die T im Ergebnis aufgrund wechselseitiger Bezugnahmen am Ende rechtsschutzlos dasteht.

Das ist bei genauerer Betrachtung indes nicht der Fall. Der Beschluss fußt vollständig auf dem Subsidiaritätsgrundsatz, der ein Kernelement der Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden darstellt. Danach muss ein Beschwerdeführer über das Gebot, den Rechtsweg i. e. S. zu erschöpfen, alle vorgelagerten prozessualen Möglichkeiten ergreifen (grundlegend BVerfGE 68, 384).

Vorliegend stehen dem Besuch der im Pflegeheim untergebrachten M zwei Umstände entgegen,

  • die Untersagung der Betreuerin und
  • das Hausverbot der Heimbetreiberin.

Da beide Umstände auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen, sind verschiedene Gerichte zuständig, um dagegen vorzugehen. Dies muss in der Prozesspraxis beachtet werden. Dann können bei beschleunigter Verfahrensführung insbesondere der Betreuungsgerichte auch sachgerechte Ergebnisse erzielt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 1834 Abs. 1 BGB in der seit dem 1.1.23 geltenden Fassung. Danach ist ein Betreuer nur berechtigt, den Umgang zu regeln, wenn dieser dies wünscht oder wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete und erhebliche Gefährdung abzuwenden. Dies bedarf je nach Einzelfall umfassender richterlicher Feststellungen.

Genauso liegt die Hürde zivilrechtlich für ein Hausverbot aus wichtigem Grund vergleichsweise hoch. Dies dürfte einer vorherigen Abmahnung bedürfen und eine umfassende Interessen- und Güterabwägung voraussetzen.

AUSGABE: FK 12/2023, S. 206 · ID: 49083066

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