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EEErbrecht effektiv

AnfechtungAnfechtung der Ausschlagung ins Blaue hinein ist unwirksam

Abo-Inhalt03.06.20253 Min. Lesedauer

| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das OLG Zweibrücken (7.3.25, 8 W 20/24, Abruf-Nr. 248330) entschieden. |

Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.

Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblasser unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. Die vom Nachlassgericht dem OLG Zweibrücken zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.

Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte. Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 20, 290; ZEV 21, 505; ZEV 21, 503 ff.).

Ausgehend von der vorgenannten Rechtsprechung habe das Nachlassgericht zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe [wird ausgeführt].

Praxistipp | Vor der Ausschlagung einer Erbschaft, die allerdings grundsätzlich in der Frist von 6 Wochen erfolgen kann (§ 1944 Abs. 1 BGB), sollte sich jeder Erbe über den Bestand des Nachlasses informieren. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt und wenn er durch Verfügung von Todes wegen berufen ist, nicht vor der Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht (§ 1944 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB). Damit nicht „vorschnell“ ausgeschlagen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Annahme der Erbschaft – auch bei möglicherweise überschuldetem Nachlass – grundsätzlich nicht zur Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern führt. Der Erbe kann die Haftung bis auf den Fall der Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 BGB) stets im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auf den Nachlass beschränken und muss nicht mit seinem Eigenvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten einstehen (§§ 1989 ff. BGB).

AUSGABE: EE 6/2025, S. 92 · ID: 50436414

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