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ErbengemeinschaftPraxisleitfaden zur Beratung von Erbengemeinschaften als Vermieterin einer Immobilie (Teil 1)
| Die Vermietung einer geerbten Immobilie durch eine Erbengemeinschaft stellt in der Praxis eine besondere Herausforderung dar. Mit diesem dreiteiligen Beitrag erhalten Sie einen praktischen Leitfaden zur Beratung und Begleitung von Erbengemeinschaften, der besonders praxisrelevante Fragestellungen und streitvermeidende Lösungen aufzeigt. |

1. Grundbuchberichtigung
Mit dem Erbfall geht das Eigentum an einer zum Nachlass gehörenden Immobilie gemeinschaftlich auf die Miterben über (§ 2032 Abs. 1 BGB). Ist eine Immobilie Teil des Nachlasses, wird das Grundbuch mit Eintritt des Erbfalls unrichtig und bedarf der Berichtigung gemäß §§ 1922, 894 BGB. Im Grundbuch ist gemäß § 47 GBO das für die Erbengemeinschaft maßgebliche Rechtsverhältnis ausdrücklich zu bezeichnen (BeckOK BGB/Lohmann, 72. Ed. 1.11.24, BGB § 2032 Rn. 12). Die allgemeine Angabe „Gesamthand“ oder „Gemeinschaft zur gesamten Hand“ genügt den grundbuchrechtlichen Anforderungen nicht.
Praxistipp | Den Mitgliedern der Erbengemeinschaft stehen als Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaft keine Bruchteile am Eigentum des Nachlasses zu. Sie sind vielmehr entsprechend ihren Erbquoten lediglich ideell am Nachlass beteiligt. Dementsprechend dürfen im Grundbuch bei der Eintragung einer Erbengemeinschaft weder Bruchteilsberechtigungen noch die jeweiligen Erbquoten angegeben werden (OLG München 19.7.16, 34 Wx 62/16, ZEV 16, 36). Die Erbquote bezieht sich allein auf die interne Erbauseinandersetzung (§ 2047 Abs. 1 BGB) und ist kein Maß für einen Miteigentumsanteil an einzelnen Nachlassgegenständen. Eine Angabe der Erbquoten im Grundbuch wäre inhaltlich unzulässig und daher gemäß § 53 Abs. 1 S. 2 GBO von Amts wegen zu löschen. |
Sind die Miterben als Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen, kann ein Antrag auf Berichtigung dieser Eintragung grds. nur von allen Miterben gemeinschaftlich gestellt werden (vgl. OLG Zweibrücken 1.12.15, 3 W 107/15; vgl. auch BayObLG 9.6.94, 2Z BR 52/94). Der Antrag auf Grundbuchberichtigung selbst bedarf nicht der in § 29 GBO vorgeschriebenen, öffentlich beglaubigten Form.
2. Lasten und Kosten der Immobilie
Mit dem Erbfall tragen die Miterben als Gesamthandsgemeinschaft die mit dem Eigentum an der Immobilie verbundenen Lasten und Kosten.
Lasten im Sinne der §§ 103, 748 BGB sind Verpflichtungen, die unmittelbar auf der Immobilie ruhen, aus dieser zu entrichten sind und deren Nutzwert mindern (RGZ 66, 316, 318). Hierzu zählen insbesondere öffentliche Abgaben wie Erschließungs- und Anliegerbeiträge – sowohl für bereits vor dem Erb fall entstandene und fällig gewordene als auch für künftige Beiträge –, Hypotheken- und Grundschuldzinsen, vertraglich begründete Versicherungsbeiträge, Rücklagen zur Erfüllung künftiger Verpflichtungen (RG JW 31, 2722), Grundsteuer sowie Gebühren für Kanalisation, Müllabfuhr und Schornsteinfeger. Ebenfalls als Lasten gelten Prämien für Gebäude- und Feuerversicherungen.
Daneben hat die Erbengemeinschaft die aus privatrechtlichen Verpflichtungen des Erblassers resultierenden Kosten zu tragen. Dazu gehören insbesondere Aufwendungen für Strom-, Wasser- und Heizversorgung sowie für Internet- und Telefonanschlüsse. Bestand beim Erblasser eine Hausratversicherung, geht die Zahlungspflicht für die Versicherungsbeiträge auf die Erbengemeinschaft über. Entsprechendes gilt für Verbindlichkeiten aus einem vom Erblasser aufgenommenen Immobiliendarlehen.
Gehört Wohnungs- oder Teileigentum zum Nachlass, haften die Miterben gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner für das laufende Hausgeld. Die Haftung für vor dem Erbfall entstandene Hausgeldforderungen richtet sich grundsätzlich nach § 1967 Abs. 1 BGB. Die Miterben können jedoch ihre persönliche Haftung gemäß §§ 1975 ff. BGB beschränken, indem sie Nachlassverwaltung (§§ 1977 bis 1988 BGB) oder Nachlassinsolvenz (§§ 1975 bis 1980 BGB, §§ 316, 320 InsO) beantragen (vgl. OLG Köln 18.9.91, 16 Wx 64/91, NJW-RR 92, 460). In diesem Fall tritt rückwirkend eine Vermögenssonderung zwischen dem Nachlass und dem übrigen Vermögen der Erben ein.
Merke | Wohnungs- und Teileigentum sind als Miteigentum nach Bruchteilen ausgestaltet. Die Miteigentümer, einschließlich der Miterben, sind daher nach Bruchteilen berechtigt (§ 741 BGB). Diese Struktur ist gesetzlich in § 1 Abs. 2 und 3 WEG verankert, der eine untrennbare Verbindung von Miteigentumsanteilen am Gemeinschaftseigentum mit dem Sondereigentum an bestimmten Räumen vorsieht. Sind mehrere Miterben an einem Wohnungs- oder Teileigentum beteiligt, steht ihnen das Recht gemeinschaftlich zu (§ 25 Abs. 2 S. 2 WEG), sodass das Stimmrecht gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur einheitlich ausgeübt werden kann (vgl. AG Offenbach 27.4.12, 330 C 202/11). |
3. Mietverhältnisse
a) Abschluss von Mietverträgen
Die Vermietung von Nachlassgrundstücken ist eine ordnungsgemäße Verwaltungstätigkeit gemäß § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB. Die erforderlichen Beschlüsse der Erbengemeinschaft hierzu können durch Stimmenmehrheit gefasst werden. Diese Maßnahme wird als notwendig angesehen, um den Nachlass zu verwalten, ohne die Nachlasssubstanz in einschneidender Weise zu ändern (vgl. BGH 28.9.05, IV ZR 82/04).
Merke | Die ordnungsgemäße Verwaltung umfasst alle Maßnahmen, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten erforderlich oder geeignet sind. |
Beachten Sie | Zählen zu den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft auch Minderjährige, benötigen deren Eltern für den wirksamen Abschluss eines Mietvertrags über den Nachlassgegenstand gemäß § 1799 Abs. 2 S. 1 BGB die Genehmigung des Familiengerichts, soweit das Vertragsverhältnis den Minderjährigen über ein Jahr nach dessen Volljährigkeit hinaus binden soll.
b) Schriftformerfordernis
War die zum Nachlass gehörende Immobilie im Zeitpunkt des Erbfalls vermietet, tritt die Erbengemeinschaft in die Rechtsposition des Erblassers als Vermieter ein, §§ 1922, 2032 BGB. Der Mietvertrag besteht mit den Erben als gesamthänderisch gebundene Personenmehrheit, sog. Gesamthandsgemeinschaft (§ 2029 BGB) fort (BGH 11.9.02, XII ZR 187/00, NJW 02, 3389; 21.12.88, VIII ZR 277/87, NJW 89, 2133). Die Gesamthandsgemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist daher weder rechts- noch parteifähig (BGH II ZR 331/00, NJW 01, 1056; BGH VIII ZB 94/05, ZErb 07, 1). Daher kommt der Mietvertrag nicht mit der Gemeinschaft als solcher, sondern mit den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft zustande (BGH 11.9.02, XII ZR 187/00, NJW 02, 3389).
In der Praxis ist die Schriftform problematisch. Welche genauen Anforderungen der BGH an die Angaben zu den Erben zur Schriftformwahrung stellt, konnte er bisher weitgehend offenlassen. Die Bezeichnung einer Vertragspartei als, „Erbengemeinschaft E …“, wahrt daher die Schriftform nicht (BGH 11.9.02, XII ZR 187/00). Trotz der Tatsache, dass die Identität der Erben mitunter erst Jahre nach dem Todesfall aufgrund nachträglich verfügbar gewordener Testamente oder Bekanntwerden weiterer Abkömmlinge feststeht, hat der BGH eine Bezeichnung als „Erben des/der …, geb. am …, verstorben am …, zuletzt wohnhaft …“ zur Wahrung der Schriftform ausreichen lassen (BGH 17.3.15, VIII ZR 298/14).
Merke | Als Grundsatz ist festzuhalten, dass die Form des § 550 BGB nur dann gewahrt ist, wenn die Miterben entweder sämtlich in der Vertragsurkunde namentlich benannt (KG 20.3.17, 8 U 152/16) oder zumindest in bestimmbarer Weise bezeichnet sind. Das ist im Einzelfall zu prüfen. |
Hieran fehlt es, wenn der Mietvertrag als Vermieterin eine „Erbengemeinschaft Sa vertreten durch S. K.“ ausweist. Grund: Es ist dann unklar, ob die Erben nach dem Erblasser dieses Namens gemeint sind oder Erben mit diesem Namen (BGH 11.9.02, XII ZR 187/00). Gleiches gilt für die Bezeichnung der Grundstückseigentümerin als „Erbengemeinschaft I., vertreten durch Herrn H. M., Ö.“, weil die Miterben als Vermieter hierdurch nicht ersichtlich sind (BGH 12.7.06, XII ZR 178/03, NJW-RR 06, 1385; OLG Düsseldorf 5.5.11, I-10 U 100/10 n. v.; der BGH hat den PKH-Antrag für die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen, BGH 4.7.11, XII ZA 56/11). Wird als Vermieter dagegen eine „Erbengemeinschaft nach M. M., vertreten durch C. A., B-Str. …, Berlin (Vor- und Nachnahme der Erblasserin sind ausgeschrieben) eingetragen, lässt sich hieraus auch ohne zusätzliche Angabe der früheren Anschrift der Erblasserin entnehmen, dass eine Erbengemeinschaft nach „M. M“ gebildet worden ist. Das genügt auch aus Erwerbersicht, um die Mitglieder der Erbengemeinschaft durch Grundbucheinsicht zu identifizieren und so den Vermieter zu bestimmen (BGH 17.3.15, VIII ZR 298/14). Nach OLG Hamburg (29.7.16, 8 U 5/16, ZMR 16, 941) kann es zur Wahrung der Schriftform ausreichen, wenn die Urkunde erkennen lässt, dass die für die Erbengemeinschaft unterzeichnenden Personen als Grundstückseigentümer handeln. Die Unterschrift der unterzeichnenden Personen muss allerdings lesbar sein, da andernfalls keine eindeutige Zuordnung zur Erbengemeinschaft möglich ist (OLG Hamburg, 19.3. 14, 8 U 138/11, ZMR 15, 291).
Praxistipp | Der Anwalt sollte den sichersten Weg gehen und empfehlen, vorsorglich die Angaben zu den Personen (Namen und Adressen), die als tatsächliche oder auch nur vermeintliche Erben den Vertrag abschließen, in schriftformwahrender Weise im Vertrag anzugeben. Am besten ist es sicherlich, die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft – handelnd in Erbengemeinschaft – aufzuführen, ggf. unter Bezugnahme und Beifügung einer (beglaubigten) Kopie des Erbscheins, und dann alle Erben unterschreiben zu lassen. Empfehlenswert wäre dann auch die Angabe eines für die Gemeinschaft handelnden Verantwortlichen, um den weiteren und häufiger vorkommenden Streit der Vertretungsbefugnis zu vermeiden. |
Befindet sich im Nachlass eine gewerblich vermietete Immobilie, ist im Hinblick auf das Schriftformerfordernis das am 1.1.25 in Kraft getretene Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) zu beachten. Für gewerbliche Mietverträge, die länger als ein Jahr laufen, war bisher gemäß §§ 578, 550 BGB die Schriftform obligatorisch; wurde diese nicht eingehalten, galt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist vorzeitig beendet werden. Mit Inkrafttreten des BEG IV (Art. 14) wurde § 578 Abs. 1 BGB angepasst. Danach genügt bei Mietverhältnissen über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, für Vereinbarungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr die Textform gemäß § 126b BGB; die Schriftform des § 550 BGB ist insoweit nicht mehr erforderlich. Die Wahl der Textform gemäß § 126b BGB berührt die Wirksamkeit einer Befristung nicht. Ein Gewerberaummietvertrag, der in Textform abgeschlossen wird, kann daher auch bei einer vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr oder über zehn Jahre hinweg wirksam zustande kommen. Anders als bei der zuvor geltenden Schriftform des § 550 BGB führt das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift nicht mehr dazu, dass der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.
Merke | Die Textform gemäß § 126b BGB genügt auch für langfristige Mietverhältnisse. Die Laufzeit des Vertrages wird durch die Wahl der Textform nicht berührt. |
Für bestehende Mietverhältnisse, die vor dem 1.1.25 geschlossen wurden, gilt eine Übergangsfrist von einem Jahr. Das heißt: Diese sind noch für ein Jahr nach den alten Vorschriften zu beurteilen, das Schriftformerfordernis bleibt bis zum 31.12.25 verbindlich. Wird ein Mietvertrag früher geändert, gelten die neuen Vorschriften bereits ab dem Zeitpunkt der Änderung. Nach Ablauf der Übergangsfrist – ab dem 1.1.26 – gilt die neue Regelung auch für Altverträge.
Merke | § 550 BGB regelt nicht die Wirksamkeit des Vertrages, sondern – diese vorausgesetzt – allein die Frage, wie lang die Mietvertragsparteien gebunden sind, ohne sich vom Vertrag lösen zu können. Die Vorschrift ist zwingend und kann auch nicht durch mündliche Vereinbarung abbedungen werden (BGH 27.9.17, XII ZR 114/16). |
- Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe von EE fortgesetzt.
AUSGABE: EE 5/2025, S. 78 · ID: 50400695