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ErbengemeinschaftPraxisleitfaden zur Beratung von Erbengemeinschaften als Vermieterin einer Immobilie (Teil 2)
| Nachdem sich der erste Teil dieses Beitrags (siehe EE 25, 78) mit der Berichtigung des Grundbuchs, der Verteilung von Lasten und Kosten sowie dem Abschluss neuer Mietverträge nach Erwerb einer vermieteten Immobilie befasst hat, richtet sich der Blick im zweiten Teil auf das bestehende Mietverhältnis. Im Vordergrund stehen Fragen rund um den Mietgebrauch, die Abwicklung der Mietkaution und eine Mieterhöhung. |
Inhaltsverzeichnis
1. Mietgebrauch
Mit dem Erbfall treten die Erben gemäß § 1922 Abs. 1 BGB als Gesamtrechtsnachfolger in sämtliche Rechte und Pflichten des verstorbenen Vermieters ein. Besteht eine Mehrheit von Erben, üben sie diese Rechte und Pflichten gemeinschaftlich im Rahmen einer Erbengemeinschaft aus (§§ 2032, 2039 BGB). In diesem Zusammenhang sind die Erben verpflichtet, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Dazu zählt insbesondere die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, also sowohl deren Instandhaltung als auch deren Instandsetzung (vgl. BGH 5.12.18, VIII ZR 17/18).
Praxistipp | Sobald der Mieter einen Mangel (z. B. Feuchtigkeit, Schimmel, undichte Fenster) anzeigt, sollte die Erbengemeinschaft – oder ein entsprechend bevollmächtigter Miterbe – den Sachverhalt unverzüglich prüfen. Stellt sich heraus, dass der Mangel in den Verantwortungsbereich des Vermieters fällt (z. B. Instandhaltung der Bausubstanz), ist eine zeitnahe Beseitigung erforderlich. Unterbleibt die zeitgerechte Mängelbeseitigung, drohen Mietminderungen oder Schadensersatzansprüche seitens des Mieters. |
Sind im Mietvertrag Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart, trifft die Erben zudem die Pflicht, jährlich form- und fristgerecht über die Betriebskosten abzurechnen (§ 556 Abs. 3 BGB). Diese Abrechnungspflicht folgt nicht unmittelbar aus § 535 BGB, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in Verbindung mit §§ 556 ff. BGB.
Jeder einzelne Miterbe ist berechtigt und verpflichtet, unaufschiebbare Notverwaltungsmaßnahmen auch ohne vorherige Abstimmung mit den übrigen Miterben durchzuführen (Staudinger/Löhnig, BGB, § 2038 Rn. 27; MüKo/Gergen, BGB, 8. Aufl. 2020, § 2038 Rn. 56). Derartige Maßnahmen zielen darauf ab, den Bestand des Nachlasses zu sichern und drohende Schäden unverzüglich abzuwenden. In der Praxis betrifft dies vor allem akut erforderliche Instandsetzungs- oder Reparaturmaßnahmen an Nachlassimmobilien, etwa die sofortige Abdichtung eines stark undichten Daches (BGH 8.5.52, IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76 [84]).
Ob solche Maßnahmen aus Nachlassmitteln finanziert werden können, ist dabei von zentraler Bedeutung. Ist der Nachlass hinreichend liquide, sind die erforderlichen Kosten vorrangig hieraus zu tragen. Fehlen entsprechende Mittel, darf der handelnde Miterbe die Maßnahme aus eigenen Mitteln vorfinanzieren und – bei objektiver Erforderlichkeit und Unaufschiebbarkeit – Aufwendungsersatz gegenüber der Erbengemeinschaft sowie dem Nachlass beanspruchen (vgl. BGH, a .a. O.; Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn. 28).
Beispiel |
Stellt ein Miterbe (E1) fest, dass das Dach des vermieteten Nachlassgrundstücks stark undicht ist und sofort abgedichtet werden muss, kann er unverzüglich eine Dachdeckerfirma beauftragen, ohne zuvor den Beschluss aller Erben einzuholen. Sind genug liquide Mittel im Nachlass vorhanden, sollten diese genutzt werden. Andernfalls ist E1 befugt, die Reparatur vorzufinanzieren und anschließend Erstattung von der Erbengemeinschaft zu verlangen, sofern die Maßnahme im Sinne der Notverwaltung objektiv erforderlich und unaufschiebbar war. |
Die Miterben sind nach Eintritt in die Vermieterstellung gemeinschaftlich berechtigt und verpflichtet, sämtliche Mietforderungen einzuziehen. Dazu haben sie dem Mieter ihren Vermieterwechsel mitzuteilen und diesen gegebenenfalls zu belegen (z. B. durch Vorlage eines Erbscheins oder eine einheitliche schriftliche Erklärung aller Erben). Erst dann kann jeder einzelne Miterbe die Zahlung der ungeteilten Miete für die Erbengemeinschaft verlangen (§§ 432 Abs. 1, 2039 BGB; BGH 28.9.05, VIII ZR 399/03, NZM 05, 941; OLG Oldenburg, ZMR 94, 508; OLG Düsseldorf, ZMR 98, 25). Ein Anspruch eines einzelnen Miterben auf Zahlung allein seines Erbanteils an der Miete besteht nicht; der Mieter schuldet vielmehr die Gesamtmiete an die Erbengemeinschaft als solche.
Hinsichtlich der Mietforderung besteht ein Forderungsgemeinschaftsverhältnis i. S. v. § 432 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass der Mieter grundsätzlich nur an alle Gläubiger gemeinsam zahlen kann. Eine Ausnahme greift, sofern einer der Vermieter über eine ausdrückliche Empfangsvollmacht verfügt. Liegt eine solche Vollmacht nicht vor, gerät der Mieter in Zahlungsverzug, wenn er die Miete nicht an sämtliche Vermieter (bzw. Miterben) leistet (OLG München 15.1.98, 19 U 5142/97, NZM 98, 474).
Praxistipp | Um Unsicherheiten beim Mieter oder gar Doppelzahlungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, einem Miterben Vertretungsmacht zu erteilen. Dieser kann dann als zentraler Ansprechpartner gegenüber dem Mieter fungieren und die Zahlungen stellvertretend entgegennehmen. |
Bei einer Aufrechnung des Mieters ist zudem zu beachten, dass er nur gegen Forderungen der gesamten Erbengemeinschaft aufrechnen kann. Ein Aufrechnungsrecht gegenüber Forderungen einzelner Miterben ist ausgeschlossen (§§ 719 Abs. 2, 2040 Abs. 2 BGB).
2. Mietkaution
Die Erbengemeinschaft haftet für die vom Mieter geleisteten Barkautionen nach § 2058 BGB als Gesamtschuldner. Es handelt sich insoweit um eine Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 1967 BGB. Die mietvertragliche Verpflichtung zur Anlage der Sicherheitsleistung (§ 551 BGB) erfordert von der Erbengemeinschaft zunächst die Prüfung, ob bereits eine Kaution erbracht wurde. Ist dies der Fall, so ist sicherzustellen, dass sie getrennt vom übrigen Vermögen – zunächst des verstorbenen Vermieters, nun der Erbengemeinschaft – auf einem Treuhandkonto verwahrt wird. Die Erbengemeinschaft agiert damit als Treuhänderin. Da der Mieter die getrennte Anlage während des Mietverhältnisses fordern und bei Weigerung nach § 887 ZPO vollstrecken kann, ist die ordnungsgemäße Verwahrung auf einem separaten Konto „oberstes Gebot“.
Beachten Sie | Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB begründen, sowohl aus dem Mietvertrag selbst als auch aus Delikt nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 551 BGB; letzteres gilt als Schutzgesetz zugunsten des Mieters (vgl. LG Hamburg 30.8.01, 327 S 79/01, ZMR 02, 598, 599). Bei vorsätzlichem Handeln kann überdies der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB verwirklicht sein (BGHSt 41, 224, 228 f.; OLG Frankfurt a. M. 18.1.89, 9 U 161/87, ZMR 90, 9). Bis zum Nachweis der separaten Anlage steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zu (AG Königswinter 2.2.07, 9 C 434/05, WuM 07, 347).
Hat der Erblasser im Mietvertrag zwar eine Kaution vereinbart, sie aber noch nicht vom Mieter angefordert, gelten die allgemeinen Regeln. Der Anspruch auf Zahlung der Kaution verjährt in drei Jahren (§§ 195, 199 BGB; LG Duisburg 28.3.96, 13 S 334/05, ZMR 06, 533 f.).
Nach Ende des Mietverhältnisses hat die Erbengemeinschaft gemäß § 259 BGB über die Mietkaution abzurechnen. Sofern keine offenen Forderungen oder sonstigen Ansprüche zugunsten der Erbengemeinschaft bestehen, ist die Kaution an den Mieter herauszugeben. Eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen ist nur gemeinschaftlich möglich und stellt eine Verfügung i. S. v. § 2040 BGB dar (LG Berlin 2.7.99, 64 S 49/99, GE 99, 1129). Möchte die Erbengemeinschaft die Freigabe der Kaution verhindern, um mit Gegenansprüchen aufzurechnen, muss sie diese Erklärung daher einvernehmlich abgeben.
Praxistipp | Die in der Praxis häufig auftretenden formalen Schwierigkeiten lassen sich durch die Bestellung eines Verwalters oder eines handlungsbefugten Vertreters innerhalb der Erbengemeinschaft vermeiden, der über entsprechende Vollmachten verfügt. Dies erleichtert eine reibungslose Verwaltung der Mietsicherheiten und eine eindeutige Kommunikation mit dem Mieter. |
Beabsichtigt die Erbengemeinschaft, eine vermietete Immobilie zu veräußern, sind die Vorschriften der §§ 551, 566a BGB zu beachten, um einen späteren Rückgriff auf die Erbengemeinschaft im Hinblick auf die Kaution zu verhindern. Neben dem Erwerber haftet der Veräußerer gemäß § 566a S. 2 BGB subsidiär auf Rückgewähr der Sicherheit, einschließlich Verzinsung. Die Haftung ist zwar nachrangig, erfordert aber – anders als § 771 ZPO – keine erfolglose Vollstreckung oder Klage gegen den Erwerber. Stattdessen muss der Mieter darlegen und beweisen, dass beim Erwerber keine Befriedigung zu erlangen ist (etwa durch dokumentierte fruchtlose Pfändung oder ein Insolvenzverfahren). Gibt der Erwerber die Sicherheit nicht heraus und liegen keine Ansprüche gegen den Mieter vor, kann der Mieter direkt vom Veräußerer Rückzahlung verlangen oder gegen dessen Forderungen aufrechnen.
Verlangt der Mieter die Herausgabe der Kaution an den Erwerber, ging die h. M. nach § 572 a. F. BGB noch von einer Haftungsbefreiung des Veräußerers aus. Nach der Neufassung des § 566a S. 2 BGB gilt dies uneingeschränkt nur bei einer Vertragsübernahme mit Zustimmung des Mieters (§ 415 BGB). In anderen Fällen stellt das bloße Verlangen des Mieters, die Kaution an den Erwerber zu übergeben, keine Befreiung von der subsidiären Haftung dar (BGH 7.12.11, VIII ZR 206/10, NZM 12, 303). Die Verpflichtung des Veräußerers erlischt nur, wenn der Erwerber die Kaution rechtmäßig vereinnahmt und sie ordnungsgemäß abrechnet, oder wenn der Veräußerer sie selbst an den Mieter zurückgibt und dadurch Erfüllung gemäß § 362 BGB eintritt.
PRAXISTIPP | Die Erbengemeinschaft sollte darauf hinwirken, dass der Erwerber nach §§ 566 ff. BGB in sämtliche Rechte und Pflichten bezüglich der Mietsicherheiten eintritt und diese – idealerweise im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung (Veräußerer/Erwerber/Mieter) – tatsächlich getrennt übergeben werden. Eine solche Regelung bietet den Miterben ein hohes Maß an Rechtssicherheit. |
3. Mieterhöhung
Mieterhöhungen sind Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung (OLG Düsseldorf 13.5.98, 11 U 53/97). Sie können gemäß § 745 Abs. 1 BGB mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, wobei die Anteile der Erben bei der Stimmabgabe maßgeblich sind. Jeder Miterbe kann nach § 745 Abs. 2 BGB von den übrigen Miterben die Mitwirkung an einer dem gemeinsamen Interesse dienenden Verwaltungsmaßnahme verlangen (OLG Düsseldorf, ZMR 99, 21).
Bei der Einzelverwaltung ist allerdings Vorsicht geboten. In einem Fall warf ein Miterbe dem von einer Gemeinde eingesetzten Verwalter vor, pflichtwidrig keine Mieterhöhung für ein Nachlassgrundstück veranlasst zu haben. Die daraus abgeleitete Schadensersatzklage zugunsten der Erbengemeinschaft scheiterte in sämtlichen Instanzen. Der BGH (6.3.08, III ZR 219/07, ZErb 08, 315) stellte klar, dass die Notverwaltungsrechte aus § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB (für Miterben) und § 744 Abs. 2 BGB (für Teilhaber) als gesetzlich geregelte Fälle einer Geschäftsführungsbefugnis i. S. d. § 677 BGB nur Maßnahmen erfassen, die zur Erhaltung des Nachlassgegenstandes erforderlich sind. Eine Mieterhöhung sei lediglich eine nützliche, aber keine notwendige Maßnahme, weshalb ihr Unterlassen keine Pflichtverletzung im Rahmen der Notverwaltung darstelle.
Zu beachten ist schließlich, dass ein Mieterhöhungsverlangen gemäß §§ 558, 558a BGB in Textform erfolgen muss. Rechtlich handelt es sich dabei um ein Angebot zum Abschluss eines geänderten Mietvertrags i. S. d. § 145 BGB; die Zustimmung des Mieters gilt als Annahme (vgl. BGH 6.4.22, VIII ZR 219/20). Das Mieterhöhungsverlangen muss – sofern keine einheitliche Vertretungsregelung existiert – entweder von allen Miterben ausgehen oder von einem ordnungsgemäß bevollmächtigten Miterben erklärt werden. Da § 558a BGB lediglich Textform verlangt, genügt es, die Namen aller Erben im Briefkopf aufzuführen; eine Unterschrift oder eine eigenhändige Erklärung ist nicht erforderlich.
- Der Beitrag wird mit Teil 3 in der nächsten Ausgabe von EE fortgesetzt.
AUSGABE: EE 6/2025, S. 105 · ID: 50436607