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AblieferungspflichtAblieferungspflicht nach § 2259 BGB kann über der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht stehen

Abo-Inhalt03.09.202526 Min. Lesedauer

| In einem Beschwerdeverfahren hat das OLG Frankfurt a. M. über die Ablieferungspflicht gem. § 2259 BGB entschieden. Es ging um einen Abschiedsbrief des Erblassers, der an seinen Rechtsanwalt gerichtet war und sowohl vertrauliche Mitteilungen als auch erbrechtliche Verfügungen enthielt. |

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt war im Besitz eines siebenseitigen Abschiedsbriefes seines Mandanten, des Erblassers. Der Brief enthielt sowohl vertrauliche Informationen als auch Verfügungen von Todes wegen. Die Mutter (M) des Erblassers wandte sich unter Vorlage einer Sterbeurkunde schriftlich an das Nachlassgericht und teilte sinngemäß u. a. mit, dass sie einen Erbschein nach dem Erblasser benötige. Im weiteren Verlauf übersandte M abschriftlich Teile des Abschiedsbriefes an das Nachlassgericht. Auf die Bitte, den Abschiedsbrief dem Nachlassgericht im Original zur Eröffnung zu übersenden, habe die M erklärt, dass eine Übersendung auf gar keinen Fall erfolgen werde. Der Brief sei ganz persönlich und sie wolle nicht, dass dieser in fremde Hände gelange. M hat sich schließlich darauf zurückgezogen, dass der Abschiedsbrief nicht an sie persönlich gerichtet gewesen sei, sondern an den Rechtsanwalt ihres Sohnes. Insoweit müsse sich das Nachlassgericht an diesen wenden. Unter Hinweis auf die Ablieferungspflicht aus § 2259 BGB hat das Nachlassgericht sodann dem Rechtsanwalt unter Fristsetzung die Einreichung der Verfügung(en) von Todes wegen im Original aufgegeben.

Der Rechtsanwalt hat daraufhin erklärt, er befinde sich in einem Konflikt zwischen seiner Verschwiegenheitspflicht dem Erblasser gegenüber und der ihm bekannten Ablieferungspflicht des § 2259 BGB. In dem Brief seien auch vertrauliche Punkte thematisiert. Im zweiten Teil des Briefes sei der Erblasser zu einem nicht mehr vertraulichen Inhalt gekommen. Im Folgenden übersandte der Rechtsanwalt daher lediglich die Teile des Briefes mit den Seitenzahlen 5, 6 und 7. Nach weiterem Austausch der rechtlichen Standpunkte hat das Nachlassgericht mit Beschluss angeordnet, dass der Rechtsanwalt die in seinem Besitz befindlichen Seiten 1 bis 4 des Abschiedsbriefs des Erblassers im Original an das Nachlassgericht abzuliefern habe.

Gegen diesen Beschluss hat der Rechtsanwalt Beschwerde eingelegt und diese begründet. Er war weiterhin der Auffassung, nicht zur Ablieferung der weiteren Seiten des Abschiedsbriefs verpflichtet zu sein. Ein Rechtsanwalt sei aus standesrechtlichen Gründen an die Verschwiegenheitsverpflichtung gebunden und mache sich bei deren Verletzung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar. Sein Zeugnisverweigerungsrecht ergebe sich aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Frankfurt zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Das OLG hat die Beschwerde unter Neufassung des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen und zugleich für den Fall der Nichtablieferung ein Zwangsgeld bis zu 25.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die sehr ausführlich begründete Entscheidung des OLG Frankfurt (15.1.25, 20 W 220/22, Abruf-Nr. 249863) kommt zunächst zu dem Schluss, dass es sich bei den im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen ersten vier Seiten des Briefes um Dokumente handelt, die der Ablieferungspflicht des § 2259 Abs. 1 BGB unterliegen.

Selbst wenn der Wille des Erblassers darauf gerichtet gewesen sein sollte, dass der von ihm als vertraulich bezeichnete Teil des Abschiedsbriefs, in dem er auch Verfügungen traf, die jedenfalls als testamentarisch in Betracht kommen, nur dem Beschwerdeführer bekannt werden sollte, wäre dies unbeachtlich. Nach § 2263 BGB sei nämlich eine Anordnung des Erblassers, durch die er verbietet, das Testament alsbald nach seinem Tode zu eröffnen, nichtig und damit wirkungslos. Damit seien auch Anordnungen des Erblassers, eine Verfügung von Todes wegen – oder ein als solches in Betracht kommendes Schriftstück – dem Nachlassgericht nicht zur Eröffnung abzuliefern, unwirksam (mit Verweis auf weitere Nachweise).

Sodann stützt das Gericht das Fortbestehen der Ablieferungspflicht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Kern auf folgende Erwägungen:

Eine Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 ZPO (i. V. m. § 30 Abs. 1 FamFG) komme vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ablieferungspflicht des § 2259 BGB – wie ausgeführt – dazu diene, als letztwillige Verfügungen in Betracht kommende Schriftstücke der Eröffnung nach § 348 FamFG durch das Nachlassgericht zuzuführen. Die Ablieferungspflicht stehe damit nicht im Zusammenhang mit einer Beweiserhebung im Sinne des § 29 FamFG, die der amtswegigen Sachaufklärung (§ 26 FamFG) zur Schaffung der Entscheidungsgrundlage (§ 37 Abs. 1 FamFG) in einem mit einer Sachentscheidung abschließenden (nachlass-)gerichtlichen Verfahren dienen würde.

Auch die Pflicht des Antragstellers zur Berufsverschwiegenheit als Rechtsanwalt aus § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO stehe seiner Ablieferungspflicht nicht entgegen. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gelte nicht uneingeschränkt. Wie § 2 Abs. 3 BORA ausdrücklich klarstelle, können Gesetz oder Recht eine Ausnahme zulassen oder fordern. Die Rechtsordnung könne damit Ausnahmen vorsehen, insbesondere in Fällen, in denen es geboten ist, öffentliche Interessen über das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten zu stellen (mit Verweis auf Praß in BeckOK BORA, 46. Ed. Stand: 1.9.22, § 2 BORA, Rn. 13). Solches sei vorliegend der Fall. Denn die Eröffnung eines Testaments, und damit auch der Eröffnung vorausgehend die Pflicht zu dessen Ablieferung nach § 2259 Abs. 1 BGB diene dem öffentlichen Interesse an einer zeitnah zum Erbfall erfolgenden Feststellung der Erbfolge.

Schließlich könne sich der Beschwerdeführer auch nicht darauf berufen, ihm drohe bei Ablieferung des Testaments strafrechtliche Verfolgung wegen eines Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn nur die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses erfülle den Tatbestand. Wie aber vorgehend ausführlich begründet, handele ein Rechtsanwalt, der dem Nachlassgericht ein Testament abliefert, das sein Mandant errichtet und ihm mit der ausdrücklichen Anweisung übergeben hat, dies nicht herauszugeben, im Rahmen einer rechtlichen Verpflichtung und damit nicht unbefugt.

AUSGABE: EE 9/2025, S. 147 · ID: 50528531

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