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TeilungsversteigerungIst die Teilungsversteigerung in der Trennungszeit zulässig?
| Der BGH hat entschieden, ob eine Teilungsversteigerung einer Ehewohnung während der Trennungszeit zulässig ist. |
Sachverhalt
Die Beteiligten M und F schlossen im Jahr 2000 die Ehe. Sie erwarben ein Mehrfamilienhaus. Sie nutzten eine Einheit als Ehewohnung. Die andere wurde in zwei Wohnungen unterteilt und vermietet. Sie trennten sich 2018. Die F ist mit den gemeinsamen Töchtern in der Wohnung geblieben. M betreibt die Teilungsversteigerung in beide Wohnungseigentumseinheiten. Die F hat sich in allen Instanzen erfolglos mit einem Drittwiderspruchsantrag gegen die Teilungsversteigerung der Ehewohnung gewendet (BGH 16.11.22, XII ZB 100/22, Abruf-Nr. 233381).
Leitsätze: BGH 16.11.22, XII ZB 100/22 |
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Entscheidungsgründe
Der M betreibt die Teilungsversteigerung, um die Bruchteilsgemeinschaft bezüglich des als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumsanteils aufzuheben. Jeder Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft kann jederzeit verlangen, diese aufzuheben, § 749 Abs. 1 BGB. Bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten wird dies durch Zwangsversteigerung (§§ 180 f. ZVG) und durch Teilung des Erlöses bewirkt, § 753 Abs. 1 BGB. Materielle Rechte oder Einwendungen sind entsprechend § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 771 ZPO im Wege eines („unechten“) Drittwiderspruchsantrags geltend zu machen, obwohl die Teilungsversteigerung i. e. S. keine Zwangsvollstreckung und der Widersprechende nicht Dritter i. S. d. § 771 ZPO ist (BGH 5.6.85, IVb ZR 34/84 FamRZ 85, 903 f.).
Hier steht der F kein „die Veräußerung hinderndes Recht“ i. S. v. § 771 ZPO zu. § 1365 BGB greift nicht, weil es sich bei dem Miteigentumsanteil an der als Ehewohnung genutzten Einheit nicht um das ganze Vermögen des M handelt. Denn in seinem Vermögen gibt es noch einen Miteigentumsanteil am Ferienhaus.
Auch die eheliche Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht (§ 1353 Abs. 1 S 2 BGB) steht dem Antrag auf Teilungsversteigerung nicht entgegen. Diese gilt für beide Ehegatten. Die Interessen des einen daran, dass er sich im äußeren gegenständlichen Lebensbereich seiner Ehe ungestört entfalten kann, sind abzuwägen gegen die Interessen des anderen als Gläubiger, seinen vermögensrechtlichen Anspruch zu verwirklichen (BGHZ 37, 38, NJW 62, 1244 f.).
Der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe genießt bis zur Rechtskraft der Scheidung keinen unbedingten Schutz. Vielmehr ist eine Interessenabwägung erforderlich (Staudinger/Eickelberg, BGB, [2021], § 749 Rn. 71). Während der Trennungszeit ist ein Antrag eines Ehegatten gegen den anderen, die Ehewohnung nach § 985 BGB herauszugeben, unzulässig (BGH 28.9.16 XII ZB 487/15, FamRZ 17, 2). Sonst ginge der besondere Schutz verloren, der durch § 1361b BGB und durch das FamFG – etwa durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) – gewährleistet ist. Diese Normen entfalten eine Sperrwirkung (BGH FamRZ 17, 22 Rn. 11). Für die Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft an der Ehegattenimmobilie gibt es keine vorrangigen familienrechtlichen Vorschriften mit einer Sperrwirkung (Wever, FamRZ 19, 504, 506). Diese ist zwar während der gesamten Trennungszeit als Ehewohnung zu qualifizieren, damit der ausgezogene Ehegatte selbst nach längerer Zeit zurückkehren kann (BGH FamRZ 17, 22 Rn. 13). Dies steht aber allein im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Ehewohnung diesen Charakter durch den streitlosen und längerfristigen Auszug verlieren kann, was der Senat – unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BGH 12.6.13, XII ZR 143/11, FamRZ 13, 1280 Rn. 8) – nun verneint hat.
Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die Ehewohnung bei Rechtskraft der Scheidung in jedem Fall noch vorhanden sein muss. Das folgt nicht aus § 1568a BGB, der das (weitere) Vorhandensein der als Ehewohnung genutzten Immobilie insoweit zwar tatbestandlich voraussetzt, aber nicht gebietet (OLG Stuttgart FamRZ 21, 663, 664). Die Interessenabwägung gewährleistet, dass die widerstreitenden Grundrechtspositionen – Art. 6 vs. Art. 14 GG – angemessen ausgeglichen werden können. Der räumlich-gegenständliche Ehebereich kann nicht umfassend geschützt werden. Würde der Teilungswillige seinen Miteigentumsanteil an einen Dritten veräußern, könnte der andere dem Erwerber nach Aufhebung der Gemeinschaft keine in der Ehe und der ehelichen Solidarität wurzelnden Einwendungen mehr entgegenhalten (BGH NJW 62, 1244, 1245).
Ein Ausschluss der Teilungsversteigerung in der Trennungszeit würde den Grundprinzipien der Teilung der Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück (§§ 749, 753 BGB) zuwiderlaufen und ehefeindliche Wirkungen erzeugen können. Der Teilungsunwillige würde ein Druckmittel erhalten, um eine freihändige Veräußerung an einen Dritten zu erzwingen, auf die er bei streitiger Aufhebung der Gemeinschaft keinen Anspruch hat. Für den Teilungswilligen würden Anreize gesetzt, frühzeitig die Scheidung zu beantragen (Wever, FamRZ 19, 504, 506).
Die Interessenabwägung fällt hier zugunsten des M aus. Die Interessen des Teilungswilligen müssen i. d. R. zurücktreten, wenn er primär ehefeindliche Absichten verfolgt (BGH NJW 62, 1244, 1245) oder mit der Zwangsversteigerung droht, um den anderen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen (Wellenhofer, FS Hopt, [2020], 1433, 1444). Es muss triftige Gründe dafür geben, die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft in der Trennungszeit zu betreiben. Es kommt darauf an, wie dringend der Teilungswillige auf die Erlöse angewiesen ist (Wever, FamRZ 19, 504, 505). Aufseiten des anderen Ehegatten ist dessen Gesundheit zu beachten, wie lange er in der Ehewohnung lebt und ob – auch mit Blick auf den Veräußerungserlös – für ihn zumutbarer Ersatzwohnraum zu beschaffen ist. In besonderem Maße ist zu bedenken, ob und inwieweit das Kindeswohl beeinträchtigt werden würde. Je länger die Trennung andauert, desto mehr Zeit stand dem Teilungsunwilligen zur Verfügung, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen. Mit zunehmender Dauer der Trennungszeit werden an das Versteigerungsinteresse des Teilungswilligen geringere und an das Nutzungsinteresse des anderen höhere Anforderungen zu stellen sein. Bei langer Trennungszeit ist zu erwägen, im Ehewohnungsverfahren ein Mietverhältnis an der Immobilie zu begründen (Wever FamRZ 19, 504, 505). Bedeutsam kann auch sein, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen die Miteigentümergemeinschaft begründet wurde (BGH NJW 62, 1244, 1245).
Die Versteigerungsinteressen des M sind vorzugswürdig gegenüber den Nutzungsinteressen der F und der Kinder. Die von der F behaupteten gesundheitlichen Gefährdungen, die mit einem Umzug verbunden sein sollen, sind nicht bewiesen. Es ist nicht festgestellt worden, dass es der F finanziell unmöglich sein könnte, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen. Im Hinblick auf die Töchter fehlt Vortrag dazu, inwiefern sie durch einen Umzug belastet würden. Bei der Interessenabwägung können daher nur Belastungen der Kinder beachtet werden, die typischerweise mit einem Wohnungswechsel einhergehen. Auch hinsichtlich des mehr als dreijährigen Getrenntlebens ist dem Interesse des – auch in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden – M, einen Versteigerungserlös zu erzielen, der Vorzug zu geben. Die F bewohnt die Immobilie erst seit 2017. Das Zusammenleben hat bis zur Trennung kaum ein Jahr gedauert.
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht dem Anspruch des M nicht entgegen, die Gemeinschaft aufzuheben. Umstände, die bereits bei der Bestimmung der ehelichen Rücksichtnahmepflicht nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB beachtet worden sind, können keinen Einwand aus § 242 BGB mehr begründen (OLG Jena FamRZ 2019, 515, 518). Sonstige Aspekte, die das Verlangen des M als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
Relevanz für die Praxis
Es ist dem teilungsunwilligen Ehegatten überlassen, ob er das Ehewohnungsverfahren (§ 1361b BGB) mit dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) und den speziellen Vorschriften über die Geltendmachung der Kindesinteressen durch das Jugendamt (§§ 204 f. FamFG) wählt oder ob er in einem Drittwiderspruchsverfahren, in dem der Beibringungsgrundsatz gilt, zu den eigenen Interessen und denjenigen der im Haushalt lebenden Kinder vortragen will. In diesem Verfahren werden schutzwürdige Belange durch das Schrankensystem aus materiell-rechtlichen Einwendungen nach § 1365, § 1353 Abs. 1 S. 2, § 242 BGB und vollstreckungsschützenden Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765a ZPO gewahrt. Der Teilungsunwillige kann auch beide Wege beschreiten (OLG Stuttgart FamRZ 21, 663).
AUSGABE: FK 12/2023, S. 203 · ID: 49040904